Heiligabend
Ich miete ein Auto und fahre mit Cricket auf dem Beifahrersitz und Artus im Kofferraum zu meinen Eltern. Das kam mir einfacher (und billiger) vor, als den Zug zu nehmen. Wir singen zu den Weihnachtsliedern aus dem Radio, stehen im Stau und essen zu viele in Plastik verpackte Dinge von der Tankstelle. Edward würde mich umbringen.
Endlich biegen wir von der Autobahn ab und fahren in der Abenddämmerung durch ein paar meiner Lieblingsecken des Lake District. Gerade noch rechtzeitig, um bei Licht Lake Windermere und die Farben der Berge wahrzunehmen, während wir uns einen Weg durch das Patchwork aus Moosen und Farnen bahnen. Schnee ist vorhergesagt, aber bisher ist es nur kalt und feucht, aus den verschieferten Schornsteinen steigen Rauchschwaden auf.
Weihnachten hat sich in Kalifornien nie wie Weihnachten angefühlt. Am Anfang gefiel mir das. Heiligabend am Strand verbringen, Sonnenbaden auf gestreiften Handtüchern und am ersten Weihnachtstag Sushi essen. Aber schnell nutzte sich das Neue daran ab, und bald schon gab ich ein Vermögen dafür aus, über Weihnachten nach Hause zu fliegen.
Beim ersten Mal kam Ethan mit. Er wollte, dass wir zusammen waren, und dachte, es würde ihm Spaß machen. Mum warf sich mächtig ins Zeug. Dad nahm ihn mit in den Pub. Rich besorgte ihm ein Ticket für das Fußballspiel. Es schien ihm zu gefallen, wenn er nicht gerade vor Kälte zitterte oder versuchte, 4 G zu bekommen (wir reden hier vom Land, und zwar so richtig, hier kann man froh sein, wenn man ein Telefonsignal hat), oder einen Chai mit Sojamilch trinken wollte.
Das war natürlich nicht sein Fehler. Wir sprechen vielleicht dieselbe Sprache (auch wenn es ihm ziemlich schwerfiel, die Leute aus meinem Heimatort zu verstehen), aber man muss nur einmal versuchen, einem Amerikaner unsere seltsame britische Pantomime-Tradition zu erklären, um zu merken, wie groß die Unterschiede wirklich sind. Der Reiz verflog schnell.
Na ja, egal. Es war zumindest das erste und das letzte Mal. Ethan kam nicht noch einmal mit, von da an verbrachten wir Weihnachten getrennt, er mit seiner Familie in Kalifornien und ich hier. Nur im letzten Jahr war es anders, da saß ich allein in unserer Wohnung und packte meine Sachen zusammen. Dieses Jahr sind wir dafür beide über Silvester auf dieser Seite des Atlantiks. Das Londoner Restaurant plant ein großes Event, und er hilft bei den Vorbereitungen. Er kommt schon in ein paar Tagen mit dem Flieger …
»Oh, das ist aber wirklich bezaubernd!«, ruft Cricket, als ich in unsere Auffahrt fahre. Das ganze Haus ist mit blinkenden Lichtern geschmückt, und Mum winkt uns schon vom Fenster aus zu. Ich hupe, als wir vorfahren, und Artus bellt. Dad taucht auf Krücken auf und öffnet ein Fenster, ich höre den Fernseher im Hintergrund, und Mum schreit, dass er nicht die kalte Luft reinlassen soll.
Es ist Weihnachten! Wir sind zu Hause.
Wofür ich dankbar bin:
  1. Mums Mince Pies.
  2. Baileys.
  3. Dass Kalorien an Weihnachten nicht zählen.