Scheiß auf den Sonntag
Seit der Trennung von dem amerikanischen Verlobten wird mir beim Gedanken an das Wochenende unwohl.
Das war anders, als ich noch Teil eines Paares war. Da freute ich mich auf die gemütlichen gemeinsamen Freitagabende auf dem Sofa, mit einer Flasche Wein und einem Film; die Samstage, an denen wir uns mit Freunden trafen, nachdem wir das Café geschlossen hatten, und die Sonntage – tja, die Sonntage waren das absolute Highlight. Wir standen früh auf, radelten zusammen zum Wochenmarkt und kamen mit Taschen voller köstlicher frischer Lebensmittel zurück, aus denen er in der Küche neue Gerichte zauberte, während ich im Garten lag, las und meiner Rolle als Verkosterin gerecht wurde.
Wenn jetzt Freitagabend vor der Tür steht, habe ich ein weiteres Wochenende allein vor mir. Komisch, eigentlich hatte ich bisher gedacht, dass Einsamkeit nur alte Leute betrifft, gebrechliche alte Damen in Lehnstühlen zum Beispiel. Aber sicher nicht Menschen über vierzig mit 147 Facebook-Freunden.
Ich versuchte meine Truppen zu mobilisieren, aber wie immer waren alle bereits verplant. Max und Michelle waren bei seinen Eltern zu Besuch, während Holly und Adam sich bei einer Kirchenveranstaltung an den Gemeindepfarrer heranschmissen. Seitdem sie die Preise für Privatschulen kannten, hatte sogar der Atheist Adam plötzlich die Religion für sich entdeckt. Das hatte selbstverständlich überhaupt nichts damit zu tun, dass die kirchliche Grundschule in ihrer Nachbarschaft die Bewertung »ausgezeichnet« von der Schulinspektion OFSTED erhalten hatte. Ein Satz, der heute von allen meinen Freundinnen mit demselben ungläubigen Erstaunen hervorgebracht wird, das früher für »Er fährt ein Cabrio« reserviert war.
Ach ja, Fiona und David waren zu einem Abendessen bei Annabel und ihrem Ehemann Clive in deren neuem Haus eingeladen. Annabel organisiert nämlich nicht nur Wohltätigkeitsveranstaltungen und hat einen ausgesprochen guten Geschmack bei Kaschmirschals, nein, sie ist anscheinend auch eine unglaubliche Gastgeberin. Ich bin überhaupt nicht eifersüchtig. Na ja, vielleicht ein kleines bisschen, aber nur, weil sie es auf ihrer langen Liste mit Erfolgen verbuchen kann, mir meine beste Freundin gestohlen zu haben.
»Du musst neue Leute kennenlernen.«
Meine Freundin Liza in Los Angeles redet mir über Facetime ins Gewissen. Es ist gerade einmal 20 Uhr, und ich bin schon im Schlafanzug. Ich sitze auf dem Bett und starre auf mein Telefondisplay. Ihr Gesicht wirkt bedrohlich groß vor der Kulisse aus blauem Himmel und Sonne. Regen trommelt gegen meine Fensterscheibe, und auf einmal sehne ich mich nach meinem alten Leben zurück.
»Freunde finden«, fährt sie fort.
»Ich habe genug Freunde.«
Reiß dich jetzt endlich zusammen. Wer braucht schon Sonnenschein, Strand und gebräunte Füße in Flipflops, wenn er auch eine Heizdecke haben kann?
Entschlossen schalte ich sie von Stufe eins auf Stufe drei hoch.
»Aber sie sind alle verheiratet und haben Kinder. Du brauchst Singlefreunde. Etwas zu tun …«
»Du meinst, eine Arbeit?«
Liza wedelt meinen Einwurf wie eine lästige Fliege weg. »Das wird schon, du musst dich in Geduld üben. «
Natürlich hat sie recht, das weiß ich ja, aber der Umzug nach London war wirklich ziemlich teuer, und auch das großzügige Darlehen meines Vaters wird irgendwann zu Ende gehen. Ich übe mich also eher in Angst als in Geduld.
»Nein, du musst Menschen kennenlernen, die dir ähnlich sind …«
»Ich fange auf keinen Fall mit Yoga an«, unterbreche ich sie.
Liza ist eine fantastische Yogalehrerin und hat gerade bei einem Retreat in Costa Rica unterrichtet. Wir haben uns kurz nach meiner Ankunft in Kalifornien kennengelernt, da ich mich aus dem Wunsch heraus, mir diesen Lebensstil anzueignen, zu einem ihrer Kurse angemeldet hatte. Das hat sie mir zum Glück nicht übel genommen, und wir sind seither befreundet. Heute schaffen wir es zum ersten Mal, miteinander zu telefonieren, seitdem ich wieder in London bin.
Sie lacht laut auf. »Niemand möchte mit dir befreundet sein, wenn er dich Yoga machen sieht, Süße!«
»Namaste auch dir.«
»Wie wäre es mit einem Buchclub?«, schlägt sie fröhlich vor.
Oje, Buchclub klingt nach Frauen mittleren Alters. Da fällt es mir wieder wie Schuppen von den Augen: Ich bin eine Frau mittleren Alters.
»Wie läuft es bei dir und Brad?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.
Brad ist auch Yogalehrer, und die beiden führen eine ziemlich unstete Beziehung. In letzter Zeit lief es allerdings besonders schlecht.
Sie zuckt mit den Schultern: »Er sagt, er sei sich unsicher.«
»Worüber?«
»Ob er eine ernsthafte Beziehung möchte.«
Ich weiß wirklich nicht, was Liza an Brad findet. Sie ist lustig, freundlich und klug. Ihr Yogakörper ist einfach beneidenswert. Außerdem gehört sie zur Generation Y und ist gerade erst dreißig geworden! Es gibt also noch jede Menge freie Plätze bei der Reise nach Jerusalem, die die Liebe nun mal ist. Und nicht den geringsten Grund, die Zeit mit diesem unreifen, lächerlichen Dummkopf zu verschwenden, der ständig versucht, sie niederzumachen und zu kontrollieren, und dabei Buddha-Bändchen trägt und vorgibt, Mr Spirituell zu sein.
Namaste.
»Unser Paartherapeut sagt, er habe Angst vor Intimität.« Liza wirkt verlegen. »Ich weiß, was du jetzt denkst.«
»Was denke ich denn?«
»Dass ich eine Idiotin bin und ihn verlassen sollte.«
»Du bist doch keine Idiotin, er ist der Idiot.«
Sie lächelt dankbar. »He, ich habe eine Idee! Was hältst du von einem Gong-Bad? Da wirst du jede Menge wunderbare Leute kennenlernen.«
»Wirklich?«, frage ich zweifelnd.
»Es gibt bestimmt eins in London …«
Bevor sie danach googeln kann, bekomme ich eine Textnachricht. Sie stammt von Sadiq, einem alten Journalistenfreund. Ich öffne sie.
Stevens, deine E-Mail ist in meinem Spam-Ordner gelandet. Ruf mich an, ich habe Arbeit für dich.