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ine halbe Ewigkeit lang lief ich Sophia hinterher, über Treppen hinauf und hinunter, durch lange Gänge und weiß Gott wie viele Türen. Schließlich schwang eine Tür auf, die von Zagan geöffnet wurde. Er nickte mir zu, aber mir entging nicht das auf Sophia gerichtete Augenzwinkern, die sich Mühe gab, nicht darauf zu reagieren. Sie lächelte aber immer noch, als wir ihr Schlafzimmer betraten. Na ja, nicht ganz ein Schlafzimmer, eher ein ganzes Stockwerk, das man in der Abteilung für weiches Mobiliar in einem Kaufhaus finden würde.
Verschiedene Betten standen überall, was dem Interieur mehr einen Cabana Club-Charme verlieh. Kleinere Zimmer im Zeltstil fand man gelegentlich, die nach oben ragten, mit kunstvollen Metallspitzen versehen, was dem Ganzen ein marokkanisches Flair gab. Sofas standen überall verstreut in allen Formen und Größen, und an den Wänden hingen luxuriöse Stoffe. In einer Ecke gab es sogar eine Bar, woraus ich schlussfolgerte, dass das ein eigener Club war. Ein privater.
»Sophia, was ist das hier?«, fragte ich, als ich ihr in einen anderen Teil des Raums am hinteren Ende folgte. Dieser war durch eine Wand von überlappenden Stoffen getrennt, die von einer hohen, gewölbten Decke herabregneten. Ein Blick auf
den riesigen Vorhang, und ich hätte nicht gewusst, wo sich der Durchgang befand. Sophia hielt nur ihre Hand hoch. Die Vorhänge teilten sich und glitten zur Seite, sodass sich eine Öffnung auftat.
»Das ist mein Schlafzimmer. Unter anderem.« Sie kicherte. »Ich habe Dominic gefragt, ob du mitmachen willst, aber er ist strikt dagegen. Er war nie gut darin, zu teilen. Hier lang.« Sie winkte mich durch die letzte Tür, die hoffentlich endlich dorthin führte, wo wir hinwollten. Nun, das war schon eher ein Schlafzimmer für Sophia.
Ein dunkles Feen-Prinzessinnen-Zimmer erstreckte sich vor mir, mit einem riesigen schmiedeeisernen Bett, das mit dem gleichen Stoff bedeckt war, der um die Pfeiler floss. Es wirkte irgendwie tödlich und niedlich zugleich. Mir entging auch nicht der dezente Punk-Stil, als ich die Wände, tapeziert mit einem sehr speziellen Design, auf mich wirken ließ – schwarzer Samt mit großen, leuchtenden Rosen, dekoriert mit spitzen, scharfen Blütenblättern, die an den Enden in Rot getunkt waren.
RJ würde ausflippen, wenn sie dieses Zimmer sah. Die Möbel waren wie aus einem Märchen, aber schwarz lackiert. Ganz eindeutig das Zimmer eines sehr weiblichen Dämons.
»Okay, zuerst musst du ein Bad nehmen«, verkündete sie und öffnete eine Doppeltür, die in ein riesiges Badezimmer führte, das genau das gegenteilige Flair ausstrahlte. Es war wie ein tropisches Paradies, mit Pflanzen und Blumen an den Wänden, die einen wunderbaren Regenwaldduft verströmten. Sophia musste gesehen haben, wie mein Gesicht ganz lang wurde.
»Gefällt es dir?«
»Es ist der Wahnsinn! Wie der Garten Eden.« Sie klatschte in die Hände wie ein aufgeregtes Kind.
»Das ist der Look, auf den ich abgezielt habe. Aber warte, bis du das Bad siehst!« Sie nahm meine Hand und zog mich
weiter hinein in ihren privaten Himmel. Ein Wasserfall rieselte sogar die Wand hinter der Badewanne hinunter, die im Boden versank, sodass man hinuntersteigen musste. Mir wurde rasch klar, dass der Wasserfall nicht nur ein Designelement war, sondern die Dusche.
Das ganze floss wie ein Infinity-Pool über einen unsichtbaren Abgrund. Sie lachte über meinen verdutzten Gesichtsausdruck. Hm, vielleicht würde der Tag ja doch nicht so schlecht laufen. Auch wenn das ganze Umstyling fürchterlich in die Hose ginge, dürfte ich zumindest das unglaubliche Bad benutzen.
»Ich lass dich mal allein. Dort drüben findest du eine Tasche mit all dem üblichen Zeug.« Sie machte eine Handbewegung, als würde sie ihre Achselhöhlen rasieren, und ich lachte. Sie war das unberechenbarste Mädchen, das ich je getroffen hatte.
Dann ließ sie mich im Paradies zurück, und ich riss mir fast die Kleider von Leib. Ich senkte meinen nackten Körper in das Wasser, das perfekt temperiert war. Es war unfassbar weich und streichelte jeden Zentimeter meiner Haut. Das Einzige, das ich mir noch wünschte, war, Draven hier bei mir zu haben. Der Gedanke reichte aus, um wilde Fantasien darüber zu erschaffen, welche schmutzigen Dinge wir hier treiben könnten.
Nachdem ich eine Weile nichts getan hatte außer mich den wohltuenden Aromen hinzugeben, griff ich nach der Tasche, auf die mich Sophia hingewiesen hatte. Sie war vollgestopft mit all dem Zeug, das ich brauchte, erstaunlicherweise auch einem Rasierer von der gleichen Marke und demselben Duschgel. Irgendwie fühlte es sich komisch an, hier die alltäglichen Badroutinen durchzuführen. Dieses Paradies war meiner Meinung nach nur für zwei Dinge gedacht – Entspannung und pure Erotik. Dieser Gedanke machte mich ganz kribbelig. Draven war wie eine Sexdroge. Je mehr ich bekam, desto mehr wollte ich. Desto mehr brauchte
ich.
Meine Hand wanderte von selbst nach unten. Es fühlte sich falsch an und oh so unanständig, was das Ganze nur umso aufregender machte. Ich konnte nicht aufhören, daran zu denken, welche Dinge Draven mit mir hier anstellen könnte. Mental flehte ich ihn an, zu mir zu kommen, und ich öffnete meinen Geist, für den Fall, dass er meine stille Bitte hören konnte.
Meine Berührung wurde präziser und meine Begierde nach ihm immer intensiver. Ich rief nach ihm in meinem Kopf, schrie seinen Namen. Als ich seine Stimme hörte, riss ich meine Augen auf.
»Electus … Mein Electus.«
Alarmiert sah ich mich in dem Paradies um, das mich einhüllte, in der Erwartung, dass seine Gestalt über mir stand, aber ich war allein. Ich tauchte wieder in das Wasser, ein wenig enttäuscht, dass er nicht gekommen war. Hatte er wirklich mit mir gesprochen, oder hatte mir mein Verstand einen grausamen, verführerischen Trick gespielt?
»Nur für meine Berührung …«
Gerade als ich meine Augen wieder schloss, drang seine Stimme durch den Raum. Wieder riss ich meine Augen auf, nur dieses Mal fanden sie nichts als Dunkelheit. Meine einzige Lichtquelle war der weiche blaue Schimmer der indirekten Beleuchtung im Wasser.
»Hallo?«,
flüsterte ich, denn ich war mir nicht sicher, wer mich hören konnte. Meine einzige Antwort war das Sprudeln des fließenden Wassers. Der Wasserfall hinter mir übertönte den Klang meines donnernden Herzens, und als seine Stimme wieder durch das Paradies hallte, wünschte ich, ich könnte ihn abschalten.
»Du hast mich gerufen, Keira.« Ich errötete, als mir bewusst wurde, dass ihn meine erotischen Fantasien hierher gebracht haben könnten.
»Draven? Bist das du? Bist du hier?«
Ich murmelte den letzten Satz, als würde eine Sünde meinen Lippen entgleiten. Auf einmal glühten zwei Augen auf, die die Dunkelheit durchbohrten. Das violette Feuer in ihnen sagte mir, dass es Draven war. Seine schattenhafte Gestalt rückte näher, und ich sank weiter ins Wasser. Mein Körper summte vor Aufregung, aber es machte mich auch nervös, dass ich komplett nackt war. All diese Gefühle brachten meine Überempfindlichkeit auf Hochtouren, bis ich kurz vorm Platzen war, so angeturnt war ich.
Dravens Schatten türmte sich über mir auf. Er wirkte erschreckend groß, da ich unterhalb seiner Füße saß. Er bewegte sich zum Rand. Ich konnte kaum seine nackte Gestalt wahrnehmen, die in den kleinen Pool stieg. Völlig hypnotisiert beobachtete ich, wie er seinen Körper tiefer in das Wasser tauchte. Jetzt konnte ich endlich etwas erkennen, dank des kühlen Lichts, das wie ein blauer Mond unter dem Wasser wirkte.
»Draven?«
Sein geflüsterter Name durchbrach die Stille, die aufgeladen war von sexueller Spannung. Dick genug, um sie in der Luft zu schmecken. Sein Körper war plötzlich direkt vor mir. Ich hatte nicht registriert, dass er sich überhaupt bewegt hatte. Mein Herz schlug wie wild in meiner Brust. Meine vor Schreck geweiteten Augen starrten ihn an, als er seinen Körper hinter meinen schob und mich von hinten umarmte.
»Du hast nach mir geschrien, Keira«,
flüsterte er in mein Ohr, und ich ließ meinen Kopf auf seine Schulter fallen, während seine Hände meine Brüste fanden. Ein Stöhnen, das ich nicht zurückhalten konnte, entkam meinen Lippen, als er hart in meine Brustwarzen kniff. Der Schmerz schoss direkt nach unten in meinen Kitzler. Ich konnte die Stärke seiner Erektion hinter mir fühlen, und mein lüsterner Körper reagierte darauf. Ich rieb meinen Rücken an seine glorreiche Länge, kreiste mit meinen
Hüften, in der Hoffnung, einen Rhythmus zu finden, der ihn in den Wahnsinn trieb.
»Jetzt möchte ich, dass du meinen Namen noch einmal schreist, wenn ich mich tief in deinem Körper vergrabe. Kannst du das für mich tun, Süße?«, summte er verführerisch, als er plötzlich seine Erektion in mich stieß. Und ich schrie tatsächlich seinen Namen.
»Draven!« Er drückte meinen schaudernden Körper an sich, so fest, als ob er fürchtete, ich könnte unsere Verbindung trennen. Schöne Empfindungen begannen sich in meinem Körper zu formen, als er mich so bewegte, wie er es wollte. Jeder Zug seiner Länge rieb und streichelte meinen wunderbaren Nervenknoten auf so intensive Weise, dass ich immer wieder seinen Namen rief. Eine Hand hielt meine Brust, während die andere in das Wasser tauchte, um mit meinem Kitzler zu spielen. Es dauerte nur Sekunden, bis ich meinen Höhepunkt erreichte.
Dann wurde ich ganz wild. Ich musste noch einmal dem Orgasmus nachjagen. Ich drückte mich gegen ihn, ritt seine Erektion von hinten und arbeitete meinen Körper in eine regelrechte Raserei. Ich war völlig verloren, machtlos, es zu stoppen. Das Knurren hinter mir sagte mir, dass auch er nicht wollte, dass es jemals zu Ende ging.
Aber dann drehte er den Machtaustausch zwischen uns um und nahm mir jegliche Kontrolle, die ich noch besaß. Er drückte mich nach vorn, hielt meinen Nacken in seinem starken Griff, als er mich über den Rand des Pools beugte. Mein Oberkörper wurde flach gegen den Boden gepresst. Die kalten Fliesen verhärteten meine Brustwarzen. Er packte all meine Haare in eine Hand und zog sie fest nach hinten, was diesen sinnlichen Schmerz verursachte, der sich schnell in pure Lust verwandelte. Ich krümmte mich, beugte mich nach hinten, als er mich auf einen ganz neuen Level der sexuellen Begierde brachte. Meine Brüste hoben sich und tanzten mit jedem Schub in der Luft.
Das Wasser spritzte um uns herum wie die Wellen des Meeres, die auf den Felsen des Ufers brachen. Sie spiegelten die Lustwellen wider, die über meinen Körper glitten, als ich zum letzten Mal kam. Unsere Vereinigung erreichte ihren Höhepunkt, als er hinter mir laut brüllte. Mein Inneres zwängte ihn ein, in einem verzweifelten Versuch, ihn in meinem Körper zu behalten. Er hielt mich weiterhin fest und wickelte seine großen Arme um mich, während unsere Herzen wieder einen gleichmäßigen Rhythmus fanden. Die Nachbeben ließen meinen Körper in seinen Armen vibrieren, und ich spürte sein Lächeln an meinem Hals.
»Du schreist nach mir und ich werde kommen … Immer.«
Das waren die letzten Worte, die ausgesprochen wurden, bevor wieder Licht den Raum überflutete. Ich konnte mich nicht mehr halten. Mein Körper glitt erschöpft unter das Wasser. Meine Hände hielten sich noch am Rand fest, aber ich wusste, er war verschwunden. Der Beweis, dass er in mir gewesen war, kroch mein Bein hinunter und ich griff nach unten, um mit einem Finger darüber zu streichen. Ich zog ihn aus dem Wasser. Keine Ahnung, was über mich kam, aber ich drückte die dicke Substanz gegen meine Lippen und kostete ihn. Sein einzigartiger Geschmack explodierte auf meiner Zunge, und ein weiteres Stöhnen presste sich aus meinen Lungen.
»Oh Gott, was mir dieser Mann bloß antut …«
Als meine schrumpeligen Finger anfingen zu protestieren, stieg ich aus dem Bad. Ich sah mich nach einem Handtuch um, während ich auf den Boden tropfte, konnte aber keines finden.
»Suchst du das?« Sophias Stimme erschreckte mich, und meine Hände flogen zu meinem Intimbereich, als sie mir einen flauschigen weißen Bademantel anbot.
»Sophia, ich bin …«
»Jaja, keine Sorge. Du hast nichts, was ich nicht schon gesehen hätte. Na ja, mit Ausnahme von denen.« Sie nickte zu meinen Armen, aber zum ersten Mal stieg mir keine Hitze in die Wangen bei dem Gedanken an meine vernarbten Arme. Nein, denn ich war schon hochrot nach dem, was ich mit ihrem Bruder im Bad getrieben hatte. Wusste sie das?
»Sorry, ich wollte nicht so direkt sein. Normalerweise sage ich das, was mir in den Kopf kommt, ohne, nun ja, mir einen Kopf darüber zu machen«, sagte sie, als ich mir den Bademantel überwarf.
»Schon okay. Ist nur etwas gewöhnungsbedürftig.«
»Nun, wir haben Arbeit vor uns, oder wohl eher ich. Also folge mir, damit wir endlich losfliegen können!«
»Meinst du nicht eher ›loslegen‹?«
»Nicht, wenn du Flügel hast, meine Liebe.« Sie kicherte, als mir das Gesicht entgleiste. Nachdem sie meine Hand gepackt hatte, huschte sie mit mir in einen Raum, der aussah wie ein Moulin Rouge Boudoir. Vor einem riesigen vergoldeten Spiegel, der die ganze Wand entlanglief, wartete ein prachtvoller Stuhl auf mich. Ich schluckte. Es bestand keine Möglichkeit, mich davor zu drücken. Sophia wusste das auch, ihrem frechen Grinsen nach zu urteilen.
»Was hast du mit mir vor?« Ich setzte mich langsam hin, meinen skeptischen Blick auf die unzähligen Schönheitsprodukten, die auf dem Tisch vor mir verstreut lagen, gerichtet.
»Vertraust du mir nicht?« Sie befreite meine Haare vom Bademantel und packte eine Schere aus. Okay, das brachte mich
etwas aus der Fassung. Immerhin war sie ein Dämon, der mit einem scharfen Objekt auf mich zukam.
»Nicht mit der in deiner Hand!«, rief ich panisch. Was würde meine Mutter sagen, wenn sie mir die Haare abschnitt?
»Entspann dich, Keira. Ich werde nur ein bisschen die Spitzen schneiden. Lediglich die Schönheit hervorheben, die schon da ist.« Sie strich durch meine langen Wellen. Für einen Dämon war sie um einiges sanfter als Libby.
»Außerdem würde mich Dom köpfen, wenn ich dich zu sehr verändere. Nein, ich habe meine Befehle«, sagte sie mit verdrehten Augen.
»Sophia, kann ich dich etwas fragen?« Nervös spielte ich mit den Ärmeln meines Bademantels.
»Über?«
»Über Draven«, sagte ich, den Blick nach unten gerichtet, als ich spürte, wie die Hitze wieder meine Wangen hochkroch.
»Keira, ich glaube, es ist an der Zeit, ihn bei seinem Vornamen zu nennen, meinst du nicht?«, erwiderte sie amüsiert.
»Aber ich habe ihn immer Draven genannt. Zumindest in meinem Kopf.« Dazu sagte sie nichts, sondern nickte nur lächelnd.
»Nun, ich wollte etwas über Aurora wissen.«
»Ich denke, das ist eine Frage, die du besser ihm stellst.« Sie hielt mit dem Kamm kurz inne, was mir zeigte, dass sie genau wusste, worauf ich anspielte.
»Aber ich habe ihn gefragt.«
»Und?«
»Er hat mir nichts erzählt«, sagte ich enttäuscht.
»Was bringt dich dann dazu, zu denken, dass ich es tue?« Sie bürstete meine Haare ganz fokussiert, als würde sie sich um ein Haustier kümmern.
»Weil ich dich bestechen könnte.«
»Oh wirklich? Und was kannst du mir wohl anbieten?«, fragte sie fasziniert.
»Wenn du mir ein paar meiner unschuldigen Fragen beantwortest, darfst du mit mir anstellen, was du willst, ohne dass ich mich beschweren werde. Völlige Narrenfreiheit.« Ich drehte meinen Stuhl zu ihr.
»Oder ich könnte dich einfach in Trance versetzen und es trotzdem tun«, entgegnete sie mit ihrer dreisten Seite, die ich gut von Draven kannte.
»Sophia, bitte … Ich werde es ihm nicht sagen. Außerdem, würdest du es nicht auch wissen wollen?« Damit hatte ich sie. Sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um es herauszufinden. Immerhin hatten sie und ihre Familie auch alles über mich herausgefunden.
»Okay, ich kann dich ja verstehen, aber Keira, er ist extrem stark. Wie ich ihn kenne, weiß er schon darüber Bescheid, dass wir dieses Gespräch führen.« Das schockierte mich, und ich konnte nicht anders, als mich nervös zur Tür zu drehen, in der Erwartung, dass er gleich hereinplatzte.
»Heißt das, du wirst es mir nicht sagen?« Ich machte einen auf mürrisches Kind.
»Das habe ich nicht gesagt. Aber ich frage dich – liebst du meinen Bruder?«
»Ja, natürlich«, sagte ich voller Gewissheit, und sie lächelte wieder.
»Und er liebt dich. Also warum wühlst du in seiner Vergangenheit?«
»Weil er auch in meiner gewühlt hat«, sagte ich bestimmt, mit meinem extrem guten Argument.
»Da hast du recht. Er hat keine Mühen gescheut, alles über dich herauszufinden.« Ihre Hände fuhren nun durch meine trockenen Haare, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, dass sie einen Föhn benutzt hatte.
»Ich wette, er kennt jedes winzige Detail meiner Vergangenheit und damit auch meine vergangenen Beziehungen. Warum sollte ich nicht auch die gleichen Privilegien bekommen?« Mir gefiel der Gedanke nicht, dass er so viel von mir wusste.
»Es scheint wohl sehr einseitig zu sein, oder?« Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass jemand auf meiner Seite stand. Mein Triumph zeigte sich durch ein breites, schlaues Grinsen.
»Okay, ich gebe auf! Entschuldigung, Dom«, murrte sie mit einem Blick zur Decke.
»Was willst du wissen?«
»Waren er und Aurora jemals, du weißt schon … zusammen?« Das war wohl offensichtlich, aber ich stellte die Frage trotzdem.
»Wenn es dir hilft, dann ja. Sie waren einmal intim miteinander«, sagte sie kopfschüttelnd, aber ich wusste nicht, ob sie es meinetwegen oder wegen der Erinnerung tat.
»Für wie lange?«
»Oh, nicht sehr lange, und es ist schon eine Weile her.«
»Okay, was ist ›nicht sehr lange‹?« Hoffentlich nur ein paar Wochen.
»Ich weiß nicht, zehn oder zwanzig Jahre, plus minus ein Jahrzehnt«, sagte sie, als wäre es keine große Sache. Ich hingegen verschluckte fast meine Zunge.
»WAS?«
»Keira, bitte versuch zu verstehen, dass Zeit für uns eine andere Bedeutung hat. Das ist wirklich nicht so lange.« Oh nein, gar nicht,
dachte ich bitter.
»Ich kann es nicht glauben. Kein Wunder, dass sie mich hasst«, murmelte ich und ließ meinen Kopf auf die Lehne fallen, sodass ich die spektakuläre Decke ansehen konnte, an der ich gerade überhaupt nicht interessiert war.
»Keira, sie hasst dich nicht. Sie ist nur extrem eifersüchtig auf dich.« Sie schien sichtlich erfreut zu sein bei dem Gedanken.
»Warum zur Hölle würde eine Göttin wie sie eifersüchtig auf mich
sein?« Meine Hoffnung verblasste allmählich.
»Ganz einfach, weil er mit ihr Schluss gemacht hat. Jetzt ist er mit dir zusammen, mit dem großen Unterschied, dass er dich liebt. Sie hat er nie geliebt.«
»Er hat ihr den Korb gegeben?« Jetzt wurde ich hellhörig, und meine bereits verblasste Hoffnung schlich wieder leise in meinen Kopf.
»Dominic war nie glücklich oder verliebt. Aurora war nur eine Ablenkung. Aber auf dich
hat er von Beginn an gewartet, und das konnte Aurora nie akzeptieren.«
»Muss für sie wohl sehr schwierig sein, wenn sie dann jemanden wie mich sieht«, murmelte ich und biss auf meine Lippe.
»Keira, du unterschätzt dich gewaltig. Dir ist sicherlich nicht entgangen, wie sie meinen Bruder ansieht. Das hat sie immer getan, aber als du gestern Abend an unseren Tisch kamst, hat er keine Sekunde seine Augen von dir genommen. Ich kenne Dom gut genug, um sagen zu können, dass ich ihn noch nie glücklicher gesehen habe. Er verdient es, glücklich zu sein. Er verdient dich und du ihn.« Sie zeigte auf meine Arme, um mich auf das hinzuweisen, was ich alles durchgemacht hatte.
»Danke, Sophia. Ich fühle mich jetzt besser. Er klammert sich zu sehr daran, mich zu beschützen, wenn ich eigentlich nur die Wahrheit brauche.«
»Ich denke, er hat Angst, dass du wieder vor ihm davonläufst«, fügte sie hinzu, bevor sie sich an den nächsten Schritt meines Schönheitsrituals machte.
»Warum sollte ich das tun?«
»Keira, du bist ein Mensch. Zwar nicht wie die meisten Menschen, aber vergiss nicht, was er ist. Du warst sicher völlig
von der Rolle, als du seine andere Form gesehen hast, oder nicht?« Ich erinnerte mich an die immense Kraft, die in seinem unzerstörbaren Körper kursierte.
»Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, mit Dingen umzugehen, die ich nicht verstehe. In dieser Nacht war ich ehrlich gesagt mehr nervös als ängstlich. Nicht wegen seines Aussehens, sondern wegen meiner Besessenheit für ihn. Mich in dieser Position mit ihm zu finden … Nun, sagen wir einfach, dass mein Herz aus völlig anderen Gründen wie irre gepocht hat«, sagte ich aufrichtig, und sie schien nicht nur schockiert, sondern glücklich über diese Information zu sein.
»Du bist wirklich für ihn geboren, Keira. Ich bin froh, dich als meine Schwester zu haben. Dann sehen wir mal zu, dass wir ihn auf seine Knie zwingen, wenn er dich sieht.«
»Ähm, Sophia, kann ich noch eine Frage stellen?« Jetzt war ich wieder ganz schüchtern. Sie nickte.
»Wofür ist der große Raum da hinten?« Ich meinte natürlich den privaten Club, der mir nicht entgangen war.
»Oh, das ist mein Spaßzimmer. Aber Dom will nicht, dass du bei uns mitmachst.« Und gleich würde ich erfahren, warum nicht.
»Er ist sehr besitzergreifend, wenn es um dich geht, und will dich mit niemandem teilen. Ich denke, wir werden ihn dort auch nicht mehr zu Gesicht bekommen.« Ich stieß einen schockierten Atemzug aus, aber Sophia lachte nur über meine Unschuld. Dann fiel der Groschen und landete auf einem sehr schmutzigen
Boden.
Es war ein Raum für Orgien!
Es war bereits dunkel, als Sophia endlich mit mir fertig war. Es fühlte sich an, als hätte ich den Tag in einer noblen Therme verbracht und das Luxus-Spa-Paket bekommen. Sophia und ich lachten über Mädchendinge mit Champagner und, überraschenderweise, Pizza. Sie wusste, wie sehr ich Pizza liebte, und ich fand auch keine Sardelle vor.
Jeder Zentimeter meines Körpers wurde einer Behandlung unterzogen, bis meine Haut seidenglatt war. Ich hatte noch immer nicht das Endergebnis gesehen, und mein Herz zeigte meine Anspannung. Es pochte wie ein Presslufthammer in meiner Brust. Endlich führte mich Sophia in das Zimmer mit den vielen Spiegeln.
Sie hatte an alles gedacht, einschließlich äußerst eleganter Unterwäsche, die ich unter meinem lilafarbenen Satinkleid trug. Das war das Einzige gewesen, was ich mir aussuchen durfte. Sie hielt meine Hand und zog mich zu dem riesigen Spiegel. Auf ihre Aufforderung hin schloss ich meine Augen, als sie mich ein wenig nach links, dann nach rechts und wieder einen Schritt vorwärts vor dem Spiegel positionierte, bis sie endlich zufrieden in die Hände klatschte.
»Du darfst jetzt deine Augen öffnen, Hübsche!«
Ich folgte ihrer Anweisung und starrte in den Spiegel, als würde ich verzweifelt nach meinem Spiegelbild suchen. Es war, als ob ich einer Betrügerin gegenüberstände, die eine schönere Version von mir spielte. Es hatte mir völlig die Sprache verschlagen. Ich sah fantastisch aus!
Ein Teil meiner Haare war oben fixiert und sprudelte nur so von losen Locken, die in einer goldenen Kaskade herunter regneten. Minimales Make-up verzierte mein Gesicht, genauso, wie sie es gesagt hatte – nur das hervorgehoben, was schon da war. Meine Wimpern waren länger und bogen sich nach oben, wodurch sie wieder meine Lider kitzelten. Ein weiches Violett umrahmte meine Augenlider mit dunkleren Schatten an der
Falte entlang, was ihnen einen verführerischen Blick verlieh und Draven sicherlich gefiel.
Auch das Kleid war wunderschön mit seiner tiefvioletten Farbe und einem Satinkorsett, das auf der Rückseite verschnürt war. Die zwei dicken Bänder überkreuzten sich an der Vorderseite, liefen über meine Schultern und verkreuzten sich wiederum auf meinem Rücken. Sie waren in einem dunklen Indigo gefärbt, das zu dem Stoff passte, der unter dem Rock lag.
Dieser floss meine Beine entlang und brachte eines mehr zum Vorschein als das andere. Er wurde zum Rücken hin länger und fächerte die Farben auf, wenn ich mich bewegte. Meine Beine sahen länger aus als je zuvor, wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, dass ich noch nie so viel von ihnen gezeigt hatte.
Die Schuhe bestanden aus den gleichen Materialien wie das Kleid, mit Bändern, die um meine Knöchel gebunden waren und in einer hübschen Schleife auf der Rückseite endeten. Ich sah aus wie ein exotischer Vogel, der versuchte, um sein Männchen zu werben.
»Ich kann es nicht glauben. Es ist …«, stammelte ich, während Sophia hinter mir stand, um ihre Arbeit zu bewundern.
»Du siehst wunderschön aus, Keira. Aber es war auch nicht schwer, das hinzubekommen«, sagte sie liebevoll. Ich drehte mich zu ihr um und umarmte sie.
»Danke, Schwester!« Ein irre großes Lächeln kam auf ihrem Gesicht zum Vorschein.
»Zeit herauszufinden, was dein dunkler Prinz von dir hält. Vielleicht schenkt er mir noch ein Auto. Ich habe noch kein gelbes«, verkündete sie, und ich lachte.
»Hm, bevor du über neue Autos nachdenkst, lass uns mal abwarten, was er von meinem Aufzug hält«, sagte ich, als wir zurückgingen.
»Ich glaube, da müssen wir uns keine Sorgen machen.« Sie lachte, als Zagans Augen auf mich fielen, bevor er noch einmal
genau hinsehen musste, um sicherzustellen, dass ich es war. Wie würde Draven wohl reagieren, wenn ich ihm gegenübertrat?
Schnell wurde klar, dass mich Sophia nicht in sein Zimmer führte, sondern schnurstracks auf den Club zuging. Meine Herzfrequenz ging augenblicklich durch die Decke.
»Warum gehen wir gleich in den Club?«
»Weil das meine Regeln waren. Wenn er dich zuerst privat so gesehen hätte, wärt ihr beide niemals erschienen. Dom kann ziemlich egoistisch sein, und was dich angeht, ist er regelrecht besessen.« Genauso, wie auch ich mich fühlte, wenn es um Draven ging. Ich fragte mich, ob sie das nur mir zuliebe gesagt hatte.
Schon bald standen wir vor den Doppeltüren, und ich war gerade dabei, Sophia zu fragen, ob sie sich auch noch in Schale werfen wollte. Hoffentlich ließ sie mich nicht hier stehen in der Erwartung, dass ich da alleine reinging. Dafür hatte ich auf keinen Fall die Eier. Aber als ich mich umdrehte, war sie schon herausgeputzt in ihrem schönen Kleid, in dem sie aussah wie ein dunkelblauer Paradiesvogel. Sie erinnerte mich an eine römische Göttin. Das Kleid floss zu ihren Füßen hinunter und bewegte sich anmutig mit ihrem Körper. Die Nackenträger erlaubten ein tiefes Dekolleté, das so kurvig war wie meins. Erst jetzt bemerkte ich, wie begierig Zagan Sophia anstarrte.
»Warum hast du das nicht auch mit mir gemacht?« fragte ich, erstaunt über diese Fähigkeit.
»Wo wäre da der Spaß gewesen? Außerdem hatten wir eine tolle Beste-Freundinnen-Session.« Ich konnte mir ein breites Grinsen nicht verkneifen.
Als wir uns den Türen näherten, öffneten sie sich, und Sophia hängte meinen Arm in ihrem ein. Sobald wir in Sicht waren, folgte uns jedes Auge, als ob es eine unsichtbare Verbindung gäbe. Ich hoffte, dass die Blicke Sophia galten und nicht mir.
Wir schritten hinüber zum Tisch, wo ich die Rückseite von Dravens dunklem Anzug sehen konnte. Ich betete, dass er sich nicht umdrehen würde. In diesen hohen Absätzen würde ich wahrscheinlich auf mein Gesicht fallen, wenn ich auch noch mit seinem erotischen Blick konfrontiert wurde. Vincent jedoch fiel mir in den Rücken, als er seinem Bruder auf die Schulter schlug. Auch er wirkte so überrascht wie Zagan, aber das war nichts im Vergleich zu Dravens Schock, als seine dunklen Augen in meine Richtung schweiften. Sophia kicherte, als sie bemerkte, wie er mich anstarrte.
Ich konnte den Gloss auf meinen Lippen schmecken, während ich nervös auf ihnen kaute. Als ich die Stufen hinauf schritt, folgten Dravens Augen jeder meiner Bewegungen, angefangen bei meinen Beinen und entblößten Oberschenkeln. Er setzte seine Reise bis zu meinem Korsett fort, das sich an meine Haut schmiegte und meine Kurven betonte. Schließlich kam er bei meinem Gesicht an, und ich musste hart schlucken, als ich verzweifelte Begierde in seinen Augen las. Der Dämon in ihm sah aus, als ob er mich hier und jetzt auffressen wollte, ungeachtet der Dutzenden von Augen, die auf uns gerichtet waren. Ich wandte schnell meinen Blick ab, wie eine verängstigte Dienstmagd, die ihrem meisterhaften Herrscher gegenübertrat.
Draven war der Erste, der aufstand, und der Rest folgte. Aurora war auch anwesend, wie immer atemberaubend schön. Ihre Augen krallten sich an Draven fest, aber es störte mich kaum, denn der Blick, den mir Draven schenkte, war unbezahlbar. Ich wollte Sophia dafür küssen.
Wir waren dabei, Platz zu nehmen, doch Draven schien etwas anderes im Schilde zu führen. Er ergriff meinen satinbedeckten Arm und führte mich an dem Tisch vorbei weiter nach hinten. Mir entging nicht, wie Sophia kicherte, während Aurora voller Ekel ihren Blick abwandte.
Draven atmete schwer, und er war nicht der Einzige, als wir hinaus auf den Balkon traten. Sobald wir außer Sicht waren, peitschte er mich herum und drückte mich gegen die Wand. Seine Hände glitten an meinen Seiten hoch, und ich erzitterte unter seiner Berührung.
»Ich nehme an, du bist zufrieden?« Meine Worte waren eher ein unsicheres Flüstern, eine Mischung aus Angst und verzehrender Ekstase, als ich Draven in die Augen blickte.
»Du stellst die Sterne in den Schatten und lässt jede Göttin beim Anblick deiner Schönheit zurückschrecken«, knurrte er, als er jegliche Distanz zwischen uns kappte und mich genau fühlen ließ, wie
zufrieden er war. Seine Lippen saugten an meinem Hals, und seine Zähne kniffen in meine Haut, als ob er knapp davor wäre, mich zu beißen. Ich streckte ihm mein Genick entgegen, wartete auf den Ansturm von Schmerz, der sich mit Vergnügen vermischte, so, wie ich es beim letzten Mal gefühlt hatte. Aber seine Zähne ließen von mir ab, und ich spürte an meinem Hals, wie er lächelte.
»Du bist wirklich eine Verführerin. Die Götter werden mich heute Abend beneiden, denn du gehörst mir und mir allein!« Sein Mund bewegte sich hinauf zu meiner Unterlippe, die er einsaugte, bevor er mir einen intensiven Kuss schenkte.
Seine Hand wanderte zur Innenseite meines Oberschenkels, und dann höher nach oben, was mir ein Stöhnen entlockte. Damit äußerte ich klar meinen Wunsch, wo genau ich seine Hände haben wollte …
Überall.