8. KAPITEL

Rick erstarrte, als Stella mit der rechten Hand an den verletzten linken Arm fasste und sich auf die Unterlippe biss, feucht und geschwollen von seinem leidenschaftlichen Kuss. Noch ganz benommen versuchte er zu begreifen, was geschehen war.

„Alles okay“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als der Schmerz nachließ. Sie sah seine Bestürzung, und noch etwas anderes, ein langsamen Begreifen, das in blankes Entsetzen überging.

Nein, nein, nein.

„Gib mir nur ein paar Sekunden“, versuchte sie ihn zu beruhigen, während sie den trunkenen Glanz aus seinem Blick weichen sah. „Jetzt.“ Sie lächelte zu ihm auf und legte ihm die gesunde Hand auf die Schulter. „Wo waren wir stehen geblieben?“

Rick schüttelte den Kopf, als wollte er die Überbleibsel eines bösen Traumes vertreiben. Was zum Teufel? Mit einem Stöhnen ließ er sich zurück aufs Deck sinken.

„Oh, mein Gott“, sagte er, den Blick gen Himmel gerichtet und doch blind für dessen Schönheit.

„Rick“, sagte sie beschwichtigend und strich mit einem Finger über seine Hand, „alles ist gut.“

„Oh, mein Gott“, wiederholte er, legte eine Hand über die Augen und schüttelte unablässig den Kopf. „Was habe ich getan?“

„Rick …“

„Nein.“ Er sprang auf. „Nein, Stella“, sagte er und sah auf sie herab. „Das ist … verrückt.“

Stella blinzelte ungläubig. Vorsichtig richtete sie sich auf. „Warum?“

Rick starrte sie an. Ihre gelassene Reaktion erfüllte ihn mit Angst. „Darum“, stotterte er. „Weil du Stella bist und ich Rick und wir“, er zeigte unablässig zwischen ihnen hin und her, „machen so etwas nicht.“

„Wir haben um einen Kuss gewettet“, erinnerte sie ihn.

Und was Stella anging, war es der beste Kuss aller Zeiten gewesen. Ein Kuss, der Dale für alle Ewigkeit aus ihrem Bewusstsein gelöscht hatte. Ein Kuss, neben dem alle zukünftigen Küsse verblassen würden.

Entschlossen schüttelte Rick den Kopf. „Aber doch nicht so ein Kuss.“

„Warum denn nicht?“ Schließlich war sie nicht mehr sechzehn.

Ihre simple Frage ließ ihn erblassen. „Wegen über zwanzig Jahren Freundschaft? Wegen der Firma, die uns beiden gehört? Wegen deines Vaters, Himmelherrgott noch mal!“

Stella runzelte die Stirn. „Wegen meines Vaters?“

„Ja“, bestätigte Rick aufgebracht.

„Wegen meines Vaters?“

Rick nickte, verwundert über ihre Fassungslosigkeit. „Jeder aus seiner Mannschaft wusste, dass du tabu bist. Niemand durfte Nathans kleinem Mädchen zu nahe kommen.“

Stella brauchte einen Moment, um das zu verdauen. Hätte Rick schon längst den ersten Schritt gemacht, wenn ihr Vater sich nicht wie ein Neandertaler aufgeführt hätte?

„Tja, ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber ich bin kein kleines Mädchen mehr, Rick. Und mein Vater ist tot.“

Ricks Blick fiel unwillkürlich auf ihr knappes Top. „Ja.“ Er zog eine Grimasse und sah ihr wieder ins Gesicht. „Ist mir aufgefallen.“

Seine Antwort klang so verzweifelt, dass Stella lachen musste. „Ich habe Brüste bekommen, tut mir leid.“

Erneut senkte er den Blick. „Ja, vorher war alles einfacher.“

Sie runzelte die Stirn. „Die Brüste habe ich schon eine ganze Weile, Rick – was hat sich geändert?“

Er sah sie an. Das verdammte Buch. Piratenherz.

„Das Mondlicht?“, log er. Irgendwie ahnte er, dass sie von der Wahrheit nicht gerade angetan wäre. „Keine Ahnung.“ Er zuckte die Schultern. „Früher hat es sich nie ergeben. Wir waren nie allein. Jedenfalls nicht so.“

Stella dachte darüber nach. „Du hast recht.“

Sie sahen einander lange an. „Ich glaube, wir würden es irgendwann bereuen, Stella. Es wäre zwischen uns nie wieder so wie früher.“

Stella wusste, was er sagte, klang vernünftig. Doch sie spürte noch immer das Prickeln in ihren Brüsten und zwischen ihren Schenkeln. Das sanfte Schaukeln des Bootes reichte fast, um ihre wie Drahtseile gespannten Muskeln in Verzückung zu versetzen.

„Na gut“, schnaubte sie und drängte sich an ihm vorbei zu ihrer Kabine. „Da bin ich ja froh, dass ich meinen Vibrator eingepackt habe.“

Rick blinzelte. „Du hast einen Vibrator dabei?“

Sie blieb stehen und drehte sich um. „Ich bin eine erwachsene Frau, Rick. Ich habe gewisse Bedürfnisse.“ Sie wandte sich wieder zum Gehen.

Rick schloss die Augen und stöhnte still, als eine besonders drastische Szene vor seinem inneren Auge auftauchte. „Danke für dieses Bild, Stella“, rief er ihr nach, sein Blick wie hypnotisiert von ihrem Hüftschwung.

Lächelnd blickte sie über die Schulter. „Träum süß.“

Rick hatte keine gute Nacht.

Jedes Mal, wenn Stellas Glöckchen klingelte, lauschte er angespannt. Was er zu hören hoffte, wusste er nicht genau. Ein Seufzen? Ein Stöhnen? Diese kleinen wimmernden Laute?

Oje, die kleinen wimmernden Laute waren seinem Schlaf nicht förderlich. Was nützte es, sich moralisch überlegen zu fühlen, wenn er wusste, dass sie sich nebenan selbst verwöhnte? Wenn er wusste, er hätte bei ihr sein können?

Sie küssen.

Sie berühren.

Nein!

Es war hart, aber am Ende der Reise würden sie dankbar sein, dass sie vernünftig gewesen waren. Froh, dass sie die Grenze nicht überschritten hatten.

Vielleicht würden sie eines Tages sogar darüber lachen.

Vielleicht.

Am nächsten Morgen setzte Rick um acht Uhr die Segel. Stella war noch nicht aufgestanden, und er hatte keine Lust, tatenlos herumzusitzen und sich den Kopf über die vergangene Nacht zu zerbrechen.

Es war wieder ein herrlicher Tag, und er verlor sich in den vertrauten Ritualen des Segelns – bis Stella eine Stunde später an Deck kam.

In einem Mikro-Bikini.

Er starrte sie mit offenem Mund an, froh über die Tarnung, die seine Sonnenbrille bot. Zwei winzige Dreiecke bedeckten notdürftig ihre prallen Brüste, und das knappe Höschen wurde an den Seiten von zwei neckischen kleinen Schleifen gehalten.

„Guten Morgen“, sagte sie aufgeräumt, als sie auf ihn zukam, ihren Laptop, Kokossonnencreme und ein Frotteetuch in der Hand. Ein Lächeln im Gesicht. „Was für ein herrlicher Tag“, murmelte sie und atmete die frische Seeluft tief ein.

Rick sah, wie sich ihr Brustkorb dehnte und sich der Stoff ihres Bikinis geradezu unanständig spannte. Heilige Muttergottes, wollte sie, dass er einen Herzinfarkt bekam?

„Gut geschlafen?“, fragte er betont nüchtern.

Seufzend ließ Stella die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Wie ein Baby“, schnurrte sie.

Was glatt gelogen war. Wie hätte sie schlafen sollen, wo jede erogene Zone, die sie besaß, und einige, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie existierten, in Flammen standen?

Sie hatte kaum ein Auge zugetan.

Vielleicht hätte sie sich selbst tatsächlich verwöhnen sollen, wie sie es Rick gegenüber angedeutet hatte, doch sie sehnte sich nach starken Männerarmen, nicht nach Mr Buzzy.

„Wie geht’s deinem Arm?“, fragte er höflich.

„Gut.“ Sie nickte. Zum ersten Mal hatte er beim Aufwachen nicht wehgetan, und die blauen Flecken waren fast vollständig verblasst. „Ich glaube, ich kann endlich wieder tippen.“

„Dann nichts wie an die Arbeit“, schlug er eilig vor, um ihrem Kokosduft und dem Anblick ihrer nackten Schultern zu entkommen.

Stella nickte widerstrebend. Es war, als litte sie an einem Tropenfieber, und Rick war Ursache und Gegenmittel zugleich.

„Ruf, wenn du mich brauchst“, murmelte sie, als sie sich an ihm vorbeidrängte.

Hinter seiner Sonnenbrille verfolgte er ihren verführerischen Hüftschwung. Ruf, wenn du mich brauchst.

Zunächst legte Stella sich zwei Stunden lang in die Sonne. Sie war nicht ganz sicher, was sie damit bezweckte, aber irgendwie erhoffte sie sich eine Reaktion von Rick. Schließlich konnte er doch nicht immun gegen ihre Flirtversuche sein. Sie räkelte sich lasziv, drehte sich auf den Rücken, setzte sich hin, trug großzügig Sonnencreme auf, band sogar die Schleifen neu.

Keine Reaktion.

Bei Tageslicht schien er für ihre Reize unempfänglich zu sein.

Ganz anders als der Mann, der sie noch vor wenigen Stunden geküsst hatte, als würde morgen die Welt untergehen.

Ganz anders als der Mann, den sie schon ewig kannte – der immer für einen Scherz zu haben und dessen Begeisterung für das Meer ansteckend war.

Wie ein Roboter stand er am Steuer. Die Sonnenbrille auf der Nase blickte er unverwandt auf den Horizont. Was er da wohl suchte? Den Sinn des Lebens?

Die Stimmung war jedenfalls dahin, obwohl doch nichts zwischen ihnen passiert war.

Oder wenigstens nicht viel.

Irgendwann gab sie auf und schlief ein, völlig erschöpft nach der unruhigen Nacht. Später würde sie etwas unternehmen, um die Situation zu klären. Denn sie wollte ihn nicht verlieren. Und wenn das bedeutete, dass sie ins Grab ging, ohne je mit einem gewissen Riccardo Granville geschlafen zu haben, dann war es eben so.

Nachdem er den ganzen Tag zugesehen hatte, wie Stella sich in einem Bikini räkelte, war er froh, endlich Anker zu werfen und unter Deck gehen zu können. Er duschte. Kalt. Und sagte sich dieselben Dinge, die er sich schon letzte Nacht gesagt hatte.

Es ging um Stella. Die Tochter von Nathan. Seinem alten Freund und Geschäftspartner.

Als er aus der Dusche kam, fiel sein Blick auf Piratenherz, und sofort war es wieder um ihn geschehen. Er las dort weiter, wo das Buch aufgeschlagen war. Die Szene, wo Vasco Lady Mary mit einer reifen Birne füttert. Himmel, er konnte den süßen Birnensaft, der Mary das Kinn hinunterrann und den Vasco fortküsste, fast schmecken!

Rick schloss die Augen, um nicht den Verstand zu verlieren. Er ließ die Finger über die goldenen Buchstaben ihres Namens gleiten. Wie sollte er die Stella Mills, die diese saftige Szene geschrieben hatte, mit der Stella Mills vereinbaren, die er fast sein ganzes Leben kannte?

Wie konnte er ihr je wieder unbefangen gegenübertreten, nachdem er ihre heimlichsten erotischen Fantasien kannte?

In denen er selbst die Hauptrolle spielte?

Stella wurde zur Obsession.

Die Frage war, würde diese Obsession vergehen? Oder war er auf ewig verdammt?

Er schob das Buch unter sein Kissen.

Aus den Augen, aus dem Sinn.

Stella warf gerade eine Angel aus, als Rick eine halbe Stunde später wieder an Deck kam. „Ich dachte, wir essen heute Abend Fisch“, begrüßte sie ihn.

Rick nickte. Zwar hatte sie sich längst ein Hemd übergezogen, aber es war, als hätte er plötzlich einen Röntgenblick. „Ich heize den Grill vor.“

Eine Stunde später, als sie sich an Deck Fisch und Kartoffeln schmecken ließen, verfärbte sich der Himmel allmählich rosa. Eine sanfte Brise liebkoste Stellas Nacken und spielte mit den Strähnen, die sich aus ihrem lässig gesteckten Knoten gelöst hatten. Das Meer schlug träge gegen die Bootswand.

„Hast du geschafft, was du dir vorgenommen hattest?“, fragte Rick, nachdem sie die meiste Zeit während des Essens geschwiegen hatten.

Stella nickte, dankbar für das Gespräch. Ihr war bewusst, dass sie beide es vermieden über den gestrigen Abend zu reden. „Über dreitausend Worte.“

Er trank einen großen Schluck von seinem Bier. „Ist das dein Durchschnitt?“

Erneut nickte sie. „Ich versuche, dreitausend pro Tag zu schaffen. Manchmal …“ Sie verzog das Gesicht. „An manchen Tagen fällt es mir leichter als an anderen.“

„Woran liegt’s?“, fragte er.

„Es ist ein bisschen so, als würde man nach einem verlorenen Schatz tauchen. Manchmal liegen die Münzen einfach so auf dem Meeresgrund und man braucht sie bloß noch einzusammeln. Und manchmal sind sie in Truhen verborgen, eingeschlossen in den unerreichbaren Nischen eines uralten Schiffswracks. Sie sind da … du kannst sie sehen … aber du kommst nicht dran. So ist das mit der Muse auch. An manchen Tagen zeigt sie sich von selbst und die Worte fließen von allein, und an anderen Tagen …“ Sie zuckte die Schultern. „… kommt es mir vor, als wäre jedes Wort in einer verborgenen Truhe eingeschlossen, an die ich nicht herankomme.“

„Ach ja, die Muse“, witzelte er.

Stella lachte. „Tut mir leid, das klang jetzt ein bisschen affektiert.“

„Nein, gar nicht“, beruhigte er sie lächelnd. „Fallen dir manche Szenen leichter als andere?“ Die Frage war ihm einfach so herausgerutscht.

Stella wandte den Blick ab. Die Sexszenen in Piratenherz hatten sich wie von selbst geschrieben. Entfesselte erotische Fantasien der vergangenen Jahre verliehen den Szenen eine geradezu peinliche Anschaulichkeit.

„Nein, eigentlich nicht“, log sie, während sie aufstand, um die Teller abzuräumen. Wegen ihrer Verletzung balancierte sie das Geschirr ein wenig unbeholfen und war froh über die ruhige See.

„Lass dir doch helfen.“ Rick stand ebenfalls auf.

Sie schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall. Du hast mich schon die ganzen letzten Tage bedient. Meinem Arm geht’s viel besser, also bleib sitzen.“ Rick setzte sich wieder, und sie lächelte. „Möchtest du noch ein Bier?“

Er nickte. „Klar, warum nicht?“ Vielleicht half ihm das beim Einschlafen.

Stella schien ziemlich lange zu brauchen. Er hörte sie unter Deck herumpoltern, während die Sonne langsam unterging und sich die ersten Sterne zeigten. Ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit durchdrang ihn. Die Planken fühlten sich gut an unter seinen nackten Füßen.

Sein Deck, sein Boot, sein Meer.

Das waren die Dinge, die ihn glücklich machten. Nicht irgendeine Frau, die in seiner Küche herumklapperte.

Eine Frau hatte ihn noch nie glücklich gemacht.

Ganz im Gegenteil. Meistens verspürte er den Drang, die Flucht zu ergreifen. Das Mädchen im nächsten Hafen abzusetzen und davonzusegeln. Zurück zu seiner wahren Geliebten – dem Meer.

Wie Nathan. Wie sein Vater.

Und doch war er hier und teilte das Meer mit der einzigen Frau, die die Anziehungskraft dieser kompromisslosen Geliebten wahrhaft verstand.

Am Bimmeln ihres Glöckchens hörte er, dass sie zurückkam, und als er sich umdrehte, sah er sie mit zwei Bierflaschen in einer Hand und einem Teller mit zwei Mangos, einem Messer und einer Serviette in der anderen auf sich zukommen.

„Möchtest du auch eine Mango?“ Sie reichte ihm sein Bier und setzte sich im Schneidersitz aufs Deck, den Teller auf den Knien balancierend.

Rick nickte und setzte sich neben sie. „Danke, später vielleicht.“

Stella hob die große reife Frucht an ihr Gesicht und atmete den intensiven Duft ein.

„Mmm, köstlich“, murmelte sie. „Die ganze Kombüse riecht danach.“

Rick nickte. Das war ihm auch aufgefallen, als er vorhin unter Deck war, aber er mochte nicht hinsehen, wie sie atemlos etwas anderes anschmachtete als ihn selbst, und so hielt er den Blick fest auf den Horizont gerichtet.

Stella legte die Mango auf den Teller, und bei dem Gedanken an die süße, warme Frucht lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Sie schnitt in das weiche Fleisch, ein Tropfen Saft perlte heraus, und das berauschend starke Aroma umhüllte sie.

Indes war ihr sehr bewusst, dass Rick neben ihr saß, ohne einen Ton zu sagen. Bewusst, was gestern Nacht hier an Deck zwischen ihnen passiert war und dass es zwischen ihnen stand. Normalerweise hätte Rick jetzt über die Sterne geredet oder über Inigo und La Sirena.

Stattdessen saßen sie schweigend nebeneinander, wie schon beim Abendessen.

Stella holte tief Luft, während sie eine Mangohälfte würfelte. So konnte es nicht weitergehen. „Wegen gestern Abend …“

Rick stockte der Atem, und er trank erst einen Schluck Bier, bevor er wagte, sie anzusehen. „Was ist mit gestern Abend?“

Stella wich seinem Blick aus. „Du hattest recht“, sagte sie, mit der anderen Hälfte beschäftigt. „Wir würden es bedauern. Tut mir leid, dass ich es dir so schwer gemacht habe.“

Rick schluckte, als sie die aufgeschnittene Mangohälfte umstülpte und mit Hilfe von Zunge und Zähnen einen Würfel aus dem weichen Fruchtfleisch löste. „Ja“, sagte er schwach und versuchte, nicht an die Birnenszene in Piratenherz zu denken.

„Es würde uns nur die schönen Erinnerungen verderben.“

Erneut biss sie in die Mango, und das glucksende Geräusch ging Rick durch und durch. Sein Blick fixierte ihren Mund, der vom Saft der reifen Mango glänzte. Seine Finger schlossen sich fester um die Bierflasche. „Mmhm“, sagte er, während sein Verstand sich verabschiedete.

Ricks Augen schienen plötzlich zu glänzen wie Mondstrahlen auf Saphiren, und Stella stockte der Atem. Sie schluckte den Mundvoll Mango hinunter, doch der Saft rann ihr über die Lippen, und sie schleckte ihn mit der Zunge auf.

Rick schloss die Augen und stöhnte, als all seine edlen Vorsätze von vergangener Nacht in Wanken gerieten. „Stella“, murmelte er, und als er mit flatternden Lidern die Augen öffnete, sah er, dass sie ihn unverwandt anblickte.

Stella blinzelte, überrascht über die Sehnsucht in seiner Stimme. War er näher gerückt? Oder sie? Sie betrachtete seinen Mund und erinnerte sich, wie es sich angefühlt hatte, ihn zu küssen. So viel besser, als sie es sich je vorgestellt hatte. „Es ist verrückt“, flüsterte sie und hatte die Mango ganz vergessen.

Rick nickte, den Blick auf ihren Mund fixiert, und rückte unwillkürlich näher, angezogen wie von einem Leuchtfeuer, sein Herzschlag eins mit dem Rhythmus des Meeres. „So viel steht fest.“

„Aber was ist mit unseren Erinnerungen.“ Plötzlich fühlte sich ihr Mund trocken an. Sie schluckte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.

Ricks Pupillen weiteten sich. „Egal“, murmelte er, während der letzte Rest Widerstand zerbröckelte. „Schaffen wir uns neue Erinnerungen.“

Und er schloss den Abstand zwischen ihnen mit einem Kuss. Es gab den Moment, wo sie hätte zurückweichen können, wo sie hätte protestieren können, und er hätte aufgehört. Doch der Augenblick verstrich, und ihre Mango-Kokos-Aura umhüllte ihn mit einem klebrigen Netz des Verlangens, aus dem er sich unmöglich hätte befreien können.

Selbst wenn er es gewollt hätte.

Das Herz schlug ihm schmetternd gegen die Brust, sein Atem ging schwer. Stella schlang die Hände um seinen Hals und gab diesen kleinen kehligen Laut von sich, und irgendwie lagen sie plötzlich auf dem Deck, ihre Brüste an ihn gepresst, ihre Hand in seinem Haar.

Wo sein Bier oder ihre Mango gelandet waren, wusste er nicht, und es war ihm auch egal. Er wusste nur, dass sie duftete wie das Paradies und sich besser anfühlte als jeder erotische Traum, und als sie in seinen Mund stöhnte, schmeckte ihr Verlangen süß wie eine tropische Frucht.

Er ließ seine Hand über ihre Kehle gleiten, und sie seufzte. Dann weiter zum obersten Knopf ihres Hemds, wo der knappe Stoff ihres Bikinioberteils die Schwellung ihre Brüste betonte, und sie rang nach Atem.

Vorsichtig strich er über ihre Rippen und legte die Hand auf die sanfte Erhebung ihres Bauches, und sie wölbte den Rücken und stöhnte: „Ja, ja, ja.“

Rick ließ schwer atmend von ihr ab. „Lass uns in meine Kabine gehen“, murmelte er, wobei er ihre Augen küsste und ihre Nasenspitze und ihre Mundwinkel.

Stella schlug die Augen auf und sah nichts als Ricks Gesicht, umrahmt von Millionen von Sternen. Wann war es Nacht geworden?

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich will es hier, auf dem Deck, unter den Sternen.“

Er knabberte an ihrer Schläfe, ihrem Ohr, ihrem Hals. „Wie verrucht“, murmelte er und glitt mit der Hand unter ihr Hemd.

„Nicht zu verrucht?“, fragte sie lächelnd, als seine Lippen ihre streiften.

Leise lachend zog Rick eine Spur aus Küssen über ihre Kehle und knöpfte dabei mit flinken Fingern ihr Hemd auf. „Verrucht ist mein zweiter Vorname.“

„Tatsächlich?“, murmelte Stella, ein Kaleidoskop sinnlicher Möglichkeiten im Kopf.

„Tatsächlich“, wiederholte er, während er ein Bikinikörbchen beiseiteschob und eine Brust entblößte. Er lächelte, als sie nach Atem rang und die Brustspitze sich unter seinem bewundernden Blick aufrichtete. Er ließ Stella nicht aus den Augen, während seine Hand nach der Mango tastete.

Stella war wie berauscht. Nicht einmal ein Unterwasserbeben hätte sie aus ihrer Trance gerissen. Wie er ihre Brüste ansah – als seien sie sein Privateigentum – machte sie total an.

Es war wirklich Rick. Ihr Rick. Kein Traum. Nicht Vasco Ramirez.

Riccardo Granville.

Er hob die Hand, und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie registrierte, was er tat, und erst als der warme klebrige Mangosaft auf eine ihrer Brustwarzen tropfte, begriff sie, was er vorhatte.

Aber da hatte er den Mund schon gesenkt, und sie stöhnte und bog den Rücken durch und wusste, sie war vollkommen verloren.

Wie Lady Mary.