K
urz bevor seine Finger meine empfindliche Stelle erreichten, stoppte ich ihn, denn ich wusste, wir würden sonst zu weit gehen.
»Wir können das nicht tun. Nicht jetzt.« Ich versuchte, meine irreguläre Atmung zu verlangsamen. Er stieß jedoch ein leises Knurren aus, das mich erschreckte.
»Und warum nicht?« Sein Blick war der eines verzweifelten Mannes.
»Weil ich Sophia versprochen habe, dass wir bleiben und gemeinsam ihren Geburtstag feiern. Du hast es auch versprochen, schon vergessen?« Ich hoffte, ich konnte damit zu seiner Engelsseite durchdringen. Die eine Hand, die an meiner Schulter ruhte, lief hinauf zu meinem Hals und verweilte dort, um jeden Atemzug und Pulsschlag zu fühlen.
»Sie wird es verstehen, Keira«, sagte er und brachte damit seine andere Hand ins Spiel. Diese fand nun ihren Weg hinunter zu meinem Dekolleté. Für einen Moment, als er den Stoff grob mit seiner Faust packte, fürchtete ich, er würde mir mein Kleid vom Leib reißen.
»Draven … bitte«,
war alles, was ich sagen musste, um ihn zur Vernunft zu bringen. Seine Hände fanden mein Gesicht, um mich
für einen weiteren, süßen Kuss näher an sich heranzuziehen. Langsam konnte er seine Begierde zügeln.
»Du hast mich vor nicht allzu langer Zeit in Sophias Bad rangenommen«, erinnerte ich ihn und errötete dabei.
»Ich will mehr von dir«, flüsterte er.
»Wir haben die ganze Nacht«, sagte ich und verspürte ein Flattern in meinem Bauch bei dem Gedanken. Fast verlor ich meine ganze, mühsamst erarbeitete Willenskraft, doch dann erinnerte ich mich wieder an den Tag, den ich mich Sophia verbracht hatte. Ich wollte sie nicht enttäuschen.
»Ich werde mich zurückhalten, aber wenn die Zeit vorüber ist, werde ich mit dir anstellen, was ich will. Verstanden?« Er zeigte mir die volle Bedeutung seiner Lust, als er mich noch einmal küsste und damit meine Beine schwach werden ließ.
Als wir wieder drinnen waren, ignorierte er die Blicke, die wir beide erhielten. Er führte mich stolz an seiner Seite zurück zu seinem Tisch. Wieder standen alle aus Respekt auf. Sophia warf mir einen Blick zu und murmelte ein stilles ›Danke‹. Draven wartete, bis ich mich gesetzt hatte, bevor er selbst Platz nahm. Wieder konnte ich nicht umhin zu bemerken, wie Aurora ihn angaffte.
»Alles zu deiner Zufriedenheit, mein Bruder?«, fragte Sophia, als sie an mir vorbei zu Draven blickte. Ich hingegen sah sie an mit der leisen Warnung ›Bitte nicht jetzt‹, aber sie ignorierte das gekonnt.
»Sie ist wie immer absolut perfekt, aber du hast das Meisterwerk mit einem Rahmen versehen. Gute Arbeit, Sophia«, sagte er, als er seine Hand an meinem Nacken positionierte. Wie immer wurde ich zehn Nuancen röter. Sophia hustete, als ob ihm etwas entgangen wäre.
»In Ordnung, du darfst morgen dein neues Auto holen«, willigte er ein, und sowohl er als auch sein Bruder rollten mit ihren Augen in die Richtung ihrer verwöhnten Schwester.
»Sehr gut. Nun dann, wo das jetzt geklärt ist, lasst uns mit Champagner anstoßen und diese Party endlich in Gang bringen«, verkündete sie entzückt. Beinahe im selben Moment erschien der Champagner, sogar in pink für die Frauen und schwarz für die Männer.
»Ich wusste nicht, dass es schwarzen Champagner gibt«, meinte ich zu Sophia, aber sie antwortete nur:
»Bei uns schon.«
»Hast du dich heute amüsiert?«, wollte Draven wissen, während er eine lose Locke aus meinem Gesicht strich.
»Ja, wir hatten echt Spaß und eine nette Unterhaltung.« Sophia spitzte ihre Lippen, aber ich grinste. Er wusste es doch ohnehin schon.
»Ja, ist mir zu Ohren gekommen.« Bingo!
»Du hättest es mir sagen sollen«, flüsterte ich, als ich einen Schluck von meinem pinken, blubbernden Champagner nahm.
»Du hast recht. Wie immer habe ich deine Beharrlichkeit unterschätzt. Und Sophia zu brechen, ist wahrlich ein beeindruckendes Talent.« Sophia streckte ihm die Zunge heraus, als wäre heute ihr zehnter Geburtstag.
»Das nächste Mal werde ich von Anfang an ehrlich zu dir sein. Jetzt weiß ich, dass du es verkraftest«, sagte er. Aurora sah ihn mit großen Augen an, aber seine waren auf mich fixiert.
»Also, wie sieht‘s mit ein paar Shots aus?«, rief Sophia in die Runde und schnippte mit den Fingern, bevor sie sich zu Loz drehte.
»Lauren, Liebes, bring uns etwas Köstliches.«
Ich fragte mich, ob Lauren die Beschreibung genügte.
»Cognac«, erklärte mir Draven, da er wohl genau wusste, was seine Schwester köstlich fand. Mich schockierte es, dass sie das Zeug in Shots konsumieren wollten, aber meine Überraschung endete hier nicht. Der Cognac kam in einer erstaunlichen Flasche, die, wie es schien, mit Diamanten veredelt war. Dann
stellte Lauren die Gläser ab, die alle zur Flasche passten. Draven nickte ihr zu und sie befüllte alle, bevor ich ihr zur Hand gehen konnte.
Dann ging sie mit dem Tablett herum und händigte die Getränke aus. Aurora kippte ihren zuerst runter, mit einem verschmitzten Grinsen in Richtung Draven. Ich wollte sie würgen, bis ihr das Lachen verging. Draven nahm zwei Shots vom Tablett und reichte mir einen.
»Willst du probieren?«, fragte er. Ich nickte und nahm das glitzernde Schnapsglas aus seiner warmen Hand.
»Was, keine Tequila-Tricks dieses Mal zur Unterhaltung?«, warf Aurora in die Runde, doch ihr amüsierter Ton widersprach ihrem finsteren Blick. Nun, wenn sie mich herausfordern wollte, von mir aus. Ich bin dabei, Tussi!
»Nicht heute Abend, aber wenn ich irgendwo ein paar Kirschen bekommen könnte, könnte ich dir einen anderen Trick in unter dreißig Sekunden zeigen«, sagte ich und beendete meinen Satz, indem ich den Cognac hinunterkippte.
»Cool, was ist das für ein Trick?«, wollte Sophia wissen. Draven schoss ihr einen warnenden Blick zu. Hm, er dachte wohl, ich würde bluffen.
»Ich kann einen Kirschenstiel mit meiner Zunge verknoten«, erklärte ich Sophia, woraufhin ihre Augen aufleuchteten.
»Ach, wirklich?«, neckte Aurora. Draven war alles andere als begeistert von ihrer Intervention.
»Ja, wirklich«, wiederholte ich mich Nachdruck. Dieses Mal würde ich mich nicht kleinkriegen lassen.
»Nun, Dominic, wirst du uns den Spaß gönnen und ihr erlauben, ihren Trick vorzuführen?«, sprach Aurora zu ihm. Ich wollte beim Klang seines Namens, der über ihre Lippen huschte, knurren. Also entschied ich mich, meinen Vorteil daraus zu ziehen, wandte mich ihm zu und sprach ihn zum ersten Mal mit seinem Vornamen an.
»Ja, Dominic, lass es mich zeigen.« Dabei legte ich meine Hand über sein Herz, was seinen mürrischen Blick in freudige Überraschung verwandelte. Seine Augen wurden sanft, bevor er mir ein wunderschönes Lächeln als Belohnung schenkte.
»Bist du sicher, dass du das kannst?«,
flüsterte er in mein Ohr, sodass es die anderen nicht hören konnten, aber sein Zögern brachte mich zum Lächeln. Er glaubte nicht, dass ich es draufhatte.
»Mírame!«, sagte ich, was ›Sieh zu und lerne› auf Spanisch bedeutete. Er sah mich verblüfft an. Wie es schien, war das eine Nacht, in der ich mich nicht nur selbst überraschte, sondern auch Draven.
»Ja, Dom, ich will es sehen«, sagte Sophia ganz aufgeregt. Also produzierte Draven eine wunderschöne, rote Kirsche, die Gott sei Dank einen langen Stiel besaß. Ich wagte einen Blick zu Aurora, die eine elegante Hand ausstreckte, um mir anzudeuten, dass sie auf meine Vorführung wartete. Alle Augen am Tisch waren auf mich gerichtet, was mich etwas nervös machte, aber angesichts dessen, dass ich diesen Trick schon seit Jahren aus meinem Ärmel schütteln konnte, sollte nichts schiefgehen. Vorausgesetzt, ich würde an dem verdammten Ding nicht ersticken.
Ich brach den Stiel von der Frucht ab und hielt ihn hoch, um zu beweisen, dass er gerade war. Ich legte ihn in meinen Mund und schob ihn herum, während ich ein Ende sicher festhielt. Dann faltete ich den Rest mit meiner Zunge und machte eine Schlaufe. Sobald ich das Ding richtig positioniert hatte, drückte ich das Ende hindurch. Als ich den Stiel aus meinem Mund zog, klemmte ich ihn zwischen meine Zähne, um den Knoten festzuziehen. Alles in unter zwanzig Sekunden.
Ich hielt ihn hoch, damit ihn alle sehen konnten, bevor ich ihn in mein leeres Glas fallen ließ, welches ich Aurora lässig zuschob.
Ich blickte auf und lächelte, als mich alle schockiert ansahen. Sophia stupste mich an und sagte:
»Das war brillant! Du hast so einiges drauf, Schätzchen.« Sie zwinkerte ihrem Bruder zu. Er trug ein riesiges, selbstzufriedenes Grinsen auf seinen Lippen und drehte meinen Kopf so, dass er mich küssen konnte. Vor allen! Und es war nicht einfach nur eine leichte Berührung, oh nein. Es war ein nasezerquetschender, zungenduellierender, lippensaugender Kuss. Nachdem er zu Ende gegangen war, wandte er sich Sophia zu und sagte:
»Oh ja. Mehr als du dir vorstellen kannst.« Und der ganze Tisch brach in Gelächter aus. Alle außer einer.
Draven strich meine Haare von meiner Schulter und kam an mein Ohr heran, um seine persönlichen Gedanken mit mir zu teilen.
»Zu sagen, dass ich beeindruckt bin, wäre eine große Untertreibung. Es tut mir leid, dass ich dich angezweifelt habe. Der einzige Weg, das wiedergutzumachen, wäre, wenn ich dir meine eigenen Talente vorzeige. Mit meiner Zunge«,
flüsterte er mir zu, und ich warf die Kirsche in meinen Mund in einem Versuch, zurück zu flirten. Leider ruinierte er meine Bemühung, als seine Hand mein Bein hochrutschte und ich den Kern verschluckte.
Gott sei Dank bemerkte er es nicht. Seine Finger spielten mit der Haut auf meinem Oberschenkel, während er den Rest seines Champagners genoss. Natürlich hatte ich jetzt das Bild im Kopf, das Draven mir eingepflanzt hatte, eines von seiner Zunge, die sich ihren Weg zu einem intimeren Bereich meines Körpers bahnte.
Ich biss auf meine Lippe.
Dennoch hatte ich mich schon seit Langem nicht mehr so entspannt gefühlt. Nach einer Weile gingen auch die Blicke an mir vorüber, die Aurora Draven vehement zuwarf, in der
Hoffnung, sie würden erwidert. Doch das tat er nicht. Kein einziges Mal. Sophia hatte recht. Er nahm seine Augen nie von mir, und das machte mich überaus glücklich. Ich unterhielt mich mit den Mitgliedern seines Rats und wurde in alle Gespräche einbezogen, als ob ich dazugehörte. Als wäre ich jetzt ein Teil von ihnen. Ein Teil der Familie.
Die Zeit verging, und Draven wurde immer unruhiger. Seine Anmachsprüche wurden frecher, und es kümmerte ihn kein bisschen, wer uns beobachtete. Als würde Verlegenheit in Dravens Welt nicht existieren. Seine stetige Aufmerksamkeit brachte mich aus der Fassung, was ihn nur dazu bewegte, noch weiterzugehen. Ich versuchte, es nicht herauszufordern, aber egal was ich tat, er fragte jedes Mal, ob die Zeit schon vorüber sei.
»Dom, reiß dich zusammen. Das arme Mädchen kann nicht einmal ein Gespräch führen. Du wirst sie früh genug ganz für dich allein haben«, sagte Sophia, laut genug, dass ich meinen Kopf auf den Tisch schlagen und dort vergraben wollte. Aber er lachte nur über seine Schwester und lehnte sich an meinem Rücken vorbei, um zu ihr zu gelangen und an einer ihrer Locken zu ziehen.
»Autsch! Dom, lass das«, fauchte sie spielerisch. Ich fühlte mich wie auf einer Hochzeit, wo es immer einen Tisch gab, an dem all die Ungehobelten saßen.
»Sophia, sei nicht so kindisch und hör auf zu nörgeln. Keira beschwert sich nicht«, warf Vincent in einem kühlen, gesammelten Ton ein. In der Zwischenzeit starrte mich Aurora an, als wollte sie mir den Kopf abreißen und ihn als Aschenbecher benutzen, während sie genüsslich eine lange schwarze Zigarette rauchte.
Dann geschah etwas, das die Stimmung sehr schnell trübte. Takeshi zerdrückte aus heiterem Himmel das Glas in seinen Händen. Alle Köpfe drehten sich geschockt zu ihm. Ich war die
Einzige, die keine Ahnung hatte, was vor sich ging. Seine Augen waren verschleiert, wie schlammiges Wasser, das sich über sie gelegt hatte. Sie flackerten hin und her, wechselten von schwarz zu kristallklar wie eine stürmische Nacht. Dann wurden sie wieder normal. Er erhob sich von seinem Stuhl und ging gelassen zu Draven.
»Mein Lord, darf ich Euch um ein Wort bitten? Es ist dringend«, sagte er in der leisen, ruhigen Stimme, die ich von ihm schon gewohnt war. Draven blickte ihn ernst an, als würde er nach etwas suchen, und als er es gefunden hatte, sah er Vincent an. Sein Bruder stand auf der Stelle auf und stellte sich neben Takeshi. Dann schaute Draven besorgt zu Sophia, als wollte er ihr eine stille Botschaft übermitteln.
»Keine Sorge, Dom, sie ist bei mir in Sicherheit«, versicherte sie ihm. Draven nahm meine Hand und ich stand auf, bevor er mich außer Hörreichweite führte.
»Was ist los?«, fragte ich, besorgt über seine strenge Mimik.
»Nichts, worüber du dir Sorgen machen musst, meine Liebe. Aber ich fürchte, ich muss dich für eine Weile verlassen. Bleib bei Sophia, kannst du das für mich tun?« Obwohl er es als Frage formulierte, war es mehr eine Aufforderung als nur eine Bitte. Eine, der ich aber gerne nachkam, da ich wusste, dass es zu meinem eigenen Wohl war.
»Keine Sorge, ich werde nicht weggehen.«
»Braves Mädchen. Ich werde nicht lange fortbleiben.« Dann zog er mein Kinn mit Daumen und Finger hoch, küsste mich sanft und ließ mich bei der Bar stehen.
Ich entschied mich, etwas anderes zu trinken, da mir der Champagner langsam zu Kopf stieg. Ich wollte halbwegs klar bleiben für das, was mich später noch erwartete.
»Karmun, könnte ich bitte ein Glas Wasser haben?«
»Ja, klar, Schätzchen«, sagte er in seinem üblichen süßen Ton. Ach, ich vermisste es, mit ihm zu arbeiten. Im Laufe der Zeit
hatten wir eine enge Freundschaft geschlossen. Jetzt sah er mich irgendwie anders an. Jetzt war ich Dravens Freundin. Was sehr seltsam klang, da ich noch immer nicht genau definieren konnte, was wir eigentlich waren. Wie Draven gesagte hatte, hatten wir irgendwie die ganze Datingsache übersprungen. Dann läutete das Telefon, und mein Herz blieb beinahe stehen, als ich mich an das letzte Mal erinnerte.
»Keira, wieder für dich. Jemand namens Frank.« Sobald ich die Worte verarbeitet hatte, beruhigte sich mein Atem und ich nahm den Hörer, den mir Karmun entgegenstreckte.
»Hey, Frank. Was gibt‘s?«, fragte ich und wunderte mich, was ihn dazu bewegt hatte, hier anzurufen.
»Keira, es ist Olivia …« Er klang panisch. Ein Ton, den ich von Frank nicht gewohnt war. Außerdem nannte er sie auch nie Olivia.
»Was ist passiert? Was ist mit Libs?«
»Sie ist im Krankenhaus. Ein Kerl hat versucht, sie in sein Auto zu zerren. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um ihn aufzuhalten. Er machte sich aus dem Staub, aber …«
»Oh mein Gott! Ist sie … Das Baby?«, fragte ich hysterisch.
»Die Ärzte können es nicht sagen, aber sie braucht dich«, sagte er ganz aufgelöst, was ihm gar nicht ähnlich sah. Er blieb immer stark und gefasst.
»Ich bin gerade im Club. Ich weiß nicht, ob Draven mich gehen lassen wird. Hör zu, es ist …«
»Keira, dafür ist jetzt keine Zeit! Ein Freund von mir wird dich abholen. Du erinnerst dich noch an Andy? Er ist Polizist und wird dich direkt hierherbringen. Du bist bei ihm sicher«, flehte er mich an. Meine Schwester hatte ihn sicherlich angebettelt, mich zu ihr zu bringen. Ich musste zu ihr, auf der Stelle!
»Okay, ich werde versuchen, hier wegzukommen. Wo will er mich treffen?«
»Er wird an der Hinterseite des Clubs warten«, sagte er, bevor das Telefon zu knacken begann, als wäre der Empfang gerade schlecht.
»Beeil dich, Keir…« Die Verbindung riss ab und ich wusste, was ich zu tun hatte. Ich musste Dravens einzige Regel brechen.
Ich musste aus Afterlife fliehen!
Mein Verstand fing an, Hunderte von Szenarien zu kreieren, wie das ausgehen könnte. Ich war hin und her gerissen, Draven alles zu erzählen und zu beten, dass er mich gehen lassen würde. Aber tief in mir wusste ich, er würde das nicht zulassen. An diesem Punkt schwenkte ich in den Planungsmodus um.
Ich musste dem einen Ort entfliehen, an dem ich mich sicher fühlte und das tun, was richtig war. Libby brauchte mich, und nichts auf dieser Welt würde mich von meiner Schwester fernhalten. Nicht einmal ein halbblütiger Dämon-Engel, der eine übernatürliche Armee auf Abruf hatte. Aber wie konnte ich ihm entwischen?
Dann fiel mir etwas ein … Und so hatte ich einen Plan, der funktionieren könnte. Bevor ich zu meinem Platz zurückkehrte, fragte ich Karmun, ob er mir das geben könnte, was ich brauchte, und versteckte es schnell in meinem Ausschnitt. Ich musste cool wirken, bevor mich Sophia noch durchschaute. Ich musste mich stärker als je zuvor darauf konzentrieren, sie aus meinem Kopf fernzuhalten. Das würde alles andere als einfach werden. Schließlich war ich dabei zu versuchen, einen Dämon zu täuschen.
»Alles okay? Wer war das am Telefon?«, fragte sie, als ich zum Tisch zurückkehrte.
»Oh, nur Frank, mein Schwager. Libby konnte mich am Handy nicht erreichen, deshalb hat sie im Club angerufen«, sagte ich mit rollenden Augen.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie besorgt, was mir das Lügen nur schwerer machte, aber für Libby würde ich die beste Show meines Lebens abziehen.
»Es ist nur meine Grandma. Sie ist zu Hause auf dem Eis ausgerutscht und hat sich den Fuß gebrochen. Meine Mutter ist aus allen Wolken gefallen, und ich muss sie unbedingt anrufen«, sagte ich, als ich ihr Gesicht beobachtete. Wie es schien, kaufte sie mir die Geschichte ab.
»Ach, tut mir leid. Ich hoffe, es geht ihr gut. Möchtest du das Telefon dort drüben …?« Ich schnitt sie etwas schneller ab, als ich es hätte tun sollen, behielt aber eine ruhige Stimme.
»Oh nein, alles gut, ich kann bis morgen warten. Sie ist im Moment im Krankenhaus und meine Eltern fahren gerade zu ihr, aber danke.« Ich lächelte sie an und fügte meiner ahnungslosen Lüge Zuversichtlichkeit hinzu.
»Kein Problem.« Sie lächelte zurück, aber leider kam jetzt erst der schwierige Teil, bei dem ich mir nicht sicher war, ob ich sie so leicht übers Ohr hauen konnte.
»Sophia, darf ich die Toilette benutzen?«
»Ja, natürlich. Du musst doch nicht fragen.« Wie erwartet, meinte sie damit Dravens Badezimmer, also spielte ich meine nächste Karte aus und betete um ein Ass.
»Ich weiß, das mag jetzt lächerlich klingen, aber könnte ich einfach unten die Toilette benutzen? Nach der letzten Nacht … Du weißt schon, mein Alptraum … Nun, ich fühle mich dort nicht so wohl.«
»Verständlich. Ich denke, das sollte kein Problem sein. Aber beeil dich, okay?« Ich atmete innerlich erleichtert auf. Zum Glück war Draven nicht hier, sonst wäre ich nie damit davongekommen.
»Ich bin gleich zurück«, versicherte ich ihr, als ich mich auf den Weg machte. Zagan schien von der Idee nicht begeistert zu sein, aber ich hoffte, dass er Sophia nicht widersprechen würde.
Als er nichts sagte, war ich halbwegs zuversichtlich, dass ich mich davonschleichen konnte. Ich rannte die Treppe hinunter, so schnell mich meine Beine tragen konnten. Die Toilette befand sich gleich in der Nähe, also rannte ich darauf zu und schloss die Tür hinter mir. Ich zog das Papier und den Stift heraus, das ich in mein Dekolleté gestopft hatte, und kritzelte schnell eine Notiz.
Draven,
tut mir leid, dass ich gehen musste, aber Frank hat angerufen, um mir zu sagen, dass Libby angegriffen wurde. Sie ist im Krankenhaus. Ich glaube, es war Morgan, aber er konnte fliehen, bevor Frank ihn schnappen konnte. Mach dir keine Sorgen, ich bin in Sicherheit. Frank hat einen Freund geschickt, um mich abzuholen. Er ist Polizist. Ich muss das tun. Meine Schwester braucht mich!
Ich liebe dich und werde bald wieder in deinen Armen sein.
P.S. Bitte sei nicht wütend auf mich.
xx Keira xx
Als ich meine Notiz fertig geschrieben hatte, wusste ich, dass es nur eine Person gab, der ich sie anvertrauen konnte und mir damit genug Zeit verschaffen würde, um hier rauszukommen. Jack und die anderen saßen an ihrem üblichen Tisch, da Draven auf meine Bitte hin Jack wieder Einlass gewährt hatte. Jetzt brauchte ich ihn.
Ich sauste zu ihm rüber, so schnell, wie ich es in meinen High Heels konnte. Er erblickte mich sofort. Unter anderen Umständen hätte ich gelacht, als ich sah, wie sich seine Augen weiteten.
»Keira! Wo warst du? Ich habe dich angerufen, aber …«
»Jack, keine Zeit. Das klingt jetzt völlig verrückt, aber ich brauche deine Hilfe«, flehte ich ihn an und überschlug mich fast mit meinen Worten. Ich musste das schnell über die Bühne bringen, sonst hatte ich keine Chance, aus dem Club zu kommen.
»Warum? Was ist los? Warum bist du angezogen wie …« Ich unterbrach ihn und zog ihn von den anderen weg, die jetzt versuchten, mich in ein Gespräch zu verwickeln.
»Hör zu, es geht um meine Schwester. Sie hatte einen Unfall und ich muss hier raus, aber du musst Draven diese Notiz geben. Bitte, Jack, tu das für mich und sieh nicht hinein«, sagte ich mit Nachdruck, damit ich ihm die Dringlichkeit verständlich machen konnte.
»Aber die werden mich nicht nach oben lassen.«
»Das werden sie, wenn du ihnen sagst, worum es geht. Bitte, Jack. Du bist der Einzige, auf den ich zählen kann.« Ich bemerkte eine Gestalt in Polizeiuniform durch die Hintertür. Franks Freund, Andy, war bereits hier. Also ergriff ich meine Chance, drückte die Notiz in Jacks Hände und lief davon, während er mir einen Haufen Fragen hinterherrief.
»Andy?«, fragte ich, als ich der Gestalt näherkam, obwohl ich wusste, dass er es war.
»Keira, komm mit mir. Frank hat mir erzählt, was passiert ist«, sagte er, ergriff meinen Arm und zog mich durch die Hintertür. Dravens Männer bewachten diese Tür nicht. Sobald wir draußen waren, wollte ich meinen Arm losreißen, aber er gab nicht nach.
»Ich denke, ich bin fähig, selbst zu gehen«, sagte ich, wobei ich ruhiger klang, als ich mich eigentlich fühlte.
»Steig einfach ins Auto. Mein Partner wartet schon«, sagte er mit einer unheimlichen Stimme. Das Auto stand nicht weit weg, aber Andy rannte darauf zu, als ob wir Gejagte wären, und ich folgte ihm so schnell ich konnte. Er öffnete mir die Tür. Ich fiel
auf den Rücksitz, als er mir einen Schubser gab, der etwas zu heftig war für meinen Geschmack.
»Wow, ihr seid effizient. Frank und du müsst euch schon lange kennen, hm?«, sagte ich in dem Versuch, Small Talk zu machen, aber keiner antwortete. Ich spähte durch das Gitter zwischen mir und dem Fahrer, aber es war zu dunkel, um zu erkennen, wer auf dem Fahrersitz saß. Er raste mit quietschenden Reifen auf die Hauptstraße. Warum die Eile? Man hätte meinen können, wir steckten inmitten einer Verfolgungsjagd.
Fünf Minuten waren vergangen, ohne dass einer der beiden ein Wort von sich gegeben hatte. Meine Handflächen begannen durch meine Handschuhe zu schwitzen. Langsam bereute ich es, Draven nicht darum gebeten zu haben, mich persönlich zum Krankenhaus zu fahren. Ganz unauffällig streckte ich eine Hand in Richtung Türgriff aus, nur um zu überprüfen, ob ich eingesperrt war, aber da es sich um einen Polizeiwagen handelte, standen meine Chancen wahrscheinlich schlecht.
»Ähm, wie lange noch bis zum Krankenhaus?«, fragte ich. Die Straße, auf der wir uns befanden, war mir nicht bekannt. Es schien, als würden wir aus der Stadt fahren anstatt weiter ins Innere. Trotzdem erhielt ich keine Antwort, und meine leichte Unruhe verwandelte sich schnell in Panik.
»Hört zu, Leute. Ich weiß, ihr wohnt hier, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das der Weg aus der Stadt ist«, versuchte ich es noch einmal, doch wieder keine Antwort, also schlug ich meine Faust hart auf das Metall. Das ganze Gitter klapperte.
»Das wird nicht helfen, Catherine«, sprach eine ruhige Stimme, und meine Panik verdreifachte sich innerhalb einer Sekunde.
»Woher kennst du meinen Namen?« Die ersten Tränen bildeten sich bereits in meinen Augen. Dieses Mal sprach der
Fahrer, und ich beugte mich vor, um meine Finger durch die quadratischen Löcher des Gitters zu bohren.
»Benimm dich, Catherine, und mach das nicht kompliziert. Nicht wie beim letzten Mal.«
In dem Moment kam ein Auto aus der entgegengesetzten Richtung, dessen Scheinwerfer meinen schlimmsten Alptraum bestätigten und das Gesicht meines Monsters erleuchteten …
Das Gesicht von Hugo Morgan.