5. KAPITEL

Lady Mary unterdrückte einen Aufschrei, als Captain Ramirez der Blechbadewanne entstieg. Das Wasser rann an ihm herab, die gebräunte Haut erhellt vom flackernden Schein der Lampe, geheimnisvoll und verführerisch zugleich.

Ihre Kehle war trocken wie Pergament, das Herz schlug ihr bis zum Hals.

Unwillkürlich dachte sie an den prächtigen Araberhengst in Lord Ladbrookes Stallungen, und ihre Nasenflügel bebten bei der Erinnerung an die geballte Kraft unter ihren Reithosen, als sie ohne Sattel aufsaß und lospreschte.

Sehr zum Verdruss ihrer Tante.

Wie sie wohl reagieren würde, wenn sie Zeuge von Marys ungebührlichem Verhalten wäre. Sicher würde sie nach Riechsalz verlangen.

Aber ach, Mary konnte den Blick nicht von diesem Mann abwenden.

Wasser rann aus seinem Haar, und sie folgte dem Verlauf eines im Licht glänzenden Tröpfchens. Zwar verlor sie es aus den Augen, doch ihr Blick glitt dessen ungeachtet weiter nach unten zu den muskulösen Pobacken, die pure Männlichkeit ausstrahlten.

Ihre Aufmerksamkeit wanderte nach links zu einem kleinen Schönheitsmakel, ein großes Muttermal auf seiner linken Pobacke.

Vollkommen fasziniert starrte Mary es an. Es war ein perfekter Kreis, als hätte eine seiner Geliebten ihn markiert.

Marys Wangen brannten bei dieser unerhörten Vorstellung, und sie spürte, wie sich ihr Atem beschleunigte.

Gerade als sie dachte, er sei zu Stein erstarrt, drehte er sich ein wenig und eröffnete Mary eine andere Perspektive. Ihr Blick strich über einen Bizeps, einen männlichen Hüftknochen und die perfekte Linie eines muskulösen Oberschenkels, der vor mühsam unterdrückter Kraft zu vibrieren schien.

Und dann war da sein …

Mary schluckte. Als sie fünfzehn war, hatte sie in der Bibliothek ihres Onkels Illustrationen der männlichen Anatomie entdeckt, doch hatten diese nicht die pure Schönheit der wahren Sache eingefangen.

Unvermittelt griff Captain Ramirez nach einem Handtuch und stieg aus dem Bad. Sein Muttermal war das Letzte, was sie sah, bevor alles verhüllt wurde und er in seinen privaten Gemächern verschwand.

Geräuschvoll stieß Mary die Luft aus, die sie angehalten hatte, buchstäblich unfähig, sich zu bewegen.

Vasco atmete selbst ziemlich schwer, als er die Tür zu seinem Schlafgemach hinter sich schloss und sich dagegenlehnte. Als er Lady Mary im Spiegel hinter dem Vorhang entdeckt hatte, wollte er sie schockieren. Doch war er nicht auf seine vollkommen unfreiwillige Reaktion auf ihre bewundernden Blicke gefasst gewesen.

Normalerweise machte er sich nichts aus feinen Damen, doch er hatte die bebenden Nasenflügel gesehen, den erstickten Schrei vernommen.

Unter den ganzen sittsamen Röcken und beschämten Blicken schlug ein leidenschaftliches Herz. Vielleicht war sie ihm gegenüber doch nicht so gleichgültig, wie ihr züchtiges Benehmen ihn glauben machen sollte.

Rick schlug das Buch zu, nachdem er das zweite Kapitel zu Ende gelesen hatte.

Zum zweiten Mal.

An Deck hörte er Stella, und er wusste, dass es Zeit war, aufzustehen und unter Segel zu gehen. Allerdings war er nicht sicher, ob er Stella heute Morgen in die Augen sehen konnte.

Mit den Fingern fuhr er über den glänzenden Buchumschlag, die Metallic-Buchstaben, mit denen ihr Name geschrieben war – Stella Mills.

Das war nicht die Stella Mills, die er kannte.

Er schlug die Decke zurück. Das war doch albern. Stella war nicht Lady Mary. Er ließ den Gedanken kurz sacken. Lady Mary war eine Romanfigur, die sie erfunden hatte. Mit ihrer blühenden, verdammt schmutzigen Fantasie.

Dass er Vasco war, bedeutete nicht automatisch, dass sie Lady Mary war.

Lady Mary und Stella hatten keinerlei Gemeinsamkeiten.

Alles, was er jetzt brauchte, war eine kalte Dusche, und dann würden sie lossegeln.

Zwanzig Minuten später kam er an Deck – und alle guten Vorsätze waren dahin. Plötzlich war der Filter, durch den er Stella stets betrachtet hatte, verschwunden. Das Mädchen, das er bis heute gesehen hatte, das Mädchen, das er sich gezwungen hatte zu sehen, seit Nathan sie fast beim Knutschen erwischt hatte, war für immer verschwunden.

Sie trug winzige Jeansshorts mit ausgefranstem Rand und ein knappes T-Shirt. Das Haar steckte bis auf ein paar Strähnen unter einem Cowboy-Strohhut, den sie tief ins Gesicht gezogen hatte.

Nun sah er die reife Wölbung ihrer Brüste durch den dünnen Stoff des T-Shirts. Die nackte Haut an ihrem Bauch. Den prallen Po in der knappen Shorts.

Ihm war nie aufgefallen, wie weiblich ihre Kurven waren. Nicht bewusst jedenfalls. Für ihn war sie immer klein und süß gewesen.

Wie ein Kobold oder ein Zwerg.

Doch an diesen Kurven war nichts süß – sie waren gefährlich.

Und mit diesen Kurven saß er die nächsten paar Wochen unentrinnbar an Bord fest.

„Na, das wird aber auch Zeit“, meinte Stella, als sie ihn aus dem Augenwinkel entdeckte. „Ein neuer herrlicher Tag zum Segeln.“

Rick lächelte, sein Blick wie magisch von ihrem Mund angezogen. Ein Mund, der nicht annähernd so unschuldig war, wie er immer gedacht hatte.

Stella öffnete eine Flasche Sonnencreme und drückte sich etwas davon in die Handfläche. „Wenn du die Segel setzt“, sagte sie, „koche ich uns Eier mit Speck.“

Rick schluckte, als Stella die weiße Creme auf Schultern, Oberarmen und Dekolleté verteilte, wobei sie mit den Fingern unter den Stoff des T-Shirts fuhr.

Nicht auf ihre Brüste sehen. Sieh nicht auf ihre Brüste.

Zu spät.

Stella sah ihn stirnrunzelnd an. Starrte er … starrte er etwa auf ihre Brüste? Als sie jünger waren, vor dem Debakel an ihrem sechzehnten Geburtstag, hatte sie ihn manchmal dabei ertappt. Wenn ihre Blicke sich dann trafen, lächelte er vielsagend, aber das war lange her.

„Rick?“

Er blinzelte und setzte sich eilig die Sonnenbrille auf. „Ja, natürlich, Segel hissen.“ Er salutierte und wandte sich erleichtert ab. Seine Hände zitterten wie damals mit fünfzehn, als er versucht hatte, Sharon Morgans BH zu öffnen.

Gegen Mittag war Rick kurz davor durchzudrehen. Das Boot glitt sanft dahin, sodass es für ihn nicht viel mehr zu tun gab, als Stella anzustarren. Obwohl sie nichts anderes tat, als Meter von ihm entfernt auf ihrem Stuhl zu sitzen und zu schreiben, störte sie seine Konzentration. Den Laptop auf dem Schoß, saß sie direkt in seiner Sichtlinie.

Da sie sich nicht unterhielten, hatte er viel Zeit nachzudenken. Viel Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen.

Das Steuerrad in der Hand, das Meer zu seinen Füßen war es schwer, sich nicht wie der draufgängerische Pirat Vasco Ramirez vorzukommen.

Der Vasco, der erotische Abenteuer jeder Schatzsuche vorzog. Der Lady Mary nach der Szene in der Badewanne gekonnt verführte.

Ricks Gedanken wanderten zu diesen wohl kalkulierten Verführungsszenen. Vasco, der Mary an Deck das Haar wusch. Vasco, der mit den Zähnen einen Splitter aus ihrem Finger entfernt. Vasco, der mit seinem juwelenbesetzten Dolch das saftige Fleisch einer Birne schneidet und Lady Mary mit den Scheiben füttert.

Und die erotischste Szene von allen, wo Vasco sie mit ausgestreckten Armen und Beinen in Unterwäsche an sein Bett fesselt, bis Mary ihr Verlangen nach ihm gesteht.

Die Szene hatte Rick heißer gemacht als ein Sommertag am Äquator.

Allein der Gedanke daran machte ihn ziemlich heiß. Und da half es nicht, dass Stella aufgestanden war und anfing, sich in alle Richtungen zu dehnen und zu strecken.

Oh, lieber Gott im Himmel, verschone mich.

Dann drehte sie sich um und kam auf ihn zu, und angesichts ihrer sich deutlich unter dem T-Shirt abzeichnenden Brüste war er froh, dass er eine Sonnenbrille trug.

„Lust auf ein kaltes Bier und einen Snack?“, fragte Stella im Näherkommen.

„Klingt gut“, erwiderte er.

Stella tätschelte ihm gedankenverloren den Arm. „Bin gleich wieder da.“

Rick stand vollkommen still, während die flüchtige Berührung bis in sein Innerstes vordrang. Er musste über sich selbst den Kopf schütteln.

Als Stella zehn Minuten später mit Schinkenbrötchen und zwei Bier zurückkam, hatte er sich gefangen.

„Stell auf Autopilot“, sagte Stella und drückte ihm ein Bier in die Hand. „Komm und setz dich zu mir.“

Ja, genau das, was er jetzt brauchte.

Doch er folgte ihr trotzdem.

„Wie geht das Buch voran?“ Er deutete mit einem Nicken auf den geschlossenen Laptop und trank einen kräftigen Schluck Bier, um seine Neugier zu überspielen.

Stella nickte. „Es läuft ziemlich gut. Das erste Kapitel ist fast fertig. Ich habe Diana schon gemailt – sie ist begeistert. Ich glaube, Joy hat ihr gedroht, sie in Zukunft Sachbücher lektorieren zu lassen, wenn ich kein Buch abliefere.“ Stella lächelte.

Rick erwiderte ihr Lächeln. Vielleicht sollte er sie einfach frei heraus fragen, was ihm keine Ruhe ließ – nämlich ob Lady Mary in Wahrheit sie selbst war. Zumindest konnte er das Gespräch in diese Richtung lenken.

„Und worum geht es in dem Buch?“, fragte er und biss von seinem Brötchen ab.

Stella blickte unter ihrem Hutrand hervor. „Willst du das wirklich wissen?“

Rick hörte auf zu kauen. „Natürlich, wieso nicht?“

Stella blinzelte. Seit sie Rick kannte, interessierte er sich nur für Sachbücher, die irgendetwas mit Schiffsbergungen oder Schiffwracks zu tun hatten.

„Ist nicht so dein Ding, würde ich sagen.“

Oh, wenn sie wüsste. „Es ist von dir. Natürlich interessiert es mich.“

„Gute Antwort.“ Sie lächelte.

Er lächelte zurück. „Also?“ Er zog die Augenbrauen hoch.

Stella wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Nur Diana hatte damals von Piratenherz gewusst, und selbst ihr hatte Stella in der Entstehungsphase keine Einzelheiten verraten. Nur Schriftsteller verstanden, dass Handlung und Figuren nicht immer klar definiert waren, sondern oft erst beim Schreiben Konturen annahmen.

„Es geht um eine Meerjungfrau“, sagte sie. „Namens Lucinda.“

Und aus irgendeinem Grund errötete sie unter seinem prüfenden Blick. Sie dachte an all die Male, die sie als Kinder Meerjungfrau und Pirat gespielt hatten.

„Du weißt ja, ich hatte schon immer eine Schwäche für Meerjungfrauen“, erklärte sie.

Ihre Blicke trafen sich.

„Sie ist mir im Traum erschienen“, fügte sie hinzu.

Er nickte. „Und der Held?“, fragte er und hätte insgeheim gern mehr über ihren Traum erfahren.

Stella rückte ihren Hut gerade, dann setzte sie ihn ab, sodass ihr Haar auf die Schultern fiel, und blickte zum Horizont, um Zeit zu gewinnen. „Diesmal weiß ich nicht viel über den Helden“, sagte sie ausweichend.

Eine steife Meeresbrise fuhr ihr durchs Haar, und es juckte ihn in den Fingern hineinzugreifen, doch seine Hand hielt das Bier fest umschlossen. „Ist das nicht ungewöhnlich?“, fragte er.

„Keine Ahnung. Ich bin ja noch neu auf dem Gebiet. Aber so ist es eben.“

Rick betrachtete sie aus dem Augenwinkel. „War das bei deinem ersten Helden auch so?“

Stellas Herz tat einen Sprung, als sie Rick ansah. „Nein“, sagte sie leichthin, „von dem hatte ich gleich eine ziemlich klare Vorstellung.“

Rick unterdrückte ein Lächeln. Tja, Baby, und ich weiß auch warum. „Hat er wenigstens einen Namen, dein neuer Held?“

Wieder wurde Stella rot. „Inigo.“

Rick lächelte. „Ah … gute Wahl.“

Stella sah ihn an und erwiderte sein Lächeln ein wenig zerknirscht. „Vielen Dank.“ Es fiel ihr überraschend schwer, über den Helden zu reden, während Rick sie mit seinen Vasco-Ramirez-Augen prüfend ansah, selbst wenn er eine dunkle Sonnenbrille trug.

Rick lag eine Frage auf der Zunge, doch sein Herz pochte, und er überlegte, ob er die Antwort wirklich wissen wollte.

Er zwang sich, den Blick zum Horizont schweifen zu lassen, damit die Frage zwanglos wirkte. „Basieren deine Figuren auf Menschen, die du kennst?“

Stella bedachte ihn mit einem scharfen Blick. Wusste er Bescheid? Hatte er Piratenherz gelesen? Sie hatte ein Exemplar für ihren Vater an die Persephone geschickt, das Rick in die Hände bekommen haben konnte, aber es war in dem Karton mit den Sachen aus Nathans Kabine gewesen, die sie nach seinem Tod erhalten hatte, und sah ungelesen aus.

Eigentlich war es eine ganz unschuldige Frage – die ihr schon von Hunderten von Fans und Journalisten gestellt worden war –, doch ihre Schultern versteiften sich, als sie Ricks unergründliches Profil studierte.

Er wirkte entspannt wie immer, hielt das Gesicht in die Sonne und trank sein Bier mit der unbewussten Anmut eines Aftershavemodels.

Außerdem hätte er sofort gewusst, wer Vasco war, wenn er es gelesen hätte. Und sie kannte Rick gut genug, um zu wissen, dass er es sich nicht hätte verkneifen können, sie gnadenlos damit aufzuziehen.

„Nein“, sagte sie schwach und hoffte, ihre Stimme klang fester, als sie sich anfühlte.

Rick unterdrückte ein Lachen. Lügnerin.

„Sie fallen dir also einfach so ein?“, fragte er unschuldig.

„Mehr oder weniger“, sagte sie vage. „Obwohl ich, ehrlich gesagt, glaube“, gestand sie, um von dem Helden abzulenken, „dass die Heldin ich bin.“

Rick verschluckte sich an seinem Bier, sodass sie ihm ein paar Mal auf den Rücken klopfen musste. Er schnappte nach Luft, schnaufte und hustete, bis die Luftröhre wieder frei war.

„Also“, wiederholte er, als er die Sprache wiedergefunden hatte, „die Heldin bist immer … du?“

Bitte, sag Nein. Er hätte gar nicht erst davon anfangen sollen.

Stella errötete bei dem Gedanken an Lady Mary. „Na ja, bis zu einem gewissen Grad schon. Ich bin eine Frau, also entstehen meine weiblichen Figuren aus meiner eigenen Erfahrung.“

Ricks Atem beruhigte sich ein wenig. „Dann ist Lucinda doch nicht wie du?“

Stella schüttelte den Kopf. „Na ja, sie hat mehr von mir als Lady Mary“, gab sie zu.

Rick spürte, wie seine Anspannung schlagartig verflog.

Ha! Siehste! Sie war gar nicht Lady Mary!

Puh.

„Lady Mary ist aus dem ersten Buch?“, fragte er unschuldig.

Stella nickte und entspannte sich allmählich. Eigentlich tat es richtig gut, mal laut darüber nachzudenken. Vielleicht half es ihr beim Schreiben, wenn sie sich des Unterschieds bewusst wurde.

„Lucinda besitzt eine Charakterstärke, die Lady Mary abging. Die sitzt nicht rum und wartet, dass sie gerettet wird. Tatsächlich ist es sogar so, dass sie den Helden rettet, der in Ketten gefangen gehalten wird.“

Rick versuchte, sich die Szene nicht vorzustellen. „Und Lady Mary ist schwach?“

Denn er fand, auf ihre Weise war Mary ausgesprochen zäh.

Stella schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist nicht schwach, sie ist nur passiver. Aber sie ist eben ein Produkt ihrer Zeit – und ihrer vornehmen Herkunft.“

Rick dachte an die Szene, wo Mary schließlich Vascos Verführungskünsten nachgab. Da war sie alles andere als passiv.

„Dann ähnelt sie dir tatsächlich nicht“, lächelte er erleichtert.

Stella lächelte zurück. Wenn er wüsste. Unter Lady Marys Röcken verborgen lagen Stellas geheimste Sehnsüchte. Sie trank den letzten Schluck von ihrem Bier und sah auf die Uhr. „So! Genug geplaudert. Lucinda flüstert mir süße Worte ins Ohr.“

Rick runzelte die Stirn. „Die Figuren reden mit dir?“

„Oh ja.“ Stella nickte. „Ziemlich eindringlich sogar.“

Er schluckte. „Was erzählen sie dir?“

Stella zuckte die Schultern. „Ihre Gedanken, Träume, Sehnsüchte.“

Ach, du lieber Gott – hatte Lady Mary ihr das alles eingeflüstert? Hatte sie Stella gesagt, dass sie Vasco nackt in der Badewanne sehen wollte, dass er an ihrem Finger lutschen und sie an sein Bett fesseln sollte?

Oder war es Vasco gewesen, der Stella eingeflüstert hatte, was er mit Lady Mary alles anstellen wollte? War es seine Stimme, die Stella in ihrem Kopf gehört hatte?

Noch nie in seinem ganzen Leben war Rick so froh gewesen, wieder Land zu sehen, wie an diesem Nachmittag, als Papua-Neuguinea in Sicht kam. Mithilfe des Motors steuerten sie in den Hafen von Port Moresby und machten am Royal Papua Jacht Club fest. Nachdem sie die Formalitäten erledigt hatte, betraten sie den Club.

„Vergiss nicht“, sagte Stella, als Rick einer schönen dunkelhäutigen Frau zulächelte, die ihn unverhohlen beäugte, „die Wette läuft noch.“

Fast hätte Rick laut gestöhnt. Gerade weil er mit einer Frau unterwegs war, die erotische Literatur schrieb und halb nackt herumlief, musste er irgendwohin mit seiner Energie! Und ausgerechnet jetzt hatte er sich auf diese alberne Wette eingelassen. Was war das für eine Welt, in der man aufgestautes sexuelles Verlangen nicht durch harmloses Flirten kompensieren durfte?

Er lächelte sie an. „Kinderspiel.“

Anfangs versuchte er noch, Stella loszuwerden, doch sie ließ sich nicht abschütteln und ließ ihn auch nicht aus den Augen, während er sich um Treibstoff, Vorräte und die Formalitäten für ihre Fahrt nach Mikronesien kümmerte.

In der Nähe entdeckten sie einen Kunsthandwerksmarkt, ein Potpourri aus exotischen Farben, Gewürzen und schönen Frauen, und während sie durch die Reihen schlenderten, sank seine Laune in den Keller. Währenddessen erstand Stella einen Sarong und eine Fußkette mit einer winzigen Muschel und einem kleinen Glöckchen.

Als sie nach einem Abendessen im Club an Bord zurückkehrten, war Rick in sich kehrt – ganz grüblerischer Pirat.

Wegen einer dichten Wolkendecke wurde an diesem Abend nicht in die Sterne geguckt. Stattdessen besprachen sie die bevorstehende Reiseetappe und den Wetterbericht, der für die nächsten Tage nichts Gutes verhieß. Langfristig war die Vorhersage aber ausgezeichnet, wenn man bedachte, dass Regenzeit war.

„Alles in Ordnung?“, fragte Stella unschuldig, als sie die leeren Kaffeebecher abräumte und barfuß in die Kombüse ging. „Du wirkst irgendwie angespannt. Fällt es dir sehr schwer, nicht zu flirten?“, bohrte sie weiter und musste mühsam ein Lachen unterdrücken.

Rick hörte den Spott in ihrer Stimme nur mit einem Ohr, da das Klimpern ihres Fußkettchens alles andere übertönte.

Er setzte ein Lächeln auf. „Mir geht’s prima“, behauptete er. „Ich gehe mal an Deck und gebe die Route in das Navigationssystem ein.“

Stella sah ihm lächelnd nach. Diesmal hatte er keine Chance.