23.

 


»Beide! Ich will beide hier in Freistatt haben! Lebend! Was du mit den anderen machst, ist mir egal.«

»Hast du schon Informationen, Boss?«

»Ich habe alle meine Kontakte informiert. Jeden für die Suche eingespannt, der mir einen Gefallen schuldig ist. Bestochen und geschmiert, wo es notwendig war. Es ist mir egal, was mich das kostet. Ich will die beiden haben. Auf jedem Planeten und jeder Raumstation wird nach ihnen Ausschau gehalten. Wenn sie sich irgendwo zeigen, werde ich es erfahren.«

Anatoly Solchoi wollte sich nicht mit der finanziellen Entschädigung zufriedengeben, die er von Theresa Grange und Vincent Silvestri erhalten hatte. Cally, die Sklavin, stand ihm zu! Wenn er sie einfach entkommen ließ, würde dies einen Gesichtsverlust zur Folge haben, den er sich vor seinen Männern nicht erlauben konnte und wollte. Was den jungen Clark Silvestri betraf, der mit seinem Eigentum durchgebrannt war, musste Solchoi vorsichtiger vorgehen. Er konnte ihn nicht einfach umlegen lassen – das hätte zu einem Krieg mit dem Silvestri-Clan geführt – aber der Sohn seines Erzfeindes und wider Willen auch Bündnisgenossen durfte nicht ungeschoren davonkommen.

»Du bekommst mein schnellstes Schiff, Esteban. Sobald einer meiner Informanten etwas meldet, wirst du sofort aufbrechen.«

»Natürlich, Boss! Ich will die kleine Schlampe in meine Finger kriegen. Und diese alte Schachtel Jane wird keinen leichten Tod haben, das verspreche ich dir!«

Anatoly Solchoi sah seinen ersten Leutnant scharf an.

»Was du mit Jane machst, kümmert mich nicht, aber denk dran, Esteban, dem jungen Silvestri wird kein Haar gekrümmt. Wenn du die beiden zurückbringst, werde ich dir die Kleine schenken. Wenn ich mit ihr fertig bin, kannst du meinetwegen mit ihr machen, was du willst – wenn du sie dann noch haben willst. Denn vorher werde ich öffentlich an ihr demonstrieren, was mit all denen geschieht, die sich mir widersetzen.«

Hernandez grinste schmutzig. »Ist mir egal, was du mit ihr veranstaltest. Solange du sie an einem Stück lässt, werde ich meinen Spaß mit ihr haben.«

Im Sektor des Silvestri-Clans fand eine ähnliche Besprechung statt. Allerdings war der Inhalt weniger brutal und es ging nicht darum, Rache zu üben. Vielmehr machte sich Vincent Silvestri Sorgen um seinen Sohn.

»Gleichgültig, was er gemacht hat – er ist mein Sohn! Es war dumm und töricht, wegen einer jugendlichen Gefühlswallung alles aufs Spiel zu setzen, was ich hier aufgebaut habe. Ich dachte, er sei vernünftiger. Vor allem hätte ich niemals für möglich gehalten, dass Jane ihn in seinem Liebeswahn auch noch unterstützen und sich gegen mich wenden könnte. Wie dem auch sei – meine Spione im Solchoi-Clan haben mir berichtet, Anatoly plane, Esteban Hernandez auf die Spur der Flüchtigen zu setzen. Es ist klar, was dies bedeutet. Ich muss um das Leben meines Sohnes fürchten, und wie sehr auch immer er mich enttäuscht hat, er ist und bleibt mein Sohn.« Vincent Silvestri sah den ihm gegenübersitzenden Mann mit Augen an, aus denen das Leid eines verzweifelten Vaters sprach.

»Du bist mein bester Leutnant, meine rechte Hand, Alex. Ich gebe dir meinen persönlichen Jäger. Das Schiff ist schneller als alles, über das Solchoi verfügt. Du wirst Hernandez leicht folgen können, wenn er abfliegt. Leider verfüge ich nicht über ein solch ausgedehntes Netzwerk wie Anatoly Solchoi. Ich bin sicher, er wird umgehend erfahren, wenn Clark und seine Freunde irgendwo gesichtet werden, und ich bin ebenso sicher, dass er Rache üben will. Clark ist in Gefahr. Bring mir meinen Jungen heil zurück, Alex!«

Der etwa dreißigjährige Mann auf der anderen Seite des Tisches nickte. Er war hochgewachsen, schlank und hatte kurze braune Haare. Alexandre DeChamp, von allen nur Alex genannt, strahlte eine unerschütterliche Ruhe aus. Vincent schätze seine Intelligenz und seine Loyalität. Wenn jemand in der Lage war, seinen Sohn vor Esteban Hernandez zu beschützen, dann war er es.

»Du kannst dich auf mich verlassen, Vincent«, sagte er. »Wenn Hernandez sie aufspürt, werde ich an seinen Fersen hängen. Clark wird nichts geschehen. Wie wichtig sind die drei Frauen für dich?«

Vincent Silvestri dachte kurz nach.

»Jane kann auf sich selbst aufpassen; um sie mache ich mir keine Sorgen, auch wenn sie mich schwer enttäuscht hat. Aber ich weiß, wie sehr sie meinen Sohn liebt, und trage es ihr nicht nach. Das Mädchen, Cally, in die sich Clark verliebt hat, ist mir grundsätzlich gleichgültig. Sie ist an allem schuld und ich sollte sie eigentlich hassen. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell man für seine Liebe Dummheiten begeht. Clark wäre nie geboren worden, wenn ich nicht auch eine solche Dummheit begangen hätte. Versuche, sie ebenfalls zu beschützen, aber das Leben meines Jungen hat Priorität! Die andere Sklavin kenne ich nicht und sie spielt keine Rolle. Sie gehörte einem von Theresas Männern, der bei der Flucht getötet wurde. Theresa hat keinen Anspruch auf sie erhoben, somit brauchst du auf sie auch keine Rücksicht zu nehmen.«

»Ich werde Clark zu dir zurückbringen«, versprach Alex.

»Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann!« Vincent Silvestri lächelte dankbar. »Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, wann Solchoi etwas in Erfahrung bringt und Hernandez losschickt. Ich werde es erfahren, wenn es so weit ist. Mein Jäger steht abflugbereit in unserem Hangar. Halte dich ebenfalls bereit, Alex.«

Beide standen auf und umarmten sich kurz. Alex war so, wie Vincent sich seinen Sohn gewünscht hätte. Aber der Junge war ein Träumer und hatte sich nie richtig mit dem Leben der Raumpiraten anfreunden können. Vincent vermutete, dass er diesen Wesenszug von seiner gleich nach der Geburt auf Betreiben Solchois vertriebenen Mutter geerbt hatte. Auch sie war sensibel und zart besaitet gewesen. Silvestri wusste innerlich, dass Kathy dieses Leben, das er für sich und ihren Sohn gewählt hatte, niemals akzeptiert hätte. Manchmal schämte er sich dafür, aber die Umstände hatten ihm keine andere Wahl gelassen. Er schüttelte die düsteren Gedanken ab, wie er es immer tat, wenn sie aufkamen.

Alex DeChamp nickte seinem Anführer noch einmal zu und verließ den Raum. Vincent stellte sich vor das große Panoramafenster und blickte auf den Gasplaneten hinab. Die farbigen Wolkenbänder wirbelten in ewigen Stürmen aus Ammoniak und Methan durcheinander. Auch er war in einen Sturm hineingeraten, der sein Leben gehörig durcheinanderwirbelte. Es handelte sich um einen Sturm, dessen Kräfte kaum zu bändigen waren. Einen Hurrikan mit Anatoly Solchoi im Zentrum. Jetzt konnte er nur noch abwarten und hoffen, dass Alex ihn nicht enttäuschen würde.