Notting Hill Carnival
An einem langen Feiertagswochenende kommen wir im Taxi vom Flughafen zurück und stellen fest, dass der Karnevalszug stattfindet; wir können nicht einmal in die Nähe von Crickets Haus fahren, da alle Straßen abgesperrt sind.
Wie konnte ich bloß vergessen, dass Notting Hill Carnival ist? Genau das frage ich mich, als wir aus dem Wagen steigen und uns mit unseren Rollkoffern einen Weg durch die Feiernden bahnen. Früher habe ich mich immer wochenlang darauf gefreut. Ein Höhepunkt des Jahres!
Weil dir die Menschenmassen jetzt zu viel sind und die Musik zu laut ist, antwortet mein Ü40-Ich, als wir endlich unseren Zufluchtsort aka Crickets Haus erreichen. Und weil du dringend eine Tasse Tee brauchst.
Es war eine lange Reise, also fordere ich Cricket auf, sich auszuruhen, und setze selbst das Teewasser auf. Während ich darauf warte, dass es anfängt zu kochen, öffne ich das Schiebefenster, um frische Luft hereinzulassen. Das Haus liegt auf der Strecke des Karnevalszugs, und ich habe eine ausgezeichnete Sicht auf die Wagen mit ihren leuchtenden Kostümen und höre den Klang der Trommeln. Heute ist Familientag, und geistesabwesend lasse ich meinen Blick über die aufgeregten Gesichter der Kinder und ihrer Eltern schweifen, während meine Gedanken zurück nach Spanien wandern.
In dieser einen Woche ist so viel passiert, es kommt mir vor, als wären wir viel länger weg gewesen. Ich habe dort eine
ganze Menge Ballast zurückgelassen, und es fühlt sich anders an, jetzt, da ich wieder hier bin. Irgendwie leichter und befreiter. Fast schon – ich traue es mich kaum zu sagen – erwartungsvoll – blicke ich in die Zukunft … Meine Augen bleiben an einem kleinen Mädchen hängen, es sitzt auf den Schultern seines Vaters, hält einen Ballon in der Hand und winkt der Menge. Plötzlich komme ich mir wieder vor wie an meinem Geburtstag, als ich mit Artus spazieren ging und in die ganzen Fenster sehen konnte. Ich beobachtete von draußen die anderen drinnen.
»Hier, bitte schön.« Crickets Worte reißen mich aus meinen Gedanken, sie reicht mir ein Glas mit Eis und Zitrone. »Vergiss den Tee, wir sollten Gin Tonic trinken«, sagt sie lächelnd und stößt mit ihrem Glas gegen meins. »Prost!«
»Prost!«
Auch ich lächle.
Wenn ich doch bloß damals schon verstanden hätte, wie großartig die Sicht von draußen sein kann.