»
W
arum überrascht es mir nicht, dass du diese Schlussfolgerung ziehst? Nein, ich habe verdammt noch mal nicht versucht, mir die Pulsadern aufzuschlitzen!« Ich streckte meine Arme aus.
»Ich habe DAS getan, um meine Familie und mich zu retten!«
»Beruhige dich … Ich wollte dich nicht verärgern. Bitte erklär es mir.« Auch er stand von seinem Stuhl auf. Ich atmete tief ein. Mit jedem Atemzug, den meine Lungen füllten, mäßigte sich meine Aufruhr ein wenig.
»Hör zu, Draven. Du musst verstehen, dass ich es mir niemals hätte verzeihen können, wenn die, die ich liebe, meinetwegen zu Schaden gekommen wären. Ich hätte alles daran gesetzt, Morgan daran zu hindern, ihnen wehzutun.«
»Ich verstehe das besser, als du glaubst.« Offenbar hatte ich meinen Standpunkt klargemacht, denn er bedeutete mir, mich wieder hinzusetzen. Also ließ ich mich in den Stuhl fallen.
»Ich wusste, wie lange er brauchte, um von seinem Auto zu mir zu gelangen. Ich hatte es jedes Mal gezählt, wenn er nach Hause kam. Ich wusste, ich würde gleich seine Schritte über mir hören. Als Erstes kam er immer in den Keller, um nach mir zu sehen. Ich wusste ganz genau, wie viele Minuten mir blieben,
also wartete ich, bis ich sein Auto hörte.« Ich bibberte am ganzen Körper. Das war die schlimmste Erinnerung von allen. Der Schmerz, den ich erschaffen hatte. Oh Gott, dieser Schmerz!
»Es war schwer. Ich bebte vor Angst, aber dann pumpte das Adrenalin in mir und ich rammte die Scherbe in meinen Arm. Ich wollte versuchen, es schlimmer aussehen zu lassen, als es tatsächlich war. Viele flache Schnitte, um die Illusion zu erzeugen, dass ich in Lebensgefahr schwebte, aber es funktionierte nicht. Da war einfach zu wenig Blut. Ich wurde ungeschickt und schnitt ein paar Mal zu tief. Natürlich war es zu spät – ich konnte die Blutung nicht stoppen. Aber mein Plan hatte funktioniert, denn sobald er sah, was passiert war, geriet er in Panik. Ich sammelte meine letzte Kraft, um ihn in seinem eigenen Spiel zu schlagen. Ich erzählte ihm, dass ich ihn nicht verlieren wollte. Dass der Dämon eifersüchtig auf ihn wäre und mich zu dieser Tat gezwungen hätte, um mir einen qualvollen Tod zu bescheren.« Ich blickte zu Draven auf. Seine Augenbrauen waren angehoben, aber ich konnte seinen Ausdruck nicht entschlüsseln, also machte ich weiter.
»Natürlich glaubte er mir. Er trug mich zu seinem Auto, und zum ersten Mal seit sechs Wochen sah ich das Tageslicht. Ich musste ohnmächtig geworden sein, denn das Nächste, woran ich mich erinnerte, war, dass er mich vor der Notaufnahme absetzte mit den Worten: ›Sag kein Wort. Ich komme zurück, um dich zu holen.‹ Kurze Zeit später fand mich das Krankenhauspersonal.«
»Und du hast ihnen erzählt, was geschehen ist?«
Ich lachte humorlos.
»Oh ja, das habe ich. Ich schrie mir die Lungen aus dem Leib. Brüllte, jemand solle die Polizei verständigen, da ich entführt worden sei. Sie glaubten mir, und da meine Eltern mich bereits vor über einem Monat als vermisst gemeldet hatten, warf meine Geschichte keine Zweifel auf. Als Morgan zurückkam, lockte ihn
die Frau an der Rezeption in ein Zimmer, in dem die Bullen auf ihn warteten und ihn schließlich verhafteten.«
»Das war sehr mutig von dir, Keira, aber eine Sache verstehe ich immer noch nicht … Warum hast du deine Aussage verweigert?«
Diese Frage schmetterte ich ab.
»Ich habe meine Gründe, persönliche Gründe. Aber meine Aussage war nicht nötig, denn als sie sein Haus stürmten, fanden sie genug Beweise für meine zermürbende Geschichte. Leider führte sie das auch zu mehr Leichen.« Er schien nicht überrascht zu sein. In Anbetracht der Tatsache, dass er die Akte gelesen hatte, war er wahrscheinlich in alles eingeweiht.
»Später fand ich heraus, dass er meine Mitbewohnerin Charlotte getötet hatte. Er ließ es nach Selbstmord aussehen. Sie fanden Toms Leiche in den Wäldern nahe der Universität. Seine Kehle war so tief durchgeschnitten, dass sein Kopf fast abgetrennt war.« Ich zuckte zusammen, als die Erinnerung zurückkam. Ich hatte die Nachricht kaum verkraften können, als mich die Polizei darüber informierte, wissend, dass die Schuld auf meinen Schultern lastete.
»Sie hätten ihn schon früher fassen müssen!«, knurrte Draven in Abscheu.
»Tja, sie hatten nichts mehr als Indizien. Eine Zeit lang wurde ich sogar verdächtigt, in Toms Tod verwickelt gewesen zu sein, da ich von der Bildfläche verschwunden war. Sie fanden auch die Leiche des echten Hugo Morgan, dessen Identität Morgan angenommen hatte. Sie sagten mir, dass sein richtiger Name Douglas Brone sei, doch sie wussten nicht viel über seine Vorgeschichte. Er hatte eine Schwester, ebenfalls mit dem Namen Catherine, für die er angeblich weit mehr empfand als nur Geschwisterliebe. Sie wussten nicht, wie sie gestorben war, nur, dass sie das Mädchen auf dem Foto war, das ich gefunden hatte.«
»Das war also der Grund, warum du keine Aussage abgegeben hast. Sie hatten genug Beweise, um ihn zu verurteilen.«
»Das hatten sie allemal. Nicht zuletzt durch das Zimmer, auf das sie stießen.«
»Welches Zimmer?«, fragte er knurrend, als ob er bereits mit seinen Nerven am Ende wäre.
»Sie fanden einen Raum auf dem Dachboden, den er mir gewidmet hatte. Ein Schrein seiner Besessenheit. Hunderte von Fotos von mir, die er gemacht hatte, auch Bilder, die er gezeichnet und gemalt hatte. Außerdem Haarsträhnen, meine Klamotten und noch ein paar andere widerliche Dinge, die er aus meinem Müll gefischt hatte. Aber das Schlimmste, was sie fanden, war mein Double.«
»Double?« Draven lehnte sich nach vorn und stützte seine Unterarme auf seine Knie.
»Der gefrorene Körper eines ermordeten Mädchens, das genauso aussah wie ich, wurde in einer verschlossenen Gefriertruhe gefunden.« Mir wurde schlecht bei dem Gedanken daran, dass die Horrorstory auch nach meinem Entkommen noch kein Ende genommen hatte.
»Eine, die genau in dem Keller verscharrt wurde, in dem ich untergebracht war.«
»Bei den Göttern«,
murmelte Draven kopfschüttelnd.
»Sie war in etwa zur gleichen Zeit verschwunden wie ich, was sie vermuten ließ, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun hatten. Aber dann fanden sie die Verbindung zu ihr. Die Polizei glaubte, er wollte meinen Tod vortäuschen, und dafür brauchte er jemanden, der mir ähnlich sah. Er dachte, er könnte einfach mit mir abhauen, aber meine Familie bereitete ihm Probleme. Sie ließen die Polizei nach mir suchen und befragten meine Kollegen an der Universität. Auch Morgan wurde verhört und schnell als verdächtig eingestuft. Es hätte nicht mehr lange
gedauert, bis sie mich gefunden hätten, aber ich wusste natürlich nichts davon. Als sie ihn also erwischten, war sofort klar, dass er verrückt war. Er plädierte auf Unzurechnungsfähigkeit und wurde in eine Hochsicherheits-Nervenheilanstalt gesteckt.«
»Narren … Sie hätten ihn hängen sollen!«, platzte Draven wütend heraus.
»Hängen? Die Zeiten sind vorbei, Draven«, sagte ich etwas entgeistert. Sein Kopf ruckte zu mir.
»In England fand die letzte Hinrichtung durch Erhängen 1964 statt«, meinte er. Woher wusste er solche Sachen? Egal. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, sich darüber den Kopf zu zermartern.
»Also verstehst du jetzt, warum ich gehen muss?« Ich stand auf und bewegte mich zur Tür. Das war das letzte Mal, dass ich ihn sehen würde. Ich schluckte den Klumpen in meiner Kehle und versuchte, das Gefühl der Verzweiflung zu ignorieren, das mein Herz zersplitterte. Ich wollte ihn nicht loslassen. Aber mir blieb keine Wahl, also ergriff ich die Türklinke und drückte sie nach unten. Verschlossen.
»Nein, das tue ich nicht. Wenn überhaupt, bestätigt das nur, dass ich allen Grund dazu habe, dich hierzubehalten«, sagte er und stand ebenfalls mit verschränkten Armen auf.
»Was?! Das ist nicht fair. Du … Du hast mir dein Wort gegeben!« Er zuckte nicht einmal mit der Wimper.
»Ich habe dir mein Wort gegeben, dich gehen zu lassen, wenn mich die Wahrheit zufrieden stellt.«
»Ich habe dir die Wahrheit erzählt!«
»Das hast du, Keira, was unendlich mutig von dir war. Und du wirst nie verstehen können, was es mir bedeutet zu wissen, dass du sie mir anvertraut hast.«
»Aber ich …« Er hielt seine Hand hoch, um mich zu stoppen und fuhr schnell fort:
»Aber deine Geschichte bestätigt nur, welche Angst du davor hast, dass das noch einmal passiert, und ich werde nicht eher ruhen, bis diese Bedrohung beseitigt ist. Du wirst das nie wieder durchmachen … NIE WIEDER!«
Seine kühle Miene änderte sich schlagartig bei seinen letzten beiden Worten.
»Dazu hast du kein Recht. Ich möchte gehen. Ich muss!«
»Und warum? Willst du für immer weglaufen, Keira? Denn wenn du denkst, dass du dich nur so retten kannst, dann irrst du dich gewaltig.« Seine schwarzen Augen fesselten meine, auf der Suche nach einer Möglichkeit, mich zu überzeugen.
»Ich versuche nicht, mich selbst zu retten, verdammt noch mal! Ich will die Menschen retten, die mir wichtig sind. Wenn ich gehe, wird er mir folgen, und das ist meine einzige Chance. Siehst du das nicht? Ich habe keine Wahl!« Jetzt weinte ich bitterlich. Alles war meine Schuld. Ich war eine Missgeburt der Natur und hätte nie geboren werden sollen! Ich fügte den Menschen in meinem Umfeld nur Schmerzen zu, wie eine Krankheit ohne Heilung.
Dravens Mimik wurde etwas weicher. Ich konnte seinen Blick nicht ganz entschlüsseln, aber er machte deutlich, dass er es verabscheute, mich weinen zu sehen.
»Und das ist der einzige Grund, warum du gehen willst? Damit du verhindern kannst, dass die Menschen, die du liebst, verletzt werden?«, fragte er, als er sich mir näherte, aber ich trat zurück mit jedem Schritt, den er in meine Richtung unternahm. Ich durfte meine Entscheidungen nicht seinetwegen in Frage stellen, und ich wusste, dass ich seiner Macht verfallen würde, sobald er vor mir stand.
»Komm nicht näher«, warnte ich mit zittriger Stimme.
»Antworte mir.« Er ignorierte meine Bitte.
»Ja, natürlich ist das der einzige Grund! Glaubst du ernsthaft, dass ich gerne auf der Flucht bin? Zu wissen, dass man mich jagt und mein Alptraum von vorn beginnen könnte?«
Ich warf einen Blick über meine Schulter und erkannte, dass ich mich nicht in Richtung Tür bewegte, sondern Draven mich gegen eine Wand drängte. Wo vorher zwei Türen gewesen waren, sah ich nun gar keine mehr. Was war hier los? Was tat er da mit mir? Er kam näher und mein Herz reagierte panisch.
»Bitte nicht«, flehte ich noch einmal, und es funktionierte. Er blieb stehen.
»Wenn das die Wahrheit ist, dann hast du nichts zu befürchten. Dann gibt es keinen Grund für dich zu gehen.« Die Angst, die ich vor ihm hatte, schien ihn zu verstören. Leider kannte er die Hintergründe nicht. Wusste nicht, dass ich Panik vor meiner Reaktion hatte, wenn er mich wieder berührte.
»Hör mir doch zu, ich habe keine Wahl!«, rief ich in einem letzten Versuch, ihn zur Vernunft zu bringen.
»Ich habe das geregelt. Sobald ich von seiner Flucht informiert wurde, habe ich die notwendigen Maßnahmen eingeleitet, um sicherzustellen, dass du und deine Familie in Sicherheit seid.« Er zog die Jacke aus, die er über einem dunkelgrauen T-Shirt trug, was meine Beine beim Anblick seines soliden Oberkörpers zum Schlackern brachte.
»Geregelt? Wie?«, fragte ich mit einem Funken Hoffnung in mir.
»Meine Leute haben ein Auge auf Libby und Frank. Ich habe auch ein paar meiner Männer in England stationiert, die für die Sicherheit deiner Eltern sorgen. Du siehst also, es gibt keinen Grund für dich zu gehen.« Ich konnte es nicht glauben. Hatte er das tatsächlich getan?
Waren sie alle in Sicherheit? War ich
sicher vor dem Monster, das mein Leben zerstören wollte? Er nahm wohl von dem Schock auf meinem Gesicht Notiz, denn er sagte:
»Ich kann dir hier deine Sicherheit garantieren, aber nicht, wenn du vor mir wegläufst, Keira.«
Seine Stimme war sanft, schon beinahe flehend. Die Art, wie er meinen Namen sagte …
Genauso wie in der Nacht, in der ich von ihm geträumt hatte, als er eine warme Decke um meine Schultern gelegt hatte, mich an sich zog und festhielt.
»Aber ich verstehe nicht … Warum? Warum würdest du das alles für mich tun?« Gott, ich hoffte, er würde mir endlich eine Antwort geben, die Sinn machte.
»Ist das nicht offensichtlich?«, fragte er, mit einem Ausdruck auf seinem Gesicht, der mir noch nie zuvor untergekommen war. Als ob er mich so dringend bräuchte wie seinen nächsten Atemzug. Als ob er mich verzehren wollte.
Ich sah hinab auf meine Hände. Sein Blick jagte mir Angst ein. Eine Angst geboren aus blinder Leidenschaft und meiner eigenen, überwältigenden Lust. Gott, ich wollte diesen Mann so sehr, dass ich mir nichts sehnlicher wünschte als einen Kuss.
Dann zerbrach etwas. Eine klare Linie, die einst wie eine undurchdringliche Wand zwischen uns stand, wurde überschritten mit nur einem Wort: »Genug!«
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er die Distanz zwischen uns mit langen Schritten zerschnitt. Sein Körper kam an meinen, seine Hände umrahmten mein Gesicht und hoben es hoch, sodass meine Lippen seine treffen konnten, bevor er mich verschlang und mit mehr Leidenschaft küsste, als mein Körper ertragen konnte.
Ich bebte unter seiner Berührung, als mir ein Ansturm von Emotionen die Kontrolle nahm. Ich hatte eine gefühlte Ewigkeit auf diesen Moment gewartet, und wenn ich jede Nacht davon geträumt hätte, wäre es immer noch nicht dem Himmel nahegekommen, in den er mich jetzt brachte. Ich konnte meine Hände nicht davon abhalten, sein Gesicht an meinem zu verankern indem ich mich an seinem Nacken festhielt. Dieses Gefühl sollte niemals zu Ende gehen. Wenn ich jetzt gestorben wäre, dann hätte ich zum ersten Mal in meinem Leben erfahren,
was es bedeutete, in Lust, Glück, und Liebe zugleich verloren zu sein.
Bei dieser Offenbarung entkam mir ein Winseln der Glückseligkeit, gefangen in seinem Mund. Das war der Punkt, an dem meine Beine mich nicht mehr aufrecht halten konnten. Jeder Muskel wurde weich wie Butter. Er reagierte darauf, indem er um meine Taille griff, einen Arm fest um sie wickelte und mich auf die Höhe seines Gesichts hob. Dann explodierte eine größere Leidenschaft zwischen uns, als ich meine Ellbogen auf seine Schultern stemmte und meine Unterarme hinter seinem Kopf benutzte, um seine Lippen an meinen zu befestigen.
»Bei den Göttern!«, knurrte er mich an. Ich protestierte nur mit einem Murmeln, als er einen Zentimeter Abstand zwischen uns brachte. Seine Augen funkelten violett, bevor er mich stärker gegen die Wand drückte und unseren Kuss von einem explosiven zu einem seelenverzehrenden machte. Seine Lippen verschmolzen mit meinen, als er sich alles von diesem Kuss nahm, was er wollte. Er teilte meine Lippen, drang in meinen Mund mit jeder sinnlichen Faser ein, die er besaß.
In diesem Moment gehörte ich voll und ganz ihm. Er dominierte mich, und ich gab mich ihm hin wie ein bereitwilliges Opfer. Seine freie Hand bewegte sich zu meinem Nacken, während seine andere meine Hüfte fester hielt. Eine pure, besitzergreifende Geste, als seine Zunge tiefer in meinen Mund stieß. Und gerade als ich dachte, es könnte nicht intensiver werden, vertiefte er den Kuss, bis meine Organe in lodernde Flammen aufgingen.
Er entzündete meine Adern mit fleischlicher Begierde, und ich wollte nie davon abkühlen. Er schob meinen Kopf noch weiter zur Seite. Unsere Nasen berührten sich, als er jeden letzten Zentimeter von mir erforschte. Ein Stöhnen nach dem anderen entfloh mir, die bestätigten, wie sehr ich ihn wollte. Ich spürte sein Lächeln über meinem Mund, bevor er seine Lippen
wegzog. Ich mochte es nicht. Ich wollte ihn zurück. Aber er hatte andere Pläne.
Er trug mich zu seinem Schreibtisch, wobei er mein ganzes Gewicht mit nur einem Arm hielt. Den anderen benutzte er, um die Oberfläche leer zu räumen. Er fegte alles zu Boden. Jetzt war meine Vergangenheit um meine Füße verstreut, wo sie für immer bleiben sollte. Er setzte mich ab, sodass ich auf der Höhe seines perfekten Gesichts blieb. Seine Augen loderten immer noch mit sexueller Begierde.
Seine Hand schlängelte sich hinter meinen Kopf, damit er seine Finger über meinen Nacken spreizen und sie mit meinen Haaren verflechten konnte. So konnte er die Position meines Kopfes kontrollieren. Er neigte ihn zur Seite, sodass er seinen Mund zu meinem freiliegenden Hals bringen konnte. Er küsste mich dort. Seine Lippen hinterließen Abdrücke auf meiner Haut, die meinen Rücken entlang kribbelten. Ich schloss meine Augen, als der Raum begann, sich zu drehen.
Mein Körper kochte. Er musste es wohl gefühlt haben, denn seine Hände fanden meine Jacke und zogen sie über meine Schultern, damit die Luft meinen überhitzten Körper abkühlen konnte. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Türen, die zum Balkon führten, nun offenstanden und eine nächtliche Brise hereinließen.
Er schleuderte meine Jacke zur Seite, als ob sie mich von Beginn an niemals hätte bedecken dürfen. Dann kam sein Blick zurück zu mir, und mein Herz verpasste ein paar Schläge beim Anblick der Lust in seinen dunklen Augen. Eine Ecke seines Mundes krümmte sich nach oben und enthüllte ein neckisches Grinsen, als seine Hände hinter meine Knie wanderten. Mit einem festen Griff drückte er sie auseinander. Dann zog er kurz an ihnen, was meinen Körper näher zu seinem gleiten ließ. Ich seufzte, als ich spürte, wie das harte Stück in seiner Hose an die Stelle meines Körpers drückte, an der ich mich mit ihm
verbinden wollte. Ich war bereit für ihn. Und irgendwie fühlte es sich an, als wäre ich mein ganzes Leben lang bereit für ihn gewesen.
Und es war wunderschön.
Er unterbrach mein Seufzen, indem er seine Lippen wieder an meine drückte. Ich konnte den Duft schmecken, nach dem ich mich so sehr sehnte. Ich hatte so etwas noch nie zuvor erlebt. Schließlich fanden meine Hände den Mut, die harten Kurven seiner Schultern zu berühren. Das brachte nur mehr Begierde in ihm hervor. Seine Hände umwölbten meinen Rücken und versuchten durch die Schichten, die ihm im Weg waren, zu meiner Haut zu gelangen.
Der Kuss wurde weicher, bevor er sich etwas von mir distanzierte, um mich anzusehen. Es brachte mich in Verlegenheit, wie akribisch er mich studierte. Seine Augen waren auf meine Haare gerichtet, als sich seine Augenbrauen zusammenzogen.
Ich wollte ihn fragen, was los war, als er seine Hand zu meinem Kopf hob. Ich konnte es nicht fassen, als meine Haarspange von selbst aufsprang und in seine Hand flog, ohne eine Berührung. Meine Haare flossen wie ein goldener Wasserfall herab, und seine Augen weiteten sich ehrfürchtig beim Anblick. Er legte die Haarspange nieder und ließ meine Haare durch seine langen Finger gleiten.
»Clavis aurea«, sagte er mit rauer Stimme. (»Goldener Schlüssel«, auf Latein) Ich wusste nicht, was das bedeutete, aber ich reagierte, indem ich meinen Kopf senkte. Meine Haare fielen nach vorn und verdeckten mein beschämtes Gesicht.
»Eine Schönheit wie deine sollte niemals verdeckt werden«, sagte er, als er meinen Kopf mit einem Finger an meinem Kinn anhob. Dann kam seine Hand zu meinem Gesicht, wo er mein Haar von meinen erröteten Wangen nach hinten strich.
»Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du dich nie vor mir verstecken sollst, Keira«, erklärte er mir mit solcher Intensität, dass ich blinzeln musste. Das hatte er in einem Traum zu mir gesagt. Ein Traum, der offensichtlich völlig real gewesen war.
Seine Hände brachten mich auf andere Gedanken, als er sich meinen Sweater vornahm. Er zog langsam den Reißverschluss nach unten. Das Geräusch hallte im Raum wider. Ich konnte es kaum glauben, dass es sich nicht um einen Traum handelte. Er war wirklich hier bei mir, und seine Hand war der Beweis, als sie die nackte Haut an meiner Taille fand.
Ein intensives Gefühl schoss meinen Körper hoch und machte mich zu einer Marionette in den Händen eines Meisters. Er zog mich wieder zu sich heran. Sein Lächeln verweilte auf seinem Mund. Ich konnte keinen logischen Gedanken fassen. Konnte nicht richtig von falsch unterscheiden. Das war definitiv falsch. So falsch, dass es sogar irgendwie Sinn in meinem Leben machte!
Es war ein Moment glückseliger Qualen. Glückselig wegen seinen Händen an meinem Körper, die sich bereit machten, mir jedes Kleidungsstück auszuziehen, das mich bedeckte, aber eine Qual, weil ich wusste, dass ich ihn aufhalten musste. Dieser Mann – der Mann meiner Träume – gehörte nicht mir. Es war mir nicht erlaubt, ihn anzufassen. Er gehörte einer anderen, und mein Herz erfüllte sich mit Hass bei dem Gedanken.
Ich musste es stoppen, und ich würde das nie schaffen, wenn er mich noch einmal küsste. Bevor er mir also die Entscheidung noch schwerer machen konnte, legte ich meine Hände auf seine Brust. Ich versuchte, ihn zurückzuschieben, aber ich hätte genauso gut ein Kissen gegen eine Steinwand drücken können.
»Draven, wir … Wir können das nicht tun.« Endlich fand ich meine Stimme, aber er warf mir einen skeptischen Blick zu. Seine Hände rutschten meine Wirbelsäule hinunter bis zu
meiner Unterwäsche, und ich stöhnte, was seinen Mund dazu brachte, sich in ein zufriedenes Grinsen zu verwandeln.
»Wirklich?« Er neigte seinen Kopf, um meine Augen zu sehen, die ich zu verbergen versuchte. Ich blieb jedoch standhaft und stieß ihn wieder zurück, was er schließlich ernst nahm. Seine Hände fielen zur Seite. Ich konnte meine Selbstkontrolle selbst nicht glauben, als ich vom Schreibtisch sprang und auf Abstand ging.
Ich meine, war ich verrückt? Das war alles, wovon ich geträumt hatte, und jetzt warf ich es einfach so über den Haufen. Wenn ich dafür nicht in den Himmel aufstieg, dann würden mich die Wächter vor den goldenen Toren mal kennenlernen!
»Das ist falsch. Wir können das nicht tun. Wir hätten nicht …« Ich versuchte, die richtigen Worte zu finden, aber egal, wie felsenfest ich von meiner Moral überzeugt war, fühlte es sich an, als würde ich gegen Gott selbst ankämpfen.
»Da bin ich anderer Meinung, so wie dein Körper. Hör auf, dagegen anzukämpfen, Keira«, sagte er mit intensiver Habsucht. Er wollte mich wieder in seinen Armen haben. Aber ich konnte das nicht. Es war nicht richtig. Warum konnte er das nicht sehen?
»Draven, du wirst heiraten. Ich werde nicht die andere Frau in dieser Geschichte sein!«, sagte ich trotz des Schmerzes, den mir das verursachte. Sie konnte das haben. Er gehörte ihr und sonst niemandem. Ich war so eifersüchtig, dass ich fast die grüne Luft um mich herum schmecken konnte, aber Draven schien nur belustigt zu sein.
»Und das ist der Grund, warum du nicht in meinen Armen bist, wo du hingehörst?«
»Ist das nicht Grund genug?« Seine Antwort verblüffte mich.
»Also ist das, was ich tue, in deinen Augen eine Sünde?«
»Wie würdest du es nennen?«
»Eine Unannehmlichkeit. Eine, die ich sofort aus der Welt schaffen werde.« Er ging zu der Sprechanlage, die in der Wand montiert war, und drückte einen roten Knopf.
»Schick Celina sofort hierher.« Mein Herz sank in meinen Bauch. Was um Gottes Willen hatte er vor? Das hatte ich nicht damit bezwecken wollen!
»Draven, was tust du?«, fragte ich einen Moment zu spät, denn schon öffnete sich die Tür, und seine perfekte Verlobte betrat das Zimmer. Sie sah aus wie immer.
Göttlich.