27
Geschenk oder Befehl
D en Brief unter meine Achsel geklemmt, trug ich die zwei Tassen ins Wohnzimmer, drückte Libby eine in die Hand und setzte mich verdutzt hin.
»Gute Nachrichten?«, fragte sie über ihre Tasse.
»Ich … weiß … nicht«, dröhnte ich.
»Was ist los?«
Ich reichte Libby den Umschlag.
»Das ist los.« Ihre Augen weiteten sich vor Schock, als sie einen Bündel Geldscheine herauszog.
»Wow, woher zur Hölle hast du das?« Ich nickte zu dem Brief, der sich noch im Umschlag befand. Sie nahm ihn heraus und überflog die Worte.
»Das ist dein Gehalt? 4000 Dollar in einem Monat!«
Ich starrte auf den Haufen grüner Noten in ihrer Hand.
»Aber das ist … Das ist verrückt. Du bist doch Kellnerin, oder?«
»Natürlich bin ich das! Was glaubst du denn, was ich dort mache?«, rief ich aufgebracht.
»Ich weiß nicht, Opfergaben bringen oder so … Nur ein Scherz«, sagte sie, aber ich lachte nicht. Wie konnte ich auch? Was sollte das überhaupt?
»Tja, zumindest kannst du dir jetzt ein Auto kaufen.«
»Ich werde es nicht ausgeben. Da ist jemandem ein Fehler unterlaufen. Das Geld geht zurück!« Ich schluckte meinen Tee so schnell, dass es mir die Kehle verbrannte.
»Wirklich? Du willst es nicht ausgeben?«, fragte sie ungläubig.
Ich ging zurück in die Küche, als sie fragte, was ich vorhatte, doch ich gab ihr keine Antwort. Stattdessen nahm ich das Telefon, wählte die Nummer, die auf dem Kühlschrank notiert war und rief im Club an. Es klingelte vier Mal, bevor jemand abhob.
»Hallo, Club Afterlife. Jerry am Telefon.«
»Hallo, Jerry. Hier ist Keira.«
»Oh, hi Keira. Was läuft?«, fragte er skeptisch. Er dachte wohl, ich würde mich krankmelden und zermarterte sich bereits den Kopf darüber, welche Geschichte er denen dort oben auftischen sollte.
»Keine Sorge, ich bin nicht krank. Ich wollte fragen, ob du mich vielleicht nach oben verbinden könntest?«
»Hmm, ich weiß nicht. Darf ich fragen, worum es geht?« Oh ja, er war definitiv skeptisch.
»Nun, es ist etwas Persönliches, und ich glaube nicht, dass es ihnen recht wäre, wenn ich diese Information weitergebe, also …« Das reichte. Bevor ich noch etwas hinzufügen konnte, klingelte das Telefon wieder. Eine vertraute, freundliche Stimme ertönte am anderen Ende.
»Wie kann ich dir helfen, Keira?«, fragte Karmun.
»Woher wusstest du, dass ich es bin?«
»Einfach nur geraten. Ich nehme an, du hast dein Gehalt bekommen?« Ah, also hatte er mit meinem Anruf gerechnet. Das war erleichternd. Sie hatten den Fehler wohl schon bemerkt.
»Oh, dann nehme ich an, dass euch der Fehler aufgefallen ist. Kein Problem, ich werde das Geld später zurückbringen, aber wow, ich war echt schockiert …«
Er fiel mir mitten im Satz ins Wort. »Fehler? Keira, das war kein Fehler.«
»Was!? Aber ich … Ich verstehe nicht …«
»Jemand will mit dir sprechen, bleib kurz dran.« Oh nein, bitte nicht … Bitte, bitte nicht.
»Hi Keira.« Ich seufzte erleichtert, als Sophias Stimme am anderen Ende ertönte. Gott sei Dank, es war nicht ihr Bruder.
»Hey Sophia, ich habe Karmun nur gesagt, dass euch wohl ein Fehler unterlaufen ist.« Ich war dabei, ihr die Sache zu erklären, aber wie schon Karmun war auch sie eingeweiht.
»Nein, ganz und gar nicht. Wir haben nur etwas mehr draufgepackt, quasi als Vorschuss, damit du dir ein Auto zulegen kannst.« Was? Machte sie Witze? Sie gaben mir Geld, damit ich mir ein Auto kaufen konnte? Mir verschlug es die Sprache. Ich war nicht fähig, ein Wort zu formen.
»Keira, bist du noch dran?«
Im Nachhinein hatte mir Sophia erzählt, dass sie und ihr Bruder sich einig waren, dass ich mein eigenes Transportmittel brauchte. Ich musste in Zukunft vielleicht längere Schichten schieben, und das wollten sie mir nicht zumuten, wenn ich andauernd von anderen Leuten abhängig war. Am Ende blieb mir keine andere Wahl, als die Summe zu behalten, aber ich bestand darauf, das Geld monatlich zurückzuzahlen. Dem stimmte sie nicht ganz zu, aber wahrscheinlich war es das Beste, die Angelegenheit persönlich zu regeln.
Libbys Selbstgefälligkeit hielt den Rest des Tages an. Als Frank nach Hause kam, war es das Erste, was aus ihrem Mund sprudelte.
»Rate mal, wer Kazzy ein Auto kauft!«
»Er kauft mir kein Auto! Sie haben mir einen Vorschuss gegeben, den ich zurückzahlen werde.« Ich verspürte den kindischen Drang, ihr die Zunge zu zeigen.
»Cool, von wie viel reden wir hier?«
»4000 Dollar!«, schwärmte Libby mit einem amerikanischen Akzent. Franks Gesicht leuchtete auf.
»Schön, aber Baby, überlass den amerikanischen Slang den Profis, ja? Also, wann willst du deine hart verdiente Kohle ausgeben?«, stichelte er, aber es war schwer, in Gegenwart seines niedlichen Teddybär-Grinsens mürrisch zu bleiben.
»Heißt das, du begleitest mich?«
»Natürlich. Sonst zocken die dich noch ab und verkaufen dir eine Schrottkarre, die nicht besser ist als das rostige Stück Blech deiner Freundin!« Er schlüpfte wieder in seine Jacke, woraufhin ich fragte:
»Was, willst du jetzt gleich los?«
Er hob seine Augenbrauen, was so viel bedeutete wie ›Was denn sonst?‹
Im Auto stopfte ich das Geld, das ich in einen Beutel gesteckt hatte, tief nach unten in meine Tasche, wie immer paranoid, dass ich es verlieren könnte.
»Du hast deinen neuen Führerschein schon, oder?«
»Ja, hab ich. Aber bist du sicher, dass dieser Kerl geöffnet hat? Es ist Sonntag.«
»Vertrau mir, dieser Kerl schließt nie. Aber du solltest das Reden besser mir überlassen, weil dieser Typ … Nun, sagen wir, er haut Leute gern übers Ohr.« War mir nur recht. Ich war nicht gerade ein Experte auf dem Gebiet.
»Geht klar«, sagte ich, als wir an einer Ampel anhielten.
»Alsooo … Sieht wohl so aus, als wäre er doch nicht verärgert.« Frank zwinkerte mir zu.
»Ich weiß nicht, was du meinst.« Ich rollte mit meinen Augen.
»Ja, klar. Okay, wenn du es so spielen willst, soll es mir recht sein. Aber du musst zugeben, dass das nicht normal ist für einen Boss, oder?« Natürlich wusste ich das, aber was bedeutete schon normal bei Draven? Ich meine, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er seinen Sonntag damit verbrachte, sich ›ein Spiel mit seinen Kumpels‹ anzusehen! Wenn ich genauer darüber nachdachte, konnte ich mir eigentlich überhaupt nicht vorstellen, dass er irgendetwas Normales, Durchschnittliches tat.
Wir bogen bei einer Kreuzung links ab in Richtung ›Bobbys Autopark‹, wie das Schild uns mitteilte. Frank parkte das Auto neben einem Typ, der gerade dabei war, einen großen Pick-up zu waschen. Er sah nicht älter als sechzehn aus und hatte kaum Fleisch auf den Knochen. Tatsächlich glich er eher einer Bohnenstange.
Das Büro, das wir betraten, war düster, und hinter einer Tür tauchte ein Mann auf. Er war klein und stämmig, mit dem glänzendsten kahlen Kopf, der mir je untergekommen war.
Frank beugte sich zu mir und sagte:
»Mann, schau dir diesen Kopf an. Lust auf Bowling?«
Ich stieß ihm in die Rippen und versuchte nicht zu lachen.
»Denk dran, überlass mir das Reden.«
»Wird nicht schwer sein, denke ich«, flüsterte ich mit einem Grinser.
»Guten Tag. Bobby Brown, zu Ihren Diensten. Was kann ich für Sie tun?« Er zwinkerte mir zu und brachte mich damit zum Lächeln. Ich konnte mir nicht helfen. Er war wie ein komischer, leicht schleimiger Onkel aus einer Sitcom mit einer verrückten Tweedjacke. Seine hellblauen Jeans waren ihm zu lang, weshalb er sie an den Knöcheln hochgekrempelt hatte. Der Look wurde gekrönt mit einem schiefen Lächeln und gelben Zähnen.
»Wir suchen ein zuverlässiges Auto für meine Schwester«, sagte Frank. Ach, ich liebte es, dass er mich nie Schwägerin nannte.
»Schwester, eh? Mein Glück, wie es scheint.«
Ich erstickte fast an dem Lachen, das ich versuchte, in meiner Kehle zu behalten.
»Nun, dann sehen wir uns mal um, hübsche Dame.« Er machte eine Handbewegung, damit wir ihm folgten. Franks Augenbrauen zogen sich zusammen, aber ich fand den Typ zum Totlachen. Seine Augen strahlten etwas überraschend Freundliches aus, das mir permanent ein Lächeln entlockte. Frank wirkte jedoch argwöhnisch. Er ergriff meinen Arm und flüsterte mir ins Ohr:
»Da stimmt etwas nicht. Er ist nie so nett!« Ich zuckte mit den Schultern und folgte ihm zu den Autos.
»Also, von welchem Budget sprechen wir?«
»3000 Dollar«, sagte Frank, und ich warf ihm einen konfusen Blick zu.
»3000 Dollar, sagen Sie … Tja, wenn das so ist, dann sehen wir mal, was ich tun kann.« Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er uns das mit dem Geldbetrag nicht so wirklich abkaufte.
Ich ließ ihn vorangehen und flüsterte dann Frank zu:
»Warum nur 3000?«
»Vertrau mir, so läuft das. Sieh zu und lerne, Kleine.« Er ging mit hoch erhobenem Kopf weiter und holte Bobby ein.
»Hey, was ist mit dem hier, dem roten Chevy?« Frank zeigte auf ein sportliches Coupé.
»Was, der Camaro? Heikles Getriebe«, sagte Bobby und kratzte seinen glatten Kopf. Er marschierte zu den größeren Fahrzeugen rüber, als Frank ein anderes entdeckte.
»Sieh mal da, Kaz, das ist perfekt! Ein Toyota Starlet, richtig?«, fragte er Bobby, der nicht begeistert zu sein schien, aber nickte.
»Komm, Kaz, schau es dir an.« Frank öffnete die weiße Tür.
»Davon würde ich abraten.« Bobby lehnte sich zu Frank und sagte:
»Da drinnen ist jemand gestorben, und na ja … Wir sind den Geruch nie losgeworden.« Ich zog ein angewidertes Gesicht, ließ die Tür los und rieb meine Hand an meinen Jeans.
»Gruselig«, murmelte ich, und Bobby grinste mich an. Frank zog mich von dem Auto zurück, als wäre es infektiös.
»Okay, was ist mit diesem VW Golf?«
»Nee, den wollen Sie nicht. Schauen Sie mal hier, ich habe genau das Richtige für die Dame.« Bobby ging zurück in Richtung der großen Gefährte, wo eine Reihe von Pick-ups und Trucks standen.
»Da ist er, der Ford Bronco. Das ist Ihres, und auch noch in Dunkelblau, passend zu den hübschen Augen.« Wieder zwinkerte er mir zu, und ich musste kichern. Bei jedem anderen hätte ich das eigenartig gefunden, aber er hatte etwas seltsam Vertrautes an sich. Vielleicht ähnelte er einem Stammgast aus dem Pub in England, in dem ich gearbeitet hatte. Sie hatten immer mit mir geflirtet, aber nur zum Spaß. Und als Bonus bekam ich immer ein großzügiges Trinkgeld zu Weihnachten.
»Hey, nichts für ungut, aber wenn Sie glauben, Sie können all die anderen Autos schlechtreden, nur damit wir 6500 Dollar hinblättern, dann irren Sie sich gewaltig! Komm, Kazzy, sehen wir uns den Mustang dort drüben an.« Frank stapfte davon, aber mich zog der riesige 4x4 an. Bobby beobachtete mich, als ich auf das Auto zuging und grinste übers ganze Ohr. Er öffnete mir die Tür.
»Bitte sehr, meine Liebe.« Etwas in der Art, wie er ›meine‹ sagte, klang, als würde er es ernst meinen.
»Oh, danke.« Ich glitt auf den Fahrersitz und ergriff das Lenkrad.
Frank kam zurück zum Bronco und setzte einen mürrischen Gesichtsausdruck auf.
»Okay, ich mache Ihnen einen Deal. Ich gebe Ihnen das Auto für 4000.« Frank und ich blickten beide erstaunt zu ihm rüber, als Frank aufgebracht rief: »Was?!«
Er warf mir einen hilflosen Blick zu. Ich zuckte nur mit den Schultern und stieg wieder aus, um die Karosserie nach eventuellen Schäden zu untersuchen.
»Machen Sie Witze? Was stimmt mit der Karre nicht?« Frank visierte Bobby finster an. Er traute ihm nicht.
»Überhaupt nichts. Sie läuft wunderbar, und die Dame braucht etwas Starkes, das ihre zarte Knochenstruktur schützt. 1995er Baujahr, 5.8 v8 Motor und sieht auch noch gut aus. Starten Sie sie, wenn Sie mir nicht glauben.« Er händigte Frank die Schlüssel aus, als ob er die ganze Zeit gewusst hätte, dass er mir dieses Auto verkaufen würde. Und noch erstaunlicher – es war auch das, was ich wollte. Ich sagte nichts, als Frank die Schlüssel nahm und den Motor startete, während ich die Motorhaube streichelte, als wäre sie ein Pferd.
Frank glitt wieder aus dem Wagen und sagte:
»Ich habe Ihnen gesagt, wir haben nur 3000.« Was? Ich konnte nicht glauben, dass er mit dem Typ noch immer feilschte!
»Ach ja, stimmt. Nun, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wie wäre es mit 3000 Dollar und einem Kuss von der hübschen Lady obendrauf?« Mir klappte der Mund auf, als er auf seine Wange zeigte. Frank starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
»Was erlauben Sie sich eigentlich!? Komm, Keira, dieser Kerl hat sie doch nicht mehr alle.« Er trottete wieder davon, aber ich wölbte eine Augenbraue und sagte:
»Also, lassen Sie mich das klarstellen. Sie geben mir nicht nur einen riesigen Preisnachlass, sondern noch mal 1000 obendrauf, nur für einen Kuss auf die Wange?«
»Ein Kuss von dem hübschesten Mädchen, das ich je gesehen habe. Ja, ich bin alt und kahl … Was bleibt mir da noch?«
Ich lachte. Was für ein Charmeur! Also ging ich zu ihm und küsste ihn sanft auf die Wange. Etwas blitzte in seinen Augen auf, das mich an jemanden erinnerte, aber mir kam nicht in den Sinn, an wen.
Frank warf seine Hände in die Höhe, als ob Bobby nicht der Einzige wäre, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte.
»Ah Schätzchen, das war jeden Cent wert.« Bobby grinste bis über beide Ohren. Frank kroch hinter ihm hervor und sagte:
»Alles klar, Casanova. Lassen Sie uns den verdammten Papierkram erledigen.«
Nachdem mir Frank die Grundlagen erklärt hatte, stieg ich in das Auto und folgte ihm nach Hause. Wieder zu fahren, fühlte sich seltsam an. Das Gefährt lenkte sich wie ein Panzer, und ich wollte ständig den Gang wechseln, da ich noch nie zuvor mit Automatik gefahren war. Auch musste ich mir immer wieder die wichtigste Regel in Erinnerung rufen – nur einen Fuß zu verwenden. Also versteckte ich meinen linken Fuß fest unter dem Sitz, damit ich nicht in Versuchung geriet, die nicht existente Kupplung zu verwenden.
Ich grinste auf dem ganzen Weg nach Hause. Wenn ich mich in der Stadt besser ausgekannt hätte, hätte ich eine längere Spritztour unternommen. Dieses Ding hatte so viel Stauraum, dass ich hier hätte einziehen können und noch Platz für ein Waschbecken gehabt hätte. Frank hingegen rechnete immer noch damit, dass es jede Minute in die Luft flog. Tja, ich liebte es!
Als wir zurückkamen, war Libby mit ihrem Auto verschwunden, was Frank Sorgen bereitete. Er rief sie auf dem Handy an, doch sie ging nicht ran.
»Vielleicht ist sie zur Apotheke gefahren«, sagte ich in dem Versuch, ihn zu beschwichtigen und nicht selbst die Ruhe zu verlieren. Er schleuderte aber nur die Worte ›Krankenhaus‹ und ›Notfall‹ durch die Gegend.
Er versuchte es wieder auf ihrem Handy, mehrere Male hintereinander, doch wie schon zuvor hob sie nicht ab. Okay, jetzt wurde mir auch unwohl bei der Sache. Wieso hatte sie keine Notiz hinterlassen oder einfach zurückgerufen? Das war gar nicht ihre Art, es sei denn, ihre Bauchschmerzen hatten sich verschlimmert und sie musste tatsächlich ins Krankenhaus. Ich wollte gerade Frank sagen, er solle doch lieber die Notaufnahme anrufen, aber er war bereits am Telefon.
»Nein, okay, danke jedenfalls. Wenn Sie etwas hören, Sie haben meine Nummer.« Er beendete das Gespräch, indem er den Hörer zurück in die Wandhalterung rammte.
»Sie ist nicht im Krankenhaus.«
»Okay, vielleicht irgendein Notfall im Büro?« Plötzlich öffnete sich die Haustür.
»Olivia, wo bist du gewesen?!« Frank war gleichzeitig erleichtert und aufgewühlt. Libby nahm unschuldig unsere griesgrämigen Gesichter wahr und versteckte eine Plastiktüte hinter ihrem Rücken. Frank bemerkte es aber nicht.
»Was? Ich hab mir nur eine Packung Pepto Bismol geholt. Mensch, seid nicht so paranoid.« Sie rauschte an uns vorbei direkt ins Bad und ließ Frank und mich mit dem gleichen Ausdruck zurück.
»Tja, ich habe dich eine Million Mal angerufen, Baby, und rate mal … Du hast nicht abgehoben!« Frank war ganz klar außer sich.
»Ich bin gefahren!«, rief sie aus dem Badezimmer.
»Seit wann ist das für dich ein Grund, nicht ranzugehen?«, blaffte Frank.
»Bist du nicht immer derjenige, der mir sagt, ich sollte vorsichtiger sein? Was hat es mit diesem Kreuzverhör auf sich?«, fragte sie durch die Tür. Ich war in die Küche geschlichen, um den Wasserkocher einzuschalten und ihnen etwas Privatsphäre zu gönnen.
»Ich habe mir Sorgen gemacht. Du bist krank, also dachte ich, es wäre was passiert. Ich meine, Herrgott, ich hab sogar das Krankenhaus angerufen.«
»Oh Liebling, mir geht es gut. Tut mir wirklich leid.« Als ich schmatzende Kussgeräusche vernahm, war klar, dass sich die Wogen geglättet hatten.
Irgendetwas sagte mir jedoch, dass Libby etwas verheimlichte. Den Rest des Abends verhielt sie sich irgendwie komisch. Zuerst stopfte sie sich den Bauch voll mit meinem Beef Stroganoff, dann grub sie sich in einer riesigen Packung Ben und Jerry‘s ein.
»Sieht so aus, als ginge es dir besser«, kommentierte Frank, als auch er seinen Löffel in die Packung schob, um einen großen Cookieklumpen herauszufischen. Frank hatte ihr alles über unsere Begegnung mit Bobby erzählt, was sie zum Lachen brachte, bis sie weinte. Besonders als Frank hinzufügte:
»Ja, du hättest seinen glänzenden Kopf sehen sollen. Sah aus wie ein Solarpanel für eine Sexmaschine. Alter Bastard!« Dann brachen wir alle in Hysterie aus.
»Tja, es scheint, als würde Keira allen den Kopf verdrehen.« Libby stupste Frank mit einem Grinser an. Ich rollte mit meinen Augen, brachte meinen Teller zurück in die Küche und murmelte: »Kinder.«
In Wahrheit ging mir das, was ich in Bobbys Augen gesehen hatte, nicht aus dem Kopf. Irgendetwas Tiefes hatte in seinem Blick gelauert. Wie immer versuchte ich, mir nicht allzu viel daraus zu machen, aber es nagte in meinem Hinterkopf. Um ehrlich zu sein, seitdem ich Draven über den Weg gelaufen war, hatte sich irgendetwas in meinem Leben verändert. Fast so, als würde irgendein Wesen meinen Geist kontrollieren. Es verwirrte meine Sinne. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass mich die Leute permanent beobachteten. Ich sah Dinge, die ich mir nicht erklären konnte. Dinge, die vielleicht auch meine Träume kontrollierten.
Völlig verrückte Gedanken, aber welche andere Erklärung war plausibel in Anbetracht der Fakten? Dass alles nur meiner Fantasie entsprang?
Vielleicht lag es auch nur an der Tatsache, dass ich seit meinem siebten Lebensjahr Monster in Menschen sah.
So oder so, das Resultat blieb das gleiche.
Etwas stimmte nicht.