10
Geflüsterte Worte
E in Blick auf den Vogel, der wieder auf mich zusteuerte, und ich hechtete zurück zur Tür, was im Dunkeln eine Herausforderung war. Ich fummelte mit meinen Händen, die auf der nassen Steinwand rutschten, daran entlang. Natürlich hatte der Himmel beschlossen, sich zu öffnen, und mit dem harten Regen, der nach unten prasselte, war alles glitschig geworden.
Aber Gott sei Dank war der Mond hinter den Bäumen hervorgekrochen und zeigte mir den Weg. Ich wusste nicht, ob die Kreatur noch da draußen war. Diesmal hatte ich nicht gewartet, um es herauszufinden, denn jetzt bot mir kein verschlossenes Fenster Schutz vor einem Angriff.
Ich konnte spüren, wie mich etwas beobachtete, aber es jagte mir nicht so viel Angst ein wie zuvor. Es gab mir das Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Ich konnte es nicht erklären, aber was auch immer es war, es war tröstlich. Dennoch musste ich wieder hinein in den Club.
»Wenn ich nur mehr Licht hätte …« Ich hatte nicht bemerkt, dass ich die Worte laut ausgesprochen hatte, anstatt sie nur in meinen Gedanken zu flüstern. Bis, zu meinem Erstaunen, das Sicherheitslicht zweimal aufflackerte, bevor es vollständig brannte. Es erleuchtete den Weg zur Tür, der nicht mehr so weit war, wie ich gedacht hatte. Aber warte … Oh verdammt! Ich hatte das verfluchte Passwort vergessen. Oh Gott, wie lautete es noch gleich?
Ich fiel fast die Stufen runter in meiner Eile, zum Bedienfeld zu gelangen. Ich fummelte panisch an den Tasten herum. Oh, komm schon, denk nach. Denk nach, verdammt! Ein Quadrat, das war es! 3256. Nein, das war falsch. 1254. Wieder nein.
»Oh, komm schon, bitte funktioniere endlich!«, rief ich hysterisch und warf meinen Kopf hin und her, für den Fall, dass irgendetwas hinter mir lauerte. Das Gefühl, beobachtet zu werden, war noch immer präsent.
Dann geschah etwas anderes. Eine beruhigende Welle überrollte meinen Körper, bahnte sich einen Weg von meinem Hals zu meiner Hand, wie eine besänftigende Berührung, die ich nicht sehen konnte. Dann überkam mich das Gefühl einer größeren Hand, die meine eigene nahm und sie sanft zwang, sich zu bewegen. Fast wie ein Geliebter, der hinter mir stand und die Kontrolle übernahm.
Mein Mund klappte auf, aber ich fand keine Worte. Ich keuchte nur und atmete mehr kalte Luft ein. Die Haare in meinem Nacken versteiften sich, als ob ein viel größerer Körper noch näher an meinen zitternden heranträte. Ich spürte den verborgenen Atem hinter mir, der an meinem Körper entlang glitt. Mein Kopf kippte zur Seite, als ob ich auf den Kuss wartete, der nie kam. Meine Finger bewegten sich grazil und in richtiger Reihenfolge über das Ziffernblatt, als ob sie nicht mit dem Rest von mir verbunden wären.
1 … 4 … 5 … 2. Die Tür klickte. Meine Hand klammerte sich um den kalten Metallgriff und zog ihn nach unten. Als sich die Tür leicht öffnete und die warme Luft mit dem Licht durch die Lücke sickerte, nahm ich endlich einen nötigen Atemzug. Meine Hand wurde rasch losgelassen, und ich war wieder in der Lage, mich selbst zu bewegen. Ich wirbelte schnell herum in dem Versuch, einen Blick zu erhaschen, doch auf was genau, wusste ich nicht. Meine Augen gingen leer aus, ebenso wie mein Verstand. Ich konnte nichts davon erklären. Nur dass das, was auch immer es gewesen war, wirklich … magisch gewesen war.
Der Rest meiner Schicht verlief wie im Flug. Mike hatte bei Gary ein gutes Wort für mich eingelegt, also hatte ich jetzt offiziell den Job, wenn ich ihn annehmen wollte. Ich wusste, in einer Stadt wie dieser war so ein Job wie ein Lottogewinn, wenn man bedenkt, wie viele Menschen sich dafür zerfleischen würden, hier zu arbeiten. Also akzeptierte ich das Angebot dankbar und wartete draußen auf Frank, mit einem Lächeln in meinem Gesicht.
Jo und Cameron gratulierten mir freundlicherweise zu meinem Erfolg, bevor ich überhaupt die Möglichkeit hatte, es ihnen zu berichten. Ein Blick auf ihre verkabelten Ohrstöpsel reichte aus, um mir zu signalisieren, dass sich Neuigkeiten hier schnell verbreiteten. Genau dann drückte Jo eine Hand auf sein Ohr. Nachdem er ein paar Sekunden zugehört hatte, hastete er mit Cameron hinein. Ihrer Hektik nach zu urteilen, war im Club wohl etwas aus dem Ruder gelaufen, da man sie selten den Eingang verlassen sah.
Ich entfernte mich ein wenig vom Gebäude, um es Frank einfacher zu machen, rechts ranzufahren. Ich blickte zurück auf Afterlife. Meine Augen wanderten zu der Seite des Gebäudes, wo die Mülleimer standen. Ich rieb meine Hände, während ich an das warme Gefühl dachte, das meinen Körper überkommen hatte. Meine Hand war nicht meine eigene gewesen, und irgendwie wurde ich das Gefühl auch nicht ganz los. Nein, es hing noch immer an mir, aber es fühlte sich auf jeden Fall gut an. Es ließ die ganze Angst verschwinden und wurde durch eine wärmende Glückseligkeit ersetzt. So intensiv, dass ich mein geheimes Lächeln kaum verstecken konnte.
»Hey, Blondie!«, rief ein Kerl zu mir rüber. In meinem erinnerungsschwelgenden Zustand hatte ich die beiden Jungs gar nicht bemerkt, die auf mich zuschlenderten.
»Ne Mitfahrgelegenheit gefällig?«, fragte der eine. Beide hielten Bierflaschen in ihren Händen.
»Äh … Nein danke, ich warte auf jemanden.« Je näher sie kamen, desto mehr Schritte machte ich nach hinten.
»Ach Süße, sei doch nicht so. Warum warten, wenn wir schon hier sind?« Der Kerl kicherte seinem Freund zu und stupste seine Schulter.
»Ja, warum kommst du nicht mit uns? Wir kennen einen Ort, an dem wir uns alle besser kennenlernen können.« Ich rollte mit meinen Augen in die Richtung der Idioten, die mein ›Nein‹ noch immer nicht geschnallt hatten. Also entschied ich, mich etwas klarer auszudrücken.
»Jungs, ich will nicht unhöflich sein, aber ich habe kein Interesse. Macht einfach einen Abgang.« Sie gackerten beide, hoben ihre Hände und spotteten:
»Whoa, Alter, ich glaube, sie will uns loswerden.«
»Ja, und dabei waren wir so nett zu ihr«, brummte das andere Arschgesicht. Ich drehte mich zurück zu Beavis, als er mir näherkam und sagte:
»Ich denke, du bist einfach nur ein Mauerblümchen und machst auf schwer rumzukriegen. Also hör auf mit den Spielchen.« Dann packte er meinen Unterarm, und ich flippte aus. Ich hasste es, wenn jemand meine Narben anfasste, daher riss ich meinen Arm los und trat ihm entgegen.
»Hör zu, Wichser. Ich sagte Nein! Fass mich noch einmal an, und es wird das Letzte sein, was du getan hast. Mein Freund ist auf dem Weg und wird dein zwielichtiges, dummes, hässliches Arschgesicht zu Brei schlagen!«, tobte ich und wünschte mir, fluchen würde mir mehr im Blut liegen. Zugegeben, als ihre Gesichter entgleisten und sie begannen, zurückzuweichen, war das ein befriedigendes Gefühl.
»Okay, okay, es tut uns leid! Wir wollten nicht … Wir wollten keinen Ärger.«
»Ja … Nein … Keinen Ärger. Wir gehen einfach«, stotterten beide in ihrer Hast, sich aus dem Staub zu machen.
»Ja! Macht mal besser die Fliege!«, rief ich, hob meine Schultern und streckte meine Brust raus. Ich drehte mich um, hatte aber noch ein Auge auf sie, als ich direkt in etwas hineinlief, das so robust war wie eine Wand. Ich prallte nach hinten ab, nur um aufgefangen zu werden, bevor ich auf meinen Arsch fiel. Unnachgiebige Arme hielten mich nicht nur aufrecht, sondern zogen mich auch einen Schritt näher an einen Körper. Ich hatte da so ein mulmiges Gefühl, wer sich vor mir befand, und wagte schließlich einen Blick nach oben.
Ich pustete ein paar lose Haare aus meinem Gesicht, nur um den Mann zu erblicken, der zum Zentrum meiner Besessenheit geworden war. Wie schon im Club zuvor, verging ein stiller Moment zwischen uns. Einer, der abrupt stoppte, als die beiden Jungs in der Ferne komplett ausflippten. Sein Kopf erhob sich über meinem, was angesichts unseres Höhenunterschieds kein Kunststück war. Sein Stirnrunzeln ließ meins blass aussehen und war durchaus beängstigend.
»Sieh zu, dass sie nicht zurückkommen«, befahl er einem seiner Männer in einer Stimme, die ich noch nicht gehört hatte, und ich erschauderte von der Autorität, die in ihr erklang. Der massive Kerl, mit dem er bereits gestern Abend den Club betreten hatte, sah aus wie ein vom Kampf gezeichneter Wikinger. Er war so ziemlich der größte Mann, der mir je begegnet war. Einer, bei dem ich mir in die Hosen machen würde, wenn er nur ›Buh‹ zu mir sagte. Er grunzte als Antwort, bevor er dem Befehl folgte und uns beide allein ließ.
Unterdessen versuchte ich immer noch, herauszufinden, was ich sagen sollte, als er mir zuvorkam.
»Du solltest nicht alleine hier draußen sein, wenn es dunkel ist«, sagte er mir, und es klang fast wie eine Bedrohung. Ich wollte einen Schritt zurücktreten. Der Arm, den er noch um mich hielt, zog besitzergreifend an mir, bevor er mich losließ. Das Gefühl, ihm so nahe zu sein, war berauschend, und der Zauber brach erst, als ich etwas Distanz zwischen uns brachte.
»Äh … Okay, danke. Sieht aus, als müsste ich noch ein paar Zentimeter wachsen, um so bedrohlich zu wirken«, witzelte ich, als ich mich auf meine Zehenspitzen stellte und ihn von oben bis unten begutachtete. Mann, ich müsste mir verdammte Stelzen umschnallen, um auf seine Höhe zu kommen. Offensichtlich hatte ich aber das Falsche gesagt, weil sich sein Stirnrunzeln vertiefte.
»Das ist kein Witz. Wenn du einen Freund hast, schlage ich vor, ihn über die Gefahren zu informieren, wenn er ein schönes Mädchen allein in der Dunkelheit stehen lässt.« Mein Atem stockte, als er mich schön nannte. Ich stieß die Luft mit einem Schnauben aus, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Es kam heraus wie ein Keuchen, und eine perfekt geformte Augenbraue wölbte sich beim Anblick meines seltsamen Verhaltens. Was? Hatte er noch nie ein verschämtes Mädchen gesehen? Bei seinem Aussehen wagte ich das zu bezweifeln.
»Ahh … Das würde ich ihm sagen, aber den gibt es nicht. Den Freund, meine ich. Nur mich.« Er sagte dazu nichts, sondern schaute noch einmal über meinen Kopf hinweg. Ich folgte seinem Blick. Scheinwerfer erleuchteten die Bäume. Gerade dann kam Franks Auto in Sicht.
»Deine Mitfahrgelegenheit?« Ich nickte, denn ich war zu verängstigt, etwas zu sagen. Alles, was ich bisher von mir gegeben hatte, hatte mich eher einfältig und dumm dastehen lassen.
»Das soll nicht noch einmal vorkommen, Keira«, flüsterte er mir ins Ohr, und mein Körper versteifte sich, als ich seine Lippen so nahe an meiner Haut spürte. Meine Augen folgten noch Franks näherkommendem Auto, aber eigentlich wollte ich sie nur schließen und in den starken Körper hinter mir sinken.
»Ich verspreche, ich werde nicht …« Ich drehte mich um, um ihn anzusehen, aber er war verschwunden.
»Was verflucht …?«, murmelte ich und schaute mich überall um, in der Hoffnung, ihn irgendwo zu erblicken.
»Bereit, Kleines?«, rief Frank durchs Fenster. Ich nickte abwesend, obwohl ich alles andere als bereit war zu gehen. Und nach dem, was gerade geschehen war, würde ich das wohl auch nie sein.
Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass ich geistig ganz woanders war. Nach seinem dritten Versuch, ein Gespräch anzuzetteln, gab Frank auf. Zumindest mit dem Lächeln auf meinem Gesicht wusste er, dass meine Schicht gut verlaufen war.
Das Gleiche passierte, als wir wieder zu Hause waren und Libby mich fragte, wie es mir ergangen sei. Ich sah Frank den Kopf schütteln, als wollte er sagen: »Frag nicht.« Ich ging zu dem Sessel, auf dem sie zusammengerollt lag, küsste sie auf die Stirn und sagte:
»Ich bin erledigt und werde schlafen gehen. Es war ein guter Abend und die Arbeit ist toll. Gute Nacht.«
»Äh … Gute Nacht«, sagte sie verblüfft, als ich mich umdrehte, um in mein Zimmer zu flüchten, nachdem ich Frank auf die Wange geküsst und ihm fürs Abholen gedankt hatte. Ich machte mich auf den Weg, als Libby fragte:
»Ist sie betrunken?«
Ich war definitiv betrunken, aber nicht vom Alkohol. Ich eilte die Treppe nach oben und nahm gleich zwei Stufen auf einmal. In meinem Zimmer angekommen, zog ich meine Arbeitskleidung aus und legte sie über einen Stuhl neben dem Schreibtisch. Dann nahm ich ein paar saubere, schlabbrige Klamotten, die ich als Pyjama benutzte. Schließlich ließ ich meine Haare runter und rieb meine Finger über meine Kopfhaut. Es fühlte sich gut an, nachdem sie die ganze Nacht über an meinem Hinterkopf hochgesteckt gewesen waren, und ich stöhnte, als ich mich langsam entspannte. Ich bürstete sie und drehte sie dann zu einem Zopf.
Während ich meine Zähne putzte, dachte ich darüber nach, wie meine Schicht verlaufen war und wie sehr ich es genossen hatte, wieder in Arbeitsschwung zu kommen. Aber das war lediglich ein flüchtiger Gedanke, der schnell durch das ersetzt wurde, was nach der Arbeit geschehen war. Zunächst einmal, er kannte meinen Namen! Und was hatte er da draußen überhaupt gemacht? War es für ihn normal, Mitternachtsspaziergänge zu unternehmen, für den Fall, dass er über ein Mädchen in Not stolperte? Dieser Gedanke frustrierte mich, auch wenn meine Eifersucht irrational war.
Ich beschloss, mich schöneren Gedanken zu widmen. Zum Beispiel, wie es sich angefühlt hatte, mich sicher in seinen Armen zu wiegen, fast als wollte er mich nicht loslassen. Ein schöner Gedanke, um ins Bett zu gehen, zumal das genau der Ort war, von dem ich mir wünschte, mit einem gewissen Jemand dort zu liegen. Schließlich war ich auch nur Mensch! Aber nicht nur das. Ich war auch Frau genug, um zu wissen, dass es einen Effekt auf gewisse Körperstellen hatte, die eigentlich eine Berührung brauchten, um eben diesen Effekt zu zeigen, wenn man von einem Mann wie ihm umgeben war. Nun, und das sagte Einiges, wenn es um mich ging. In diesem Sinne wanderte meine Hand unter die Decke und ich tat das Nächstbeste, was ein Mädchen tun konnte, wenn es einen vernichtend schönen Mann im Kopf hatte.
Damit ich die Fantasie in vollen Zügen genießen konnte, transportierte ich mich zurück in die erste Nacht im Club. Ich saß am selben Platz und trug ein schwarzes, sehr gewagtes Kleid aus Seide. Ich war allein. Dieses Mal, als sich die Türen öffneten, schritt nur ein Mann hindurch. Mein Atem stockte, als meine Lust bei dem Anblick stieg, den mein Verstand kreierte. Er war die absolute Perfektion, und diese Perfektion ging wieder einmal direkt zu meinem Tisch.
Ich biss auf meine Unterlippe, sowohl in der Welt der Fantasie als auch in der blanken Realität. Er steuerte auf mich zu und fegte durch die Menschenmasse, mit nur einem Gedanken in seinem Kopf – mich. Doch dieses Mal machte die Menge keinen Platz für ihn, als der mächtig aussehende Mann zu mir eilte. Nein, denn in meiner Fantasie wollte ich, dass er darum kämpfte, und als seine langen Beine den Raum durchquerten, musste ich zugeben, dass er es ganz gut hinbekam. Verdammt gut sogar, dank des schwarzen Anzugs über seiner muskulösen Figur.
Als er mich endlich erreichte, sah er fast wild aus, und sein intensiver Blick sagte mir, dass er nur eine Sache im Kopf hatte. Bevor ich überhaupt ein Wort herausbekam, schnappte die zurückgehaltene Lust in ihm zu, und er zerrte mich hoch. Meine Knie hätten fast nachgegeben, wenn er seine Arme nicht um meinen Oberkörper geschlungen hätte.
Die andere Hand strich quälend langsam meine Seite hoch, berührte dabei meine Brust und entlockte meinen geteilten Lippen ein Stöhnen. Seine Hand setzte ihre exquisite Reise nach oben fort, bis sie sich über die Länge meines Halses streckte. Ich hatte meine Augen verschlossen, um mich vor der Intensität seiner nach meiner Seele suchenden Augen zu verstecken. Das erlaubte er für weniger als eine Sekunde, bevor ich das besitzergreifende Knurren aus seinem Innersten hörte.
»Sieh mich an!«, befahl er. Zur gleichen Zeit formte seine Hand eine Faust über meine offenen Haare und zwang meinen Kopf nach hinten, bis ich zu ihm aufblickte. Ich schnappte nach Luft, als ich violettes Feuer in seinen Augen brennen sah. Augen, die aussahen, als wollten sie mich vollkommen verschlingen. Ich war in einer Art mentalem, versiegeltem Netz gefangen, in dem er mich eingesperrt halten wollte, und an diesem Punkt wollte ich auch nie wieder entkommen. Auch nicht, als sich sein Kopf senkte und mein persönlicher Raum mit seinem verschmolz.
»Du wirst dich nie vor mir verstecken.« Seine einschüchternde Aufforderung wurde durch das Knurren bei dem Wort ›nie‹ verstärkt, und ich erzitterte in seinen Armen.
»Sag es!«, zischte er. Als ich zögerte, verfestigte sich sein Griff in meinen Haaren, doch er hielt sich zurück, um keinen Schmerz zu verursachen.
»Ich …« Ich versuchte, mein Gehirn schneller in die Gänge zu bringen, doch irgendwie entglitt mir die Kontrolle über meine Fantasie. Aber wie?
»Sag es. Jetzt!« Seine Stimme brach nicht nur unser Argument, sondern auch mein Zögern. Also gab ich ihm nicht nur, was er wollte, sondern was wir beide wollten …
Eine kleine Ewigkeit.
»Ich werde mich nie vor dir verstecken«, flüsterte ich und hörte, wie der Atem ihn schnell verließ. Und dann, bevor ich wusste, was mit dieser unaufhaltsamen Fantasie geschah, über die ich ganz klar keine Kontrolle mehr hatte, wurde mein Kopf gezwungen, sich zur Seite zu neigen, wo nun seine vollkommenen Lippen auf mich herabsanken. Kurz bevor die Verbindung hergestellt wurde, flüsterte er über mir:
»Braves Mädchen.« Mit einer Stimme, so weich, dass es unvorstellbar war, sie von einem so unglaublich starken Wesen zu hören. Seine Arme zogen mich enger an ihn heran, als meine Welt explodierte. Er übernahm die Kontrolle über meine Lippen in einer Weise, die sogar meine Zehen krümmte. Nach einem Atemzug nutzte er die Gelegenheit, die Verbindung vollends auszukosten. Es fühlte sich wie Zuhause an, als Dominic Draven mich küsste. Vollkommen seelenverzehrend. Ich fühlte mich in Stücke brechen, während ich unter meiner eigenen Berührung zum Höhepunkt kam. Der Orgasmus brach aus mir heraus mit so viel Kraft, dass ich nur hoffen konnte, ich schrie den Namen nicht, der über meine Lippen huschte.
»Draven!« Und mit diesem einen Namen, der tief aus meinem Inneren kam, fühlte ich, wie in diesem Moment alles in meiner Welt in Ordnung war.
»Keira.« Zumindest bis ich meinen eigenen Namen laut ausgesprochen hörte, was den euphorischen Nebel durchbrach. Ich riss meine Augen auf und schoss in die Höhe. Mein Zimmer war dunkel, aber noch wichtiger, ohne sich bewegende Schatten.
»Das kann nicht sein«, flüsterte ich, aber selbst als mein Verstand die Realität erfasste, hob sich meine Hand. Meine Finger berührten die zarten Lippen, die leicht geschwollen waren von einem beherrschenden Kuss. Aber das war nicht das Einzige, was ich dort fühlte, oder das Wichtigste. Nein, am Ende war es nicht nur der Kuss, der tief in mir wurzelte; es war das Wort, das danach gesprochen wurde. Ein geflüsterter Name.
Mein geflüsterter Name …
Über meinen geküssten Lippen.