Der Kampf ums Thermostat
Oje, mein Vermieter ist zurück, der Wächter über das Thermostat.
In der Wohnung ist es eiskalt
.
Und das schon, seitdem er am Montag wiedergekommen ist. Das ist vermutlich Edwards Weg, sein schlechtes Gewissen wegen des CO
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-Fußabdrucks von dem Flug für seine vierköpfige Familie nach Verbier zu kompensieren. Er ist Montagabend erst spät angekommen, und da ich mich bereits mit meinem Laptop ins Bett gekuschelt hatte, um mir auf Netflix The Crown
anzuschauen, habe ich ihn gar nicht mehr gesehen.
Diese Serie ist einfach fantastisch. Als kleines Mädchen faszinierte mich besonders Prinzessin Diana in ihren Blusen mit den Rüschenstehkragen, aber dann gefiel mir Prinzessin Margaret immer besser. Ihr Herumprobieren, Trinken, Rauchen und die ganzen Verabredungen mit unpassenden Männern. Genau wie ich in meiner Jugend. Heute mache ich mir allerdings eher Sorgen, der Queen immer ähnlicher zu werden, die in Strickjacke und bequemen Schuhen mit verschränkten Armen herumsteht und missbilligend dreinschaut.
Den eisigen Temperaturen die Stirn bietend, traue ich mich in die Küche, um mir etwas zu essen zu machen. Neben dem Seriengucken habe ich die letzten Wochen damit zugebracht, E-Mails an alte Kontakte zu schicken und nach Arbeit zu fragen (darum zu betteln). Unglaublich, dass schon Mitte Januar ist und ich noch immer nicht alles ausgepackt, Arbeit gefunden
oder mein Leben umgekrempelt habe und von einer Versagerin zu einer echten Gewinnerin geworden bin. So langsam muss ich die Dinge wirklich mal in die Hand nehmen.
Als ich gerade eine Scheibe Brot in den Toaster stecke, höre ich den Schlüssel meines Vermieters im Schloss. Artus hat das Geräusch wohl auch bemerkt und rast zur Eingangstür. Wir haben, von ein paar Höflichkeitsfloskeln zwischen Tür und Angel einmal abgesehen, eigentlich seit seiner Rückkehr noch gar nicht richtig miteinander gesprochen. Er ist die ganze Woche über abends erst so spät nach Hause gekommen, dass ich bereits im Bett lag, aber heute ist er früher dran.
»Hallo, Penelope«, sagt er und strahlt über das ganze Gesicht, als er mit seinem klappbaren Brompton-Fahrrad und Artus im Gefolge in der Küche auftaucht. Er besteht darauf, mich bei meinem vollen Namen zu nennen.
»Hallo, Edward«, erwidere ich mit einem Lächeln. Ich habe es auch mit Eddie probiert, aber darauf ist er überhaupt nicht angesprungen.
»Wie läuft die Eingewöhnung?«
»Gut«, antworte ich höflich. »Ich habe zwar immer noch nicht alles ausgepackt, aber es wird so langsam … Wie war dein Urlaub?«
»Fantastisch! Perfekte Bedingungen.«
Sein Gesicht ist unterhalb seines Helms braun gebrannt, bis auf zwei weiße Stellen um seine Augen herum, die vermutlich von der Skibrille stammen. Wenn er ein Freund von mir wäre, würde ich ihm jetzt einen Spruch reindrücken. Aber das ist er nicht. Also lasse ich es.
»Schön«, sage ich und stelle mich ungelenk auf die andere Seite der Kücheninsel.
»Kannst du Ski fahren?«
»Nein, nicht so richtig. Ich habe es einmal auf einer Klassenfahrt ausprobiert.«
»Oh, schade.
«
Das Gespräch stockt, und ich wende mich wieder dem Toaster zu. Diese ganze WG
-Sache ist wirklich ziemlich seltsam, wenn man die vierzig überschritten hat. Hier stehen wir beisammen, zwei Fremde mit ihren jeweiligen Leben und ohne Gemeinsamkeiten, außer dass wir unter einem Dach leben. So ähnlich hat sich allerdings auch meine Beziehung gegen Ende angefühlt, wenn ich es mir recht überlege.
»Hier drin ist es ja warm wie in der Sauna, hast du die Heizung hochgestellt?«
Edward nimmt seinen Fahrradhelm ab und zieht sich die Warnweste aus, ich beobachte ihn dabei. Sein Blick wandert zum Thermostat.
»Ich habe es nicht angerührt«, protestiere ich und fühle mich in meine Teenagerjahre zurückversetzt, als ich noch bei meinen Eltern wohnte. Mein Gesicht errötet. Ich bin eine miserable Lügnerin.
Sein Gesichtsausdruck entspannt sich beim Anblick des immer noch auf »arktisch« eingestellten Thermostats, und er schält sich weiter aus seinen Schichten, bis er nur noch ein T-Shirt anhat. Ich hingegen komme mir vor, als wollte ich vermeiden, am Easyjet-Schalter für Übergepäck bezahlen zu müssen, indem ich meinen gesamten Kofferinhalt trage.
Was bringt eigentlich dieser Kampf der Geschlechter um die richtige Raumtemperatur?
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Dad sich früher im Winter immer in Hauptkommissar Stevens von der Heizungspolizei verwandelte, ständig das Thermostat kontrollierte und jedes Mal eine Stufe runterstellte. Dann ging er zur Arbeit, und Mum drehte es wieder zwei Stufen hoch. Runter und wieder hoch, meine gesamte Kindheit über.
»Ich glaube, dein Toast brennt an …«
Edwards Stimme durchbricht meine Gedanken, und ich schrecke beim Anblick der Rauchwolke auf. »Mist!« Ich drücke die Stopptaste, als der Rauchmelder losgeht
.
»Keine Sorge, ich kümmere mich darum.«
Während ich die letzten Überreste des verkohlten Brots aus dem Toaster kratze, bekomme ich mit, wie mein Vermieter den Rauch mit einem Küchenhandtuch wegwedelt und das Fenster aufreißt.
»Danke!« Ich lächle zerknirscht und gehe zum Mülleimer, um die verbrannten Scheiben wegzuwerfen und noch einmal von vorn zu beginnen, als Edward mich aufhält.
»Ich esse sie, ich mag gerne dunklen Toast.«
»Bist du dir sicher?«
»Sophie konnte in ihrer Schwangerschaft, als wir noch in Frankreich lebten, gar nicht genug davon bekommen. Also habe ich ihr immer welchen gemacht.«
Ich merke, wie ich mich entspanne. Sieh mal einer an. Er ist eigentlich ein netter Mensch. Vielleicht ist es gar nicht sein Ziel, seine Untermieterin erfrieren zu lassen.
»Ihr habt in Frankreich gelebt?«
»Ja, Sophie ist Französin. Dort haben wir uns kennengelernt. Wir sind erst zurückgezogen, als die Kinder in die Schule gekommen sind.«
»Wie alt sind die Zwillinge jetzt?«
»Fünfzehn … aber gefühlt fünfundzwanzig.« Er lächelt mich an, seine Zähne sind schwarz von dem verkohlten Toast. »Nicht mehr meine lieben Kleinen.«
»Du vermisst sie sicher unter der Woche!«
»Ja.« Er nickt, dann zuckt er mit den Achseln. »Aber ich bin mir nicht so sicher, ob das auch für sie gilt. Sie hängen den ganzen Tag über an ihren Telefonen, da bekommen sie gar nicht mit, ob ich da bin oder nicht.«
Irgendwie tut er mir leid, wie er da so auf dem Barhocker sitzt und meinen verbrannten Toast isst. Ihm macht das bestimmt auch keinen Spaß. Nach einem langen Tag bei der Arbeit nach Hause zu radeln und dort auf eine Fremde zu treffen, die den Rauchalarm auslöst
.
Durch das Fenster bläst ein eiskalter Wind herein, unwillkürlich schüttle ich mich. Vergiss den Toast, mir ist zu kalt.
»Dann noch einen schönen Abend …« Ich werfe das Brot zurück in den Kühlschrank, hole ein paar GT
-Dosen heraus – ich habe mir einen richtigen Vorrat angelegt – und gehe schnell wieder zurück nach oben. Den Rest des Abends werde ich schön warm unter meiner Decke verbringen, Gin schlürfen und mir ausmalen, ich wäre Prinzessin Margaret.
Wofür ich dankbar bin:
- Amazons One-Click-Bestellungen, da meine Finger eingefroren sind.
- Meine neue Heizdecke.
- Gin und Prinzessin Margaret (die Reihenfolge ist egal).
An: Caroline Robinson – Starpoint Publications
Betreff: Buchprojekte
Liebe Caroline,
hoffentlich geht es dir gut! Es ist schon eine ganze Weile her, dass wir zuletzt miteinander gesprochen haben. Ich habe einige Jahre in Amerika gearbeitet, aber nun bin ich zurück in London und auf der Suche nach neuen, spannenden Herausforderungen. Wie du von unserer früheren Zusammenarbeit bereits weißt, verfüge ich über eine große Bandbreite an Fähigkeiten und Erfahrungen aus meiner Arbeit als Lektorin, die ich gerne bei gemeinsamen Buchprojekten unter Beweis stellen würde. Ich habe auch selbst einige interessante Ideen, die ich gern mit dir besprechen würde. Gib mir doch bitte Bescheid, wann es dir passt, dann rufe ich dich an, oder wir treffen uns auf einen Kaffee
.
Ich freue mich, von dir zu hören.
Herzliche Grüße
Penelope Stevens
An: Penelope Stevens
Automatische Antwort: Buchprojekte
Caroline Robinson-Fletcher befindet sich gerade in Elternzeit.