Drei
Das Erste, was ich beim Aufwachen spüre, ist das tiefe Dröhnen meines Schädels. Es fällt mir schwer, bei Bewusstsein zu bleiben, so stark sind die Schmerzen. Alles ist so unwirklich. Immer wieder verliere ich den Faden und auch ohne die Augen zu öffnen, flimmert alles. Als die Lichter nachlassen, wage ich es, langsam die Lider zu heben.
Es ist passiert. Es ist wirklich passiert. Die Hoffnung, dass alles nur ein böser Traum war, erstirbt sofort, als ich die weiße, nicht besonders hohe Decke über mir sehe. Ich bin nicht mehr zu Hause und hierhergelaufen bin ich garantiert auch nicht.
Das kann doch alles nicht wahr sein! Ich kann es nicht fassen, dass sie mich tatsächlich mitgenommen haben. So machen sie doch alles nur noch schlimmer. Hätten sie mich einfach liegen lassen und wären abgehauen, hätten sie sich eine Menge Ärger erspart. Wieso konnten sie es nicht einfach dabei belassen?
Weil ich sie gesehen habe. Ich habe jedes einzelne Gesicht gesehen und zumindest den Schwarzhaarigen hätte ich sehr detailliert beschreiben können.
Selbst wenn sie es nicht gewollt hätten – sie mussten mich mitnehmen.
Moment mal, rechtfertige ich sie gerade? Nehme ich diese Wichser tatsächlich in Schutz?
Tränen schießen mir in die Augen, als ich mich vorsichtig versuche zu rühren und dabei feststelle, dass ich zwar keine gebrochenen Arme oder Beine habe, dafür aber immer noch gefesselt bin.
Den Kopf zu drehen, traue ich mich noch nicht. Wenn diese Typen hier sind, dann werden sie jede kleine Bewegung von mir beobachten. Diese perversen Arschlöcher. Immer noch steckt das Tuch in meinem Mund, das meine Mundwinkel unangenehm auseinanderzieht. Als würden die Schmerzen in meinem Gesicht, das sich seltsam fest und taub anfühlt, nicht reichen. Etwas Warmes läuft mir den Rachen herab, was mich fast zum Würgen bringt, doch ich kann mich zusammenreißen. Trotzdem schlägt mir mein Herz bis zum Hals und ich kann nicht verhindern, dass ich panisch Luft einsauge. Der Knebel in meinem Mund erleichtert mir das nicht, ganz im Gegenteil. Erschöpft senke ich wieder die Lider und hoffe, dass es besser wird. Dass ich nicht hyperventiliere und keine Luft mehr bekomme. Ein Geräusch zieht plötzlich meine Aufmerksamkeit auf sich, was mich nervös aufhorchen lässt. Ich bin also wirklich nicht allein.
Erst ein kleines Klicken, es zischt und dann hört man einen tiefen Atemzug. Jemand zündet sich eine Zigarette an.
Ich bin am Arsch.
Das unangenehme Gefühl in meinem Hals wandelt sich in ein noch viel schlimmeres Kratzen, wodurch ich augenblicklich husten muss. Ein feixendes Lachen ist aus der anderen Ecke des Raumes zu vernehmen, was durch einen weiteren Zug unterbrochen wird.
»Kommst ja doch noch zu dir«, feixt eine Stimme, die ich sofort erkenne. Er ist es. Und plötzlich kann ich nicht mehr verhindern, dass ich immer weniger Luft bekomme, dass ich meiner Panik verfalle.
Fuck, fuck, fuck. Ich darf jetzt nicht hyperventilieren! Nicht jetzt, nicht hier.
Doch darauf pfeift mein Körper. Der Druck in meinem Hals wird immer stärker und ein riesiges Verlangen, sich zu erbrechen, macht sich breit, obwohl das überhaupt nichts bringen würde.
So fängt es immer an, das habe ich öfter, wenn ich mich aufrege. Ich hab gedacht, dass ich es überwunden habe, aber ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass ich misshandelt und entführt werde, wodurch ich einem riesigen Stress ausgesetzt werde. Das provoziert die Attacken leider ungemein, weswegen mein Arzt, bei dem ich seit das angefangen hat in Behandlung bin, mich immer wieder davor gewarnt hat.
Mein Oberkörper spannt sich an und löst sich immer wieder, während ich nach Luft ringe. Das Lachen höre ich nicht mehr, vielleicht ist es erstorben, vielleicht bekomme ich nichts mehr mit. Erst als sich eine Hand auf meinen Rücken legt und mich vorsichtig in die Senkrechte schiebt, merke ich, dass der Typ bei mir ist. Er hockt neben mir und hält mich fest, weil er endlich checkt, dass etwas nicht stimmt.
»Hey hey hey, krieg dich ein«, herrscht er mich an und ich würde unter allen anderen Umständen lachen, wenn ich nicht gerade am Verrecken wäre.
Krieg dich ein , sagt er.
Aber wie gesagt, da ich erstens ein Tuch im Mund habe und zweitens kurz vorm Sterben bin, bleibt mir das Lachen im wahrsten Sinne des Wortes im Halse stecken.
Dieses beschissene Tuch lässt außerdem noch weniger von dem ohnehin schon knappen Sauerstoff in meine Lunge, was dieser Dreckskerl offenbar nicht sieht. Wieder setzt dieses Flimmern ein. Meine Sicht verschwimmt leicht und klart wieder auf. Wie ein Regentropfen, der über die Linse einer Kamera läuft.
»Du kriegst ja wirklich keine Luft«, murmelt dieser Intelligenzbolzen endlich, was ihn dazu veranlasst, mich von dem Fetzen zu befreien. Ein lautes Piepen zieht sich durch mein Gehör. Nun ist es zu spät sich zu beruhigen, um wieder normal atmen zu können. Ich versuche mich trotz oder gerade wegen des Pfeifens in meiner Luftröhre nach vorne zu beugen und lockere die Schultern, so weit das überhaupt noch geht.
Wie oft hat mein Pulmologe mir diese Haltung eingebläut, falls der Notarzt mal nicht schnell genug zur Stelle ist, und doch musste ich dieses Wissen noch nie anwenden.
Der Typ ist anscheinend doch nicht so blöd und greift in meine Fessel an der Hand, um sie zu lösen. Ziemlich hilflos hält er noch immer seine Hand auf mein Rückgrat, doch sonst kann er nichts tun, außer mich dabei zu beobachten, wie ich selbst alle Tipps, die mir mein Arzt irgendwann mal gegeben hat, beherzige.
Erstaunlicherweise funktioniert es. Das zwanghafte Keuchen lässt nach, und langsam bekomme ich wieder normal Luft.
»Hast du es dann jetzt?«, fragt der Typ hörbar bemüht, harsch zu klingen, während sich Schweißperlen auf meiner Stirn bilden. Meine Brust schmerzt, die Lunge piekt immer noch und ich überlege. Meine Hände sind frei, den Zustand wird er gleich wieder ändern. Es sei denn, ich handele jetzt.
»Antworte, wenn man dich was fragt«, knurrt er, mittlerweile wieder ernsthaft wütend klingend. Ruckartig drehe ich mich zur Seite und stemme mich auf gut Glück gegen den dadurch nach hinten wankenden Widerstand. Ich habe seine Brust getroffen und da er sein Gewicht nur auf die Fußballen verlagert hat, kann er sich überhaupt nicht halten und ich stürze mich auf seinen Oberkörper. Da ich absolut keine Ahnung habe, was ich tun soll, schlage ich blindlings auf ihn ein und verfolge den irrsinnigen Plan, ihn wenigstens benommen zu machen. Für einen Moment sieht er mich ziemlich verdutzt an und wehrt sich nicht, doch dieser Moment ist schnell vorbei. Unsanft packt er meine Oberarme und dreht mich mit dem Rücken auf den kalten Boden. Ohne mir Zeit zum Reagieren zu geben, drückt er sein Knie auf meinen Unterbauch und ich stöhne vor Schmerz laut auf.
»Bist du jetzt völlig übergeschnappt?«, fährt er mich an.
Was denkt der sich eigentlich? Dass ich brav zulasse, wieder gefesselt zu werden und ihm am Ende womöglich noch dafür danke? So feige bin ich dann doch nicht!
Aber schwach. Leider bin ich schwächer als er. Das nutzt er aus, um mit Kraft meinen Oberkörper anzuheben und ihn dann auf dem Boden aufschlagen zu lassen. Mein Schädel knallt dabei so stark auf den Untergrund, dass mir kurz schwarz vor Augen wird.
Werd nicht ohnmächtig! Lass ihn nicht gewinnen!
In einem letzten, aber wirkungsvollen Anlauf ramme ich meine Knie in seine Körpermitte wie schon in meinem Zimmer, was ihm die Farbe aus dem Gesicht treibt. Das Blut rutscht jetzt wahrscheinlich ganz woanders hin. Mit meinen freien Händen schiebe ich ihn zur Seite und rutsche auf dem Hintern einige Meter von ihm weg. Ich achte nicht auf ihn und darauf, ob mir noch Zeit bleibt, sondern versuche mit zitternden Fingern die Fessel, die mittlerweile über meinem Knöchel liegt, zu lösen. Der Knoten ist fest und ich habe Angst, meine letzten Sekunden auch noch zu verlieren. Mit einem kräftigen Ruck schaffe ich es endlich, meine Beine zu befreien, und springe, ohne mich nochmal umzudrehen, auf. Das Zimmer, in dem ich mich befinde, ist winzig, weswegen ich mit wenigen Schritten bei der zum Glück nicht abgeschlossenen Tür bin.
»Lauf und du wirst es bereuen«, höre ich den Zorn in meinem Rücken. Erwartet er wirklich, dass ich mich von seiner Drohung jetzt noch einschüchtern lasse? Ganz sicher nicht.
Hektisch stoße ich die Tür auf und renne, renne so schnell ich kann. Obwohl der Schmerz sich wie eine brutale Faust um meinen gesamten Körper legt, halte ich nicht an. Wenn ich es nur weit genug von hier weg schaffe, laufe ich vielleicht irgendwem in die Arme, der mir helfen kann. Jemand, der mich ins Krankenhaus bringt und vor allem weg von diesen Typen, weg von der Gewalt und weg von dieser grausamen letzten Nacht.
Mittlerweile ist es nicht mehr stockfinster draußen. Der Horizont färbt sich bereits in einem warmen Orange. Ich werfe einen schnellen Blick zur Seite, wodurch ich ein riesiges Haus erspähe, neben dem sich ein noch gewaltigerer See auftut, der in der Ferne zwischen Bäumen verschwindet. Wir sind mitten in einem Wald, was die Sache nur noch komplizierter macht. Als ich eine Tür zuknallen höre, stolpere ich fast vor Schreck über meine eigenen Füße, während ich mir den schmerzenden Unterleib halte. Ruckartig drehe ich den Kopf zurück in die Richtung, aus der ich gerade gekommen bin, und erblicke ein mickrig wirkendes Gartenhäuschen, neben dieser regelrechten Residenz. Von dort kam das Geräusch nicht. Die Tür steht immer noch offen, so wie ich sie gelassen habe. Daher fliegt mein Blick zum Hauptgebäude, wo gerade ein fassungsloser Typ in der geöffneten Eingangstür steht. Beim näheren Betrachten erkenne ich ihn wieder. Es ist einer von denen, die bei mir eingebrochen sind. Mehr als ein gebrülltes »HEY« von ihm höre ich allerdings nicht mehr, denn ich wende mich vom See, von diesem Palast, von der stickigen Bude ab und laufe blindlings über die Wiese auf den dichten äußeren Kranz des Waldes zu. Bevor ich allerdings den kleinen Sandweg hinein erreicht habe, hängt sich etwas in meine Haare, wodurch ich zurück auf den taufeuchten Rasen gerissen werde.
»Dumme Schlampe«, faucht mich der Drecksack an, den ich als Biertrinker wiedererkenne. Er hält immer noch den Großteil meines Haares fest, wodurch mein Kopf in der Luft hängt. In einer verkrüppelten Haltung lege ich meine Hände an seine, bevor mich ein unglaublich harter und unerwarteter Schlag gegen den Schädel trifft. Meine Augäpfel drehen sich dabei meinem Gefühl nach kurz nach oben, bevor ich wieder den Boden in meinem Rücken spüre.
Fuck, das hat gesessen!
»Ich hab’s dir gesagt, Süße«, lacht mich nun wieder die Stimme aus, die vor ein paar Minuten sogar noch besorgt geklungen hat. Schwerfällig hebe ich den Blick. Über mir tut sich der heller werdende Himmel auf, bis sich die gewaltig wirkenden Körper der zwei Kerle davorschieben. Bevor ich auch nur einen Ton sagen kann, tritt mich jemand in die Seite, so stark, dass ich auf den Bauch rolle. Keine Ahnung, wo der Schmerz gerade am einnehmendsten ist, alles tut so furchtbar weh.
»Tztztz«, tadelt mich spöttisch der Biertrinker und zieht mich wieder erbarmungslos am Haar hoch. Mein Rücken drückt durch und noch ehe ich die Beine nach vorne stemmen kann, um zu knien, wird mein Gesicht um neunzig Grad nach rechts gedreht, durch die Kollision mit einer Schuhsohle. Hitze breitet sich an der Innenseite meiner Wange aus und dickflüssiges Blut läuft aus meinem Mund.
Wie kann man einem anderen Menschen, einem Lebewesen, nur so etwas antun?
Mühevoll halte ich die Augen zu kleinen Schlitzen offen und muss würgen, während immer mehr Wärme meine Schneidezähne herabtropft und ich husten muss. Sie werden mich nicht brechen! Ich werde nicht wieder das Bewusstsein verlieren!
»Sau dich doch nicht so ein, Schatz«, demütigt mich eine unglaublich verzerrte Stimme neben meinem Ohr. Stark blinzelnd versuche ich, wach zu bleiben. Ein Griff um meinen Kiefer, der mich zur Seite dreht, lässt noch mehr Blut meinen Rachen herablaufen. Einiges tropft auf die mich haltende Hand. Meine Haare werden endlich losgelassen. Dafür verstärkt sich der Druck in meinem Gesicht. Alles, was ich noch sehe, ist dieses tiefe Grau in den Augen meines Gegenübers. Es ist so dunkel und so finster, dass ich schlucken muss, wobei das auch am Blut in meinem Mund liegen könnte.
Wie kann ein Mensch zu solch einem Monster werden?
»Süß, wie du dich stark gefühlt hast«, grinst er, bevor er in meinen Nacken greift. Und er lacht, als ich mich immer wieder krümme, während sein Freund meinen Magen nahezu massakriert. Und er lacht, als ich dem ausweichen will. Als roter Speichel auf seine Kleidung tropft, scheuert er mir eine.
»Wir wollen doch Spaß haben, Schatz.« Sein Blick hält meinen fest, als etwas definitiv zu Hartes meinen Brustkorb trifft und ich mir einbilde, ein Knacken zu hören. Und er lacht, als ich schreie. Bis ich aufhöre zu kämpfen. Leise stöhnend schließe ich die Augen und versuche das Pochen meiner Schläfen zu ignorieren. Versuche in eine Trance zu fallen, aber das lässt er nicht zu.
»Wer hat gesagt, dass wir hier fertig sind? Sieh mich an!«, brüllt er. Ich heule einmal gequält auf.
»Fick die Hure«, knurrt er plötzlich leise mit leicht nach oben gezogenen Mundwinkeln, während er meine Hände festhält. Panik überrollt mich, vor der ich am liebsten weglaufen will. Weg von hier, weg von ihnen. Weg von dem Geräusch einer aufratschenden Hose. Weg von dem nackten Gefühl zwischen meinen Schenkeln. Weg von dem Stoß in meinen Unterleib.
Gott, ich glaube, man hat mir noch nie so sehr wehgetan.
Das einzig Gute ist, dass der Schmerz langsam abebbt, weil ich langsam fortgespült werde, als würde ich im Wasser treiben.
»Wehrst dich ja nicht mal mehr, Liebes«, klebt etwas unangenehm an meinem Ohr. Wieder schlägt mich eine flache Hand gegen die Wange.
»Bleib wach, Miststück!«
Das Vibrieren in meinem Kopf wird stärker. Es fühlt sich an, als würde mein Schädel auseinanderdriften. Wie Erdplatten, die brechen und wegtreiben.
»Sieh es dir an!«
»Du bist selbst schuld! Ihr scheißverfickten Frauen seid immer selbst schuld! Du hättest nicht weglaufen sollen, Scheißmiststück!« – Egal, wie alt ich werde, egal, ob ich das hier überhaupt überlebe, diese Worte des Biertrinkers fressen sich mir durch Mark und Bein, so dass ich sie nie, nie vergessen werde.
Ich muss mich übergeben, als dieses unangenehme und heftige Rucken wie eine Welle von meinem Schritt aus die Brust erreicht und sie nur weiter lachen. Kraftlos versuche ich meine Beine zu schließen, aber das hilft nicht.
»Schöne Fotze hast du da. Schon mal benutzt?«, beleidigt mich mein Vergewaltiger, als er fertig ist, meine entblößte Scham begutachtet und sich wieder anzieht. Meine Shorts hängen weiter in den Kniekehlen, als er mir einen spöttischen Klaps unterhalb des Bauchnabels verpasst.
Vor ein paar Stunden noch habe mich nicht mal getraut, in unserem eigenen Pool den Bikini wegzulassen. Jetzt haben sich zwei Männer an mir vergangen und ja, nicht einer, sondern zwei. Denn auch, wenn nur einer seinen Schwanz in mich gestoßen hat, haben sie mich gemeinsam vergewaltigt. Sie haben mich beide bis zur Besinnungslosigkeit gedemütigt. Sie haben mich beide missbraucht, ganz gleich, wer mich letztendlich meiner Unschuld beraubt hat.
Ein Arm schlingt sich um meine Taille. Als ich hochgehoben werde, läuft meine blutige Kotze die Seite herab. Den Gefallen, mich wenigstens wieder halbwegs zu bedecken, tun sie mir nicht und ich muss zugeben, dass ich im Moment mehr mit meiner Atmung als damit zu kämpfen habe. Das Blut in meinem Mund wird einnehmender. Ich muss viel ausspucken. Einiges rinnt in meine Haare oder die Ohren, wodurch sich das ohnehin schon gewaltige Rauschen verstärkt. Wie an einem Strand. Bis mich die Flut überrollt.