Mein erstes Bekenntnis
Gerade zurück in London, wird mein Mikrofon geliefert. Damit komme ich mir vor wie eine Nachrichtensprecherin der BBC
, ich stelle es auf meinen Schreibtisch und spreche hinein: Test, Test, eins, zwei, drei.
Meine kurze Recherche hat ergeben, dass es gar nicht so schwierig ist, einen eigenen Podcast zu starten. Nicht einmal für Leute wie mich, die keine Ahnung davon haben, wie man Siri benutzt, und sich beharrlich weigern, Software-Updates zu machen, da schon die Benachrichtigungen dafür nerviger sind als die eigene Mutter. Eigentlich muss man nur eine kostenfreie App herunterladen, einen Namen aussuchen und eine erste Folge aufnehmen. Kinderleicht!
Jetzt brauche ich also einen Namen. Stirnrunzelnd starre ich auf meinen Bildschirm. Das ist der schwerste Teil. Schon seit einer halben Ewigkeit sitze ich hier und zerbreche mir den Kopf, aber mir will einfach kein kluger und witziger Name einfallen. Er soll cool, stylish, selbstbewusst und angesagt klingen. Am besten alles auf einmal.
Also genau so, wie ich nicht bin.
Ach, Scheiß drauf
, ich sage es einfach so, wie es ist.
Ich räuspere mich und nehme einen Schluck aus der GT
-Dose, um meine Nerven zu beruhigen. Plötzlich bin ich furchtbar nervös. Lächerlich. Es wird ja sowieso niemand zuhören. Ich muss mir einfach nur die Dinge von der Seele reden.
Ich tippe auf das Mikrofon
.
Okay, los geht’s. Ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll, also springe ich einfach ins kalte Wasser. Ich drücke auf Aufnahme
.
»Hallo und herzlich willkommen zu:
Auf der falschen Seite der 40 – Bekenntnisse einer Versagerin, dem Podcast für jede Frau, die sich fragt, wie zum Teufel sie eigentlich hier gelandet ist und warum das Leben überhaupt nicht so läuft, wie sie es sich immer ausgemalt hatte.«
Nervös räuspere ich mich.
»Mein Podcast richtet sich an alle, die beim Blick auf ihr Leben denken: Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. An alle, die sich schon den einen oder anderen Fehltritt erlaubt oder irgendwie den Anschluss verpasst haben und immer noch verzweifelt ihr Leben analysieren, während um sie herum alle fleißig glutenfreie Brownies backen.«
Oder bin ich vielleicht doch die Einzige, der es so geht? Ist das etwa nur meine eigene Wahrheit? Zweifel überkommen mich, aber ich gebe mir einen Ruck und mache weiter:
»Aber eins möchte ich vorab klarstellen: Ich bin absolut keine Expertin. Ich bin weder Lifestyle-Guru noch Influencerin (was auch immer das ist), und ich will auch nichts verkaufen oder für irgendwelche Produkte werben. Ich will ganz sicher niemandem sagen, was er oder sie zu tun oder zu lassen hat – ich habe schließlich selbst keine Ahnung! Ich bin auch nur jemand, der Probleme hat, sein eigenes chaotisches Leben in einer Flut aus perfekten Instagram-Welten wiederzufinden, und fühle mich dabei manchmal wie eine echte Versagerin. Es kommt noch schlimmer: wie eine Versagerin über vierzig. Jemand, den Lebensweisheiten eher erschöpfen als inspirieren. Jemand, der sich nicht ständig neue Ziele setzt oder sich immer weitere Herausforderungen sucht, schließlich ist das Leben selbst schon herausfordernd genug. Jemand, der sich nicht #gesegnet und #erfolgreichimleben fühlt, sondern meist eher fragt: #wastueichdagerade oder #kannmandasgoogeln?«
Ich schlucke meine Bedenken hinunter und merke, wie ich
langsam selbstbewusster werde. Scheiß drauf.
Wenn nur ich so fühle, dann ist es eben so. Es muss einfach raus.
»Genau deshalb habe ich mit diesem Podcast angefangen: Ich möchte erzählen, wie es wirklich ist – zumindest für mich. Es geht darin um die täglichen Irrungen und Wirrungen, darum, wie es sich anfühlt, auf der falschen Seite der vierzig angekommen zu sein und feststellen zu müssen, dass das Leben nicht wie geplant verläuft. Und darum, auch in den schlechtesten Momenten nicht aufzugeben und trotz allem den Humor nicht zu verlieren. Darum, ehrlich zu sein. Es geht um Freundschaften, Liebe und auch um Enttäuschungen. Um die großen Fragen und die fehlenden Antworten. Darum, neu anzufangen, wenn man doch glaubte, schon angekommen zu sein.«
Langsam komme ich in Fahrt.
»In meinen Podcastfolgen möchte ich lustige und auch traurige Momente mit euch teilen. Ich möchte davon erzählen, wie es ist, sich unzulänglich, verwirrt, einsam und verängstigt zu fühlen, davon, Hoffnung und Freude an unerwarteten Orten zu entdecken, und davon, dass auch Promi-Kochbücher und zerdrückte Avocados nicht die Rettung sind.
Wenn man sich wie eine Versagerin fühlt, heißt das nämlich nicht, dass man wirklich unfähig ist, sondern nur, dass man das Gefühl vermittelt bekommt, es zu sein. Es geht um den Druck und die Angst, alle Anforderungen erfüllen und alle Ziele erreichen zu müssen … und darum, was passiert, wenn das nicht klappt. Wenn man glaubt, nicht dazuzugehören. Es passiert ganz schnell, dass man sich in manchen Bereichen des Lebens wie ein Verlierer vorkommt, besonders, wenn alle um einen herum scheinbar auf der Gewinnerseite stehen.«
Ich mache eine Pause, mein Herz klopft.
»Also, wenn das irgendjemandem dort draußen auch nur ein bisschen bekannt vorkommt, dann hilft dieser Podcast hoffentlich dabei, sich weniger einsam zu fühlen.«
Ich atme tief ein.
»Denn jetzt sind wir immerhin schon zu zweit. Und zusammen ist man weniger allein.«