Sei glücklich!
Bin ich eigentlich der einzige Mensch auf der Welt, der es nicht mehr hören kann, ständig gesagt zu bekommen, er solle glücklich sein?
Beim Aufwachen heute Morgen ging es mir nicht so gut, und dann habe ich auch noch den Fehler gemacht, auf mein Telefon zu gucken …
Sei glücklich! Liebe das Leben! Der Weg ist das Ziel!
Und habe mich nur noch schlechter gefühlt.
Darf man sich denn nicht einfach mal mies fühlen, ohne diesen ständigen Druck? Max ist momentan sicher nicht glücklich. Und auch Cricket liebt nicht ihr Leben, wenn sie gerade Montys Klamotten aussortiert. Und mein Ziel ist momentan ganz sicher nicht der Weg, sondern das Ende dieser furchtbaren PMS
, und bis dahin lege ich mich jetzt einfach wieder ins Bett. Manchmal meint es das Leben einfach nicht gut mit einem, und dann hilft so ein dämlicher Spruch am allerwenigsten. Von wegen inspirierend – meist macht es alles nur noch schlimmer.
Letztens, zum Beispiel: Ich las einen dieser Online-Artikel darüber, wie wichtig es ist, glücklich zu sein, inklusive der verschiedenen Wege, um dahin zu kommen. Aber schon das Lesen deprimierte mich, auch wenn das vielleicht ironisch klingt, wenn man genauer darüber nachdenkt. Ich fragte mich sofort, was denn bloß falsch mit mir ist, da ich momentan einfach
nicht glücklich bin, egal, wie sehr ich mich anstrenge. Noch schlimmer war jedoch, dass auch die Vorschläge der Autoren mir überhaupt nicht weiterhalfen. Ich bin also nicht nur unnormal, sondern ein hoffnungsloser Fall.
Verstehen Sie, warum ich so sauer bin? Ständig heißt es: Sei du selbst, sei authentisch! Gleichzeitig wird erwartet, dass man dabei glücklich ist. Aber wenn man sich gerade gar nicht danach fühlt, ist das doch genau das Gegenteil davon, sich selbst treu zu sein. Das Leben kann wunderschön, aber eben auch Angst einflößend und schwierig sein. Wir sollten uns einfach traurig oder betrübt oder sogar richtig beschissen fühlen dürfen, ohne direkt denken zu müssen, dass etwas mit uns nicht stimmt.
Manchmal steht Glücklichsein eben nicht zur Wahl. Manchmal kann man sein Leben eben nicht lieben. Hören wir also auf damit, uns selbst zu quälen, indem wir nach dem Glücklichsein streben, und erlauben wir uns doch, uns so zu fühlen, wie wir uns eben gerade fühlen. Vielleicht sollten wir nicht nach dem Glück suchen, sondern nach Akzeptanz.
Wofür ich dankbar bin:
- Mich selbst nicht so unter Druck zu setzen.
- Zu wissen, dass es Momente im Leben gibt, in denen man unglücklich, verängstigt oder durcheinander ist, genauso wie es Zeiten gibt, in denen man fröhlich, zufrieden und glücklich ist.
- Für all die wunderbaren Ärztinnen und Therapeuten, die für einen da sind, wenn es eben nicht nur ein kleines Tief ist, sondern viel mehr.
- Heute glücklich gewesen zu sein, was aber nicht an einem inspirierenden Spruch lag.
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