Nachruf auf eine Versagerin auf der falschen Seite der vierzig
Nell Stevens ist nach einem langen und mutigen Kampf gegen das Gefühl, eine Versagerin auf der falschen Seite der vierzig zu sein, von uns gegangen. Stevens nahm nie ein Blatt vor den Mund, liebte Gin Tonic und Käseflips und war eine Frau, die niemals wusste, was sie da eigentlich tat und wie sie da überhaupt hingekommen war.
Als junge Frau schien ihr Leben noch voller Möglichkeiten. Mit einem Bachelorabschluss in Englischer Literatur verließ sie die Universität Manchester und wurde bei einem renommierten Verlag eingestellt, wo sie schnell zur Redakteurin im Kinderbuchsegment befördert wurde – eine Position, die einen Umzug in das strahlende Licht von New York City erforderte.
Während ihr beruflicher Weg von Erfolg gekrönt war, schien die Liebe sich ihr zu entziehen, bis sie schließlich den berühmten Koch Ethan DeLuca traf, als sie bereits von Panik getrieben auf die vierzig zuschlitterte. Das Ergebnis war eine Verlobung und der daraus resultierende Umzug nach Kalifornien. Ein Happy End schien vorgezeichnet, jedoch sollte es nicht sein: Ein gescheitertes Unternehmen, ein gewaltiges Minus auf dem Konto und eine geplatzte Verlobung machten die Pläne zunichte und ließen Stevens in das Vereinigte Königreich
zurückkehren. Durch ihr Unvermögen, einen Kredit zu bekommen, irgendeine Yogapose richtig auszuführen oder Freude daran zu empfinden, das Chaos namens Leben aufzuräumen, musste sie fortan in einem Zimmer zur Untermiete wohnen, Kleidungsstücke mit Ärmeln tragen und in ihr iPhone weinen.
Einmal wurde sie sogar mit den Worten zitiert, ihr Leben lasse sich wie folgt zusammenfassen: essen, scrollen, weinen.
Unverheiratet, kinderlos und ohne die Vorausschau, in den Neunzigerjahren Immobilien gekauft zu haben, stolperte Nell Stevens fortan durch ihr Leben. Im Gegensatz zu ihren verheirateten Freunden mit Kindern hatte sie verschiedenartige Beziehungen und eine Reihe von furchtbaren Onlinedates, die zwar Stoff für ihren Podcast lieferten, jedoch auch dazu beitrugen, dass sie sich als Gescheiterte wahrnahm.
Als Frau auf der falschen Seite der 40 hatte sie jedoch die Entschlossenheit und Fähigkeit, trotzdem zu lachen, und im letzten Jahr ihres Lebens fand sie neue Freunde und entdeckte bis dahin unbekannte Wege, die sie zu neuen, unerwarteten Freuden führten. Die Gefühle, dass ihr Leben nicht nach Plan verlief, ihr die Zeit davonrannte und sie nicht dem Vergleich mit ihren Freunden standhielt (oder dem, was sich ihr auf den Social-Media-Kanälen zeigte), sowie ein Körper, der nicht mehr so war wie mit zwanzig, ließen sie einen Podcast mit dem Namen Auf der falschen Seite der 40 – Bekenntnisse einer Versagerin
beginnen, der zu einem Überraschungserfolg wurde.
Die Produktion eines Theaterstücks des preisgekrönten Dramatikers Monty Williamson, das sie lektoriert und fertiggestellt hatte, und das erfolgreiche Projekt der Mini-Büchereien, das sie mitgegründet hatte, führten dazu, dass die Versagerin auf der falschen Seite der vierzig gar keine Versagerin mehr zu sein schien. Tatsächlich fand sie, während sie endlich in den Genuss kam, selbst Wohnungseigentümerin zu werden und Kissen auszusuchen, die sie auf ihrem Sofa nach Lust und Laune anordnen konnte, das, was sich ihr so lange entzogen hatte: echte,
wahre Liebe für Edward Lewis, den Besitzer einer erfolgreichen Umweltsoftware-Firma, der Nell wie folgt beschreibt: »Als hell leuchtendes Licht – und zwar im wörtlichen Sinne, da sie immer alle Lampen anlässt.«
Trotz ihres jahrelangen Kampfes, die Dinge zu verändern, war der Grund für den Tod dieser Versagerin auf der falschen Seite der vierzig nicht ihr Scheitern, sondern, ihr Leben zu lieben. Ein Leben, wie sie auf dem Sterbebett erklärte, das sie erst fand, als sie mutig genug war, es anzunehmen.
Auch wenn dieses neue Leben in kürzlich über sie erschienenen Artikeln verschiedener Zeitschriften erfolgreich schien, war es doch noch immer chaotisch, unfertig und kompliziert. In ihren neueren Podcastfolgen machte Stevens deutlich, dass sie sich zweifelsohne auch in Zukunft in vielen Momenten als Gescheiterte und Versagerin fühlen werde, in denen DIE
ANGST
ihr hinter der nächsten Ecke auflauern und sie in den Spiegel sehen und sich ärgern werde, weil das Leben nun einmal so ist.
Wie ihre Freundin Cricket, die sie kurz vor ihrem letzten Atemzug besuchte, sagte:
»Die Versagerin auf der falschen Seite der vierzig ist tot, lang lebe die Versagerin auf der falschen Seite der vierzig!«
Nell Stevens hinterlässt ihre stolzen Eltern Carol und Philip, ihren nervigen kleinen Bruder Richard, ihre wundervolle Nichte Evie und ihren Sinn für Ironie angesichts dieser verrückten Sache, die man Leben nennt.
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