Twigo und einige weitere Diebe hatten sich ihnen angeschlossen. Diesmal gehörte Synarek zu denen, die zu Fuß marschierten. Auch Twigo lief fröhlich neben ihm. Twigo hatte Synarek erzählt, dass Tzandari ihn aufgenommen hatte, als er von einem Dämon besessen gewesen war und ihn gepflegt hatte.
»Also ist Tzandari ein Dämonenbeschwörer?«, hatte Synarek gefragt.
»War – soweit ich weiß.« Twigo hatte verstohlen zu Cas rübergesehen. »Cas mag keine Dämonen, ihr zuliebe hat Tzandari damit aufgehört. Nur in Notsituationen, wie bei mir, macht er Ausnahmen.«
»Ist das nicht gefährlich? Ich meine, verlernt man das nicht, wenn man außer Übung ist?«, hatte Synarek gefragt.
»Keine Ahnung. Seh ich aus wie ein Dämonenbeschwörer?«
Aber auch Twigo war neugierig. Er fragte Synarek über seine Gaben aus, denn er hatte so eine starke dämonische Aura, dass Twigo vermutete, dass er sicherlich mehr konnte, als er selbst. Twigo konnte Dämonen entweder spüren, sehen oder hören. Das kam ganz auf den Dämon an, mit dem er es zutun hatte. So ganz hatte Synarek es nicht verstanden. Synarek hatte Twigo erzählt, dass er Dämonen sehen, hören und spüren konnte. Er wusste nicht, wie viel er Twigo erzählen sollte, aber er entschied sich, ihm noch zu erzählen, dass er sich auch mit ihnen unterhalten konnte.
»Du kannst sicherlich noch vieles mehr, von dem du gar nichts weißt«, sagte Twigo. »Noch nicht.«
»Hmm«, machte Synarek nur. Wenn der wüsste ...
Tzapadil gesellte sich zu ihnen und fing in seinem üblichen Plauderton an, sich mit ihnen zu unterhalten. Twigo und er unterhielten sich, während Synarek eine Weile seinen Gedanken nachhing, bis Tzapadil ihn daraus riss, in dem er sich direkt an ihn wandte: »Wie ist es eigentlich so, Soldat zu sein?«
»Ähm ...« Synarek wusste nicht, was er dazu sagen sollte, »Na ja ...«
Twigo fiel ihm ins Wort: »Du wirst es nicht glauben, Tzapadil! Synarek und ich haben tatsächlich gemeinsame Bekannte.«
Tzapadil sah sie fragend an, während Twigo erklärte: »Die Waisenkinder, mit denen ich gereist bin, erinnerst du dich? Sie wollten sich zu Soldaten ausbilden lassen, und Synarek hat sie bei Wrang-ba getroffen.«
»So ein Zufall«, bemerkte Tzapadil, und Synarek grinste: »In der Tat. Die Welt ist klein.«
»Erstaunlich klein«, pflichtete Twigo ihm bei. »Letztens erst habe ich einen jungen Mann getroffen, der sich nach einer kurzen Unterhaltung als Bekannter Ajas herausstellte ...« Nun sprachen Twigo und Tzapadil über eine gemeinsame Bekannte namens Aja.
Synarek überlegte wieder, wie er am besten abhauen konnte. Am unauffälligsten war es wohl in der Nacht.
Synarek blieb den ganzen Tag hellwach. Sie beschlossen, in der Nacht keine Pause zu machen, sondern weiter durchzureisen. Die Leute, die tagsüber gelaufen waren, durften nun auf die Karren klettern, und die, die den Tag lang gedöst oder geschlafen hatten, liefen nun neben den Karren her. Synarek wollte irgendwie versuchen, unbemerkt zu fliehen. Doch wie? Er saß jetzt mit Tzapadil, Tzandari, Cas, Twigo und einigen anderen zusammen in einem Karren und betrachtete nervös das Geschehen um ihn herum. Weit und breit nichts als Feld, nur gelegentlich unterbrachen ein paar dürre Bäume die monotone Landschaft. Doch es gab eine Menge niedriges Gebüsch, hinter dem er sich verstecken könnte. Doch wie sollte er unbemerkt von diesem Karren kommen?
Während Synarek noch überlegte, ob er einfach in die Dunkelheit springen und dann so schnell wie möglich laufen sollte, hielten die Karren auch schon an. Jemand rief: »Pinkelpause.«
Perfekt!
Synarek rappelte sich auf: »Entschuldigt mich kurz.«
Dann sprang er ab und verschwand mit den anderen Schatten in den Gebüschen. Nun galt es, sich unauffällig von ihnen zu entfernen. Niemand achtete auf ihn, da sie alle mit sich selbst beschäftigt waren, sodass sich Synarek so vorsichtig von ihnen entfernen konnte, bis er so einige Schritte weit weg war und sich in einem Gebüsch verbergen konnte. Dort verharrte er geduldig, bis die Gestalten nacheinander verschwanden. Sie brauchten wirklich länger, als er geglaubt hatte. Hoffentlich nahm Tzandari an, dass Synarek einfach in der Dunkelheit auf einen anderen Karren gestiegen war. Falls nicht, musste er schleunigst fort, denn falls sie ihn suchen sollten, würde Twigo ihn aufspüren können.
Die beiden Männer, die ihm am nächsten standen, unterhielten sich leise über irgendetwas. Am liebsten hätte sie Synarek zu ihren Karren zurückbefördert, doch er übte sich in Geduld. Dann, als der Zug aus Menschen, Vieh und Karren sich langsam in Bewegung setzte, atmete Synarek tief durch. Als der letzte Karren nur noch ein kleiner schwarzer Fleck in der Dunkelheit war, stand er auf. Seine Beine prickelten unangenehm, denn er hatte zu lange in dieser Position im Gebüsch gekauert. Irgendwo in seinem Inneren war er traurig, dass er Twigo und die nette Familie von Tzandari verlassen musste, aber ihm blieb keine andere Wahl. Einmal in Moridi angekommen, würde jemand aus Wrang-ba da sein und ihn erkennen. Dann würden sie ihn hassen, selbst wenn er geblieben wäre. Da fiel ihm wieder ein, dass Cas gesagt hatte, dass er vieles mit anderen Augen sehen würde, wenn er Tzandaris wahre Geschichte erfahren würde, dass er sie mit anderen Augen sehen würde ...
Synarek lachte bitter. Auch sie würden ihn mit anderen Augen sehen, wenn sie die Wahrheit wüssten.
Mit diesen Gedanken lief er langsam in Richtung Osten durchs Feld. Er wusste, dass Tzandaris Rebellen nach Südosten reisten. Eigentlich musste er die gleiche Richtung einschlagen, aber auch wenn er immer Richtung Osten lief, würde er irgendwann an die Grenze zu Flabka kommen. Er würde in sein Land zurückkehren und, einmal dort angelangt, einfach südlich laufen, bis er die grauen Felder erreichte. Jetzt in den Osten zu laufen, hieß auch, dass er nicht mehr an Wrang-ba vorbeikam, denn er war bereits weiter südlich.
Trotzdem war Wrang-ba immer noch gefährlich nahe.
Doch nichts konnte Synarek abschrecken. Er wollte nach Osten gehen, um nach Flabka zu gelangen. Dann wäre er auch ganz in der Nähe der Festung Zarm’buck und oberhalb der nördlichen Grenze von Täfkan. Einmal in Flabka würde es ein Kinderspiel sein, in die grauen Felder zu gelangen. Bei diesen Gedanken beschleunigte Synarek seinen Schritt.