»
O
kay, also können wir nicht einen Schritt zurück machen? Es so aussehen lassen, als wäre ich tot oder so?«, schlug ich panisch vor. Ich wurde bereits von einem verrückten Menschen gejagt, jetzt auch noch von einem mächtigen Dämon? Draven hatte immer noch seine Arme um mich geschlungen, als ich in völlige Hysterie ausbrach.
»Keira, es wird alles gut. Mach dir keine Sorgen. Ich werde mich um dich kümmern und die Angelegenheit aus dem Weg schaffen. Du musst noch so viel verarbeiten und mit all den neuen Informationen fertig werden. Hier, setz dich hin.« Er führte mich zu meinem Stuhl, aber mein Verstand raste. Ich befand mich mitten in einem Krieg, den ich nicht sehen konnte. War das der Preis, den ich zahlen musste, um bei ihm zu sein?
Okay, das beruhigte mich etwas. Ich wusste, ich würde für ihn durch die Hölle gehen. Und es sah ganz so aus, als ob ich kurz davor wäre, einen Kurztrip dorthin zu unternehmen.
»Besser?«, fragte er, während er meinen Rücken rieb und mich innerhalb von Sekunden beruhigte.
»Ja. Tut mir leid, ich habe das alles noch nicht ganz verdaut, weißt du?«
»Aber natürlich, Keira. Ich kann mir nicht vorstellen, was gerade in deinem Kopf vorgeht. Du verkraftest das alles erstaunlich gut. Ich denke, das reicht für heute.«
»Nein, nein, wirklich, alles okay. Oh, warte. Wie spät ist es?«, fragte ich, obwohl ich direkt auf die Uhr starrte.
»Warum willst du das wissen?« Er hob eine Augenbraue.
»Ich muss mich für die Arbeit fertig machen.« Ich stand auf und ging zu meiner Tasche, aber seine Hand schnürte sich um mein Handgelenk. Sofort wurde ich ganz steif. Ich war es immer noch nicht gewohnt, dort berührt zu werden.
»Tut mir leid, aber hast du dir einen neuen Job geangelt, seitdem du gekündigt hast?« Er schenkte mir ein süffisantes Grinsen und stellte sich über mich. Ich fühlte mich so klein wie ein Hobbit.
»Nein, aber willst du damit sagen, dass ich meinen alten Job nicht zurückbekomme? Schließlich war das der eigentliche Grund, warum ich hierhergekommen bin, um mit dir darüber zu sprechen. Okay, so weit ist es gar nicht gekommen, aber das hat sich irgendwie zu meinem Vorteil herausgestellt.«
»So hast du sicherlich nicht gedacht, als ich dich gegen deinen Willen festgehalten habe, wie du es so gerne formulierst.« Er versuchte mich abzulenken, und ich versuchte, mich aus seiner Umarmung zu winden, um irgendwie zu meiner Tasche zu kommen, aber das wollte er nicht zulassen.
»Gut. Was wäre also passiert, wenn ich nicht diesen Anruf von meinem Psycho-Stalker bekommen hätte?« Er drückte meine Handgelenke enger.
»Ganz einfach. Dann hätte ich gar nicht erst rausgehen müssen, um dich zu holen.«
»Was meinst du?« Ich schüttelte konfus meinen Kopf.
»Keira, sobald du hier angekommen bist, hast du damit dein Schicksal besiegelt. Ich hatte nie die Absicht, dich gehen zu lassen. Aber wie immer warst du stur und wolltest mich nicht auf
dem Balkon treffen. So oder so, es machte keinen Unterschied. Ich hätte dich einfach überfallen«, sagte er ganz faktisch.
»Überfallen? Du meinst doch wohl nicht …?«
Schnell wurde mir klar, dass er es nicht so gemeint hatte, denn er lachte jetzt so stark, dass mein ganzer Körper bebte. Das nahm ich nicht hin und versuchte wieder, mich loszureißen. Im Gegenzug zog er meine Handgelenke hoch über meinen Kopf und brachte mein Gesicht näher an seins.
»Und wo willst du eigentlich hin?« Er versuchte nicht einmal, seine Belustigung zu verbergen.
»Toll, dass du das so unterhaltsam findest!«
»Keira, überleg doch mal. Was hättest du getan, wenn ich dir einfach so deine Kleider von deiner weichen Haut gerissen und mit dir Liebe gemacht hätte, besonders nach unserer letzten Begegnung? Was hättest du gedacht?« Okay, guter Punkt. Das konnte mein angeschlagenes Ego verkraften.
»Es hätte mir gefallen«, meinte ich grinsend. Es war einfach zu mühsam, ihm böse zu sein, vor allem, wenn ich dieses herzstoppende Lächeln zu sehen bekam. Er lockerte seinen Griff, doch nicht um mich gehen zu lassen, sondern um mich ihm näher zu bringen. Seine Arme wickelten sich um mich wie Stahlbänder.
»Wirklich? Vielleicht beim nächsten Mal. Aber noch mal zurück zu vorhin – warum willst du wieder für mich arbeiten?«
»Ich möchte nicht anders behandelt werden, nur weil wir … ähm … Nun, nur weil ich vom Boss bevorzugt werde.«
»Bevorzugt. So nennst du das also?« Meine Wortwahl amüsierte ihn offenbar.
»Nun, wie nennst du es? Dating?«, fragte ich, obwohl ich den Gedanken belustigend fand. Die Vorstellung, dass Draven mich in ein Restaurant führte oder mir Schokolade kaufte, war irgendwie absurd.
»Wenn man bedenkt, dass ich letzte Nacht deinen Körper genommen habe, was eindeutig kein Date war, und ich dann ein zweites Mal so richtig
deinen Körper genommen habe nach unserem Streit, denke ich, wir können den Dating-Part überspringen und einfach sagen, dass wir zusammen sind.« Klang einleuchtend. Mit ihm zusammen zu sein, erweckte in mir so unglaublich starke, noch nie dagewesene Emotionen, dass ich mich fühlte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Und dennoch wollte ich in die Luft springen und es in die ganze Welt hinaus brüllen. Ja, so wahnsinnig glücklich war ich.
»Tja, wie dem auch sei. Trotzdem werde ich in zwanzig Minuten zur Arbeit gehen«, sagte ich mit felsenfester Überzeugung, aber sein Blick kommunizierte mir ein ›Das glaube ich nicht‹.
»Wird sich als schwierig erweisen, wenn du an mein Bett gefesselt bist«, hänselte er, und ich tappte natürlich in die Falle.
»Das würdest du nicht tun!« Auch wenn ich die Idee nicht ganz so abstoßend fand.
»Vielleicht nicht heute Abend, aber ich muss sagen, der Gedanke gefällt mir. Trotzdem ist meine Antwort Nein.« Er ließ mich los.
»Nein? Wirklich? Also lass mich das klarstellen. Ich bitte dich um etwas, und du schlägst es mir aus?« Ha, als ich sein Gesicht sah, wusste ich, dass ich ihn um den Finger gewickelt hatte.
»Keira, tu das nicht. Du weißt, ich möchte dir alles geben, was ich kann, aber nicht das. Ich versuche dich zu beschützen, also mach es mir nicht unnötig schwer.« Er kehrte mir den Rücken zu, aber ich wusste, mein Sieg war nah.
»Das ist wohl ein Scherz. Dieser Ort ist eine Festung. Und wie soll mir etwas passieren, wenn du ein Auge auf mich hast? Außerdem werde ich unten sein und …«
»Unten? Ich dachte, du willst deinen alten Job zurück. Warum würdest du wieder unten arbeiten wollen?«
»Weil das mein alter Job ist, schon vergessen? Du hast mich hier oben gefeuert.« Ich lachte. Unfassbar, dass wir tatsächlich diese Diskussion führten.
»Ich habe dich nicht gefeuert! Ich habe dir dazu geraten, unten zu arbeiten. Wie dem auch sei, dieses Gespräch ist beendet.« Und das war die Art, wie Draven die Dinge handhabte. Er sagte, wie es sein sollte und erwartete, dass es auch so sein würde. Tja, dann würde es ihn schockieren, wenn ich ihm zeigte, auf was er sich bei mir eingelassen hatte.
»Du hast recht. Ich muss mich fertig machen.« Ich packte meine Tasche und huschte ins Badezimmer, ohne Draven eines weiteren Blickes zu würdigen, der wahrscheinlich wieder einmal überrascht war, dass ich ihm nicht gehorchte
. Aber mal ehrlich, wann hatte ich jemals seine Befehle befolgt? Ich lächelte, als ich die Tür hinter mir schloss.
»Und was gibt es da zu grinsen?« Ich flog herum, nur um zu sehen, dass Draven mit verschränkten Armen an der Duschkabine lehnte. Ich fuhr beinahe aus meiner Haut vor Schreck.
»Verdammt noch mal, hör auf damit!« Erheitert hob er eine Augenbraue.
»Okay, dann werde ich mich eben vor dir umziehen«, schnaubte ich und zog eine schwarze Hose, ein schwarzes Top und ein passendes Paar Handschuhe heraus. Ich wartete darauf, dass er mir etwas Privatsphäre gönnte, doch er winkte nur mit einer Hand in meine Richtung.
»Tu dir keinen Zwang an.« Also atmete ich tief ein und zog mein Oberteil über meinen Kopf, was mich in meinem weißen BH dastehen ließ. Seine Augen wurden größer, und plötzlich fühlte ich mich, als hätte ich ihn in der Hand. Als hätte ich gerade seinen Schwachpunkt gefunden. Als ich bemerkte, wie
schwer ihm das Schlucken fiel, konnte ich kaum das Grinsen von meinem Gesicht fernhalten.
Also ging ich noch einen Schritt weiter und blieb oben ohne, während ich das nächste Kleidungsstück herausnahm. Dafür drehte ich mich um und ließ meine Haare auf meinen Rücken regnen, bevor ich mich an die Jeans machte. Langsam, beinahe verführerisch, zog ich sie runter. Das zeigte mich in einem Paar mit Spitze bestückten French Knickers. Ich vernahm ein Grölen hinter mir, als ich meine Haare über meine Schulter warf und meinen Fuß aus dem letzten Jeans-Bein zog. Das reichte aus, um seine Willenskraft zu zerstören.
»Komm her!«, befahl er, aber ich blickte nur unschuldig über meine Schulter, in dem Versuch, zum ersten Mal in meinem Leben verführerisch zu wirken.
»Wirst du deine Meinung ändern?«, fragte ich, obwohl mich der Anblick seines Dämons, der seine Augen intensiv auflodern ließ, etwas einschüchterte.
»Ich werde alles tun, was du willst, wenn du jetzt
zu mir kommst!« Ich zuckte zusammen, als er das letzte Wort mit einem tiefen Knurren donnerte. Ich drehte mich ihm zu, was meine Haare nach vorne schwang und somit den oberen Teil meines Körpers bedeckte. Blut strömte in meine Wangen, was ihn noch mehr in Erregung brachte. Langsam näherte ich mich ihm, während er meinen Körper wie ein Raubvogel beäugte.
Seine Hand ging zuerst zu meinem Gesicht, dann weiter nach unten, um meine Haare zurückzustreichen, was ihm endlich eine freie Sicht auf meinen nackten Oberkörper gewährte. Meine Brust hob sich unter meiner erschwerten Atmung und seiner Hand, die jetzt ihren Weg über meinen Hals zu meinen Brüsten hinab machte.
Seine schwarzen Augen flackerten violett auf, was mich erschreckt dazu brachte, meine Augen zu schließen. Seine Berührung war so erotisch, dass mein Körper nur
zusammenklappen wollte. Dann beugte er sich zu meinem Hals vor und küsste mich so sanft, dass es sich anfühlte wie die Flügel eines Schmetterlings. Er bewegte seine Lippen zu meinem Ohr und flüsterte dann:
»Du darfst dich jetzt fertig machen für die Arbeit. Aber sei gewarnt, denn ich werde mir später nehmen, was ich will. Und Keira, später … spielen wir nach
meinen Regeln.«
Als ich meine Augen öffnete, war er verschwunden. Der Gedanke an das, was mir bevorstand, füllte meinen Körper mit flüssigem Feuer.
Nachdem ich mich fertig gemacht hatte, ging ich zurück ins Zimmer. Draven war nicht da, aber stattdessen die Dienerin Candra.
»Hallo, Keira. Mein Lord möchte, dass ich dich in die VIP-Lounge zurück begleite.« Ich nickte, obwohl ich sie eigentlich fragen wollte, warum die Leute ihn permanent ›Mein Lord‹ nannten. Doch die Antwort jagte mir irgendwie Angst ein.
»Ähm, okay, danke.« Ich folgte ihr zur Tür hinaus. Wir durchquerten denselben Flur, in dem ich mit Sophia gewesen war, aber erst als ich den riesigen Türen am Ende näher kam, fand ich meine Orientierung. Diese Türen kannte ich, doch diesmal kam ich von der anderen Richtung. Ich bemerkte auch die Tür zu meiner Linken, durch die ich letzten Sonntag geschritten war, als ich Draven konfrontiert hatte – sein Büro.
Sobald wir uns den Doppeltüren näherten, öffneten sie sich. Meine Lungen füllten sich sofort mit dem vertrauten, beruhigenden Geruch von Afterlife. Ich ging schnurstracks an all den Leuten vorbei, die mich anstarrten. Offensichtlich wusste jeder schon von Draven und mir. Wahrscheinlich hatten sie es schon vor mir gewusst!
Es war seltsam zu wissen, dass sie alle Engel und Dämonen waren, aber irgendwie hatte ich es immer gespürt. Nach dem Traum, der mir ihre wahre Gestalten gezeigt hatte, hatte ich
einen Verdacht gehabt, den Gedanken jedoch schnell in meinen Hinterkopf verbannt.
Ich fand Sophia, die an der Bar auf mich wartete. Sie war so aufgeregt, dass sie hüpfte, als sie mich bemerkte. Ich konnte ihr nicht länger böse sein, dass sie mich in die Irre geführt hatte. Schließlich war sie seine Schwester, und das stand an oberster Stelle. Und am Ende hatte sich alles zum Besten gewendet.
»Keira. Du bist nicht böse auf mich, oder?«, fragte sie vorsichtig.
»Nein, ich verstehe es«, sagte ich, und sie warf sich regelrecht auf mich. Ich machte einen Schritt zurück, als ihr Körper gegen meinen rammte und erwiderte ihre Umarmung.
»Gut. Da das nun geklärt ist, warum schließt du dich uns nicht heute endlich an?« Sie hielt sich an meinem bedeckten Arm fest. Noch immer ein seltsames Gefühl, weshalb ich ein leichtes Zucken nicht unterdrücken konnte.
»Oh, tut mir leid«, sagte sie, als sie bemerkte, wie angespannt ich war. Zweifellos hatte sie ihr Bruder bereits in die Geschichte eingeweiht, was mich nicht gerade vor Glück strahlen ließ, also strich ich den Gedanken schnell aus meinem Kopf.
»Hmm, vielleicht nach der Arbeit. Ich muss nach unten und …«
»Sorry, Schätzchen, aber Dom ist dagegen. Du kannst hier oben arbeiten. Du weißt schon, wo er dich im Auge behalten kann.« Sie beendete ihren Satz mit einem Augenzwinkern. Dann wurde es mir klar.
»Jack ist unten, nicht wahr?«
Sie schenkte mir ein hinterlistiges Grinsen.
»Ja, ist er.«
Mit rollenden Augen schüttelte ich meinen Kopf. Sophia lachte, bevor sie mir zuflüsterte:
»Sei nicht zu hart mit ihm. Er muss sich erst daran gewöhnen, dass er nicht immer seinen Kopf durchsetzen kann und braucht
noch etwas Zeit, sich damit abzufinden, dass du auch gerne deinen
durchsetzt. Sei froh, dass er dich nicht in einen Turm irgendwo im Nirgendwo gesperrt hat, wie er es ursprünglich vorhatte.« Die Spucke blieb mir im Hals stecken.
»Du machst Witze!«
»Du kennst meinen Bruder mittlerweile, oder?« konterte sie grinsend, und ich schaffte es nur schwer, zu schlucken. Ich entschied mich, das Gespräch zu vergessen. Sophia wollte mich nur veralbern.
Wie sich herausstellte, hatte ich diese Runde wohl doch nicht gewonnen. Nun, heute Abend würde er die Abrechnung bekommen, denn wenn er dachte, es liefe alles immer nur nach seinem Willen, würde er ein blaues Wunder erleben. Diese Theorie erwies sich jedoch als Problem, denn wenn es um Dominic Draven ging, hatte ich null Selbstkontrolle.
»Wir sehen uns später, Keira. Schön, mal wieder ein anderes Mädchen am Tisch zu haben. Du kannst neben mir sitzen«, fügte sie liebevoll hinzu, was es mir nur schwerer machte, sie als Dämon zu sehen.
»Okay, bis später«, sagte ich, obwohl ich mich nicht so sehr darauf freute, bevor ich zur Bar ging, wo Karmuns fröhliches Gesicht auf mich wartete. Ein Turm … Wirklich?
»Ah, sie ist zurück. Wie geht es dir, Schätzchen?« Er füllte mir ein Tablett, aber seine Augen schwebten über meinen Kopf zum obersten Tisch, bevor er nickte.
»Er starrt zu uns herüber, oder?«
Karmuns Gesicht entgleiste.
»Äh, keine Ahnung«, murmelte er und wandte verlegen seinen Blick von mir ab.
»Ja, klar.« Ich stemmte meine Hände auf die Hüften, wissend, dass Draven von jeder meiner Bewegungen Notiz nahm. Ich weigerte mich jedoch, ihn eines Blickes zu würdigen.
»Hey, Keira, du strahlst eine irre Energie aus. Scheinst wohl glücklich zu sein«, sagte Rue, als sie hinter mir auftauchte, um ein volles Tablett abzuholen.
»Hallo, Rue. Ja, das bin ich. Wie steht es mit dir?« Energien zu sehen, gehörte anscheinend zu ihren Gaben.
»Kann mich nicht beklagen, aber seine Hände zu waschen, wenn man durch sie hindurchsieht, ist irgendwie komisch. Haha!« Lachend winkte sie mit beiden Händen, als sie zu ihrer Sektion zurück schlenderte. Die Tätowierung von Augen auf ihren Händen war nicht nur eine Verschönerung, wie es schien. Sie konnte mit ihnen tatsächlich sehen.
Wie seltsam …
Karmun lächelte, als er mein verblüfftes Gesicht wahrnahm, was mich zu der Frage führte – war er Engel oder Dämon? Ich musste Draven wohl noch einige Fragen stellen. Es gab noch so vieles, was ich nicht wusste.
Während der Arbeit waren alle freundlich, wie sonst auch, aber meine Konzentration war nicht ganz auf meinen Job gerichtet. Dravens letzte Worte wirbelten noch immer in meinem Verstand. Dank Sophia hatte ich auch noch das Bild von Draven in meinem Kopf, in dem er mich in einen Turm für immer wegsperrte. Das schaffte es definitiv in die Top 5 meiner Fantasienliste.
Was den Abend nach Ablauf meiner Schicht betraf, war ich sowohl aufgeregt als auch besorgt. Auch wenn ich wusste, dass er mich niemals verletzen würde, gab es immer noch die Seite an ihm, die mir Angst einjagte. Und peinlicherweise gefiel mir das.
Ich hatte ihn noch immer keines Blickes gewürdigt, aber es erwies sich allmählich als schwierig. Es war, als ob er versuchte, in meinen Verstand einzudringen, um mich dazu zu bringen, ihn anzusehen, aber ich verwehrte ihm den Zutritt, was ihn wahrscheinlich vor Frustration verrückt machte. Die Nacht
verging wie im Flug, und ich hatte nur noch eine Stunde, was anscheinend Dravens Limit war.
Ich wartete an der Bar auf mein nächstes Tablett, als Hände zum Vorschein kamen, die sich zu meiner beider Seiten auf die Theke stützten und mich somit vor einem festen Körper einsperrten. Mit dem Rücken zu ihm entkam mir ein überraschtes Winseln. Er beugte sich zu mir herab, unbekümmert all der Augen, die auf uns gerichtet waren. Karmun wollte mir ein Tablett reichen, aber Dravens saloppe Handbewegung reichte aus, damit er kehrtmachte.
»Die Zeit ist um, Kleine«, sagte er und wehte damit seinen Atem in mein Gesicht, was, wie immer, einen berauschenden Effekt auf mich hatte. Ich atmete tief ein und versuchte, meine Stimme stabil zu halten.
»Noch nicht«,
flüsterte ich, wieder zurück in meinem üblichen, schüchternen Selbst und schob eine verirrte Haarsträhne hinter mein Ohr.
»Denk daran, was ich gesagt habe, Keira.« Sein Ton war noch angespannter als zuvor im Badezimmer. Nur diesmal war ich diejenige, die Schwierigkeiten beim Schlucken hatte. Eine seiner Hände kroch unter mein Oberteil, um zu meiner Haut zu gelangen. Ich musste mich an der Theke abstützen. Ich konnte nicht glauben, dass er das hier tat! Kümmerte es ihn nicht, wer uns alles beobachtete?
»Draven, nicht hier!«
»Mein Spiel, meine Regeln, Keira«, sagte er mit seiner rauen, schwelenden Stimme, die mich wieder zum Zittern brachte. Seine Hand wanderte sogar noch höher, bis sie meinen BH erreichte. Das brachte mich dazu, sie zu packen und nach unten zu drücken.
»Heißt das, dass du schon mir gehörst für heute Nacht?«, murmelte er mit seinem spitzbübischen Grinsen, das ich an meinem Hals fühlen konnte.
»Draven, bitte … Sei vernünftig«, sagte ich, in der Hoffnung, dass seine eigenen Worte eine Wirkung bei ihm erzielten.
»So wie du mich aufreizt, scheint das nicht im Bereich des Möglichen zu liegen.«
»Ich reize dich nicht auf.« Wie konnte er mir das antun? Hier, vor all den Leuten? War das meine Strafe dafür, dass ich zur Arbeit gehen wollte?
»Nein, Keira, das ist nicht deine Strafe. Die kommt später, meine Liebe.« Ich drehte mich zu ihm um. Wieder raubte er mir den Atem. Er sah aus wie ein dunkles Gothic-Armani-Model. Er trug einen schwarzen Anzug, aber mit einem dunkelroten Hemd und einer passenden Krawatte. Sein Haar war gepflegt nach hinten gekämmt, was ihn nur noch unwiderstehlicher machte.
»Wie hast du das gemacht?«
»Du musst mich hineinlassen. Verstärkte Emotionen funktionieren gut für so eine Ablenkung. Und wie es scheint, denkst du schon eine ganze Weile über unsere kleine Abmachung nach.« Das flüssige Feuer in mir schoss zurück zu meinem klopfenden Herzen. Wieder flackerte das violette Licht in seinen tödlichen schwarzen Augen auf, und ich wusste, dass sich sein Dämon nach mir verzehrte.
»Ja, das tut er. Also, Keira …« Er beugte sich tiefer zu mir und flüsterte an meiner Wange: »Ich würde ihn nicht warten lassen.«
Verdammt! Er konnte mich immer noch hören. Okay, konzentrier dich. Zuerst musste ich mich beruhigen, aber sein schelmisches Lächeln sagte mir, dass er mich immer noch hören konnte. Also kämpfte ich mental härter gegen ihn an, und bamm!
Sein frustriertes Stirnrunzeln zeigte mir, dass es geklappt hatte. Es erleichterte mich zu wissen, dass ich zumindest einen Teil meiner Kontrolle zurückerobert hatte.
»Wie dem auch sei, wir können noch nicht gehen. Ich habe Sophia versprochen, dass ich mich ihr mit einem Drink anschließen werde.«
»Sie wird es verkraften«, sagte er, aber ich wand mich aus seiner Umarmung und distanzierte mich etwas von ihm. Seine Berührungen waren in der Regel seine härtesten Argumente, da ich ihnen nicht widerstehen konnte.
»Aber das ist unhöflich.« Der Engelsteil in ihm kam zum Vorschein, als er mich liebevoll anlächelte.
»Natürlich, ich habe vergessen, welch reinen Herzens du bist. Dann komm, lass mich dich meinem Rat vorstellen.«
»Ähm … Rat?« Jetzt wurde ich nervös. Vielleicht war das doch keine gute Idee. Aber er hatte schon meinen Arm unter seinen gehakt und führte mich zu seinem Tisch.
Ein Tisch voll mit …
Sehr mächtigen Engeln und Dämonen.