A
ls ich aufwachte, strömte das Licht durch mein Zimmer, heller, als ich es gewohnt war. Ich hatte nur ein Fenster, aber ich musste blinzeln, um meine Augen an das Sonnenlicht zu gewöhnen. Mein Bett fühlte sich anders an, und meine Gliedmaßen schmerzten, als wäre ich einen nächtlichen Marathon gelaufen. Plötzlich kamen mir die Ereignisse letzter Nacht wieder ins Gedächtnis, und ich sprang fast aus dem Bett, als ich spürte, wie sich neben mir etwas bewegte.
Sex mit Draven war der perfekteste Moment in meinem Leben gewesen, so viel war klar. Und glücklicherweise war ich mir diesmal absolut sicher, dass es kein Traum gewesen war, denn in der Regel fand ich ihn am Morgen nicht neben mir liegend auf.
Ich erstarrte. Ich wollte ihn nicht wecken, wusste aber nicht, was ich tun sollte. Mein Oberteil und mein zerrissener BH waren in Reichweite, aber sonst nichts, also kam Aufstehen nicht in Frage. Leicht lehnte ich mich aus dem Bett, um meine anderen Klamotten zu finden, die Draven letzte Nacht durch das Zimmer geschleudert hatte. Nahe einer der Säulen, am Fuße des Bettes, bemerkte ich sein T-Shirt.
Mit angehaltenem Atem streckte ich meine Hand aus, während ich versuchte, die Matratze so wenig wie möglich zu bewegen, um ihn nicht zu wecken. Als ich es endlich ergriff, zog ich es über meinen Kopf. Meine Haare sahen vermutlich so aus, als könnte sich darin ein Rudel Waldtiere einnisten.
Ich konnte mir nicht helfen, das T-Shirt an meine Nase zu heben und seinen Duft einzuatmen, während die Erinnerungen an die ›Sexkapaden‹ letzter Nacht zurückflogen. Der Geruch ließ mich fast laut stöhnen.
»An dir sieht es besser aus«, sagte Draven, und ich wirbelte herum. Er war voll wach und lag auf seiner Seite, auf einen Ellbogen gestützt, was seinen Bizeps aufblähte. Er lächelte, und ich wurde feuerrot bei dem Gedanken, dass er mich erwischt hatte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also kaute ich nur auf meiner Lippe.
»So still heute Morgen, Keira. Irgendeinen Grund dafür?«, fragte er übermütig und mit einem frechen Grinsen, das ich noch nie zuvor auf seinen Lippen hatte ausbrechen sehen. Dann schnappte er mich beim T-Shirt, indem er den Stoff mit einer Faust krallte. Er zog mich zurück in seine Arme, und schon bald geriet der Duft seines T-Shirts in Vergessenheit, als ich seinen warmen Körper einatmete.
»Morgen«,
war alles, was ich flüstern konnte, da mir das alles extrem peinlich war. Und, nun ja … Ich war auch total schockiert! Keine Ahnung, wie ich mir den Morgen danach vorgestellt hatte, aber sicher nicht mit einem verwüstlich schönen Lächeln von Draven. Etwas in mir war davon überzeugt gewesen, dass mir mein Glück nicht mehr als eine Nacht mit ihm gewähren würde. Nun, wenn ich mir dieses Lächeln ansah, das er mir jetzt schenkte, freute ich mich darüber, falsch gelegen zu haben.
»Endlich hast du deine Stimme gefunden. Für einen Moment hab ich mir schon Sorgen gemacht«, neckte er amüsiert, und ich drehte meinen Kopf, um ihn anzusehen.
»Du wirkst glücklich.« Es war mehr eine schüchterne Feststellung als eine Frage.
»Und warum sollte ich nicht, wenn du hier bei mir bist? In meinem Bett, in meinen Armen, wo du schließlich hingehörst.« Er strich mein wildes Haar von meinem Gesicht, was mich daran erinnerte, wie fürchterlich es aussehen musste. Schnell glättete ich es mit einer Hand und versuchte, das Biest zu zähmen. Er lachte, zog meine Hand weg und sagte:
»Nicht, ich mag es so. Wild und offen, wie es immer sein sollte.« Er neigte seinen Kopf, um meine Augen zu fangen. Jedoch erfüllten mich schnell neue Sorgen, als ich mich daran erinnerte, wie er meine vernarbten Arme gehalten hatte. Ich blickte nach unten. Im Tageslicht sahen sie noch viel schlimmer aus. Ich versuchte, sie zu verstecken, aber wie schon am Abend zuvor hielt er sie fest und zog sie näher.
»Schhh, hab keine Angst, meine Kleine«, versicherte er mir, als ich versuchte, mich von ihm loszureißen. Er hob meine Arme zu seinen Lippen und küsste die rot-weißen Stellen, sodass jede den kühlen Atem aus seinem köstlichen Mund spüren konnte. Ich schloss meine Augen, als die Empfindungen von letzter Nacht zu mir zurückkamen. Großartige Empfindungen, aber jetzt bei Tagesanbruch sah ich sie in einem anderen Licht. Ich fühlte mich entblößt. Verwundbar.
Als er mit meinen Armen fertig war, glitt seine Hand über meine Wange, was mich zu ihm aufsehen ließ. Ich wollte etwas sagen, als Draven mir zuvorkam, aber seine Worte waren anscheinend nicht an mich gerichtet.
»Herein!« Als ich hörte, wie sich die Tür öffnete, war mein erster Reflex mich wie ein kleines Kind schnell unter der Decke zu verstecken. Draven stieß ein brüllendes Gelächter aus und
brachte damit das Bett zum Vibrieren. Tatsächlich lachte er immer noch, als sich die Person uns näherte.
»Bruder, du erinnerst dich an Keira?«, fragte er, ohne seine Belustigung zu unterdrücken. Ich hingegen war so beschämt, dass ich nur meine Hand ausstrecken konnte, um zu winken.
»Keira, eine Freude dich, ähm … wiederzusehen«, sagte Vincent, der versuchte, sein Lachen mit einem Husten zu maskieren.
»Dom, es gibt Neuigkeiten. Das wirst du sicher sehen wollen.«
»Ich komme sofort«, sagte Draven. Die Tür schloss sich wieder. Einen Augenblick später fegte er die Decke von meinem Gesicht. Irgendwie war Draven bereits aus dem Bett gesprungen und fertig angezogen. Wo hatte er plötzlich die neuen Klamotten her? Und wie zur Hölle hatte er das so schnell angestellt?
»Ich würde es schätzen, wenn du dein Gesicht nicht versteckst, da ich es sehr gerne bewundere. Und wenn du die Decke darüberlegst, nun … Du siehst vielleicht, wo hier mein Problem liegt.« Er beugte sich nieder, küsste meine Stirn und sagte:
»Ich muss gehen, aber ich bin gleich zurück.« Seine tiefe Stimme prickelte meine Wirbelsäule entlang.
»Ist okay. Ich mache mich schnell fertig und gehe.« Ich setzte mich auf, aber er wirkte plötzlich aufgebracht.
»NEIN! Nein, ich will nicht, dass du gehst. Natürlich nicht. Wie kommst du darauf?« Er sah tatsächlich etwas verletzt aus.
»Ich schätze … Ich dachte nur, dass letzte Nacht nur … letzte Nacht war.« Gott, ich hoffte, nein, betete, dass ich falsch lag. Draven war sichtlich schockiert.
»Was, du glaubst, ich wollte nur eine Nacht?« Sein Erstaunen verwandelte sich schnell in Belustigung.
»Nun, ehrlich gesagt, keine Ahnung, was ich erwartet hatte. Nimm es nicht persönlich, aber ich weiß nie, wo ich bei dir stehe«, war meine wahrheitsgemäße Antwort.
»Ich verstehe. Nun, in diesem Fall, lass mich das auf der Stelle klarstellen. Ich habe nicht so lange auf dich gewartet, um dich einmal zu haben. Ich habe dich gestern Abend gefragt, ob du bereit bist, mein zu sein, und das meinte ich auch so. Du hast Ja gesagt. Du gehörst jetzt mir. Also, was ich will …« Er räusperte sich, und sein Mundwinkel bog sich leicht nach oben, als er seine Aussage nochmals formulierte.
»Entschuldigung … Was ich möchte,
ist, dass du in meinem Bett bleibst, bis ich zurückkomme. Kannst du das für mich tun, Keira?« Hoffentlich war mein Kiefer nicht bis nach unten zu meiner Brust geklappt. Es fühlte sich aber schwer danach an. Sprach er die Wahrheit? Dass ich ihm gehörte? Oh mein Gott! Oh mein Gott! Ich konnte diese neue Information gerade nicht verarbeiten, daher konnte ich nur nicken.
»Das ist mein Mädchen. Außerdem brauchst du etwas Ruhe und Zeit, damit sich dein Körper anpassen kann«, fügte er mit einer Liebkosung auf meine Wange hinzu, bevor er sich umdrehte und den Raum durchquerte. Ich wollte ihn fragen, was er damit meinte, dass mein Körper Zeit brauchte, sich ›anzupassen‹, aber die einzige Frage, die ich stellte, war:
»Ähm, bevor du gehst … Gibt es hier ein Badezimmer?«
»Aber natürlich. Hinter dem Wandteppich in der Ecke ist die Tür. Fühl dich wie zu Hause, Keira.« Und damit ging er von dannen. Ich liebte es, wie er meinen Namen aussprach und damit jedes Mal eine Gänsehaut auf meine Haut zauberte.
Sobald ich allein war, stand ich auf. Meine Beine fühlten sich wie ausgehöhlt an, meine Knochen, als bestünden sie aus Marmelade. Meine Muskeln waren verspannt. Verdammt, ich hätte mehr Zeit im Fitness Center verbringen sollen.
Ich umkreiste das riesige Bett und sammelte meine Klamotten ein. Danach tapste ich hinüber zur anderen Seite, wo sich angeblich die Tür zum Badezimmer befinden sollte. Wie er versprochen hatte, lag sie hinter einem Wandteppich verborgen, aber dieser zeigte keine Kampfszene wie die meisten anderen in diesem Raum.
Ein zauberhafter Engel hielt eine Urne. Mysteriöserweise war ihre untere Hälfte grau wie Stein. Sie sah aus, als würde sie sich gleich in eine Statue verwandeln. Ihr Gesicht hingegen wirkte friedlich und ruhig, als sie auf ihr Schicksal wartete. Ich bewegte den Wandteppich zur Seite und öffnete die Tür, die sich dahinter versteckte.
Das Bad war gigantisch und wie auch das Schlafzimmer extrem prachtvoll. Der gesamte Raum war in verschiedene Sektionen unterteilt. Ganz am Ende ragte ein riesiger Steinbogen empor, der über Stufen zur größten Badewanne hinauf führte, die mir je untergekommen war. Groß genug für zehn Personen! Dahinter befand sich ein raumhohes, ebenfalls zu einem Bogen geformtes Fenster, das das Bad mit Licht überflutete.
Gleich neben mir stand ein weißer Marmorblock, der aussah, als ob er eine Tonne wöge. Er war in die Form eines Waschbeckens gemeißelt, verziert mit schwarzen Wasserhähnen. Der Anblick brachte mich augenblicklich zurück zu jener Nacht, in der Draven das Blut von mir gewaschen hatte. Bis vor wenigen Stunden war das mein erotischstes Erlebnis gewesen, eines, das mir der Mann selbst nehmen wollte, indem er mich glauben ließ, es sei nie geschehen. Nun, es war tatsächlich passiert, und ich lächelte bei dem Gedanken.
Hinter dem Waschbecken hing ein prunkvoller, vergoldeter Spiegel, der aus dem gleichen Design bestand wie die Balkongeländer. Weinreben mit schwarzen Rosen. Atemberaubend schön. Bis ich einen Blick hinein warf und
meine Haare sah. Oh Gott, ich sah aus, als wäre ich durch eine Hecke geschleift worden, nachdem ein verrückter Friseur jedes einzelne Haar toupiert hatte! Erst jetzt bemerkte ich, dass sich gegenüber vom Waschbecken eine Dusche befand, die ebenfalls die Größe eines regulären Zimmers aufwies.
Sie bestand aus einer Steinwand und einem schwarzen Duschkopf, größer als eine Frisbeescheibe. Auf einer Seite stand ein Holzschrank, in dem ich frische weiße Handtücher fand. Hm, warum nicht eine Dusche nehmen? Nach letzter Nacht hatte ich sie dringend nötig. Auch wenn der Gedanke, Dravens Geruch von meiner Haut zu waschen, eher frustrierend war. Der Gedanke, dass er zurückkam und mich mit meiner fürchterlichen After-Sex-Frisur sah, war jedoch definitiv schlimmer.
Also zog ich sein T-Shirt aus und betrat die Duschkabine. Automatisch ging das Wasser an, und ich quietschte überrascht. Musste wohl mit einem Sensor laufen, denn an der Wand waren keine Bedienelemente vorhanden. Das Wasser hatte die perfekte Temperatur. Es regnete auf mich herab, als schwebte über mir meine eigene Regenwolke. Ein zufriedenes Grinsen formte sich auf meinem Gesicht.
Ich sah mich um und fand ein verstecktes Regal in der Steinwand, voll mit Pflegeprodukten in verschiedenen Glasflaschen. Ich wusste nicht, was sie enthielten, also öffnete ich sie der Reihe nach, um daran zu schnüffeln. Zuerst wusch ich meinen Körper mit einem Gel, das nach Jasmin und Lotus roch, dann nahm ich mir mein nicht zu bändigendes Haar vor.
Nachdem ich mit Shampoo und Conditioner fertig war, nahm ich die zwei Handtücher, die ich über die Wand gehängt hatte, wickelte eines um meinen Kopf und das andere um meinen Körper. Die Handtücher waren so geschmeidig, dass es sich anfühlte, als bestünden sie aus einer Milliarde extrem weicher Baumwollfäden.
Als ich fertig war, fiel mir ein, dass ich mein Gewand nicht mitgenommen hatte, also öffnete ich die Badezimmertür und spähte durch den Spalt. Überraschenderweise fand ich meinen Koffer vor, der im Zimmer auf mich wartete. Der gleiche, den ich benutzt hatte, als ich hierhergezogen war.
Ich öffnete ihn und fand einen Teil meiner Kleidung sowie meine Haarbürste, zusammen mit einer neuen Zahnbürste und einer Tube Zahnpaste. Dafür war ich sehr dankbar, denn das Letzte, was ich wollte, war, Draven mit morgendlichem Mundgeruch gegenüberzutreten. Obwohl ich mich kurz wundern musste, warum jemand meine Sachen gepackt hatte. Was hatte Draven vor?
Ich schnappte mir die Dinge, die ich brauchte, zusammen mit einem neuen Outfit und sauberer Unterwäsche, und dazu gehörte Gott sei Dank auch ein nicht zerrissener BH. Als ich fertig war, war Draven immer noch nicht zurückgekehrt, aber zu meiner Freude fand ich ein Tablett mit Essen und eine dampfende Kanne mit englischem Tee.
Ich war am Verhungern und schnappte mir ein paar Bissen, um meinen knurrenden Magen zum Schweigen zu bringen. Sobald ich satt war von Toast und Tee, beschloss ich, meinen Haaren noch etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken, bevor Draven zurückkam. Nachdem ich meine Tasche durchwühlt hatte, fiel mir ein, dass Draven meine Haarspange genommen und auf den Schreibtisch gelegt hatte. Dort fand ich sie auch, und ich zwirbelte meine Haare nach oben, bis ich sie mit der Spange befestigen konnte.
Ich sammelte alle Zettel vom Boden ein, um sie wieder in den Ordner zu legen, der mit meinem vollständigen Namen auf der Vorderseite bedruckt war. Meine Finger huschten über die Schrift. Ich hatte diese Akte seit Jahren nicht mehr in meinen Händen gehabt.
Ich durchsuchte noch einmal den Boden, um sicherzustellen, dass ich alle Blätter erwischt hatte. Dann fiel mir ein Stück Papier zu meinen Füßen ins Auge, das nicht so aussah, als wäre es Teil der Akte. Ein Stück, das aus einem Notizblock gerissen wurde. Ich beugte mich nach unten, um es aufzuheben, bevor ich es langsam umdrehte, um das Bild zu offenbaren. Es war eine Zeichnung völliger Vollkommenheit, in jedem Sinne des Wortes. Ich kannte sie nur zu gut, weshalb ich mir auch nicht erklären konnte, wie sie hierhergekommen war.
Ich hatte es nicht nur mit meinen Händen geschaffen, sondern auch mit diesen zerstört.
Meine Vision von …
Draven.