Halloween
Halloween ist in den 1970ern im Lake District nicht so richtig angekommen. Mein Bruder und ich sind noch mit der Regel aufgewachsen, niemals Süßigkeiten von Fremden anzunehmen, und unser einziger Versuch, bei »Süßes oder Saures« mitzumachen, endete darin, dass wir beinahe von einem Bauern aus der Gegend angeschossen wurden, weil wir unerlaubt sein Grundstück betreten hatten. Außerdem hat es eh immer geregnet. Wir versuchten, eine Kerze in einer ausgehöhlten Rübe am Leuchten zu halten, während ein Sturm mit Windstärke zehn an uns und unseren Kostümen aus alten Bettlaken riss.
Seitdem hat sich einiges verändert. Im Schnelldurchlauf VIELE
JAHRE
weiter, und wir feiern Halloween nun auf die amerikanische Art, es gibt Kostümpartys, kunstvoll geschnitzte Kürbisse und geschmückte Viertel, in denen Horden von Kindern »Süßes oder Saures« in erstaunlichen Aufmachungen rufen und bergeweise Süßigkeiten sammeln.
Dieses Jahr feiere ich bei Fiona. Sie hat die Außenfront ihres viktorianischen Reihenhauses im Stil von House of Horrors
dekoriert und eine Trockeneismaschine gemietet. Meine Aufgabe besteht darin, Süßigkeiten an die Kinder auszuteilen und sie zu erschrecken, wenn sie an der Tür klingeln (ich habe mich dafür entschieden, Fiona nicht danach zu fragen, warum sie gerade mich für diese Aufgabe ausgewählt hat). Max und Michelle und Holly und Adam kommen auch mit ihren Kindern.
Und Annabel
.
»Normalerweise veranstaltet sie selbst eine fantastische Party, aber dieses Jahr ist natürlich alles anders wegen der Sache mit Clive und seinem Auszug. Sie bringt Clementine mit«, sagte Fiona, als sie mich anrief, um mich einzuladen. »Ich dachte, vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, um das Kriegsbeil zu begraben.«
»Bildlich gesprochen, will ich doch hoffen. Es ist schließlich Halloween«, antwortete ich.
Woraufhin Fiona lachen musste und ich eine Idee für mein Kostüm hatte.
Ich fand die Axt im Gartenschuppen. Halloween soll schließlich gruselig sein, und ich kann mir wirklich nichts Gruseligeres vorstellen als Jack Nicholson in The Shining
. Besonders wenn er versucht, die Tür mit seiner Axt zu zerstören (und dabei tatsächlich die Axt in der Tür begräbt). Im Charityshop fand ich ein kariertes Hemd, und Edward lieh mir eine Jacke – ich hatte überlegt, ihn auch einzuladen, bevor ich erfuhr, dass er auf sein zweites Date ging (!). Mein Kostüm war der Hammer. Insbesondere die Tür, die ich aus Pappe gebastelt hatte und durch die ich meinen Kopf steckte. Als ich mich im Spiegel ansah und dabei die Axt schwang, bekam ich fast selbst Angst vor mir.
Fiona öffnet mir die Tür in einem traumhaften Hexenkostüm, Holly sieht in ihren Sportklamotten aus wie immer, nur dass sie heute noch eine Totenkopfmaske aufhat, die sie noch schnell auf dem Weg an einer Tankstelle gekauft hat, und Michelle entschuldigt sich mehrfach dafür, dass sie kein Kostüm hat. Aber nachdem sie nachmittags drei Kinderkostüme mit einer Heißklebepistole zusammengeschustert hat – während sie zwischendurch immer wieder stillen musste –, können wir schließlich froh sein, dass sie es überhaupt geschafft hat, sich anzuziehen.
Annabel kommt als sexy Krankenschwester.
»Ist das wirklich ein Kostüm?«, flüstere ich, als sie in einem
sehr knappen Kittel und Push-up-BH
ankommt und sofort damit beginnt, zucker- und glutenfreie Süßigkeiten an die »Süßes oder Saures« rufenden Kinder zu verteilen (Randnotiz: Ich habe zum ersten Mal gesehen, dass Kinder Süßigkeiten zurückgelegt
haben). Zumindest besaß sie den Anstand, ein bisschen Kunstblut auf ihrem Kittel zu verteilen, aber trotzdem. »Hat sie denn noch nicht kapiert, dass Halloween gruselig sein soll?«
»Bitte sag mir, dass ihre Brüste nicht echt sind«, wimmert Michelle.
Den Männern scheint ihr Outfit jedoch zu gefallen. Max fallen fast die Augen aus dem Kopf (er geht allerdings als Zombie und soll vermutlich so aussehen), und Adam, der als Dracula verkleidet ist, fällt vor lauter Glotzen über seinen Plastiksarg und bleibt darin liegen. Während Werwolf David sich immer wieder räuspert und nicht aufhört, über den Zustand des Gesundheitssystems zu reden.
»Kriegsbeil begraben, schon vergessen?«, flüstert mir Fiona zu, bevor sie in Richtung Toilette verschwindet und mich allein zurücklässt. Annabel kommt auf mich zu.
»Hi.«
»Hallo.«
Die unterkühlte Stimmung macht mir Sorgen. Wir tauschen ein paar unbeholfene Höflichkeitsfloskeln aus, und ich plane schon meine Flucht, als …
»Ich muss mich bei dir entschuldigen.«
Das hatte ich nun nicht erwartet.
»Ach Quatsch … das ist wirklich nicht nötig«, sage ich und winke ebenso verlegen ab, wie wenn ich ein Kompliment bekomme.
»Ich hätte dich niemals bei diesem Spaß-Lauf mit dem Ellbogen wegstoßen dürfen.«
Sofort fühle ich mich rehabilitiert. Ich wusste
es!
»Und dich zu Fall bringen. Das war wirklich falsch. Es tut mir leid.
«
Annabel sieht mich an und wartet auf eine Reaktion. Ihre Augen strahlen wirklich in perfektem Blau, und das Weiß ist so hell, wie ich es noch nie gesehen habe, von den dichten, langen Wimpern ganz zu schweigen. Ich stehe vor ihr und bewundere sie, die falsche Papptür um meinen Kopf herum, und plötzlich ist mein ganzer Ärger verpufft, und ich kann nur noch das Komische sehen.
»Mir tut es auch leid«, sage ich. »Zumindest hat es für ein paar Lacher im Publikum gesorgt, dass ich mit dem Gesicht voran im Matsch gelandet bin.«
Als sie bemerkt, dass ich grinse, fängt auch sie an zu lächeln, dann sieht sie plötzlich beschämt aus. »Ich war neidisch … auf deine Freundschaft mit Fiona. Ich habe mich bedroht gefühlt. Ich hatte noch nie eine beste Freundin wie Fiona.«
»Und ich war neidisch auf dich. Darauf, dass du so perfekt bist«, gebe ich zu.
»Ja.« Sie nickt und sieht mich verständnisvoll an. »Das kommt vor.«
Oh.
»Freunde?«
»Na ja, so weit würde ich nun nicht gehen«, witzle ich und vergesse dabei, dass Annabel ja keinen Spaß versteht, die mich nun auch völlig entgeistert anstarrt, während ihr perfektes Lächeln um die Mundwinkel herum erstarrt. »Entschuldige, ja natürlich können wir Freunde sein«, sage ich schnell und erwidere ihr Lächeln mit einem breiten Grinsen.
Dann fragt sie plötzlich: »Nell, dürfte ich dich dann bitten, die Axt herunterzunehmen?«
Vielleicht lag ich in puncto fehlendem Humor doch falsch …
Gegen neunzehn Uhr sind die ganzen Süßes-oder-Saures-Rufer nach Hause gegangen, die Türklingel steht endlich still, und Männer und Frauen haben sich in zwei Lager aufgeteilt:
Im Wohnzimmer – zusammen mit den Kindern, die nach
ihrem Zuckerhoch nun semi-komatös vor einer Ghostbusters
-DVD
sitzen – haben sich die DADS
versammelt. Mit einem Bier in der Hand »helfen« sie den Kindern dabei, die gesammelten Süßigkeiten aufzufuttern, und folgen dem Film aufmerksamer als der Nachwuchs.
In der Küche haben sich die MUMS
und ich völlig erschöpft um den Tisch herum verteilt, wir trinken Wein und essen die übrig gebliebenen Süßigkeiten. Kinder zu erschrecken macht hungrig und durstig. Wir sind schon bei der zweiten Flasche. Zum ersten Mal seit der Babyparty sind wir wieder alle zusammen, und es gibt jede Menge zu erzählen.
Im Hintergrund läuft Musik. Max’ iPod ist an die Stereoanlage angeschlossen, und seine Halloween-Playlist läuft hoch und runter. Fiona greift nach der Fernbedienung, um dem Elend ein Ende zu setzen, und die Coverversion von People are Strange
von Echo & the Bunnymen beginnt.
»Oh, das habe ich früher geliebt«, sagt Michelle, die gerade mit dem Stillen von Tom fertig ist und ihn in seinem Autositz in den Schlaf schaukelt. »Das war doch von diesem Film, wie hieß er denn noch mal? Der, in dem alle zu Vampiren wurden …«
»The Lost Boys.«
»Einer der besten Filme, die ich je gesehen habe«, meldet sich da Holly zu Wort. »Den habe ich mir bestimmt hundertmal angeschaut. Ich war in den Schauspieler verknallt, wie hieß der noch gleich …?«
»Kiefer Sutherland?«, schlägt irgendjemand vor.
»Nein! Aber der war auch süß!«
»Jason Patric?« Ich krame den Namen aus den Tiefen meines Teenagergedächtnisses hervor.
»Ja, der war es!« Hollys Gesicht leuchtet. »Ich war total hin und weg von ihm. Ich habe immer davon geträumt, ihn zu heiraten und mit ihm auf dem Motorrad durch die Gegend zu fahren …« Sie verstummt wehmütig. »Und jetzt bin ich mit Adam verheiratet und fahre einen Volvo.
«
»Lebensziele«, sage ich grinsend.
»Ich mag Volvos«, sagt Michelle. »Wie gern würde ich euren Volvo gegen unsere alte Rostlaube eintauschen.«
»Ich brauche was zu trinken.« Holly steht auf, aber Fiona, die perfekte Gastgeberin, ist schon zur Stelle.
»Stilles oder Sprudelwasser?«
»Nein, ich meinte einen echten Drink.«
»Ich dachte, du würdest nicht trinken, weil du gerade trainierst«, sage ich und drehe mich zu Holly um, die bisher nur Wasser getrunken hat. Aber Fiona schaut bereits den Kühlschrank durch.
»Wir haben noch mehr Wein. Ich kann gern noch eine Flasche aufmachen!«
Sie kommt triumphierend mit einer Flasche Irgendwas aus Neuseeland, die sie wie eine olympische Trophäe über dem Kopf hält, zum Tisch zurück.
»Aber morgen ist doch Schule.«
Ist plötzlich eine Stimme vom Kopfende des Tisches her zu hören. Annabel. Aber als sie unsere Blicke sieht, verstummt sie.
»Sie braucht auch noch mehr!« Holly hält Fiona ihr Glas hin, und die schenkt ihr Wein ein.
»Annabel?«
»Na ja, vielleicht noch ein ganz kleines bisschen …«
Fiona schüttet Annabels Glas bis zum Rand voll, dann ihr eigenes, und schließlich füllt sie auch mir nach.
»Sind die hier wirklich ungesund?«, fragt Michelle, die gerade auf einer roten Lakritzstange kaut.
»Nicht, wenn du Avocado dazu isst«, sage ich.
Irgendwer prustet vor Lachen.
»Zur Hölle mit den Avocados«, sagt Holly, die versucht aufzuholen und ihren Wein herunterkippt.
»Das sollte man auf ein T-Shirt drucken«, sagt Fiona lachend und wedelt mit der Flasche. An der Farbe ihrer Wangen kann ich erkennen, dass sie schon ganz schön einen sitzen hat
.
»Ich nehme noch ein Sprudelwasser.« Michelle seufzt und greift nach der Flasche San Pellegrino.
Sie erntet mitfühlende Blicke.
»Er ist so süß. Du musst unglaublich glücklich sein«, sagt Annabel.
»Ja.« Sie nickt und trinkt einen Schluck Wasser. »Und unglaublich müde.«
»Wie fühlst du dich denn?«, frage ich und sehe sie direkt an. Wir haben ein paar Nachrichten ausgetauscht, aber seitdem ich sie kurz nach der Geburt von Tom besucht habe, habe ich Michelle nicht mehr gesehen.
»Ganz ehrlich?« Während sie Tom mit der einen Hand schaukelt, stellt sie ihr Glas ab und steckt sich eine Haarsträhne zurück in den Pferdeschwanz. »Überfordert. Alt. Ich erkenne mein Leben kaum wieder …«
Darauf folgen ein paar aufbauende Kommentare, und sie lächelt reuevoll.
»Versteht mich nicht falsch – ich liebe Tom so sehr, dass es wehtut.« Sie wirft ihm einen Blick zu, wie er da schlafend in seinem Autositz liegt, die kleinen Fäuste neben dem Gesicht, und ihre Augen leuchten. »Aber es ist überhaupt nicht so, wie ich mir das Leben mit über vierzig vorgestellt habe. Ich dachte, mittlerweile wäre alles in trockenen Tüchern, die Kinder alle in der Schule und der Kredit fast abbezahlt …«
Sie wendet sich wieder mir zu, aber der gesamte Tisch hört ihr aufmerksam zu.
»Ich hatte mich darauf gefreut, mein Leben zurückzubekommen, meinen Kopf wieder mehr nutzen zu können. Ich hatte sogar schon die Aufnahmeformulare ausgefüllt, um mich zur Therapeutin schulen zu lassen … Dass ich noch einmal schwanger werde und Max seinen Job verliert, war definitiv nie Teil des Plans.«
Tom wimmert leise im Schlaf, und sie streichelt ihm über den Kopf
.
»Jetzt heißt es wieder Windeln wechseln und nachts nicht schlafen, das Haus ist nicht groß genug, es ist nie ordentlich – für eine Küche wie diese, bei der man tatsächlich die Arbeitsflächen sehen kann, würde ich töten.« Sie wirft Fiona einen Blick zu, die plötzlich verlegen darüber wirkt, dass es bei ihr so sauber ist. »Außerdem mussten wir umschulden, sodass wir vermutlich hundert werden, bevor alles abbezahlt ist …«
Die am Anfang noch ruhige Stimme von Michelle wird immer lauter, und ihre Worte klingen dringlicher, als könne sie gar nicht mehr aufhören, jetzt da sie einmal angefangen hat.
»Aber viel schlimmer ist, dass ich bei allem, was ich tue, das Gefühl habe, gleichzeitig zu scheitern, weil ich niemals all das schaffen kann, was auf meiner To-do-Liste steht … als würde ich ständig allen und allem hinterherrennen. Und immer wieder bei null anfangen, während alle um mich herum ihr Leben bestens im Griff haben.«
Sie zeigt mit dem freien Arm auf jede von uns. »Guckt euch doch alle mal an, ihr wunderbaren Frauen! Ihr seid alle so dünn und schön und lebt euer Leben … und dann seht mich an!«
In ihren Augen stehen Tränen.
»Mein Mann arbeitslos, meine Kinder außer Rand und Band, mein Haus eine Müllkippe, und ich werde schon sechzig sein, wenn Tom mit der Schule fertig ist … Und ich kann noch nicht einmal darüber lachen, anstatt zu weinen, weil ich mir dann in die Hose mache!«
Von diesem Ausbruch vollkommen überrascht, herrscht einen Augenblick lang Stille und dann …
»Bist du dir sicher, dass du nicht doch ein Glas Wein möchtest?«, fragt Fiona.
Aus Michelles Tränen wird ein Lachen. »Also wirklich! Bringt mich bitte nicht zum Lachen«, kreischt sie und verzieht dann entsetzt das Gesicht. »Seht ihr! Ich habe euch gewarnt.«
»Komm schon her.« Ich lehne mich zu ihr hinüber und umarme sie, während Annabel ihr ein Taschentuch reicht und
wir uns alle um sie herum versammeln, sie trösten und ihr den Rücken reiben.
»Du musst dir unbedingt diesen Podcast anhören«, sagt Holly. »Jemand aus meinem Büro hat davon geschwärmt …«
»Danke«, sagt Michelle und putzt sich die Nase. »Aber ich kann wirklich nichts weniger gebrauchen als noch jemanden, der mir erzählt, wie gesegnet ich doch bin und wie dankbar und zufrieden ich gerade sein sollte. Da fühle ich mich sowieso nur noch schlechter.« Sie schüttelt den Kopf und verzieht das Gesicht. »Vor ein paar Tagen habe ich erst gelesen, dass man sich glücklich schätzen sollte, und ich dachte nur, alles klar, dich möchte ich mal sehen, wie glücklich du bist, wenn dein Baby dich die ganze Zeit anschreit, dein Haus aussieht, als wäre gerade eine Bombe eingeschlagen, und du mit deinem Ehemann einen riesigen Streit über die Spülmaschine hattest …«
Sie hält inne, als sie Fionas besorgten Gesichtsausdruck bemerkt. »Ist schon in Ordnung, wir haben uns wieder vertragen – er hat mir versprochen, ab jetzt vorzuspülen.«
»Und genau deshalb wird er dir gefallen«, beharrt Holly. »Genau um solche Sachen geht es darin.«
Wir alle drehen uns zu ihr um.
»Es geht darum, dass das Leben oft einfach nicht so ist, wie man es sich immer ausgemalt hat, und darum, dass wir alle unter dem Druck verzweifeln, den das perfekte Leben, das es eigentlich gar nicht gibt, auf uns ausübt … Auf Social Media wird es uns gezeigt, das perfekte Leben, aber in Wirklichkeit gibt es das doch gar nicht.« Sie schüttelt den Kopf. »Es ist echt lustig und ganz nah dran am wahren Leben, ich musste manchmal sogar laut lachen. Wirklich, es beschreibt genau mein Leben.«
Holly greift in ihre Tasche und holt ihr Telefon hervor.
»Ich glaube, darüber haben ein paar Frauen in meinem Pilateskurs auch gesprochen«, schaltet sich Fiona ein. »Es ging wohl darum, dass man über vierzig auf einmal anfängt, etwas mit Ärmeln zu tragen …
«
»Genau wie ich
«, sagt Michelle lachend und wackelt dabei mit dem Arm, als wolle sie es uns beweisen.
Ich höre den anderen zu und erstarre. Nein. Nein, das kann nicht sein. Sie sprechen doch nicht über meinen Podcast …? Das muss ein Zufall sein.
»Wartet, ich habe ihn runtergeladen, um ihn auf dem Laufband zu hören. Aber dann war nach der ersten Minute mein Akku leer …« Holly gibt ihr Passwort ein und drückt auf Play.
»Hallo und herzlich willkommen zu:
Auf der falschen Seite der 40 – Bekenntnisse einer Versagerin, dem Podcast für jede Frau, die sich fragt, wie zum Teufel sie eigentlich hier gelandet ist und warum das Leben überhaupt nicht so läuft, wie sie es sich immer ausgemalt hatte.«
Oh. Mein. Gott. Ich fasse es nicht. Es ist
mein Podcast.
Holly stellt die Lautstärke hoch, und ich lausche fassungslos und peinlich berührt – höre ich mich wirklich so
an? Gerade ist mir meine seltsame Telefonstimme, ehrlich gesagt, ziemlich unangenehm. Sie klingt grauenhaft. Überhaupt nicht nach mir. Meine Stimme füllt jetzt den ganzen Raum, ich sehe mich um und erwarte, dass sie es merken, mich enttarnen, aber sie starren nur konzentriert auf Hollys Telefon. Das Ganze ist wirklich völlig abgefahren.
»… mir das anders vorgestellt. An alle, die sich schon den einen oder anderen Fehltritt erlaubt oder irgendwie den Anschluss verpasst haben und immer noch verzweifelt ihr Leben analysieren, während um sie herum alle fleißig glutenfreie Brownies backen.«
»Ja, genauso ist es. Das bin ich
«, ruft Michelle begeistert.
»Glutenfreie Brownies!«, prustet Fiona los und hält sich die Hand vor den Mund.
Krasser noch, als meinen eigenen Podcast zu hören, sind die Reaktionen von Holly, Fiona und Michelle. Sie merken nicht, dass ich es bin, die da redet, dass es meine Stimme ist. Sie hören nicht nur zu, nein, sie finden sich in den Worten wieder, identifizieren sich damit
.
»… der Probleme hat, sein eigenes chaotisches Leben in einer Flut aus perfekten Instagram-Welten wiederzufinden, und fühle mich dabei manchmal wie eine echte Versagerin. Es kommt noch schlimmer: wie eine Versagerin über vierzig. Jemand, den Lebensweisheiten eher erschöpfen als inspirieren. Jemand, der sich nicht ständig neue Ziele setzt oder sich immer weitere Herausforderungen sucht, schließlich ist das Leben selbst schon herausfordernd genug. Jemand, der sich nicht #gesegnet und #erfolgreichimleben fühlt, sondern meist eher fragt: #wastueichdagerade?, oder #kannmandasgoogeln?«
»Ich habe gestern gegoogelt, wie ich meinen Haustürschlüssel finden kann.«
»Genau wie ich! Ich habe überhaupt keine Ahnung, was ich die ganze Zeit über tue.«
»Geht es uns nicht allen so?«
»Heißt das etwa, ich bin eine Versagerin?«
»Keine von uns ist eine Versagerin – genau das sagt sie, wenn man weiter zuhört«, erklärt Holly über die Stimmen hinweg. »Aber manchmal wird einem eben das Gefühl vermittelt, eine zu sein.«
»Ich bin wirklich eine Versagerin«, sagt Annabel und nimmt einen großen Schluck Wein.
»… auch in den schlechtesten Momenten nicht aufzugeben und trotz allem den Humor nicht zu verlieren. Darum, ehrlich und aufrichtig zu sein. Es geht um Freundschaften, Liebe und auch um Enttäuschungen. Um die großen Fragen und die fehlenden Antworten. Darum, neu anzufangen, wenn man doch eigentlich glaubte, schon angekommen zu sein …«
»Und schon wieder ich.« Michelle nickt zustimmend. »Ich dachte, mittlerweile müsste ich alle wichtigen Fragen bereits geklärt haben, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich liege nachts wach im Bett und kann nicht schlafen und mache mir über alle möglichen Dinge Sorgen …«
»Aber die Antworten kennt doch keiner!«, ruft Fiona jetzt. »Als Kind dachte ich, meine Eltern wüssten die Antworten auf
alle Fragen; in meinen Zwanzigern war ich davon überzeugt, selbst
alles zu wissen; aber je älter ich werde, desto sicherer bin ich mir, dass niemand
die Antworten weiß. Die Leute tun einfach nur so! Kein Mensch weiß, was er oder sie da gerade tut. Guckt euch doch nur mal die Politiker an …«
»Verflucht«, stöhnt Holly. »Aber müssen wir das denn überhaupt?«
»… sich unzulänglich, verwirrt, einsam und verängstigt zu fühlen, davon, Hoffnung und Freude an unerwarteten Orten zu entdecken, und davon, dass auch Promi-Kochbücher und zerdrückte Avocados nicht die Rettung sind.«
»Lasst uns bitte dieses T-Shirt drucken!«, sagt Holly begeistert und schenkt sich noch mehr Wein nach.
»Ich finde die ganzen Fitnessvideos noch viel schlimmer als Avocados«, seufzt Fiona. »Sie motivieren überhaupt nicht, und ich fühle mich stattdessen nur schuldig, weil ich nicht jeden Tag Liegestützen mache.«
»Aber du gehst immerhin zum Pilates«, ruft Michelle.
»Wenn’s hochkommt, einmal pro Woche. Jeden Tag ziehe ich Leggins an und nehme mir vor hinzugehen, und dann gehe ich doch nur wieder bei Waitrose einkaufen.«
»Wenn man sich wie eine Versagerin fühlt, heißt das nämlich nicht, dass man wirklich unfähig ist, sondern nur, dass man das Gefühl vermittelt bekommt, es zu sein. Es geht um den Druck und die Angst, alle Anforderungen erfüllen und alle Ziele erreichen zu müssen … und darum, was passiert, wenn das nicht klappt. Wenn man glaubt, nicht dazuzugehören. Es passiert ganz schnell, dass man sich in manchen Bereichen des Lebens wie ein Verlierer vorkommt, besonders, wenn alle um einen herum scheinbar auf der Gewinnerseite stehen.«
»Die anderen Mütter im Kindergarten machen mir echt Angst«, sagt Holly da. »Eine von ihnen hat alle Weihnachtskarten selbst gemalt und
sie ist CEO
bei irgendeiner großen Firma.«
»Aber du bist doch selbst Wonder Woman …
«
»Nein, das bin ich nicht! Ich habe letztes Jahr noch nicht einmal Weihnachtskarten verschickt
.«
»Ich bin eine furchtbare Tochter«, beichtet Michelle. »Meine Schwester besucht ständig meine Eltern, besonders jetzt, seitdem mein Vater Arthritis hat, aber ich war schon seit Ewigkeiten nicht mehr bei ihnen.«
»Ich wurde zu einem Absolvententreffen von meiner Uni eingeladen«, eröffnet uns daraufhin Fiona. »Aber als ich auf Facebook nach den Leuten geguckt habe, hatten alle aus meinem Semester entweder selbst einen Lehrstuhl oder forschten an irgendwelchen wichtigen Projekten … eine Mitabsolventin hatte sogar schon mehrere Bücher über griechische Mythologie veröffentlicht, die alle Verkaufsschlager sind!«
»Und? Bist du hingegangen?«
»Nein.« Fiona schüttelt den Kopf. »Sie waren alle so erfolgreich, das hat mich zu sehr eingeschüchtert.«
»So geht es mir, wenn ich diese ganzen berühmten Mütter mit ihren Bikinifiguren sehe, drei Wochen nach der Geburt«, gibt Michelle zu. »Das ist alles andere als inspirierend.«
»Die ganzen Ungeschminkt-Selfies sind noch schlimmer«, sagt Holly seufzend. »Wisst ihr, was ich meine. Wenn die Stars gerade erst aufgewacht sind und noch im Bett liegen. Wie gern würde ich nach dem Aufwachen so aussehen.«
»Kein Mensch sieht direkt nach dem Aufwachen so aus«, ist plötzlich eine laute Stimme vom anderen Ende des Tisches zu vernehmen, und wir alle drehen uns zu Annabel um, die ihr Weinglas schwenkt. »Glaubt mir, ich weiß, wovon ich rede. Das nennt man Filter
, meine Damen.«
Bisher habe ich nur still und leise zugehört. Ich bin noch ganz benommen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass meine Freundinnen ähnliche Gefühle haben wie ich. Ihr Leben ist doch gar nicht so chaotisch wie meins, sie haben nicht wie ich alles falsch gemacht oder irgendwo die Ausfahrt verpasst, nein, sie haben tolle Ehemänner, bezaubernde Kinder und wunderschöne
Häuser mit Fußbodenheizung (Fionas Küche ist wirklich großartig). Es ist völlig ausgeschlossen, dass sie sich so verängstigt und verwirrt fühlen wie ich. Oder sich so vorkommen, als würden sie scheitern oder als wäre das Leben nicht so, wie sie es sich ausgemalt haben, und sie wüssten die meiste Zeit über gar nicht, was sie da tun.
Oder nicht?
»Sie klingt genau wie du, Nell.«
Sofort bin ich wieder im Hier und Jetzt und bemerke, dass Annabel mich anstarrt. Ich war eh schon erstaunt, wie lange es dauert.
»Nein, Nell hat doch einen viel breiteren Akzent«, widerspricht ihr Holly kopfschüttelnd.
Der Podcast läuft weiter, aber mein Mund fühlt sich auf einmal ganz trocken an, und mein Herz klopft wild. Ich bin furchtbar nervös. Ich nehme einen Schluck Wein.
»Tja, also …«
Ich gucke hoch, und mein Blick trifft Fionas. Es entsteht eine Pause, und dann sehe ich ihr an, wie es klick! macht.
»O mein Gott, du bist es wirklich.«
Holly runzelt verwirrt und leicht beschwipst die Stirn. »Wer? Nell?
«
Wie auf Kommando drehen sich alle zu mir um, die Gläser in den Händen: Fiona, Michelle, Holly, Annabel – vier Augenpaare starren mich an. Fünf, wenn man Annabels Französische Bulldogge Mabel mitrechnet.
»Ja, ich bin das.« Ich nicke und kichere nervös.
Einen Moment herrscht Stille – und dann …
»Wahnsinn, Nell! Du hast einen eigenen Podcast? Seit wann? Wie? Was für eine kluge Frau du doch bist! Warum hast du uns nichts davon erzählt? Kann ich mitmachen?«
Ihre Reaktionen schwanken zwischen Erstaunen, Aufregung und Freude hin und her, und da der Damm nun endlich gebrochen ist, überschütten sie mich mit Fragen
.
»Vor ein paar Monaten …« Meine Gedanken schweifen ab, und ich muss an diesen Augenblick in meinem alten Kinderzimmer denken, den ganzen Frust und die Hoffnungslosigkeit, die ich dort gespürt habe. Ich kam mir unzureichend und schrecklich allein vor.
Dabei war ich es nie.
»Ich dachte, ich wäre die Einzige, die sich so fühlt«, gebe ich zu.
»Du?«
Michelle sieht mich ungläubig an. »Warum fühlst du dich denn bitte wie eine Versagerin? Du bist fantastisch, Nell! Du bist so klug, talentiert und freundlich.«
Sie lächelt mich an, und ich bin kurz davor, in Tränen auszubrechen.
»Und du hast in New York gelebt«, fährt sie fort. »Ich wollte immer in New York leben! Und du bist so viel gereist … Ich weiß noch genau, wie ich Freddy gestillt habe und bei uns im Haus festsaß und du gerade durch Indonesien gereist bist, ich war so neidisch …«
»Ja, aber dafür habe ich nichts von dem, was du hast«, protestiere ich und werfe einen Blick auf Tom, der tief und fest schläft.
»Aber im Gegensatz zu mir einen funktionierenden Beckenboden«, erwidert sie schlagfertig, und ich kann nicht anders und muss einfach lachen. »Und du bist frei! Unterschätz das nicht. Mir stehen jetzt weitere vier Jahre Peppa Wutz
bevor, bei guter Führung vielleicht auch nur drei.«
»Und Indoorspielplätze musstest du auch noch nicht kennenlernen«, fügt Holly mit angewidertem Gesichtsausdruck hinzu.
»Was ist das?«
»Das willst du gar nicht wissen.« Fiona schüttelt sich. »Eine einzige Bakterienschleuder.« Aber ihr Blick zeigt mir, dass nicht nur ich falsche Vorstellungen vom Leben der anderen hatte.
»Du hast sogar dein eigenes Unternehmen gehabt!«
»Und bin damit gescheitert!«, erinnere ich sie. »Wobei ich mein ganzes Geld verloren habe.
«
»Na und? Das geht schneller, als man denkt«, sagt Michelle wohlwollend.
»Geld allein macht nicht glücklich.« Fiona schüttelt den Kopf. »Ich kenne eine ganze Menge reicher Menschen, und du kannst mir glauben, dass viele von ihnen alles andere als glücklich sind.«
»Und du hast dich nicht für den falschen Mann entschieden«, ruft Holly da und schwenkt dabei ihr Glas so stark, dass der Wein über die Ränder schwappt. »Du musstest noch nie in Beziehungen so viele Kompromisse eingehen und bist auch nicht in einer unglücklichen Ehe gefangen, in der nur noch gestritten wird.«
Wir alle drehen uns zu Holly um.
»Adam ist der Falsche?«, fragt Michelle, während es plötzlich still am Tisch wird.
Holly zögert, als sie sich bewusst wird, was sie da laut ausgesprochen hat, dann …
»Es läuft schon eine ganze Weile ziemlich mies«, offenbart sie. »Ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann wir zum letzten Mal Sex hatten …«
»O Gott, wer kann das schon?«, springt ihr Fiona zur Seite. »Wenn David von der Arbeit kommt, ist er meist völlig erledigt, und ich schlafe schon.«
»Nein, bei uns geht es um mehr. Ich glaube, wir mögen uns einfach nicht mehr.« Hollys Gesicht entgleist. »Der einzige Grund, warum ich für den Triathlon trainiere, ist, dass ich wieder Kontrolle über mein Leben bekommen möchte … und außerdem bin ich dann nicht zu Hause, in dieser schrecklichen Atmosphäre.«
»Aber ihr seid doch immer so ein tolles Paar gewesen«, sagt Michelle leise.
»Ich weiß.« Holly nickt. »Aber die Dinge haben sich geändert, und wir haben uns irgendwo auf dem Weg verloren … Adam sagt, er möchte noch ein Baby, damit Olivia kein Ei
nzelkind bleibt, aber das macht es doch nur noch schwerer zu gehen, oder etwa nicht?«
Sie sieht jede von uns nacheinander an.
»Schon der Gedanke zeigt, was für ein furchtbarer Mensch ich bin, und ich weiß natürlich, dass ich es meiner Tochter nehme, Geschwister zu bekommen …« Sie hält inne, schüttelt den Kopf und trinkt den Rest aus ihrem Glas. »Aber ich bin einfach so verdammt verängstigt und verwirrt. Ich habe keine Ahnung, wie ich da reingeraten bin und was ich jetzt machen soll …«
Ich beuge mich zu ihr hinüber und fasse nach ihrer Hand.
»Du bist kein furchtbarer Mensch, du bist ganz normal.«
Sie wischt sich eine Träne von der Wange, lächelt mich tapfer an und nickt, aber ich weiß, dass meine Worte sie nicht überzeugen.
»Manchmal, wenn ich mit Clementine Enten füttern gehe, sehe ich sie da auf dem Teich herumschwimmen, und dann denke ich, dass sie so sind wie wir.«
Annabel. Bisher hat sie nur zugehört und kaum etwas gesagt, aber jetzt platzt es aus ihr heraus.
»Wir gleiten auf der Oberfläche entlang, und darunter strampeln sich unsere Beine ab wie verrückt, damit wir nicht untergehen.«
Ich muss meine Freundinnen nicht ansehen, um zu wissen, dass wir uns alle in dem Bild wiedererkennen. Ich bin eine verfluchte Ente.
»Wisst ihr eigentlich, wie viele Badeanzug-Fotos ich von mir machen musste, um das eine, das ihr alle online gesehen habt, zu posten?«, fährt sie fort. »Achtundzwanzig. Ich habe sie gezählt. Es war so zermürbend.«
Sie fummelt an dem großen Diamanten an ihrem Finger herum. Er glitzert wie eine Discokugel.
»Ich wollte, dass alles perfekt ist. Ich dachte, wenn ich der Außenwelt dieses Bild präsentieren kann, dann wird es auch zu Hause so sein. Ich habe mein Leben auf den Social-Media-
Kanälen betrachtet und so getan, als wäre es wirklich mein Leben.« Sie zuckt mit den schmalen Schultern.
»Dabei war das alles Quatsch. Die ganzen glücklichen Familienfotos, um zu zeigen, wie perfekt alles war …« Sie schnauft verächtlich. »Clive hat seine Sekretärin gevögelt. Meine Tochter hat sich so sehr nach Aufmerksamkeit gesehnt, dass sie angefangen hat, andere zu mobben. Und ich?« Sie schüttelt den Kopf. »Ich nehme Antidepressiva und mache eine Diät nach der anderen. Ich bin bestimmt schon seit 1998 immerzu hungrig, das könnt ihr mir glauben.«
Durch diesen letzten Satz von Annabel wird mir bewusst, was für ein besonderer Abend das ist. Ich hatte zwischendurch gedacht, dass niemand Hollys Enthüllungen toppen könnte, aber da sieht man es mal wieder: Für keine von uns ist das Leben immer einfach. Daraus habe ich gelernt, dass man nicht zur Versagerin wird, nur weil etwas nicht so ist, wie man sich das ausgemalt hat. Das echte Leben ist nun einmal chaotisch und kompliziert. Manchmal läuft es eben schlecht. Und es gibt keine einfache Lösung, die für alle die richtige ist. Ohne die Filter, Hashtags und weisen Sprüche sind wir genauso ängstlich und verwirrt wie alle anderen. Jede von uns lebt ihr Leben, das eben nicht immer und auf allen Ebenen einwandfrei verläuft oder so perfekt aussieht wie auf Instagram, aber das ist auch vollkommen in Ordnung.
»Und die Quinoa-Cupcakes waren ekelhaft, oder?«
Annabel guckt uns der Reihe nach an. Wir sehen einander an und nicken.
»Wirklich widerlich«, gibt Fiona zu und spricht damit aus, was alle denken.
»Hier, du kannst einen hiervon gebrauchen.« Michelle greift in ihre Tasche und zieht eine Packung ihrer heiß geliebten Teeküchlein hervor. »Ich wollte sie eigentlich für später aufbewahren, aber du hast sie nötiger als ich.« Sie reißt die Packung auf und schiebt sie über den Tisch
.
Annabel wirft einen zweifelnden Blick darauf, dann greift sie zu. Wir beobachten, wie sie die Silberfolie abzieht und einen kleinen Biss nimmt, warten, während sie den Keksboden und das schokoladenüberzogene Marshmallow kaut, bevor sie uns anschaut und über das ganze Gesicht grinst.
An ihren Zähnen klebt Schokolade.
»Nimm noch eins«, fordert Michelle sie auf.
Wofür ich dankbar bin:
- Für unsere Vierziger und alles, was danach noch kommen mag. Diese Zeit in unserem Leben ist von Veränderungen und Neuerfindungen geprägt, von Neubeginn und Abschied. Nicht alles daran ist so geplant und auch nicht immer gewollt, aber es wird uns auf neue, andere Wege führen, die ebenso wunderbar wie Angst einflößend sind.
[16]
- Die Erkenntnis, dass es uns allen ähnlich geht.
- Fiona, die mir später sagt, dass ich schöne Arme habe und immer noch Spaghettiträger tragen kann – was wirklich lieb von ihr ist, aber wie ich schon sagte, ihre Sehkraft schwindet.
- Meine Gruppe gefunden zu haben und mich zugehörig zu fühlen.