Die Babyparty
Ehrlich gesagt, hatte ich mich nicht gerade auf die Babyparty gefreut. Als ich noch in Amerika lebte, war ich zu verschiedenen Babypartys eingeladen, und jedes Mal, wenn ich mich im Kreise anderer erwachsener Frauen wiederfand, die sich beim »schmutzige Windeln«-Spiel amüsierten, bei dem man herausfinden muss, welcher Schokoriegel in welcher Windel geschmolzen ist, habe ich drei Kreuze gemacht, dass wir diese Tradition noch nicht importiert hatten.
Aber wie gesagt: Es ist viel passiert, seitdem ich damals weggezogen bin.
Es liegt nicht nur an den fürchterlichen Spielen, sondern auch an dem enormen Druck, das beste Geschenk kaufen zu müssen, auch wenn ich mich immer komisch dabei fühle, ein Geschenk für ein ungeborenes Wesen zu kaufen. Oder die berühmt-berüchtigten Windeltorten, eine Tradition, die hoffentlich wirklich auf der anderen Seite des Atlantiks geblieben ist, und das ganze Gerede über Schwangerschaften und Babys. Natürlich ist das alles normal – schließlich ist es ja eine Babyparty –, aber wenn man selbst nicht schwanger ist oder keine Kinder hat oder will, ist es nicht leicht, sich nicht zumindest ein wenig fehl am Platze zu fühlen.
Die gestrige Entdeckung, dass auch noch die perfekte Annabel die Babyparty bei sich zu Hause schmeißt, ist da nur das sprichwörtliche Sahnehäubchen auf der Windeltorte. Natürlich möchte ich dabei sein, wenn Michelle dafür gefeiert wird, dass sie ein Baby bekommt, und sich unglaublich freut und aufgeregt ist und verwöhnt wird. Michelle ist mir schließlich sehr wichtig. Sie gehört zu meinen besten Freundinnen. Aber wenn man kinderlos ist und alle anderen Frauen entweder schwanger oder bereits Mütter sind, kann das Ganze in vielerlei Hinsicht ziemlich qualvoll sein. [4]
Zum Glück ist der Schnee mittlerweile geschmolzen, und ich kann etwas anderes als Gummistiefel anziehen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, Jeans und einen Blazer zu tragen, aber jetzt fühle ich mich besonders unter Druck und ziehe Absatzschuhe und mein einziges vorzeigbares Kleid an. Ich mühe mich sogar mit dem Lockenstab ab, das führt jedoch meist nur dazu, dass mein Pony sich in die falsche Richtung dreht und ich mir die Finger verbrenne, trotz des kleinen Handschuhs, den sie extra beilegen.
Am Ende sehe ich tatsächlich einigermaßen repräsentabel aus. Und scheinbar so verändert, dass Artus mich anbellt, als ich die Treppe hinunterkomme. Vielleicht erkennt er mich gar nicht.
Ich nehme zuerst den Bus, dann die U-Bahn und laufe das letzte Stück zu Fuß. Es ist allerdings deutlich weiter, als es auf Google Maps aussah, und der Wind ist eisig kalt. Meine aufwendig gestylte Frisur schwindet ebenso wie meine gute Laune. Und dann stehe ich plötzlich vor dem Haus. Es liegt direkt am Fluss, inmitten eines riesigen, von einer Mauer umgebenen Grundstücks, wie man es normalerweise nur aus Magazinen wie House & Garden kennt.
Ich drücke auf die glänzende Gegensprechanlage aus Messing und versuche mich nicht einschüchtern zu lassen. Meine Mutter sagt immer: Ich würde nicht die ganzen Fenster putzen wollen. Und überhaupt: Wen interessiert’s, dass sie in diesem eleganten, großen Haus lebt und ich nur ein Zimmer miete? Geld allein macht nicht glücklich, schon vergessen?
Glücklich macht es vielleicht nicht, aber es finanziert zumindest die verschiedenen schicken Autos, die auf dem Kiesvorplatz geparkt sind, einen beheizten Swimmingpool und ein Türmchen. Ein echtes Türmchen. Das bemerke ich allerdings erst, als ich hineingelassen werde und sich das Tor automatisch hinter mir schließt. Ich laufe die Auffahrt hinauf, und der Kies knirscht unter meinen Füßen. Das allein hört sich schon reich an. Der Klang erinnert mich an Besuche von herrschaftlichen Anwesen. Für Absatzschuhe bedeutet es allerdings den Ruin.
Als ich endlich die glänzende Eingangstür erreiche, schimpfe ich bereits lautstark vor mich hin, weil meine geliebten Gucci-Stilettos verschrammt wurden, die ich nach einem hektischen Bieterkrieg auf eBay ergattern konnte. Ich werde von rosafarbenen Ballons und einer netten Dame namens Mila begrüßt, die mich in die mit Mosaikfliesen ausgelegte Eingangshalle bittet und mir meinen Mantel abnimmt.
Dann verschwindet sie, und einen Moment lang stehe ich ganz allein da. Ich bin versucht, einfach abzuhauen.
»Willkommen, Nell.« Annabel taucht braun gebrannt und barfuß in einer schaumrosa Kreation vor mir auf. Ihre sensationelle Figur wird durch das Kleid besonders betont, wodurch ich mir auf einmal furchtbar unpassend gekleidet vorkomme. »Wie schön, dass du es einrichten konntest.«
Ich lächle bemüht. »Tja, dieses Mal habe ich tatsächlich eine Einladung bekommen. «
»Das mit der anderen Einladung ist wirklich seltsam. Ich habe natürlich auch zu Max’ Geburtstag eine geschickt.«
»Ja, sehr seltsam. Aber ich hätte sowieso nicht kommen können, ich habe ja die Kinder gehütet.«
»Ja, davon habe ich gehört. Was für eine treue Freundin du doch bist. Dafür auf eine fantastische Party zu verzichten.«
Jetzt weiß ich endlich, an wen mich Annabel erinnert: Villanelle aus Killing Eve .
Nachdem sie mich gebeten hat, die Schuhe auszuziehen, sodass ich mir neben ihr in meinen Strumpfhosenbeinen klein und pummelig vorkomme, führt sie mich durch das Haus zu den anderen. Es sieht genauso aus, wie ich es mir vorgestellt habe: Die Kissen sind aufgeschüttelt, die Wände in geschmackvollen Farbtönen von Farrow & Ball gestrichen. Daran hängen teuer aussehende Kunstwerke. Es ist ziemlich offensichtlich, dass Annabel noch nie Tüten mit Teelichtern bei IKEA gekauft hat.
Dann werde ich endlich ins Wohnzimmer gebracht, in dem ein Berg von Geschenken aufgebaut ist, und noch mehr rosa Ballons. Um einen mit Essen bedeckten Tisch hat sich eine große Gruppe Frauen versammelt. Alles ist in Rosa gehalten. Annabel hat sich wirklich nicht lumpen lassen.
»Das nehme ich dir gern ab«, sagt Annabel und greift nach meinen Geschenken.
Ich gebe ihr die beiden Geschenktüten. Und auch etwas für das Baby. Ich habe diese besonderen schokoladenumhüllten Marshmallow-Teeküchlein mitgebracht, die Michelle so gerne mag. Max hat mir erzählt, dass sie sie in ihrer Kindheit in Schottland immer gegessen hat, hier aber nur so selten bekommt, doch ich habe sie gefunden. Ich bin wirklich ein wenig stolz auf mich.
Annabel kreischt bei ihrem Anblick jedoch auf und rügt mich mit erhobenem Zeigefinger: »O nein, besser nicht. Die haben viel zu viele Zusatzstoffe und industriell gefertigte Schweinereien. Hier gibt es nur nahrhaftes und gesundes Essen. Ich stelle sie in die Küche, da können sie am wenigsten Schaden anrichten.«
»Aber Michelle mag sie doch so gern«, versuche ich mich kraftlos zu verteidigen, werde aber sofort unterbrochen.
»Es ist sehr wichtig, sich gesund zu ernähren, ganz besonders in der Schwangerschaft. Probier doch mal einen Quinoa-Cupcake mit Kokoscremeglasur.«
Als sie mir ein Tablett vom Tisch reicht, zwinge ich mich zu einem Lächeln. Ich muss mit Annabel zurechtkommen, nicht nur um Fionas willen, sondern jetzt auch um Michelles.
»Mmh, das sieht wirklich lecker aus«, sage ich höflich und nehme mir einen.
Wow. Das ist mal ein Cupcake. Der wiegt ja mindestens eine Tonne.
Ein paar Kellner schwirren umher und servieren Getränke. »Himbeer-Smoothies oder rosa Champagner«, flötet Annabel. »Für diejenigen, die nicht schwanger sind oder stillen. Selbstverständlich alles bio.«
Selbstverständlich.
Ich greife nach einem Glas willkommenen Alkohols und sehe mich nach bekannten Gesichtern um. Ich freue mich darauf, alle wiederzusehen. Holly habe ich schon seit meinem Geburtstag nicht mehr getroffen, und bei meiner letzten Verabredung mit Fiona war auch Annabel dabei, weshalb wir uns nicht gegenseitig auf den Stand der Dinge bringen konnten. Natürlich ist Annabel heute auch da, aber sie wird hoffentlich mit ihren Gastgeberpflichten beschäftigt sein und ich werde nicht zu viel von ihr mitbekommen.
Aber ich kann weder Holly noch Fiona entdecken, und Michelle ist in ein Gespräch vertieft, also unterhalte ich mich höflich mit Susan, die gerade für ihre »wachsende Kinderschar« das Dach ausbauen lässt, und mit Lisa, die, frisch verheiratet und im sechsten Monat schwanger, ihr erstes Kind erwartet und an einem Hypnobirthing-Kurs teilnimmt, über die Quinoa-Cupcakes.
»Und wie sieht es bei dir aus?«, fragt Susan freundlich. »Hast du Kinder?«
Plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit, wird mir ganz anders. Ich hasse diesen Teil. Wenn man Nein sagt, ist man direkt bei einem Tabuthema. Die Leute wissen nicht, ob sie mitleidig reagieren oder doch lieber einen Kommentar darüber machen sollen, wie froh man doch sein kann – meist gefolgt von Beschwerden über die eigenen undankbaren Sprösslinge. Ich weiß allerdings selbst auch nie so genau, was ich sagen soll, da ich den Druck verspüre, erklären zu müssen, warum ich keine Kinder habe. Ob Frauen mit Kindern sich jemals derart rechtfertigen müssen? Unangenehm ist es auf jeden Fall für alle Beteiligten, also mache ich meistens einen Witz, damit alle sich weniger seltsam vorkommen.
Heute fühle ich mich jedoch nicht danach.
»Nein«, erwidere ich mit einem Lächeln, und mir will einfach nichts angemessen Positives einfallen, um meine Antwort etwas aufzuwerten. In Windeseile durchsuche ich den Inhalt meiner Handtasche namens Leben, als würde ich nach meinem Schlüssel kramen. Aber ich finde darin nur eine geplatzte Verlobung, ein gescheitertes Unternehmen und einen Umzug nach London, der dazu geführt hat, dass ich mir die Toilette mit einem Fremden teile.
»Ich schreibe Nachrufe.«
Tja, das ist wirklich das Einzige, was ich finde.
Susan und Lisa erstarren, bevor sie höflich murmeln: »Oh, das ist ja schön«, und: »Hast du die Zucchinipuffer probiert? Sie sind wirklich köstlich.«
»Da bist du ja!«
Einige Puffer später spüre ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter und drehe mich um, da steht Fiona .
»Entschuldige, ich war auf der Toilette«, sagt sie lächelnd, drückt mich an sich und rettet mich vor einem weiteren Zucchinipuffer. »Wie geht es dir?«
»Ich bin froh, dich zu sehen!« Endlich ist eine Verbündete da, mit der ich über das bedrohlich aussehende, hautfarbene Ballonbaby und die bleiernen Cupcakes lachen kann. »Ich sehe, dir hat man auch einen aufgezwungen«, sage ich grinsend, mit Blick auf den Cupcake in ihrer Hand.
»Sind sie nicht köstlich? Das ist schon mein dritter! Hast du schon eins von den süßen gefüllten Eiern probiert, die wie Babys aussehen? Oder von der Fruchtbowle mit der Melone, die wie ein Kinderwagen geschnitten ist? So goldig!«
Entsetzt starre ich Fiona an. Was ist mit ihr passiert? Normalerweise würde sie darüber in Gelächter ausbrechen.
»Und Annabels Haus, ist es nicht wundervoll? Hast du gesehen, da hängt ein echter Andy Warhol! Und ihre Sofas hat sie sich aus Italien liefern lassen. Sie hat so einen unglaublich guten Geschmack, findest du nicht auch?«
Sie schwärmt tatsächlich.
»Äh, ja, ist wirklich hübsch.«
»Alles, was Annabel in die Hand nimmt, wirkt so natürlich. Ich werde sie um ein paar Einrichtungstipps für mein Haus bitten.«
»Dein Haus ist doch jetzt schon toll, Tipps hast du doch gar nicht nötig.«
»Oh, das ist wirklich lieb von dir, Nell. Aber Annabel betont immer, wie wichtig es ist, die Dinge frisch und aktuell zu halten …«
Was Annabel wohl zu meinem gemieteten Zimmer sagen würde? Ich will es mir lieber nicht ausmalen.
Zum Glück taucht gerade in diesem Augenblick Holly auf, die aussieht, als käme sie geradewegs aus dem Fitnessstudio. Holly ist tatsächlich eine der wenigen Frauen, die ich kenne, die Sportsachen trägt, um tatsächlich Sport zu treiben, und nicht nur, um in den Supermarkt zu gehen .
»Entschuldigt bitte die Verspätung«, sagt sie lächelnd und kommt schnurstracks auf uns zu. »Ich konnte nicht anders und musste heute unbedingt meine zehn Kilometer laufen. Was habe ich verpasst?«
»Eine Führung durchs Haus und einen hiervon.« Ich lege einen Cupcake in ihre Hand, die sichtbar nach unten sinkt.
»Wow, der ist aber reichhaltig.«
»Gerade rechtzeitig, meine Damen! Zeit für die Geschenke!«, unterbricht uns da Annabel, die in die Hände klatscht und uns alle auffordert, im Kreis Platz zu nehmen. Michelle sieht angesichts der vielen Geschenke überfordert und verlegen aus, wir anderen trinken rosa Champagner (oder etwa nur ich?) und begutachten mit begeisterten Ahs und Ohs winzige Strampler.
Dann ist mein Geschenk an der Reihe. Ich habe es mittlerweile aufgegeben, etwas ganz Besonderes und Einzigartiges zu finden, und das ganze Kaschmirzeug war so teuer, dass ich ihr einen süßen kleinen Plüschhasen und meine Lieblingskörpercreme gekauft habe.
»Oh, du hast vergessen, das Preisschild abzumachen.« Annabel stürzt sich auf mein Geschenk, tut so, als wolle sie nur helfen, und knibbelt es mit ihren manikürten Fingernägeln ab. »Ach, ich wusste ja gar nicht, dass man diese Marke auch bei TK Maxx kaufen kann.«
Meine Wangen erröten.
Michelle lächelt mich freundlich an. »Beides gefällt mir sehr, Nell. Danke.«
Ich lächle. Zwischen uns war es seit der Sache mit der Geburtstagsparty etwas seltsam, und bisher hatten wir noch keine Gelegenheit, darüber zu sprechen.
»Und zu guter Letzt …« Annabel rollt ein großes, kunstvoll verpacktes Geschenk herein.
»Oh, das hättest du wirklich nicht tun dürfen, das ist doch viel zu viel … «
»Nein, überhaupt nicht!« Annabel strahlt, als Michelle verlegen eine reich verzierte, handgeschnitzte Wiege auspackt, sie ist pastellrosa gestrichen und mit dazu passenden Schleifen versehen. »Fiona und ich haben sie Ostern in dieser unglaublich tollen, winzigen Boutique in den Cotswolds entdeckt, und ich wusste, dass sie dir gefallen würde.«
»Wart ihr nicht campen?« Ich drehe mich zu Fiona um.
»Auf den Schleifen sind Swarovski-Kristalle«, unterbricht mich Annabel.
»Wir waren mit Annabel und Clive in ihrem Landhaus.«
»Ach so«, sage ich und nicke, fühle mich jedoch merkwürdigerweise getroffen.
Schnell reiße ich mich zusammen. Ist es wirklich so wichtig, dass sie es nicht erwähnt hat? Das macht doch nichts. Sie kann schließlich ihre Zeit verbringen, mit wem sie möchte.
»Hattest du eine gute Zeit bei deinen Eltern?«
Normalerweise hätte ich Fiona direkt Richs Neuigkeiten erzählt, aber irgendetwas hält mich zurück.
»Ja, es war schön.« Ich nicke. »Sehr schön sogar.«
Ich entschuldige mich und gehe ins Badezimmer. Als ich wieder herauskomme, höre ich, wie Annabel vorschlägt, den beheizten Pool auszuprobieren. Ich mache mich aus dem Staub und suche Zuflucht in der riesigen, leeren Küche, wo ich die schokoladenüberzogenen Teeküchlein entdecke. In der Dunkelheit packe ich einen aus, lehne mich gegen den Ofen, stecke meine Zunge in das süße, klebrige Innere und plane meine Flucht, als ich plötzlich Schritte höre.
Oh, Mist. Annabel. Ich stopfe die Teeküchlein zurück hinter den Wasserkocher und drehe mich gefasst um.
»Hier bist du also abgeblieben.«
Es ist Michelle.
»Entschuldige, dass ich die Spielverderberin bin«, sage ich und bin ein wenig erleichtert .
»Da sind wir schon zu zweit.« Sie reibt sich den Bauch. »Ich werde mir nämlich ganz sicher keinen Badeanzug anziehen. Es sind zwar noch zwei Monate, aber wenn ich so ins Wasser springe, ist der Pool leer.«
Ich muss lachen, und wir lächeln einander an.
»Das mit dem Geburtstag tut mir leid«, sagt sie kurz darauf.
»Ach, das macht doch nichts«, erwidere ich.
»Und ob es etwas macht. Ich wäre zumindest ganz schön sauer, wenn ich mit meinen Kindern zu Hause sitzen würde, während alle anderen feiern gehen.«
»Sie waren richtig toll, wirklich.«
Michelle zieht die Augenbraue hoch.
»Vielleicht ein kleines bisschen anstrengend, als sie ins Bett gehen sollten.«
»Du meinst wohl die reinste Teufelsbrut?«
Ich grinse. »Na ja, so weit würde ich jetzt nicht gehen …«
»Ich hatte wirklich keine Ahnung, dass Annabel für Max eine Überraschungsparty schmeißen wollte. Ich hatte geplant, dass wir nur zu zweit … ehrlich gesagt, wäre mir das sogar lieber gewesen. Wegen der Kinder und Max’ Beförderung haben wir so selten Zeit miteinander, nur wir zwei.«
Das klingt, als hätte Annabel Michelle mit ihrer Idee ganz schön überfahren.
»Ich meine, es war natürlich sehr nett von ihr und auch sehr großzügig – genau wie diese Babyparty. An Max’ Geburtstag habe ich erwähnt, dass ich so etwas für meine anderen drei nicht gemacht habe, und sie hat sofort angeboten, etwas für mich zu organisieren. Ich habe versucht, sie davon abzubringen – sie ist schließlich Fionas Freundin und eigentlich nicht meine – aber sie hat darauf bestanden …«
Wir sehen einander an und schweigen.
»Ich wollte nicht undankbar sein. Aber das hier ist einfach nicht so mein Ding, du kennst mich ja.«
Nein, es ist Annabels Ding. Es geht einzig und allein um Annabel. Um ihr riesiges, elegantes Haus. Ihr teures Geschenk. Darum, die perfekte Gastgeberin zu sein.
Plötzlich bemerkt Michelle mein halb aufgegessenes Teeküchlein. »Was hast du denn da?«
Ich ziehe die Packung hervor, die ich hinter den Wasserkocher gesteckt hatte, und ihre Augen leuchten. »Oh! Das sind meine Lieblingsteeküchlein.«
»Ich weiß, aber Annabel wollte nicht, dass ich sie dir gebe. Sie meinte, sie seien nicht gut für das Baby.«
»Was für ein Blödsinn. Ich bin damit großgezogen worden.«
Sie schnappt sich eins, reißt es aus der Folienverpackung und beißt hinein, eine Weile stehen wir einfach nur so im Dunkeln, genießen jeden einzelnen Bissen und seufzen wohlig.
»Ich wusste übrigens noch gar nicht, dass du ein Mädchen bekommst«, sage ich kurz darauf.
»Tja, das kommt noch hinzu«, erwidert sie grinsend. »Wann soll ich ihr bloß sagen, dass wir einen Jungen erwarten?«
Wofür ich dankbar bin:
  1. Annabels riesiges Haus, da Michelle und ich uns so unbemerkt in der Küche verstecken und die ganze Schachtel Teeküchlein verputzen konnten, bevor wir entdeckt wurden.
  2. Lustige Spiele wie »Milchpumpe drehen« verpasst und meinen Badeanzug vergessen zu haben. [5]
  3. Nicht zusammengebrochen zu sein, als mir der winzige Strampler gereicht wurde.
  4. Die letzte Folge meines Podcasts, in der ich genau das alles bekenne, selbst dass ich mich im Klo eingeschlossen habe, damit niemand meine Tränen sehen konnte.