I
ch brüllte, bevor mir Morgan an die Kehle ging und er seine Finger um meine Luftröhre krallte, bis ich nicht mehr atmen konnte. Er fand schwer Halt mit seinen verschwitzten, zittrigen Händen, aber er war nicht der Einzige, der langsam seine Kraft verlor, denn die Dunkelheit zog mich langsam nach unten. Ich musste nur durchhalten. Nur ein bisschen länger durchhalten. Draven war nah. Ich konnte es fühlen. Jede Zelle in meinem Körper begann sich zu entzünden, und die Verbindung zwischen uns brannte stärker, je näher er kam.
Dann fingen die Wände an zu beben. Holz zersplitterte, als befänden wir uns inmitten eines wütenden Sturms. Morgan wirbelte verzweifelt herum. Wir wussten nicht, was gerade passierte. Dann krachte etwas mit gewaltiger Wucht, als wäre ein Felsbrocken vom Himmel gefallen. Es löste ein Nachbeben aus, das den Boden vibrieren ließ und noch mehr Holzbalken spaltete.
Und dann geschah alles auf einmal. Die komplette Vorderseite der Hütte wurde von ihrem Fundament gerissen, mit solcher Kraft und Geschwindigkeit, dass ganze Holzplanken in den Wald geschossen wurden, als wären sie nichts weiter als Zweige. Das Dach war kurz vorm Kollabieren, aber plötzlich
schälte sich eine Hälfte zurück, wie bei einer Konservendose. Das Stück flog nach hinten und über die Klippe. Man konnte gerade noch hören, wie es in tausend Teile am Fuße der Schlucht zerschmetterte.
Jetzt war die Hütte nur noch ein Gerüst mit ein paar klapprigen Balken und drei Wänden. Die Kette, an der ich hing, schwankte mit jeder Vibration.
Als das Beben endlich aufhörte, wagte ich einen Blick nach oben und sah Dravens wahre Gestalt.
Und. Sie. War. Göttlich!
Er stand auf den Überresten des Dachs, wo er vom Himmel aus gelandet war, mit seinen riesigen, dunklen Flügeln, die sich in ihrer ganzen Pracht aufspannten. Sein nackter Oberkörper zeigte die mächtige Energie, die seine Venen antrieb. Venen, die glühten wie Feuer. Seine Hände waren nach außen gerichtet, um die Trümmer unter Kontrolle zu halten, die ihn blockierten. Sie schossen durch die Luft hinter ihm und ebneten ihm einen Weg. Erst jetzt wurde mir klar, welche immense Macht er besaß. Atemberaubend und erschreckend.
Wenn ich dachte, ich hätte Draven schon einmal wutentbrannt gesehen, dann war das nur die Spitze eines Vulkans gewesen, der kurz vor einem dämonischen Höllenausbruch stand. Er bewegte sich. Der Schutt teilte sich wie das Rote Meer, bevor er alles in den Wald hinausschoss, als bestünde er nur aus Schaum. In diesem Moment war er nicht halb Engel, halb Dämon. Von seiner Engelseite fehlte jede Spur, als seine Augen Morgan fanden, der meinen Hals in der einen Hand und eine große Klinge in der anderen hielt, die er an meiner Seite positioniert hatte.
Sein Oberkörper sah aus, als würde das Feuer unter seiner Haut gleich explodieren. Ein wütender, roter Fluss, der in seinem Körper brodelte und alles Engelhafte in ihm auslöschte. Der dämonische Teil in ihm übernahm die völlige Kontrolle.
Seine Muskeln verkrampften sich, als er mich ansah. Ich sah wohl aus, wie ich mich fühlte … Zerbrochen.
Mein Kleid war zerrissen und legte meine Beine frei. Die Stoffträger existierten nicht mehr. Blut tropfte noch immer meinen Arm entlang bis zu meinen nackten Füßen, und die Hiebe, die mein Gesicht ertragen musste, hatten sicherlich auch keinen schönen Anblick hinterlassen.
»DU BEKOMMST SIE NICHT!«, brüllte Morgan ihn an, als er die Klinge gefährlich näherbrachte, aber Draven sprintete schneller los, als Morgan registrieren konnte und stand einen Augenblick später direkt vor ihm. Er streckte seinen Arm aus und warf ihn mit Leichtigkeit beiseite, als wäre er nichts weiter als eine Figur aus Pappe.
»Das werden wir sehen!«, zischte Draven, als Morgans Körper durch die Luft segelte und in eine der Wände krachte. Der Aufschlag ließ mich zusammenzucken, und mein Körper baumelte an der Kette. Dravens Augen fanden meine, aber es schien, als starrte er direkt in den Abgrund der Hölle, und was ich sah, war die Reflexion. Das Violett war verschwunden, ersetzt durch ein Inferno unbändigen Zorns, der sogar die Unterwelt in Angst und Schrecken versetzt hätte.
Seine roten Augen untersuchten mich. Sie zuckten jedes Mal, wenn er eine neue Wunde entdeckte, die meinen zerbrochenen Körper zierte. Er trat näher zu mir, und ich konnte die Tränen nicht aufhalten. Dieses Mal nicht Tränen des Schmerzes, sondern der Erleichterung.
»Du bist gekommen … Du … Du hast mich gefunden«,
schluchzte ich. Seine Hand kam zu meinem Gesicht, die überraschenderweise eiskalt war. Der einzige Teil an ihm, der sich wieder zurück in seine violette Energie verwandelte. Er kontrollierte es, um meine brennende Wange abzukühlen.
»Natürlich bin ich für dich gekommen. Ich werde immer für dich kommen, Keira«, sagte er, als er seine Stirn an meine lehnte und flüsterte:
»Ich liebe dich.«
Ich war gerade dabei, dasselbe zu sagen, als Morgans Klinge in meinem Augenwinkel aufblitzte.
»Draven, hinter dir!« Er wirbelte herum, gerade als sich die Klinge in seinen Körper bohrte, so weit, bis nur noch der Griff herausragte.
»NEIN!«, schrie ich, als Morgan zurückwich, um auf Dravens Fall zu warten.
Doch der kam nicht. Stattdessen sah Draven auf die Klinge herab, die aus seinem Fleisch ragte. Der Anblick verschlug mir die Sprache. Ich wollte zu ihm laufen und sie herausziehen, um sie tief in Morgans Herz zu vergraben, aber diese Chance offenbarte sich mir nicht.
Draven zeigte ein teuflisches, blutrünstiges Grinsen, eines, das auf Rache aus war, als er sich auf Morgans entsetztes Gesicht fixierte.
»Jetzt bin ich an der Reihe«, knurrte er dämonisch. Mit einer präzisen Bewegung riss er die Klinge aus seinem Körper. Dann packte er Morgan bei der Kehle und rammte ihn gegen die Wand, an der er ihn mit Leichtigkeit hochhob. Einen halben Meter über dem Boden strampelte Morgan panisch, als Draven ihn würgte. Dravens Augen jedoch wurden weiter und genossen den Anblick seiner Qualen. Er leckte sogar seine Lippen, und seine Zähne wurden länger, als ob er kurz davor wäre, sich auf ihn zu stürzen wie ein hungriges Tier. Das Gute in mir jedoch konnte diesen Anblick nicht ertragen.
»Draven, bitte! Er ist krank. Er braucht Hilfe«, flehte ich ihn an, als das Leben in ihm langsam erlosch. Meine Worte durchbrachen seinen Dämonenrausch. Er warf mir einen erbitterten Blick zu, bevor er seine Beute auf die Knie fallen
ließ. Morgan hustete und keuchte, seine Hände um seine Kehle geschlungen. Draven sah den Parasiten zu seinen Füßen angewidert an.
»Du hast recht, meine Keira. Er ist krank, und ich weiß, wo sie ihm helfen können«, sagte er streng in seiner gewaltigen Dämonenstimme. Der Klang vibrierte durch meinen ganzen Körper. Ich war wie versteinert. Es war der Ort, an dem Alpträume geboren wurden.
Er war ihr König!
Dann, schnell wie der Blitz, riss er ihn in die Höhe und stieß das Messer tief in sein Herz, ohne einen Hauch von Menschlichkeit.
»Viel Spaß in der Hölle, Ungeziefer!«, fauchte er mit einem mörderischen Lächeln auf seinen Lippen. Oh ja, darauf hatte er nur gewartet. Morgan hing an der Wand, als das Messer geradewegs durch das Holz hinter ihm glitt. Er prustete Blut hervor, und ich starrte ihn ungläubig an, als er in hämisches Gelächter ausbrach. Er sah mir direkt in die Augen.
»Ich werde dich bald wiedersehen, Catherine.«
Das waren seine letzten Worte, bevor das Leben seinen Körper verließ. Draven wurde wütend und riss ihm das Messer aus der Brust. Der leblose Körper fiel zu Boden, und er trat darauf ein, als wäre er ein totes Tier.
»Corpus vile!« (»Wertloser Körper!«, auf Latein) Mein Körper bebte noch von all dem, was mir zugestoßen war. Als Draven zu mir kam und mich mit seinen Händen berührte, zuckte ich mit einem Schrei zusammen.
»Schhh, alles gut, Keira. Ich werde dir nicht wehtun. Tut mir leid, dass du das mitansehen musstest«, sagte er so liebevoll, dass es mir schwerfiel zu glauben, dass in diesem Mann auch eine dämonische Seite steckte. Seine Hände umfassten meine Taille. Zum ersten Mal in dieser Nacht fühlte sich die Berührung gut an, denn diesmal kam sie von den richtigen Händen. Nachdem er
jegliche Trümmer auf dem Boden aus dem Weg geräumt hatte, hob er mich sanft aus dem Haken und stellte mich ab. Seine Hand streichelte mein heißes Gesicht. Er schüttelte den Kopf über meinen jämmerlichen Zustand.
»Keira, bitte sag mir, dass es dir gutgeht. Hast du starke Schmerzen?« Es sah aus, als würde gleich der letzte Faden reißen, an dem seine Vernunft hing.
»Ich bin okay, aber meine Handgelenke …« Ich streckte sie aus, damit er sie inspizieren konnte. Er nahm meine Fesseln ab, und ich konnte sein Knurren hören, als er die blutigen Flecken sah, die sie hinterlassen hatten. Er warf die blutgetränkten Seile beiseite.
»Es tut mir leid. Ich war so dumm. Ich dachte …«, schluchzte ich, aber er legte seine kühlen Hände auf meine Wangen. Mit seinen Daumen wischte er meine Tränen ab, bevor er mich in seine wohlige Umarmung zog.
»Schhh, du bist jetzt in Sicherheit. Ich werde dich nicht noch einmal verlieren. Nie wieder!«
Bei diesen letzten beiden Worten kämpfte sich seine Dämonenseite durch, und ich war froh zu hören, dass mich nicht nur der Engel in ihm beschützen wollte. Seine Stimme war voller granitharter Emotionen, und ich konnte spüren, wie sich die Muskeln an seinen Armen anspannten, die er um meine Taille gewickelt hatte. Arme, die sich noch enger um mich spannten, als sein Feind ihn rief.
»DRAVEN! Zeit herauszukommen und zu spielen.« Sammaels Stimme hallte durch die Bäume und prallte an der Kluft des Canyons ab. Draven stieß ein mörderisches Knurren aus, doch er hielt mich immer noch in seinen Armen, wie mein dunkler Beschützer.
»Keira, bleib hier«, befahl er, aber ich hielt ihn fest und berührte zum ersten Mal seine Flügel, die viel weicher waren als sie aussahen.
»Draven, nicht, es ist eine Falle! Er ist nicht der Einzige. Er hat gesagt, es sind noch mehr da draußen, und er hat etwas von Afterlife gesagt«, plapperte ich kopfschüttelnd, während ich mich an ihm festklammerte.
»Keira, hör mir zu. Hab keine Angst um mich. Ich weiß, wie er tickt. Du musst dich versteckt halten. Ava ist hier. Wenn ich gehe, läufst du zu ihr. Sie wird dich beschützen. Hast du das verstanden?«
»Nein, du kannst nicht gehen. Bitte, lass mich nicht zurück!«, bettelte ich, wickelte meine Arme um seinen Hals und versuchte vergeblich, ihn an mich zu binden. Er blickte auf mich herab und wischte mir die Tränen aus meinem verängstigten Gesicht.
»Keira, vertraust du mir?« Seine Augen verwandelten sich zurück in ihr Violett, um mich zu beruhigen.
»Ja, aber …« Er küsste mich sanft, bevor ich meinen Satz beenden konnte. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er meine Arme über seinen Kopf gehoben hatte, um sich aus meiner Umarmung zu befreien. Er drehte mich um und zeigte mir, wo Ava auf mich wartete.
»Lauf zu ihr, Keira. Lauf und sieh nicht zurück. Hier wird gleich etwas passieren, das du nicht mit ansehen solltest«, sagte er, als die Flammen in seinen Augen wieder aufloderten. Er war dabei, sich seinem Feind zu stellen.
Dann verließ er mich und trat aus der verwüsteten Hütte, um Sammaels Stimme zu folgen. Sobald er außer Sichtweite war, sprintete ich los. Ich rannte so schnell wie ich konnte, aber ich musste immer wieder Trümmern ausweichen, die über den ganzen Boden verstreut waren.
Ava befand sich gegenüber der Hütte am Ende der Lichtung. Als ich sie endlich erreichte, gab sie mir ein Zeichen, ihr in den Wald zu folgen, aber ich stand da wie angewurzelt. Die Stimmen von Draven und Sammael waren klar zu hören.
Nein, ich konnte ihn nicht allein lassen!
Also versteckte ich mich so, dass ich einen Blick auf ihn erhaschen konnte. Sie standen beide etwas von der Hütte entfernt, Sammael mit dem Rücken zur Klippe. Würde er doch nur einen Schritt weiter nach hinten treten, würde er sich selbst in die Tiefe stürzen und diesem Alptraum endlich ein Ende setzen.
»Es ist viel zu lange her, mein Lord«, sagte Sammael, als wäre dies nur ein friedliches Treffen zwischen Kollegen.
»Nicht lange genug, wie es scheint. Du bist zurückgekommen, damit ich dir eine weitere Lektion erteilen kann, da meine letzte offensichtlich nicht ganz zu dir durchgedrungen ist«, konterte Draven amüsiert, fast so, als würde er das ganze Theater genießen. Er stand Sammael gegenüber, und ich hatte einen ungetrübten Blick auf beide hinter dem Baum hinweg, an den ich mich geklebt hatte. Ava stupste mich mit ihrem Schnabel an, aber ich würde mich auf keinen Fall von der Stelle bewegen. Nicht bevor ich nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, wie Draven Sammael in die Hölle schickte.
»Was? Dieses Mal keine Wachen, kein Rat, kein Vincent, um dir den Rücken freizuhalten?« Sammaels blutige Zähne schnappten zusammen.
»Du irrst dich, wenn du glaubst, ich wäre auf Unterstützung angewiesen, um deine Seele zurück in die Unterwelt zu verdammen.« Draven warf ihm ein arrogantes Lächeln zu.
»Ah, nun, in diesem Fall, lass mich dir ein paar Freunde vorstellen. Sie brennen regelrecht darauf, dich kennenzulernen!« Sammael brüllte in die Nacht. Schwarzer Teer floss aus seinem Mund, als ob er eine Infektion in die Atmosphäre ausstoßen würde. Dann begann die Erde zu beben, als würde etwas durch sie hindurchkriechen. Ich rückte näher an den Baum heran und krallte mich an der Rinde fest. Etwas hallte an der Klippenwand entlang. Es klang, als würden sich
Hunderte von Kreaturen ihren Weg nach oben kratzen, indem sie ihre Krallen in den Felsen schlugen. Wie Nägel, die in eine Tafel ritzten.
Das fürchterliche Geräusch ließ mich die Hände über meine Ohren schlagen, gerade als ein hohes Geschrei ausbrach. Ava reagierte und stieß ihr eigenes, ohrenbetäubendes Gekreische aus. Ich wollte sie streicheln, sie trösten, aber ein Blick auf ihre Dämonenform reichte aus, um meine Hände von ihr zu lassen. All ihre Federn waren zu gekühltem Vulkangestein erstarrt, schwarz und aufgebrochen an den Flügeln. Rote Glut kam darunter zum Vorschein, wie eine rohe Energie, die freigesetzt wurde. Schnabel und Krallen waren zu tödlichen Proportionen herangewachsen, und das Mondlicht glitzerte auf den rasiermesserscharfen Klingen. Nein, Streicheln war wohl keine gute Idee.
Dann erblickte ich die Kreaturen, die eine nach der anderen auftauchten, wie ein Schwarm zerstörter Menschen. Gefolterte Körper mit herausgerissenen Augen, die klaffende, blutende Höhlen hinterließen. Der Rest ihrer Gesichter bestand aus verschlossenen Kiefern mit riesigen Zähnen. Ihre zerknitterte Haut platzte an den Falten auf. Sie krochen näher an Draven heran, rückten am Waldboden entlang vor, während sich ihre Gliedmaßen unabhängig von den Gelenkpfannen bewegten, die sie hielten. Ihre Köpfe drehten sich um 360 Grad, wie Dämoneneulen, und sie stießen ein grauenerregendes Geräusch aus. Wie riesige Grillen, deren Knochen unter jeder Bewegung knackten.
»Ist das alles, was du zu bieten hast, Sammael? Gorgonen-Egel?« Draven wirkte unbeeindruckt und repositionierte sich, bereit für den Schwarm, der auf ihn zukam. Mit angehaltenem Atem beobachtete ich, wie sich die grausamen Kreaturen dem Mann näherten, den ich liebte. Warum war er allein? Warum hatte er keine Unterstützung angefordert? Nun, ich musste nicht
lange auf meine Antwort warten, denn die erste Angriffswelle war im Anmarsch.
Dravens Körper brach in violette Flammen aus und lenkte sie gegen die Parasiten, die um seine Füße krochen, um sie in Brand zu setzen. Sie krümmten sich vor Schmerz mit hohem Gequietsche. Dann strömten Flammen aus seinen Händen, die er auf die schoss, die weiter entfernt waren. Sie entzündeten sich wie Streichhölzer.
Erst als jedes Geschöpf in Brand gesetzt worden war, hämmerte er seine feurige Faust auf den Boden. Die Erde erschütterte unter der immensen Kraft und knackte auf. Lavaähnliche Hände schlängelten sich aus den Klüften, als ob die gequälten Seelen aus der Hölle gekommen wären, um die flammenden Kreaturen einzusammeln und dorthin zurückzuziehen, wo sie hingehörten.
Sie schnappten nach verbrannten Körperteilen, rissen sie von ihren Rümpfen. Der Wald füllte sich mit qualvollen Schreien, zerreißendem Fleisch und brechenden Knochen.
Die letzte Welle von Egeln kroch über die Klippe, aber als sie das Massaker sahen, änderten sie ihre Taktik, fächerten sich auf und kamen auf Draven aus allen Richtungen zu. Sie sahen anders aus. Ihre Körper waren härter, wie gefrorener, mit Blasen bedeckter Stein und blauem Licht, das aus ihren Augen und schrundigen Gliedmaßen leuchtete. Es schien, als wäre die erste Welle das Feuer gewesen und diese nun das Eis.
Draven passte seinen Körper an und verwandelte das rote Feuer, das an seiner Haut leckte, in blaues, von dem ich wusste, dass es am heißesten brannte. Dann stieß er einen allmächtigen Schrei in die Nacht aus, bevor sich seine flammenden Saphirflügel auf die volle Spannweite ausbreiteten. Zuerst dachte ich, Sammael hätte ihm etwas angetan. Ich war schon im Begriff, zu ihm zu laufen, aber dann verwandelte sich sein Schrei in Gebrüll, als er seinen Kopf nach hinten warf und
gen Himmel blickte. Die klare Nacht veränderte sich auf einmal. Donnernde Wolken, die den Wald mit jedem Blitz erleuchteten, verdunkelten sie. Mein Mund klappte auf. Er kontrollierte tatsächlich den Himmel!
Und ich war dabei, es mit meinen eigenen Augen zu sehen.
Plötzlich wurde Draven von einem Blitz getroffen, und ein Schrei brach aus mir hervor. Die Flammen um seinen Körper herum verwandelten sich in elektrisierte Adern, die sein Fleisch entlang wanderten und die er benutzte, wie er es schon mit dem Feuer getan hatte. Sie schossen in dicken, glühenden Bögen durch die Luft und fegten durch jedes Lebewesen, das sich ihnen in den Weg stellte. Eine unglückliche Kreatur hatte das Pech, von Dravens elektrischem Lasso eingefangen zu werden, das seinen Körper in zwei Hälften schnitt. Sie schlugen auf den Boden auf und verwandelten sich sofort zu Staub.
Ich beobachtete, wie sich eine die Seitenwand der Hütte hochschlich. Draven würde sie nicht bemerken, da er mit dem Rücken zu ihr stand. Sie kroch näher mit ihren messerscharfen Zähnen, die wie tödliche Eiszapfen aussahen. Dann stieß sie sich von der Wand ab, stürzte sich auf ihn und vergrub ihre Zähne tief in seinem Fleisch. Dies zeigte jedoch keinerlei Wirkung, denn sobald ihr Körper mit seinem in Berührung kam, fing dieser an zu zucken und verwandelte sich kurze Zeit später in eine verkohlte schwarze Leiche.
Seine beeindruckende Flügelspannweite drückte die Luft nach außen und fegte die tote Kreatur hinfort. Der massive Windstoß verwandelte sich augenblicklich in Asche. Draven rotierte mit seinen Flügeln, bis der Rest der leblosen schwarzen Körper in dem Wirbelwind gefangen war, den er erschuf. Wie Ruß, der am stürmischen Nachthimmel schwebte. Danach begannen die Wolken, sich aufzulösen und die schwarzen Überreste in sich zu verschlingen, bis nur noch die letzten zwei Krieger übrig blieben, um sich in den Kampf zu stürzen.
»Nun, Sammael, das war ein wenig enttäuschend. Ich dachte, Jahre der Einsamkeit hätten dich mehr als ein paar jämmerliche Zaubertricks gelehrt«, murrte Draven und strich die Asche gelassen von seinen nackten Armen, bevor er seine violette Energie wieder hervorbrachte. Seine Flügel wichen zurück und verschränkten sich hinter seinem Rücken.
»Komm schon, Draven … Das war erst das Vorspiel«, antwortete Sammael, denn jetzt war er an der Reihe, eine Show abzuziehen. Seine mit Krallen versehenen Flügel entfalteten sich und enthüllten überraschenderweise einen muskulösen Körper unter seiner verdorrten Haut. Er sah nicht mehr so schwach aus, wie es zuerst den Anschein erweckt hatte, und die Kraft, die von ihm ausging, schien genauso stark zu sein wie Dravens. Seine hingegen war von einem klaren Licht umgeben, das gegen die höllisch roten Adern ankämpfte, die versuchten, die Kontrolle an sich zu reißen. Nun ja, er war immerhin einmal ein Diener Gottes gewesen, der sich letzten Endes dem Bösen hingegeben hatte.
Sein Körper begann zu zittern, als er versuchte, die immense Energie unter Kontrolle zu bekommen, die sich in seiner Brusthöhle aufbaute. Man konnte sehen, wie die beiden Flüssigkeiten durch seine Venen pumpten und versuchten, sich zu vermischen, als sie in seine ausgestreckte Hand flossen. Sie produzierte einen langen Stab, der an Größe wuchs, je mehr Energie freigesetzt wurde. Er war mindestens sieben Zentimeter dick und bedeckt von ineinander verwobenen Symbolen, die mit der gleichen Energie aufloderten. Er sah beinahe schon lebendig aus, als wäre er ein Teil von ihm.
Draven brach in ein tiefes Violett aus und streckte beide Hände zur Seite aus. Völlig verblüfft beobachtete ich, wie er seine Macht zur Schau stellte und seine eigenen Waffen erschuf. Zwischen den beiden war Draven eindeutig besser ausgerüstet. Er war nun mit zwei massiven Schwertern bewaffnet, und auch
bei ihm hatte es den Anschein, als wären sie Teil seines Körpers. Sie wuchsen aus seinen Unterarmen und wurden länger, bis sie beinahe den Boden berührten. Er erinnerte mich an einen Samuraikrieger, der sich bereit machte, gegen einen schwarzen Hexer anzutreten. Mein Herz spielte verrückt. Auch wenn ich das Unfassbare jahrelang gesehen hatte, war ich nur ein Mensch, und das sprengte all meine Vorstellungskraft.
Ava hatte bereits aufgegeben, mich dazu zu bringen, ihr zu folgen. Um nichts in der Welt würde ich das verpassen. Meine Augen klebten an den beiden leuchtenden Gestalten, als sie sich behutsam umkreisten. Dann sprach Sammael in einer Sprache, die wie Latein klang, und Dravens Antwort war ganz klar eine tödliche.
»Ego te provoco!«, (»Ich provoziere dich!« oder auch »Trau dich«, auf Latein) knurrte Draven, was Sammael zu seinem ersten Schritt zwang, indem er seinen Stab in Richtung von Dravens Kopf schwang. Aber Draven war schneller, als meine Augen ihm folgen konnten, und bevor ich realisierte, was geschah, stand er hinter Sammael und holte zum Gegenschlag aus.
Draven war anmutig und bewegte sich wie ein gut choreographierter Kämpfer. Sammael hingegen war schwerhändig. Er rotierte seinen Stab über seinem Kopf, bevor er ihn auf seinen Gegner hinab schwang. Als er jedoch unten ankam, krachte er nur zu Boden, und der Einschlag riss einen kleinen Krater in die Erde. Dann änderten sie ihre Taktik und begaben sich in den Nahkampf. Ihre Waffen prallten gegeneinander. Energiefunken sprühten in die Dunkelheit, was das Ganze zu einer tödlichen Lichtshow machte.
An einem Punkt dachte ich, Draven hätte einen Schlag abbekommen, als seine Knie zusammenklappten und sich sein halber Körper nach hinten bog. Aber dann sah ich, wie der glühende Stab um Haaresbreite Dravens gebogenen Körper
verfehlte, als er dem Schwung auswich. Schnell war sein Oberkörper wieder aufrecht, bevor er seine beiden Schwerter ins Spiel brachte und beinahe Sammaels Kehle durchschnitt. Sammael stolperte nach hinten, stabilisierte sich aber schnell, was Draven aus irgendeinem Grund tolerierte und abwartete, bis er wieder aufrecht stand.
»Scheint, als hättest du dir doch noch ein paar Fähigkeiten angeeignet, seit du dir Belphegors Kraft zu eigen gemacht hast«, sagte Draven, hörbar beeindruckt. Jetzt wurde mir klar, warum er Sammael eine Chance gegeben hatte. Aus Respekt vor einem würdigen Gegner.
»Dieser Hund hat sich mehr gekrallt als ich! Meine Gründe waren rein, und doch hast du seine Seite ergriffen«, fauchte Sammael, und aus irgendeinem Grund lag mehr Schmerz in seiner Stimme als Hass.
»Du hast die Regeln gebrochen. Er nicht«, sagte Draven, als er ihn erneut umkreiste.
»Und du? Was ist an deinen Taten so anders als an meinen?«
»Sie ist der Electus! Und du wirst nicht über meine Auserwählte sprechen!«, rief er. Zum ersten Mal in diesem Kampf verlor er seine Fassung.
»Ach, von den Göttern gesegnet, wie schön für dich«, knurrte Sammael mit einer eiskalten Stimme, die mich bis zu meinen Füßen erschaudern ließ.
»Ich schulde dir keine Rechtfertigung. Du hattest deine Befehle und hast sie missachtet, Sammael«, sagte er mit wiedererlangter Kontrolle, aber das entzürnte Sammael und ließ seine Energie blutrot auflodern.
»ICH HABE SIE GELIEBT!«, brüllte er, bevor er Draven mit erhobenem Stab angriff. Er rannte auf ihn zu und sprang in die Luft, um seinem Schlag noch mehr Wucht zu verpassen. Doch Draven kreuzte einfach seine Schwerter und ließ ihn abprallen. Der Himmel leuchtete mit einem hellen Blitz auf, als die beiden
Waffen kollidierten. Ich konnte mir die kleinen Schreie nicht verkneifen, als ich das Geschehen mit Entsetzen beobachtete.
Sammael wurde frustrierter mit jedem Fehlversuch, einen tödlichen Hieb zu landen, aber Draven war mit seiner makellosen Technik nicht aufzuhalten. Jedem Angriff wich er aus, um mit einem Gegenangriff zu kontern, der viel mehr Schlagkraft hatte als Sammaels, was ihn allmählich schwächte. Sammael brüllte zornig in die Nacht, und wieder fühlte ich, wie die Erde bebte.
Bald tauchten weitere Kreaturen auf, was dazu führte, dass Draven es nicht mehr nur mit Sammael zu tun hatte, sondern mit einem ganzen Gewimmel von Gestalten, die er Gorgonen-Egel genannt hatte. Dravens Bewegungen wurden schneller, und ich konnte kaum noch seine glühende, unscharfe Form erkennen, die sich durch die Körper wand. Sammael sah aus, als hätte er einen Plan. Mit ausgestreckter Hand wies er ein paar Kreaturen an, sich an Draven vorbei zu kämpfen. Vorbei und direkt zu mir!
»Electus!«,
verkündete Sammael in die Nacht. Sie peitschten ihre rotierenden Köpfe in meine Richtung, bevor sie zu mir krabbelten, mit diesen schrecklichen Schnapplauten, die ihre monströsen Zähne verursachten. Aber Draven reagierte, bevor sie sich zu mir durchringen konnten. Er entfachte seine Klingen und rammte sie in den Boden, was eine feurige Barrikade zwischen ihnen und mir in die Höhe schießen ließ. Das eliminierte einen Großteil, aber eine Kreatur huschte gerade noch hindurch und schoss auf mich zu.
Ava stieß einen Warnruf aus, was Draven dazu brachte, seinen eigenen Befehl zu geben.
»AVA ANAR!« (»LOS, AVA!«, auf Katalanisch) Ava gehorchte in der Sekunde und segelte in ihrer Dämonenform in die Luft. Die Lava, die durch ihre Flügel floss, erlaubte es ihr, mit unglaublicher Geschwindigkeit zu fliegen. Sie schoss herab wie ein Pfeil und krallte sich den Egel, der mir immer näherkam.
Ein Paar blutende Augen verschwand in der Dunkelheit, als sie ihre Beute gen Himmel zog. Ava warf sie hoch und spielte damit, bevor sie ihr die Glieder abriss und genüsslich verschlang. Ich würgte die Magensäure runter, die mir die Kehle hochkroch beim Anblick von Blut, das wie ein roter Nebel durch die Luft sprühte.
In der Zwischenzeit war der Kampf heftiger geworden. Sammael rammte seinen Stab nieder, verfehlte Draven, aber traf einen Felsen, der anfing, mit der gleichen Energie wie seine Waffe zu glühen. Plötzlich sprudelte er mit geschmolzenem Feuer, als wäre er aus der Hölle ausgebrochen.
Draven landete auf dem Stab und balancierte darauf, bevor er seine Füße benutzte, um ihn zu ergreifen. Dann schleuderte er seinen Körper durch die Luft, was auch Sammael zum Schleudern brachte. Er flog weit und krachte in die Wand der Hütte. Holz zersplitterte, als wäre ein Bulldozer gerade darüber gedonnert.
Sammael hob den heißen Felsbrocken auf und warf ihn mit Hilfe seiner Kräfte nach Draven, der schnell genug war, dem Geschoss aus dem Weg zu fliegen und hinter der Zerstörung zu landen, die er verursacht hatte. Draven richtete sich wieder auf und ging auf Sammael zu.
Er sah aus wie vom Teufel besessen, als er sein Genick nach links und rechts knacken ließ, um sich für die nächste Runde bereit zu machen. Sammael hingegen begann etwas zu singen, das ich nicht hören konnte, aber ich hätte schwören können, dass er Morgans Leiche berührte, die zwischen den Trümmern zu sehen war.
Bevor sich meine Augen darauf fokussieren konnten, wurde Sammael auf die andere Seite transportiert, direkt an den Waldrand. Er prallte seine Waffe gegen einen massiven Baum, der sich abspaltete und einen Stamm von mindestens sechs Metern Länge dorthin schickte, wo Draven stand. Er verfehlte
ihn um Zentimeter, aber Draven verlor für einen kurzen Augenblick sein Gleichgewicht. Schnell wurde der Stamm auf seinen Bauch geschleudert und stieß seinen Körper über die Klippe, bevor der Stamm ihm folgte.
»DRAVEN!«, schrie ich, als ich aus meinem Versteck lief, um zum Klippenrand zu stürmen. Ich kam nicht weit, bevor mich etwas an der Taille packte und zurückzog.
»NEIN! LASS MICH LOS!« Ich wusste nicht, wer mich gefangen hielt, aber die Hände zurrten sich enger, bis meine Rippen schmerzten.
»WEG VON MIR, DU TUST MIR WEH!«
»Ich werde dir noch weitaus mehr Schmerzen hinzufügen, wenn du nicht still und leise mit mir kommst!« Diese Stimme … Nein, nein, nein, das konnte nicht sein. Nicht schon wieder!
»Das ist nicht … Das ist nicht möglich … Nein!«, stammelte ich, als sich die kalte Klinge des Messers noch einmal in meinen Hals bohrte.
»Richtig, Catherine. Ich habe dir gesagt, dass wir uns bald wiedersehen.« Morgans Stimme schnitt sich durch meine Seele. Ich war kurz davor, endlich den Kampf aufzugeben, für den ich keine Kraft mehr aufbringen konnte.
Ich sackte zusammen.
»Und wie du ja weißt …« Seine Hand kam nach oben und packte brutal eine meiner Brüste, bevor er in mein Ohr flüsterte:
»…
Ich halte immer meine Versprechen.«