Am Freitag wurden in Darmstadt

Am Freitag wurden in Darmstadt achthundert Hasen verteilt, sie waren bei andern Leuten als überzählig aus den Ställen geholt worden. Mit Futter ist es schlecht, auch bei mir, weil beide Fahrräder kaputt sind. Bettine ihrs hat gleich nicht gehalten, und bei meinem sind nach zwei Tagen, als du zurück nach Mondsee gefahren warst, Schlauch und Reifen geplatzt, es steht bei Walters in der Elisabethenstraße. Gut ist es nicht, aber so könnte ich in die Stadt, verschiedene Abfälle holen. Der Omnibus ist immer überfüllt.

Kommst du mit den Windeln aus, Margot? Habt ihr genug warme Sachen? Wie ist die Schlafgelegenheit von dir und dem Kind? So gut wie daheim wird sie nicht sein. Und hoffentlich hast du genug zu essen in deinem Mondsee, bist ja immer so hungrig, und jetzt, wo du das Kind stillst. Ich erinnere mich gut, wie es war, als ich dich gestillt habe, du hast immer viel gebissen, ich hoffe, es bleibt dir solches erspart. / Heute Nacht schlafe ich mal wieder in meinem Bett, habe seit dem letzten Angriff in deinem geschlafen. Von jetzt ab benützt es Bettine. Ernst und Helen schlafen im kleinen Stübchen, bis sie die neue Wohnung in der Saalbaustraße beziehen können.

Papa ist weiterhin in Metz, er sieht viel zu schwarz und macht sich mit seinen Gedanken ganz kaputt. Leute in seinem Alter kommen bestimmt nicht nach Russland, aber er lebt in ständiger Angst, und obendrein kränkt es ihn, dass er und die andern in dem Alter noch so geschliffen werden. Andererseits ist es vielleicht gut, und dein Vater lernt sein Heim schätzen und merkt, dass ein gutes Wort mehr wert ist als Brüllen und Anschnauzen. Wenn er uns bloß gesund wiederkommt, das sind Tag und Nacht meine Gedanken.

Bettine schreibt aus Berlin, dass sie neue Schuhe und einen neuen Hut hat, und sie trennt sich nicht von ihrer Künstlermähne, obwohl ihr das Käppi nicht passt. Im schönsten 20-Pfennig-Roman kann es eine Schaffnerin nicht besser haben als deine Schwester beim Arbeitsdienst. Ich mache mir große Sorgen um sie. Berlin ist doch ziemlich heißes Pflaster, und Bettine sieht keine zwei Schritt weit mit ihren sechzehn Jahren. Ich hab ihr schon paar Mal geschrieben, sie soll versuchen, dass man sie von der verfluchten Straßenbahn freigibt, aber sie stellt sich taub.

Meine Beine sind jetzt schön geheilt. Gestern war ich beim Arzt. Er sagt, ich kann nachts die Binden ablassen. / Eben habe ich’s Peterle vor die Tür gesetzt, hat meine frisch geputzte Küche ganz voll gemacht. Sonst ist ja alles noch so wie früher.

Jetzt habe ich paar Tage nicht geschrieben, weil ich nicht über einen Teelöffel voll freudiger Nachrichten verfüge, und über traurige Zeiten zu schreiben liegt mir nicht. Dazu ist alles so schwer zu bekommen, kein Dung, kein Drahtzaun, keine Dachpappe, alles fehlt. Unablässig läuft man herum und umsonst. Am schlimmsten empfinde ich, dass mein Rauchtabak nicht zureicht. Hätte man einen Mann, der auch Raucherkarte hat, würde es schon gehen, aber nur auf meine Karte ist es zu wenig, und wenn ich nicht zu rauchen habe, vergeht mir die Lust zu jeder Arbeit. Anderes Zeug, wie so manche, rauche ich nicht, das habe ich probiert, und mir wird schlecht, wenn ich nur dran denke. Das Bier ist auch nur Wasser, von Bier keine Spur, Papa würde sagen, es ist alles Käse. / So renne ich die ganze Zeit herum, und wenn ich schreiben will, kommt etwas dazwischen, und die vielen Luftangriffe machen das Übrige. Ich bin in letzter Zeit schon ganz nervös geworden und sehe mit Angst jedem Abend entgegen. Letzten Samstag am Abend heulten die Sirenen, es war ein fürchterliches Getöse in der Luft, es ging auf Frankfurt, wo es große Schäden hat, auch Darmstadt bekam einige Sprengbomben ab, darunter eine schwere, fünfunddreißig Zentner, die ein fünfzehn Meter tiefes Loch in eine Wiese riss, auch Phosphorkanister und Brandbomben. Es brannte an verschiedenen Stellen, darunter eine Fabrik und daneben stehende Arbeiterbaracken. Von den Bränden war es draußen taghell, das Schreien der Ausländerinnen hörten wir bis zu uns.

Du kannst dir denken, dass wir wieder recht bange Stunden mitgemacht haben. Durch den Luftdruck haben auch bei uns die Wände Sprünge bekommen, in der Küche hat es ausgesehen, als wenn die Maler hier gewesen wären, so ist die Farbe von der Decke gekommen. Aber den Flugblättern nach, die sie abgeworfen haben, haben wir das Schlimmste noch vor uns, was andere schon hinter sich haben. Ja, liebe Margot, wenn du das schöne Frankfurt sehen würdest, ich war nach den letzten Angriffen dort, und ich will es kein zweites Mal sehen. Es ist ein Trümmerhaufen von Stadt, man kann die riesigen Schutthaufen gar nicht fortbringen, unter manchen liegen noch die Hausbewohner, es ist furchtbar. Und trotzdem geht das Leben zwischen Schutt und Trümmern seinen Gang. Die ganze Wirtschaft hat man schon im Keller, die Schränke stehen leer.

Wegen dem Kostüm, Margot, ich habe dir doch geschrieben, du sollst es bei einem guten Schneider machen lassen, aber da waren meine Worte wieder umsonst, und nun ist die Bescherung da, es passt nicht und ist zu kurz und was weiß ich noch alles, mit einem Wort, du hast keine Freude damit. Da wird eben nichts zu machen sein, als dass du es für die Waschküche anziehst, also, da will ich mich nicht länger ärgern damit.

Aber ich freue mich, dass wieder einmal ein Lebenszeichen von dir nach Hause gedrungen ist. Mir geht es so weit gut, man lebt eben im Krieg. Und nein, am Abend gehe ich nicht weg, die Verdunkelung macht mir viel zu schaffen, man muss aufpassen, dass man nicht über ein ungeschickt abgestelltes Fahrrad fällt. Hans Bader hat sich auf dem Heimweg im Dunkeln ein Bein gebrochen, weil er eine Treppe übersehen hat.

Der Sohn von Feuerbachs war auf Krankenurlaub zu Hause, soll Malaria gehabt haben, und der Schwiegersohn ist in Polen, von dort kommen immer gute Happen. Es gibt Leute, die sich damit brüsten, dass sie vom Krieg gar nichts merken. / Im Haus gegenüber, der Eulenfritze, bringt mich zur Weißglut. Den lieben langen Tag, sage und schreibe, steht er hinterm Fenster oder auf dem Balkon. Und ständig am Rauchen: Pfeife, Zigarre, Zigarette, abwechselnd. Und reckt sich oder verschränkt die Hände hinterm Nacken. Für solche Menschen schindet Papa seine Knochen, andere arbeiten wie Pferde. Hat bestimmt einen Vetter im Himmel. Auch Herr Becker: dem hat der Arzt ein Zeugnis ausgestellt, dass er Herzneurose hat. Jetzt beschwert er sich, täglich zehn Stunden arbeiten und mindestens zweimal in der Woche Brandwache, er sagt, da rücke er lieber ein. Ein ganz blöder Hammel, der so etwas sagt. Lieber arbeite ich rund um die Uhr mit Herzneurose, als dass ich mir den Arsch erfriere. Papa sagt, die Infanterie liegt in Erdlöchern, viele in Zelten, dabei ständig fünf oder zehn Grad Kälte, da will niemand tauschen. Und jede Sekunde kann eine Granate dazwischenfahren, rumms, keiner weiß, wann’s ihn trifft. Die sollen zufrieden sein, dass sie zu Hause sind. Die Luft ist hier jetzt überhaupt recht dick, es prasselt Stellungsbefehle. Wie geht es deinem Mann? Ist er noch in Rumänien?

Käta hielt gestern ihren ersten Kinderkochkurs, kalte Küche für bis zehnjährige Kinder, auch Buben, deren Mütter im Arbeitseinsatz stehen. Die Kinder waren recht brav, aber Käta ist vom vielen Reden stockheiser und bringt kein lautes Wort hervor. Ich selber hatte einen Samstag wie Arsch und Friedrich, und wenn nicht etwas im Backrohr wäre und ich noch aufbleiben müsste, würde ich schon im Bett liegen und nicht Briefe schreiben. Vierzehn Tage schon habe ich mich nicht mehr zum Fenster gesetzt.

Einmal hat mir so lebhaft von dir geträumt, dass du mit voller Rüstung bepackt über einen Feldweg gekommen bist, ich hab dich so wie einen Soldaten in Uniform gesehen, auf dem Rücken das Kind. / Hoffentlich findet der Krieg bald mal ein Ende.

Dass Bettine in Berlin auf der Straßenbahn ist, lässt mir keine Ruhe. Schreib du ihr, sie soll sich nicht mit Männern einlassen, weil sie sich ihr ganzes Leben versauen kann, es gibt so viele Krankheiten, und die meisten wissen es nicht. Die Männer sind doch nur paar Tage in der Stadt, und nachher schaut sie dumm aus der Wäsche. Es war auch von dir keine gute Entscheidung, einen Fremden zu heiraten mitten im Krieg und dann gleich ein Kind oder umgekehrt. Also schreibe Bettine, sie soll nicht den gleichen Blödsinn machen, auf mich hört sie ja nicht, sie hat mir gegenüber schon die Berliner Großschnauze angenommen, vielleicht hast du als Schwester mehr Einfluss, sag ihr, schon ein Kuss kann einem Menschen das ganze Leben kaputt machen. Ich meine es nur gut. Hoffentlich nimmt sie die Warnung von dir an und behält sie für ihr ganzes Leben.

Stell dir vor, Fräulein Gramüller gab mir 15 Reichsmark Fahrgeld für Bettine, Bettine erhalte dieses alle Monate, das hat sie mir verheimlicht und sich das Geld von mir nochmals geben lassen, das ist nicht schön, ich bin sehr enttäuscht und hätte ihr das nicht zugetraut. Sag ihr das auch und dass wir alle hoffen, dass etwas Derartiges nicht noch einmal vorkommt. / Mit der Hauswartin von der AOK habe ich gesprochen, sie freute sich, mich kennenzulernen. Sie sagte mir immer: Was macht denn Margot? – Sie lässt dich herzlich grüßen. Ich habe ihr das Bild gezeigt von dir und dem Kind, das du in Linz hast machen lassen. Da ist sie mit dem Bild zu ihrem Mann gerannt und hat mich im Hof stehen lassen und hat nur immer gerufen: Vater, schau dir unsere kleine Gaunerin an! Die Leute dort haben dich sehr gern, es standen ihnen die Tränen in den Augen vor Freude.

In den Berichten, die du nach Hause abstattest, schreibst du viel über das Kind und wenig über dich. Umgekehrt wär’s mir lieber. Es freut mich, dass das Kind schon ho und mu machen kann. Aber was ist mit dir? Und das, was ich geschrieben habe, du sollst dich schämen, das war doch am Platze? Oder hätte ich schreiben sollen, Puppi, so ist’s gut, dass du mir nicht antwortest, so gefällst du mir! – Ich glaube doch eher nicht! Also, lass mich bitte nicht wieder vier Wochen auf Antwort warten. Und natürlich tut es mir leid, dass du so frieren musst, zu Hause hättest du’s besser. Oft lege ich mich abends nieder und schäme mich, dass ich die einzige in der Familie bin, die ein warmes Bett hat. Papa jammert auch, dass er friert, er hat den letzten Brief so schlecht geschrieben, fast nicht zu lesen. Vielleicht hat er sich gar die Hände erfroren. Von einem Urlaub ist jetzt überhaupt nicht die Rede. Ich würde mich schon freuen, wenn wir ihn wieder einmal sehen könnten, auch dich und das Kind, ich hätte das Kind gerne ein bisschen in der Nähe. Und verzeih mir, dass ich dich einige Male angefaucht habe, du kennst mich, es war nicht böse gemeint. Immer wenn ich in das hintere Zimmer gehe und sehe dein leeres Bett, dann packt mich die Sehnsucht nach meiner alten Nuschi. Wollen nur hoffen, dass wir dich bald wieder auf einige Zeit in unserer Mitte haben. / Ja, liebe Margot, ich werde nun Schluss machen und essen, damit ich dann gleich in den Stall gehen kann, wenn Entwarnung kommt. Ich lass dir diesmal ein paar Brotmarken zugehen, weil du ja zu wenig Brot bekommst in deinem Mondsee. Und wenn du schreibst, die Frau, bei der du wohnst, sei eine Hexe: Du wirst eben auch an Erfahrungen und an Enttäuschungen reicher in dein Elternhaus zurückkehren und hast dein schönes Elternhaus jetzt hoffentlich schätzen gelernt und willst nicht mehr weg. Viele, viele Küsse, liebe Margot, von deiner Mutter! Und immer alles Gute!

Fast hätte ich’s vergessen, Gretchen ist am Freitag gestorben. Sie war 79 Jahre alt. Für Otto ist es schlimm, er hat noch eine Nacht bei seiner toten Mutter im Bett geschlafen. Du kannst ja ein Trauerkärtchen schicken. Offenbach, Taunusring 109. / Stömer Fritz ist am Donnerstag am Westwall tödlich verunglückt, ist beim Minenlegen ausgerutscht und drauf gefallen, er war sofort tot. Kammerer ist wieder Vater geworden, da geht es lustig vorwärts, und gibt es sicher bald ein Mutterkreuz in Silber. Die Frau ist noch im Spital wegen zu schwacher Mutterbänder, muss liegen und bekommt Calziuminjektionen. Nichts wie Kinderwägen sieht man unterwegs. / Würd mich interessieren, was du für Lanzen brichst. Diese Stelle im letzten Brief, der angekommen ist, habe ich nicht verstanden.

Leider ist ein dunkelgrauer Hase kaputt gegangen. Ich füttere so sorgfältig, und es wäre ein großer Stolz gewesen, wenn mir während Papas Abwesenheit keiner kaputt gegangen wäre. Seit Sonntag hatte er nichts gefressen. Hätte ich ihn nur gestern von Erb schlachten lassen, aber ich hatte Angst, dass Papa sagt, alles verlottert, wenn ich nicht daheim bin, jetzt schlachtet sie mir mutwillig die Hasen ab. Aber das passiert mir nicht mehr. Wäre vom Lazarett ein Stabsarzt gekommen, hätte er dem Hasen auch nicht helfen können, das ist meine Meinung.

Nun ist heute in acht Tagen Ostern, ja, liebe Margot, jedes von uns fort, aber in Gedanken sind wir alle zusammen. Vor den Fliegern ist mir zwar Angst, ich habe trotzdem das Gefühl, sie verschonen mich. Aber euch alle in der Fremde zu wissen, die einen nicht genug zu essen, die andern frieren, Bettine so anstrengenden Dienst auf der Straßenbahn und bei allen das junge Leben in Gefahr. Ich schäme mich jeden Abend, wenn ich in mein warmes Bett krieche. Ich hätte wirklich gern, dass du mit dem Kind nach Hause kommst. Aber ich sehe auch deine Grenzen.

Es ist jetzt nachts ½ 2, Voralarm, man hört von weitem Brummen. Jetzt kommt der Vollalarm, also bis später. Hoffentlich. Man muss immer Gott danken, wenn man mit gesunden Gliedern aus dem Keller in die Wohnung zurück gehen darf. / Nun ist es wieder Morgen, kurz vor 8, ich will diesen Brief weiterschreiben. Die halbe Nacht waren wir im Keller, Gott sei Dank nicht mit Bombenabwurf, nur Überfliegen, aber es genügt, wenn man ständig die erhabene Aussicht hat, dass einem eine Bombe durchs Dach kommt. Wir haben täglich, an manchen Tagen auch zweimal Alarm, fehlt nur, dass sie auch zum Frühstück kommen, das geht recht über die Nerven, und ich versuche, wenigstens nach außen hin ruhig zu sein. In jedem Quietschen der Gartentür, in jedem Weinen eines Säuglings hört man eine Sirene. Jedes Geräusch prüft man, ob es der Kuckuck ist. Doch genug davon, du wirst ohnehin von allen Seiten Einzelheiten hören, es hat keinen Wert, dir auch des Langen und Breiten davon zu erzählen.

Lulu fragt, ob du ihren Brief erhalten hast. Ich habe dir neulich von Kresser und Luft geschrieben, dass wir bei Alarm im Eichbaumeck bleiben, während alle andern in den Bunker im Wald rennen. Passiert ist bei Kresser und Luft nichts. Aber die Tiefflieger können eine Kaserne nicht von einem Ziegenstall unterscheiden. Stell dir vor, die haben bei uns in den Stall reingeballert.

Ich saß, als ich meine Untersuchung im Krankenhaus hatte, dort zwei Stunden im Luftschutzkeller. Ich weiß gar nicht, ob ich dir das schon berichtet habe, ich verfasse meine Briefe an dich in Gedanken bei der Arbeit, wenn ich das Futter für die Hasen schneide. Solange ich im Keller saß, griffen sie, das heißt, ein Tiefflieger, das Eichbaumeck mit einer Bordkanone an. Herr Kreng grub seinen Garten um, auf ihn wurde geschossen, er stand mitten im Feuer, aber sie haben ihn verfehlt. Sulzbach wurde in den Keller geschossen, Winters das Kinderbett durchgeschossen, im Schlafzimmer ein faustgroßes Loch im Kleiderschrank. Einige Hasen der Guser tot. Zum Glück kein Mensch verletzt. Das war fürs Eichbaumeck große Aufregung, und ich im Keller und weiß nichts. Es ist nur gut, dass sie nicht auch unseren Heuboden unter Feuer genommen haben. / Lies und Lotte sind noch munter. Junge sind noch keine da, nur von Scheckhäsin und Blaue Wienerin. Garten alles in Ordnung, Tomaten stehen gut. Der Hafer ist noch nicht hoch, der Regen fehlt. Klee sehr spärlich, alles zu trocken. Gestern war Opa da und holte sich Pflanzen. Er ging nicht mal zu den Hasen. Wenn ich nicht gesagt hätte, er solle doch mal in den Stall gehen, hätte er es nicht getan.

Opa erzählte, dass Bekannten von ihm dreißig Hasen die Lungen geplatzt sind, weil in der Nähe eine Bombe niederging. Er hat den Bekannten drei Hasen notgeschlachtet zum Einrexen, und die andern wird er auch noch schlachten. Überall schlechte Aussichten.

Hoffentlich haben wir heute Abend mal Ruhe, ich müsste Strümpfe stopfen, dafür ist das Licht im Keller nicht gut genug. Ich wünschte, du könntest bei uns am Tisch sitzen wie früher. Hoffentlich kommst du bald, und wir wollen uns recht einig sein und nicht streiten. Manchen Wortwechsel hätten wir uns gegenseitig ersparen können, bist du nicht auch der Meinung, Margot? Also wenn du dich nicht vor der Bahnfahrt fürchtest wegen der Fliegerumstände, könntest du mit dem Kind mal zwei bis drei Tage kommen, ich würde mich freuen. Und schreib dem lieben Papa recht oft, du weißt, wie viel wert er darauf legt, er hat seine Briefe an uns verwechselt, ich schick dir deinen. Befolge seinen Rat.

Wie geht es dir, liebe Margot? Bumst es bei euch auch oft? Ich habe immer noch keine Antwort auf meine Briefe. Heute ist nun wieder mal Samstag, und es regnet den ganzen Tag. Bettine ist erkältet aus Berlin gekommen, liegt auf der Couch und hat einen Schal dreimal um den Hals gewickelt. Ich habe sie daran erinnert, dass sich Tante Resel auf der Straßenbahn als Schaffnerin ihr Leiden geholt hat, weil sie mit Fieber an den Weihnachtstagen in den Dienst ist. / Und wie geht es euch in Mondsee? Ist dein Genick besser? Ist der Hintern des Kindes besser? Und kannst du schon wieder normal sitzen? Hoffentlich. Zieh dich nur immer warm an. Und wenn du noch nicht ganz gesund bist, sorge dafür, dass du im Bett bleiben kannst. / Jetzt aber Schluss, ich weiß, dass ich die Hälfte vergessen habe, ich habe meinen Kopf nicht beisammen, meine Gedanken wandern hierhin und dorthin.

Lulu ist vorgestern von der Landskronstraße bei strömendem kaltem Regen auf Strümpfen heimgelaufen. Ihre Schuhe sind an ihren Füßen abgeweicht, da hat sie sie weggeworfen. Heute geht sie nicht auf die Sparkasse, weil sie noch keine anderen Schuhe hat. Sie hat schon paarmal gefragt, ob du ihre Briefe bekommen hast. Gern ist sie nicht mehr zu Hause, sie möchte auch mal unter andere Menschen, sie würde aber bestimmt zur Einsicht gelangen, wenn sie erst mal von Darmstadt weg wäre. Du wirst doch jetzt auch eingesehen haben, dass ich es immer gut mit dir gemeint habe? Du sollst in mir nicht nur die Mutter sehen, sondern mich immer auch als treuen Kameraden betrachten, dem du zu jeder Zeit dein Herz ausschütten kannst. Schreib uns mal Näheres über dein Mondsee und was du so machst, ich lese deine Briefe immer im Keller vor, dann haben auch andere was davon. Alle sind ganz erstaunt, dass du jetzt Kartoffelsalat mit Zwiebel essen kannst. Warum kannst du das nicht bei deiner Mutter, die es doch immer so gut mit dir meint? Stattdessen muss ich mich halb tot ärgern. Wenn du jetzt alles essen kannst, kannst du auch bald heimkommen, du warst von mir aus lange genug fort und hast hoffentlich dein Elternhaus schätzen gelernt. / Ich lege dir ein paar Marken bei, lasse sie nicht wieder verfallen.