F euer verbrennt meine Nervenenden und hallt durch meinen Körper, als hinter mir ein furchtbares Brüllen ertönt. Es klingt wie ein Dämon, der direkt aus der Hölle kommt, aber ich weiß ohne jeden Zweifel, dass es keiner ist. Er ist nicht ganz der Teufel, aber auch kein Engel. Es muss Judge sein.
Ich versuche, mein Gesicht vom Leder zu heben, als ich ein Grunzen höre, gefolgt von einem Tumult, aber ich bin zu schwach. Ich versuche, nach ihm zu rufen, weil ich eine Bestätigung brauche, dass jetzt alles in Ordnung sein wird, aber meine Lippen sind zu ausgedörrt und ich habe vom Schreien keine Stimme mehr.
Ein gemurmelter Fluch von seinen Lippen ist der Beweis, den ich brauche, und dann gibt mein Körper auf einmal nach. Als wäre mir eine tonnenschwere Last von den Schultern genommen worden, muss ich glauben, dass alles gut wird. Es wird gut werden, weil er hier ist. Dieser Gedanke verblasst, als das Adrenalin nachlässt, mir schwindelig wird und ich der Dunkelheit nachgebe.
Irgendetwas kratzt an den Rändern meines Bewusstseins und Wärme blüht unter meiner Haut auf. Ich fühle mich heiß. Fiebrig. Als würde ich lebendig verbrennen. Schmerz durchzuckt meinen Körper und zerrt mich in eine Realität zurück, die ich vergessen will. Es war kein Traum. Es war auch kein Albtraum. Ich war dort und jetzt ist es zu still. Ich habe Angst, meine Augen zu öffnen. Ich habe Angst, mich zu bewegen. Mein Herz fühlt sich an, als würde es mir aus der Brust springen und ich habe Mühe, einen Atemzug zu nehmen, als eine Handfläche sanft auf meine Wange gelegt wird.
„Mercedes.“
Ich schrecke vor der Berührung zurück, lasse mich auf den Rücken fallen und stoße sofort einen gequälten Schrei aus. Der Schmerz. Gott, der Schmerz.
Mein Brustkorb gibt nach und bevor ich verstehe, was passiert, wird mein ganzer Körper von Schluchzern geschüttelt. Tiefe, hässliche, entsetzliche Schluchzer.
„Bitte“, flüstert die erstickte Stimme neben mir. „Mach die Augen auf. Sieh mich an.“
Diese Stimme … der Klang meines Peinigers und Retters hat eine seltsame Wirkung. Sie tut mir weh, aber sie spendet auch ein wenig Trost. Denn ich weiß mit Sicherheit, dass er mich zurückgeholt hat. Ich habe ein Monster gegen ein anderes eingetauscht, und ich muss glauben, dass dies das kleinere Übel ist.
„Bitte“, fleht Judge. „Sieh mich an.“
Es dauert ein paar unregelmäßige Herzschläge, bis ich meine Augen öffnen kann. Nicht für ihn. Nie wieder für ihn. Aber als ich seinen Blick treffe, raubt mir der Schmerz in seinem Gesicht den Atem.
„Lass mich dir helfen“, sagt er sanft. Sanfter, als ich ihn je habe sprechen hören. „Ich muss dich wieder auf die Seite drehen, damit es nicht wehtut. Aber dazu muss ich dich anfassen. Erlaubst du mir das?“
Eine neue Welle des Schluchzens trifft mich und ich kann nichts dagegen tun. Im Moment habe ich keine Kontrolle über meine Gefühle. Keine Kontrolle über meinen Verstand.
„Verdammte Scheiße.“ Judge streckt seine Hand aus, um mich erneut zu berühren, und wieder zucke ich weg, was ihn tief verletzt. Ich kann es in seinen Augen sehen. Er sieht so hilflos aus, und er war noch nie ein hilfloser Mann.
Ich war auch noch nie eine hilflose Frau. Aber in diesem Moment bin ich es. Ich bin so gebrochen, dass ich nicht weiß, ob ich mich jemals davon erholen werde.
„Vielleicht sollte ich es versuchen“, bietet Lois sanft an, als sie nach vorne tritt.
Einen Moment lang sieht Judge so verzweifelt von der Vorstellung aus, dass er den Kopf schüttelt. Aber mein Blick bewegt sich zu Lois und ich strecke meine Finger mit einem stummen Flehen nach ihr aus. Sie ist die einzige Person hier, die mir nicht wehgetan hat. Meine einzige Verbündete in diesem Haus.
„Okay“, stimmt Judge steif zu. „Bitte, dreh sie einfach auf die Seite.“
Lois setzt sich neben mich, vorsichtig und bedächtig, als sie meinen Arm berührt. „Ich helfe dir, dich wieder auf die Seite zu drehen“, sagt sie sanft. „Ist es okay, wenn ich deine Schulter berühre?“
Ich nicke ihr zu und sie legt ihre Hand unter meine Schulter und bringt mich langsam auf die Seite, die Beine an meinen Körper gepresst. Mein Hintern brennt. Meine Oberschenkel auch. Aber etwas Klebriges bedeckt meine Haut und ich weiß, dass sie die Wunden eingecremt haben müssen.
„Ist das in Ordnung?“, fragt sie.
Wieder nicke ich, dankbar für ihre beruhigende Energie.
„Wir haben Medikamente, die helfen werden“, erklärt sie mir. „Nimmst du sie?“
Mein Blick wandert wieder zu Judge und mein Körper zittert, als sich eine weitere Welle des Schmerzes durch mich bewegt.
„Ich bin genau hier.“ Er lehnt sich auf die Ellbogen gestützt nach vorne und zieht frustriert die Augenbrauen zusammen. „Ich gehe nirgendwo hin, Süße. Niemand wird dich anfassen. Niemand wird dich jemals wieder so verletzen.“
Meine Lippen öffnen sich und ich gebe einen erstickten Laut von mir. Ich schlucke, bis meine trockene Kehle eine Antwort hervorbringt. „Mach keine Versprechen, die du nicht halten kannst.“
Bestürzung zieht sich über sein Gesicht, aber ich bin zu sehr mitgenommen, um mich darum zu kümmern. Als ich zu Lois aufschaue, scheint sie zu verstehen, was ich brauche. Ein Versprechen von jemandem, dem ich wirklich vertrauen kann.
„Ich bleibe“, versichert sie mir. „Bitte, Mercedes, mach dir keine Sorgen. Ich werde auf dich aufpassen. Aber du musst dich ausruhen. Du musst dich erholen.“
Ich nicke und sie nimmt die Tabletten von Judge, zusammen mit einem kleinen Becher Wasser. Sie muss meinen Kopf hochhalten, damit ich sie schlucken kann, und nachdem ich das getan habe, werden meine Augen innerhalb von Sekunden schwer. Ich bin erschöpft, und Lois hat recht. Das Einzige, was ich jetzt tun kann, ist mich ausruhen.
* * *
Die Stunden verschwimmen ineinander. Momente des Vergessens scheinen unter Sekunden kurzer Klarheit zu zerbrechen, wenn ich meine Augen öffne und feststelle, dass Lois ihr Wort gehalten hat. Sie ist nicht gegangen. Und Judge auch nicht.
Bilder von ihnen an meinem Bett wirbeln durch meinen Kopf und verfangen sich irgendwo in den brutalen Albträumen, die meinen Körper und meinen Geist zu beherrschen scheinen. Schreie durchdringen die Stille, und ich zittere so heftig, dass ich mich frage, ob ich tatsächlich sterbe. Wenn sie versuchen, mich zu beruhigen, macht das die Sache nur noch schlimmer.
„Was können wir tun?“ Ich höre Judges Stimme. Und dann jemand anderes. Der Arzt, denke ich.
„Zeit.“ Seine Worte verhallen und verwandeln sich in etwas anderes.
Höllenhunde jagen mich durch den dunklen Wald und schnappen nach meinen Fersen. Meine Schreie scheinen aus allen Richtungen widerzuhallen, durch meine Brust in den Boden, wo sie unter meinen Füßen rumpeln. Ich wage es keuchend einen Blick über meine Schulter zu werfen, um festzustellen, dass es gar keine Hunde sind. Es sind Bestien mit Männergesichtern. All die Männer, die mir je wehgetan haben.
Lorenzo De La Rosa, mein Vater. Santiago. Theron. Und natürlich Judge.
Ich versuche, mich gegen sie zu wehren. Ich versuche, sie mit einem großen Stock in Schach zu halten, aber wie jedes Mal bin ich ihnen nicht gewachsen. Einer nach dem anderen stürzen sie sich auf mich, reißen an meiner Haut und fressen mich bei lebendigem Leib auf, bis nichts mehr übrig ist außer meinem schwachen, schlagenden Herzen.
„Lebhafte Träume“, murmelt eine Stimme irgendwo in meiner Nähe. „Nebenwirkung.“
Ich bemühe mich, den Rest zu hören, aber plötzlich werde ich wie durch einen Strudel zurück in das Büro meines Vaters gezogen. Zurück in die Zeit, als ich beschloss, dass es eine gute Idee wäre, ihm zu zeigen, dass ich ein Rückgrat habe. In seiner toten Gestalt wirkt er überlebensgroß. Er ist über den Schreibtisch gebeugt, das Gesicht von der Explosion halb zerfetzt, sodass sein Schädel zu sehen ist. Wenn er seine Arme bewegt, steigt er näher zur Decke, und schwarzer Rauch zieht durch den Raum und raubt allen Sauerstoff.
Törichtes kleines Mädchen. Seine Worte hallen durch mich hindurch und lassen mich bis auf die Knochen frösteln. Und dann zerrt er mich wieder in die Kapelle, um meine Strafe erneut zu vollstrecken.
Der Marmor ist so kalt an meiner Wange, als er mich zu Boden wirft. Ich weine, denn das muss echt sein. Aber es ist das Geräusch, als er seinen Gürtel herauszieht, das mich wirklich in Panik versetzt.
Das Leder beißt in meine Haut und ich schrecke auf, nur um von seinem Stiefel wieder zu Boden gestoßen zu werden. Und dann wiederholt er es. Wieder und wieder. Die Gewalt nimmt kein Ende und meine Tränen retten mich nicht, auch nicht, als meine Gliedmaßen auseinanderfallen und an den Nähten reißen.
„Bitte“, flehe ich.
„Böse Mädchen kommen in die Hölle!“, brüllt er, während sich der Boden öffnet, eine feurige Grube freigibt und ich falle, falle hinunter in die Tiefen des Infernos, um dort bis in alle Ewigkeit zu brennen.
„Mercedes, bitte.“ Sanfte Finger berühren mein Gesicht und meine Wimpern flattern, ziehen mich aus den Krallen meines Geistes zurück. „Wach auf.“
Ich will es, aber ich habe immer noch zu viel Angst. Und dann rieche ich ihn. Warme Gewürze und Leder. Ich sage mir, dass es nicht sicher ist. Ich kann niemandem trauen. Aber als ich spüre, wie sein Gewicht neben mir auf das Bett sinkt, wünschte ich, ich könnte es.
„Wach auf.“ Seine Finger gleiten über meinen Kiefer, streicheln meine Haut, als würde er sich das Gefühl einprägen. „Ich weiß, dass du da drin bist.“
Meine Augen öffnen sich langsam, aber das helle Sonnenlicht sticht trotzdem. Es verwirrt mich. Wie lange liege ich schon in diesem Bett? Ich versuche, mich zu bewegen, und Judges warmer Atem streicht über meine Lippen, als er mir sagt, ich solle liegen bleiben. Er ist so nah, liegt direkt neben mir, mir zugewandt. Dunkle Ringe färben die Haut unter seinen Augen. Erschöpfung liegt schwer in seinen Zügen, aber auch Erleichterung ist darin zu erkennen.
„Es ist alles gut“, murmelt er. „Ich bin hier bei dir.“
Ich wünschte, ich könnte ihm glauben. Als ich blinzle, kommen noch mehr Tränen, und ich bin es so leid zu weinen. Aber Judge wischt sie mit seinen Daumen weg, während sein Körper noch näher kommt. Seine Wärme durchdringt mich und ich will es nicht mögen. Ich will nicht, dass sie mich tröstet. Aber ich kann mich nicht dazu durchringen, ihn wegzustoßen. Nicht einmal, als er mit den Fingern über meine Lippen streicht, als wolle er sie einfach nur küssen, aber er weiß, dass er das nicht einmal versuchen darf.
„Wie lange bin ich schon hier?“, krächze ich.
„Seit Tagen“, antwortet er mit ernster Miene.
Ich verstehe nicht, wie das möglich ist. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich tagelang geschlafen habe. Oder etwas zu trinken. Oder auf die Toilette gegangen zu sein. Aber ich bin sauber und trage einen frischen Schlafanzug, als ich an mir herunterschaue. Ich habe eine Infusion in der Hand und der Schlauch führt zu einem Ständer neben dem Bett.
„War ich zwischendrin wach?“, frage ich.
„Manchmal.“ Etwas Dunkles blitzt in seinem Blick auf, als wolle er sich nicht an diese Momente erinnern. „Aber wir haben dir Medikamente gegeben. Vielleicht erinnerst du dich nicht.“
Mein Blick fällt auf seine Augen, und ich ertappe mich dabei, wie ich mich in ihnen verliere und mich frage, wer er wirklich ist. Was er vor der Welt verbirgt. Therons Worte sind noch frisch in meiner Erinnerung. Du weißt nicht, wozu er fähig ist.
„Warum bist du hier?“, frage ich.
„Weil.“ Er schluckt schwer. „Weil ich dich nicht … verlassen kann.“
Ich möchte die Emotion hinter diesen Worten verstehen, aber ich kann es nicht. Die Erschöpfung wird erneut zu groß und reißt mich in die Tiefe. Judge spürt das und kommt näher, streicht mir die Haare aus dem Gesicht und lässt seine Handfläche dann auf meiner Taille ruhen.
„Es ist okay“, flüstert er. Seine Worte sind wie ein sanftes Schlaflied in meinem Ohr. „Du kannst jetzt schlafen, kleines Monster. Ich werde über dich wachen. Du bist jetzt bei mir in Sicherheit.“