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Der Mann war von Liebe erfüllt.
Trotz der Kälte war er komplett durchgeschwitzt, nachdem er den Körper schließlich ins Trockene gezerrt hatte. Das aus groben Bruchsteinen geschichtete Gewölbe ließ seinen Atem hallen. Die Ritzen zwischen den Steinen ließen kaum etwas von dem schier endlosen Regen durch. Hier drinnen war es trocken.
Der Mann warf Stéphanies Umhängetasche auf den Boden, zog das Smartphone aus der Tasche und schaltete die Taschenlampen-App ein. Er stellte das Gerät auf einen schmalen Sims, ließ sich dann auf den Boden plumpsen, um für einen Moment zu Atem zu gelangen, schloss die Augen und konzentrierte sich auf das Geräusch der prasselnden Tropfen vor dem Eingang.
Dann öffnete er wieder die Augen und betrachtete den vor sich ausgestreckten Körper. Endlich war er mit ihr ganz allein. Endlich konnte er mit ihr tun, was er schon immer mit ihr tun wollte. Endlich würde sie sein werden.
Der Mann wusste, dass es falsch war, aber auf der anderen Seite … Keiner käme auf die Idee, hier an diesem Ort nach ihr zu suchen – falls überhaupt jemals jemand nach ihr suchen würde. Und reden, nun, reden konnte sie jetzt sowieso nicht mehr. Ihre geröteten und gleichzeitig matten Augen standen weit offen. Regentropfen und kleine Erdkrümel hatten sich darin gesammelt. Ihre Lippen waren leicht geöffnet. Man könnte meinen, sie wollte jeden Moment etwas sagen oder andere Lippen dazu einladen, sie zu …
Der Mann beugte sich nach vorn und zu Stéphanie herab. Er presste seinen Mund auf ihren, küsste sie leidenschaftlich und ignorierte den Geschmack nach Blut auf ihrer kalten Zunge. Er strich ihr die nassen Haare aus dem Gesicht und vom Hals, der an der Kehle von seinem Klammergriff dunkel verfärbt war. Sie war so schön. Er würde etwas finden, um diese Würgemale zu verdecken. Und wenn ihr Haar trocken war, dann würde er es kämmen und flechten.
Aber jetzt musste sie erst mal raus aus den nassen Sachen. Er musste sie ohnehin ausziehen, weil er im Etikett und in den Schuhen nach ihrer Größe schauen wollte, wenn er ihr neue, trockene Sachen besorgte.
Der Mann lächelte versonnen, verspürte einen Knoten im Hals und musste beinahe weinen vor Glück. Er betrachtete Stéphanie lange, strich ihr sanft und liebevoll über die bleiche Wange. Sie würde eine so schöne Braut werden.
So schön.