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Schamlos beobachtet Haruka Nino, wie Nino mit seinem stattlichen nackten Körper vom Bett rutscht, um sich schnell seine Pyjamahose vom Boden zu schnappen, bevor er in seinem begehbaren Kleiderschrank verschwindet. Es ist nicht Harukas Absicht gewesen, Nino komplett zu entkleiden, aber er ist nicht undankbar dafür, dass es so gekommen ist. Sein wunderschöner honiggoldener Körper ist schlank, aber perfekt geformt. Wie ein vortreffliches Kunstwerk, das er nur zu gern verzehren würde.

Er schüttelt den Kopf und versucht sich zu konzentrieren, indem er das heiße Pulsieren in seinen Lenden ignoriert. »Die Situation in Brasilien verursacht viel Unruhe unter unseren Leuten – in vielen verschiedenen Aristokratien.«

»Das verstehe ich nicht«, sagt Nino von seinem Schrank aus. »Was da passiert, kommt mir eher isoliert vor. Was immer auch da drüben das Problem ist, ist dort drüben . Es wird nichts über andere Aristokratien auf der Welt berichtet, warum sind also alle so fokussiert darauf?«

Haruka schiebt sich auf dem Bett nach oben, sodass er den Rücken an das Kopfteil lehnen kann, und überschlägt die Beine. »Es besteht die Sorge, dass die Unzufriedenheit sich auf andere Gemeinschaften ausbreitet. Der Konflikt rührt zum großen Teil von Ladislaos Mangel an Diplomatie her – dem Mangel an Gleichgewicht und Führung. Er ignoriert seine Leute und ihre Sorgen, und überlässt sie sich selbst. So ist dieser Aufstand entstanden. Ich weiß, du hörst das nicht gern, aber in einem zugegeben kleineren Ausmaß ähnelt dieser Zustand den Geschehnissen vor dem Verschwinden. Da ich einige Mitglieder der Aristokratie Mailands getroffen habe, weiß ich, dass viele meine Meinung zu dieser Situation teilen.«

Nino kommt in einer lockeren Jogginghose und einem Sweatshirt, das seine breiten Schultern bedeckt, aus dem Schrank. Er setzt sich neben Haruka auf das Bett.

»Angesichts dessen«, führt Haruka seufzend fort, »denke ich, dass ich vielleicht nach Hause zurückkehren sollte.«

Ninos Augen weiten sich. »Tatsächlich?«

»Ich glaube, es ist unverantwortlich von mir, das Reich meiner Familie in so unsicheren Zeiten unbeaufsichtigt zu lassen.«

»Wann würdest du abreisen wollen?«

»Ich bin nicht sicher … Ich wollte diese Entscheidung zuerst mit dir besprechen.« Haruka nimmt Ninos Hand und verschränkt ihre Finger miteinander, bevor er ihre vereinten Hände auf Ninos Oberschenkel ablegt. »Du bist mir ein wahrer Freund, sowie meine Quelle und nun auch mein Geliebter. Deine Meinung hat großes Gewicht. Außerdem bist du auch noch mein Forschungspartner.«

Haruka lächelt und wartet, aber Nino sagt nichts. Der goldene Vampir seufzt schwer und fährt sich mit der freien Hand durch das Haar. Da Haruka seine Beunruhigung spürt, hält er seine Hand noch etwas fester. »Um eins klarzustellen, es ist nicht meine Absicht, unsere Beziehung zu beenden. Das hier ist kein Abschiedsgespräch.«

»Wie können wir so weitermachen wie bisher, wenn du nach Japan zurückziehst?« Ninos wunderschöne Augen sind geplagt von nackter Pein. »Ich kann dich nicht ernähren, wenn wir in unterschiedlichen Ländern leben.«

»Richtig. Das würde bedeuten, ich müsste mir eine andere Quelle suchen. Aber das ist nicht so ungewöhnlich, Nino. Unverbundene Vampire trinken im Laufe ihres Lebens von verschiedenen Quellen, manchmal sogar zeitgleich.«

»Aber du kannst nicht einfach von einem wahllosen Vampir trinken, Haru.« Kopfschüttelnd verzieht Nino das Gesicht. »Wegen deiner Blutlinie brauchst du Beständigkeit und eine hohe Qualität. Wenn du wieder an so eine Elsie gerätst, werden die Chemie deines Körpers und deine Natur wieder vollkommen durcheinandergebracht.«

»Von der Nahrung einmal abgesehen …« Haruka grinst. »Wie sollen wir unsere berufliche und persönliche Beziehung aufrechterhalten? Wärst du bereit mich zu besuchen? Sobald ich mich eingerichtet habe und es dein Terminplan erlaubt? Bitte fühl dich nicht gezwungen …«

»Natürlich besuche ich dich. Ich denke … Falls du willst, könnte ich …«

Haruka wartet, aber es folgt nichts mehr. »Ja?«

»Ich … Ich weiß auch nicht.« Nino lässt die Schultern hängen. Er lehnt sich an das Kopfende des Bettes. »Vielleicht könnten wir noch mehr Umfragen in Gemeinden auf der ganzen Welt durchführen. Wir könnten uns an verschiedenen Orten treffen? Wie gemeinsame Forschungsurlaube.«

»Der Begriff ›Forschungsurlaub‹ klingt für mich nach einem Oxymoron, aber ich verstehe, was du meinst. Das würde mir sehr gefallen.«

Eine friedvolle Stille breitet sich zwischen ihnen aus, ihre Hände sind noch fest ineinander verschlungen. Die Wolken verschieben sich, sodass sie der Sonne erlauben, etwas heller durch die Deckenfenster zu scheinen.

»Also …« Nino durchbricht die Stille. »Dann werden wir einfach getrennt leben.«

Nickend atmet Haruka ein. Die Traurigkeit, die dieser Aussage innewohnt, lastet schwer auf seiner Brust. Er möchte nicht von Nino getrennt sein, aber er sollte in sein Reich zurückkehren. Er läuft seit siebzig Jahren vor seiner Verantwortung davon.

Das Ironische an der ganzen Sache ist, dass Nino den Anstoß dafür gegeben hat, dass Haruka wieder an Stärke und Gesundheit gewonnen hat. Aber dadurch werden sie nun voneinander getrennt.

»Ich will nicht ohne dich leben.« Nino lässt den Kopf hängen und starrt auf seine Oberschenkel. »Gibt es einen Weg, wie wir zusammenbleiben können? Würdest du das wollen?«

Haruka schluckt, seine Kehle ist eng. »Das möchte ich. Aber Nino, ich kann nicht von dir erwarten, dass du dein ganzes Leben und dein Geschäft für mich aufgibst, vor allem in Anbetracht der Tatsache … dass ich dir keine Verbindung versprechen kann.«

»Das ist okay«, sagt Nino und sieht ihm in die Augen. »Ich habe nie mit dem Gedanken gespielt, nach Japan zu ziehen, aber jetzt, da ich so darüber nachdenke, könnte das doch interessant für mich sein. Ich kann überall ein Geschäft aufbauen.«

Haruka wird leicht ums Herz. Seine Aura windet sich vor Freude, anstelle der üblichen Angst oder Unruhe. Aber verlangt er da zu viel von Nino? Sollte er es ihm ausreden? Die Zweifel schwirren ihm durch den Kopf, aber er versucht sie zu ignorieren. Vielleicht ist das selbstsüchtig von ihm, aber er will es so sehr.

»Das einzige Problem ist«, sagt Nino und sieht erneut hinab, »dass ich dann eine neue Quelle finden muss. Sobald du alles geregelt hast, hilfst du mir, jemanden zu finden, dem wir vertrauen können?«

Haruka nickt und fällt innerlich eine Entscheidung. »Ich werde mich darum kümmern. Sobald ich richtig angekommen bin, solltest du mich besuchen kommen. Wenn Westjapan dir während deines Besuchs zusagt, sollten wir das zusammen entscheiden.«

Mit einer langsamen, vorsichtigen Bewegung lässt Nino Harukas Hand los und setzt sich rittlings auf seinen Schoß. Er drückt sein Gewicht gegen Harukas Hüfte und lässt sich zwischen seine Beine sinken. Ninos Augen glänzen und er beißt sich auf die Unterlippe. Haruka schlingt die Arme um Ninos Taille, um ihn fest an sich gepresst zu halten.

»Mir gefällt dieser Plan.« Nino legt die Hände an Harukas Hinterkopf. Er lehnt sich vor und haucht einen süßen Kuss auf das Muttermal neben Harukas Nasenrücken. »Er ist viel besser als Forschungsurlaube.«

»Wir könnten auch beides machen?« Lächelnd schließt Haruka die Augen.

Nino küsst Harukas Lippen. Die weiche Fülle von Ninos Mund in Kombination mit seinem Gewicht ist großartig. Er senkt den Kopf und wandert an Harukas Kiefer entlang. Als er an seiner Halsbeuge ankommt, atmet er tief ein, bevor er ihn dort küsst.

»Du hast mich nackt gesehen«, sagt Nino mit tiefer Stimme. Träge fährt er mit der Zunge an Harukas Hals entlang – immer und immer wieder, als wäre dieser sein liebster Lolli. »Aber ich habe dich nicht gesehen. Das kommt mir ein wenig unfair vor.«

»Ach ja?« Haruka schmunzelt und öffnet die Augen.

Nino setzt sich konzentriert auf. »Haru, was … halten wir von Sex?«

»Wenn man mein Verhalten von heute Morgen bedenkt, sollten meine Gefühle diesbezüglich offensichtlich …«

»Okay, aber ich meine … mehr .« Nino hebt den Körper ein wenig an, um die Hand zwischen sie gleiten zu lassen und an dem Bund von Harukas Pyjamahose zu ziehen. Langsam schiebt er sie hinein, bis Haruka fühlt, wie Nino die warmen, langen Finger um seine nackte Länge legt. »Alles «, sagt Nino.

Konzentriert atmet Haruka durch die Nase. »Was hältst du davon?«

Nino lehnt sich wieder vor und drückt sanft die Stirn an Harukas. »Ich will dich. Auf jede erdenkliche Art.«

»Ich will dich .« Haruka seufzt. »Trotzdem sollten wir vorsichtig sein und nicht zu verschwenderisch mit Intimitäten umgehen.«

Ninos Hand erstarrt. Er setzt sich aufrecht hin und atmet tief ein, als würde er sich für etwas wappnen. »Wie oft ist denn angenehm für dich?«

Haruka legt den Kopf nach hinten und seufzt. Er möchte nicht streng erscheinen, aber nach allem, was er gelesen hat, was er weiß, und der Forschung nach zu urteilen, ist die kleinste durchschnittliche Zahl am sichersten. »Nicht mehr als viermal.«

»Vier ?« Nino versteift sich, seine Tonlage springt mehrere Oktaven höher. »So wenig

»Das wäre am sichersten. Die meisten reinblütigen Paare in Lore and Lust haben sich nach vier bis zehn Malen erfolgreich verbunden. Fünfmal wäre vielleicht noch akzeptabel, aber auch riskant.«

»Aber für eine Verbindung ist auch der Austausch von Blut nötig«, argumentiert Nino, während er die kupferfarbenen Augenbrauen besorgt zusammenzieht. »Das tun wir nicht, also sollten wir doch sicher sein?«

»Das … könnte sich ändern.«

Blinzelnd zieht Nino sich ein wenig zurück. »Ja?«

»Ja. Und durch meine Spontaneität heute Morgen habe ich uns sogar auf nur drei mal eingeschränkt.«

»Aber heute Morgen … Zählt das?«

Haruka überlegt blinzelnd. »Hat es dich körperlich befriedigt?

Als Antwort klettert Nino von Harukas Schoß, setzt sich wie ein Häufchen Elend neben ihn und atmet schmollend aus. Er erinnert Haruka an ein Kind, dem gesagt wurde, dass die Schulpause vorbei ist. Er sieht geradeaus, sein Blick abwesend. »Okay … dreimal.«

»Nino, ich kann dich trotzdem emotional befriedigen und dir gezielte Gedanken senden, wenn ich von dir trinke. Außerdem besteht unsere Beziehung aus mehr als nur körperlicher Intimität, oder nicht?«

Ninos Blick ist weiterhin auf die Wand gerichtet. »Ja. Du hast recht.«

Haruka schmollt. Es ist, als wäre Nino die Seele aus dem Körper gesogen worden. Die Aussicht, nur dreimal Liebe mit Nino machen zu können, gefällt ihm auch nicht, aber er möchte keine Verbindung riskieren. Das wird er einfach nicht. Er möchte einem anderen Vampir gegenüber nie wieder so verpflichtet sein und sich so verletzlich fühlen. Das erste Mal ist zu schmerzhaft, demütigend und mit Reue erfüllt gewesen. Es ist zu viel Selbstaufgabe. Er kann das nicht noch einmal.

Besorgt hebt Haruka die Augenbraue. »Hast du jetzt Bedenken wegen unseres Plans?« Nino schnaubt lachend und strafft die Schultern, die Trance ist gebrochen.

»Absolut nicht. Haru, ich liebe …«

Mit großen Augen starrt Haruka Ninos attraktives Profil an. Auch Ninos Augen sind geweitet, während er stur geradeaus guckt. Haruka greift nach seiner Hand, bevor er sie an den Mund bringt und zärtliche Küsse auf der Handfläche verteilt. Nino entspannt die Schultern und unterdrückt ein Grinsen.

»Nein, ich habe keine Bedenken. Ich freue mich auf die Reise.«

Haruka unterbricht seine Küsse. »Und ich bin dankbar.«