15.


In zwei Stunden sollte es losgehen. Cally war nervös und ging im Kopf nochmals alles durch, was Jane mit ihnen besprochen hatte. Es erstaunte sie immer noch, dass Clark und Jane bereit waren, ihr zuliebe die eigene Zukunft aufs Spiel zu setzen. Sie war sich ihrer Gefühle für ihn zunehmend sicher, und sein Verhalten gab ihr die Gewissheit, dass auch er es ernst mit ihr meinte.

Clark kam einige Minuten später. Er war genauso angespannt. Sie saßen nebeneinander auf dem Bett und warteten auf Jane, die sie in etwas mehr als einer Stunde abholen wollte. Cally lehnte ihren Kopf an Clarks Schulter.

»Es muss schwer für dich sein, all dies hinter dir zu lassen.« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

»Die Alternative wäre für mich nicht zu ertragen«, sagte er. »Es ist unsere einzige Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft.«

»Eine Zukunft als Flüchtlinge«, stellte Cally fest. »Sie werden uns jagen.«

»Zumindest Solchoi wird sich nicht einfach damit abfinden, dass wir verschwunden sind. Aber ich habe keine Ahnung, wie mein Vater reagieren wird«, gab Clark zu.

»Ohne dich wäre ich hier verloren gewesen«, flüsterte Cally.

»Ohne dich wäre ich für den Rest meines Lebens verloren gewesen«, hauchte Clark in ihr Ohr.

Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen. Sie konnte spüren, dass er nur auf ein Zeichen von ihr wartete. Cally musste schmunzeln. Sie verhielten sich wie zwei unerfahrene Teenager, die sich beide scheuten, den ersten Schritt zu tun.

»Küss mich schon, du Idiot!«, sagte sie lachend.

Clark entschlüpfte ein erleichterter Sufzer, was Cally erneut auflachen ließ. Er erstickte ihr Lachen mit einem zärtlichen Kuss.

»Jane kommt erst in einer halben Stunde«, raunte er ihr zu.

Cally lächelte ihn an. »Dann sollten wir die Zeit nutzen.«

Der folgende Kuss wurde jäh unterbrochen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Sie blickten sich überrascht an.

»Komm rein!«, rief Clark.

Jane betrat das Zimmer und erfasste sofort die Situation.

»Kinder, dafür ist jetzt wirklich nicht der richtige Moment«, sagte sie tadelnd.

»In unserer derzeitigen Situation gibt es keine falschen Momente«, konterte Cally. »Keiner kann wissen, wie die nächsten Stunden für uns ausgehen werden.«

Jane blickte sie überrascht an und lächelte.

»Ich wusste nicht, dass du auch eine Philosophin bist«, sagte sie. »Wie dem auch sei. Ich hoffe, ihr seid bereit! Der Zeitplan hat sich geändert und wir müssen sofort los. Der Weg durch die verborgenen Gänge und Schächte zum Hangar des Grange-Clans wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Wir dürfen keinesfalls zu spät kommen, sonst ist der Plan von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Theresa hat uns nur ein kleines Zeitfenster geben können.«

Clark und Cally blickten einander ernst an und nickten.

»Wir sind bereit!«, sagten sie wie aus einem Mund.

Jane griff in eine Umhängetasche, die sie über der Schulter trug, und zog einen Gegenstand heraus.

»Kannst du damit umgehen?«, fragte sie Cally.

Es war ein etwa zwanzig Zentimeter langer Ionenstrahler. Sein energiereicher Strahl konnte selbst dünnen Stahl durchbohren. Durch einen menschlichen Körper ging er wie ein warmes Messer durch Butter, wobei er fast seine gesamte Energie abgab. Die Austrittswunde war typischerweise fast zehnmal so groß wie die kleine Einschussöffnung. Eine absolut tödliche Waffe, wenn der Ionenstrahl nur irgendwo am Oberkörper traf.

»Ich bin mit meinem Bruder und seinen Freunden schon als junges Mädchen auf die Jagd gegangen. Allerdings hatten wir nur Projektilwaffen.«

»Das Prinzip ist das gleiche«, sagte Jane. »Zielen und Abdrücken. Im Gegensatz zu Projektilwaffen haben Strahler keinen Rückstoß. Du solltest also keine Schwierigkeiten haben, dein Ziel zu treffen. Der Energiespeicher ist voll und reicht für über einhundert Schuss.«

Sie reichte Cally die Waffe, die sie in den Gürtel ihres Overalls steckte.

Dann zog sie einen wesentlich schwereren und größeren Strahler aus der Tasche. Sie reichte ihn Clark.

»Für dich!«

Cally konnte sehen, wie Clark fachmännisch den Energiespeicher überprüfte. Wie es schien, hielt er nicht zum ersten Mal solch eine Strahlenwaffe in der Hand. Auch er befestigte sie am Gürtel seines Overalls.

Die drei standen einen Moment im Raum und sahen sich schweigend an. Sie wussten, dass die nächsten Stunden ihr Leben für immer verändern würden.

»Dann los!«, sagte Jane. »Denkt daran: Jeder, der uns unterwegs bemerkt, ist ein Feind und muss ausgeschaltet werden. Keine Skrupel! Wenn wir im falschen Moment zögern, werden wir das Ganze nicht überleben!«