Es vergingen einige Stunden und immer mehr Männer versammelten sich auf dem Platz. Wie viele davon potenzielle Käufer waren und wie viele nur Schaulustige, konnte Cally nicht beurteilen. Die meisten waren schätzungsweise zwischen dreißig und fünfzig Jahre alt, doch sie sah auch eine Handvoll Männer, die deutlich älter waren. Einer von ihnen fiel ihr auf, weil er sie durchdringend anblickte, sie dabei aber nicht prüfend, sondern eher nachdenklich musterte. Er mochte über siebzig sein, machte jedoch einen vitalen Eindruck. Er war schlank, hochgewachsen, gut gekleidet und seine schlohweißen, welligen Haare gaben ihm fast ein aristokratisches Aussehen. Irgendwie kam er Cally bekannt vor, ohne dass sie hätte sagen können, wieso.
Ein Mann näherte sich den Käfigen und baute sich davor auf. Er war im Gegensatz zu den meisten der Anwesenden nicht in einen Kampfanzug oder eine Uniform gekleidet, sondern trug eine zerknitterte, schwarze Hose und einen hellgrauen, schmutzigen Pullover. Seine ganze Erscheinung wirkte ungepflegt. Er mochte etwa fünfzig Jahre alt sein, besaß nur noch einen kurz geschorenen, grauen Haarkranz, und die fleischige, rote Nase, auf der sich bläuliche Adern abzeichneten, ließ auf seine Trinkgewohnheiten schließen. Er hob einen Arm und das Gemurmel auf dem Platz erstarb.
»Liebe Freunde«, begann er und breitete die Arme aus. »Es ist mir eine Freude, euch wieder einmal anlässlich einer solch erfreulichen Gelegenheit hier zu begrüßen. Selten war es mir vergönnt, euch gleich drei wundervolle Geschöpfe zur selben Zeit anbieten zu können. Wie ihr seht, sind alle drei von ausgesuchter Schönheit und jeden Credit wert, den ihr gleich bieten werdet.« Er stieß ein meckerndes Lachen aus. »Für eine der drei Schönheiten wurde bereits ein Vorranggebot abgegeben. Lasst uns also mit den beiden beginnen, die frei verfügbar sind.«
Er stellte sich vor den Käfig, in dem Cindy nach wie vor weinend auf dem Boden kauerte.
»Diese hier ist zwar noch etwas schüchtern, aber sie wird sicher nach einer entsprechenden Anlernphase jeden Mann glücklich machen. Wer unverdorbenes Fleisch mag und Spaß daran findet, sich sein Pferdchen selbst zuzureiten, kann hier überhaupt keinen Fehler machen. Aber seht selbst!«
Er öffnete mit einem Magnetschlüssel den Käfig und zerrte Cindy brutal ins Freie. Dann griff er nach ihrem dünnen Kleidchen und riss es ihr mit einem Ruck vom Körper. Sie schrie auf und versuchte, ihre Blöße zu bedecken. Die umstehenden Männer lachten. Cindys Tränen rannen noch heftiger.
»Stell dich nicht so an, du dumme Gans«, hörte Cally ihn leise zischen.
Er zwang Cindys Arm, mit dem sie versucht hatte, ihren Oberkörper zu bedecken, mit einer Hand roh zur Seite, während er sie mit der anderen gleichzeitig im Genick packte und in einem eisernen Griff hielt. Ihr nackter Körper rief Pfiffe, Johlen und obszöne Kommentare hervor.
»Ich bin mir sicher, sie wird euch nicht nur in der Küche gute Dienste leisten!«
Gegröle hallte über den Platz und einige der Männer schlugen sich lachend gegenseitig auf die Schultern.
»Also, Männer, bevor ihr eure Credits in den nächsten Puff tragt, investiert sie lieber in dieses wunderschöne, junge Geschöpf. Ich verspreche euch, dass ihr davon viel länger etwas habt. Ich höre die ersten Gebote!«
Sofort wurden die ersten Zahlen gerufen.
»Fünfhundert!«
»Sechshundert!«
»Tausend!«
So ging es einige Zeit weiter, bis nur noch zwei Interessenten übrig waren.
»Dreitausendvierhundert zum Ersten – zum Zweiten – und zum …«
»Dreitausendfünfhundert!«, rief der ältere der beiden Bieter. Er mochte an die Fünfzig sein und seine Kleidung ließ vermuten, dass er durchaus wohlhabend war. Sein Blick flößte Cally jedoch Angst ein. Er wirkte verschlagen, skrupellos und war nur auf Cindy gerichtet. Cally konnte für das junge Mädchen nur hoffen, dass er sie besser behandeln würde, als dieser Blick befürchten ließ.
Der Mitbieter schüttelte den Kopf, winkte ab und verließ fluchend den Platz.
»Für dreitausendfünfhundert Credits an Roberto Tercona!«, rief der Auktionator aus.
Da er den Namen des Mannes kannte, vermutete Cally, dass es sich um eine höhergestellte Persönlichkeit in den Rängen der Piraten handeln musste.
Roberto Tercona ging zu Cindy, hängt ihr den Fetzen, der von ihrem Kleid übrig geblieben war, um die Schultern und führte sie am Arm davon. Cally hatte nicht sehen können, in welcher Form die Bezahlung erfolgt war. Anscheinend war der ältere Mann für sein Wort gut, denn der Auktionator machte keinerlei Anstalten, ihn aufzuhalten.
Dann kam Hanna an die Reihe. Kaum wurde ihr Käfig geöffnet, riss sie selbst das Oberteil ihres Kleides auf und zeigte provozierend ihren wohlgeformten Körper. Langsam schälte sie sich aus dem Kleid und lächelte dabei in die Menge. Cally fand dieses Verhalten entwürdigend und beschämend. Die Männer grölten und jubelten und der Auktionator strahlte über sein feistes Gesicht. Diese Ware würde ihm Profit bringen, ohne dass er sich besonders Mühe geben musste.
»Hier haben wir eine ganz wilde Stute!«, rief er begeistert. »Wer sie ersteigert, wird alle Hände voll zu tun haben – und wie es scheint, nicht nur die Hände!«
Gelächter schallte über den Platz und der Auktionator musste gar nicht erst um Gebote ersuchen.
»Tausend!«
»Zweitausend!«
Die Männer überboten sich, bis auch diesmal wieder nur zwei Bieter übrig waren. Hanna ging schließlich für fünftausend Credits an einen gut aussehenden, etwa vierzigjährigen Mann mit düsterem Blick. Triumphierend warf sie Cally einen letzten Blick zu, bevor er sie wegführte.
»Nun kommen wir zum letzten der drei Vögelchen.« Der Auktionator zeigte auf Cally. »Für sie wurde bereits ein Vorranggebot in Höhe von dreitausend Credits abgegeben. Esteban Hernandez hat sie selbst gefangen und macht Gebrauch von seinem Vorrecht. Wer dieses Vorrecht brechen will, muss ein Mindestgebot in dreifacher Höhe abgeben – also neuntausend Credits, um Esteban mit einem Drittel des Kaufpreises angemessen zu entschädigen.« Er sah kurz in die Runde. »Dies ist nicht der …«
»Ich biete neuntausend Credits!«
Auf dem Platz wurde es schlagartig still. Es war der weißhaarige Mann, der Cally zuvor so aufmerksam gemustert hatte.
»Sie gehört mir!«, ertönte ein wütender Schrei. »Ich habe sie gefangen und noch nie hat jemand ein Vorranggebot überboten. Das ist gegen die Tradition.«
Es war Esteban Hernandez, der sich mit hochrotem Kopf einen Weg durch die Menge bahnte.
»Ich biete neuntausend«, bekräftigte der Weißhaarige mit völlig ruhiger Stimme. »Das ist mein Recht.«
»Es … es stimmt, Esteban. Er kann das machen. Auch wenn es noch nie vorgekommen ist«, stammelte der sichtlich überraschte Menschenhändler.
»Ich lasse sie mir nicht wegnehmen!«, brüllte Esteban, der jetzt direkt vor den Käfigen angekommen war und dessen von Alkohol geschwängerter Atem bis zu Cally stank. Er hatte seinen neuen Besitz anscheinend bereits ausgiebig gefeiert.
»Du kannst ein höheres Gebot abgeben, Esteban«, sagte der Auktionator. »Dann müsste jeder andere Interessent dieses wiederum verdreifachen.«
»Verdammte Scheiße! Viel mehr ist die Kleine aber nicht wert!«
»Dann …«
»Na gut«, brüllte der angetrunkene Mann. »Viertausend!«
»Ich biete zwölftausend«, kam sofort das Gegengebot.
Die Menge auf dem Platz brach in aufgeregtes Gemurmel aus. So etwas war noch nie vorgekommen. Solch einen Preis für eine Frau hatte es noch nie gegeben. Der ältere Mann stand mit verschränkten Armen ungerührt zwischen den anderen.
»Fünftausend!«, schrie Esteban aufgebracht.
»Ich biete fünfzehntausend!«
Jetzt gab es kein Halten mehr. Das Stimmengewirr schwoll an und immer mehr Menschen, die irgendwie von dieser ungewöhnlichen Entwicklung Wind bekommen hatten, strömten auf den Platz, um sich dieses Schauspiel nicht entgehen zu lassen.
Esteban knirschte so heftig mit den Zähnen, dass Cally es hören konnte, obwohl er zwei Meter entfernt stand. Sein Gesicht nahm die Farbe einer reifen Tomate an und man musste befürchten, ihn würde jeden Moment der Schlag treffen.
»Zur Hölle mit dir, Vincent! Dann nimm dir die Schlampe. Ich müsste verrückt sein, noch mehr für diese Kuh zu bieten. Wenigstens hat sie mir ein Drittel deines Kaufpreises eingebracht. Das ist mehr, als sie überhaupt wert ist! Ich hoffe, sie verschafft dir einen Herzinfarkt, wenn du sie dir vornimmst!« Er drehte sich abrupt um und stürmte davon.
Cally hatte die letzten Minuten ungläubig verfolgt. Wer war dieser Mann, der Vincent genannt wurde und der eine solch unfassbare Summe für sie zu zahlen bereit war? Sie konnte nur hoffen, nicht vom Regen in die Traufe geraten zu sein.