Zwei Schiffe landeten innerhalb weniger Stunden auf Rotaron. Das war nichts Ungewöhnliches. Tatsächlich landeten fast jede Stunde mehrere Schiffe auf dem Raumhafen von Halo-City. Allerdings handelte es sich in der Regel um Frachter, größere Passagierkreuzer oder schwer bewaffnete Piratenschiffe. Auch private Jachten besuchten die berüchtigte Stadt hin und wieder. Es handelte sich um reiche Exzentriker, die ihr Glück in einer der vielen Spielhöllen versuchen wollten, dubiose Geschäftsleute, deren Aktivitäten sich nicht nur am Rand der Legalität bewegten, abenteuerlustige Einzelgänger, die vom Ruf der Stadt als dem verdorbensten Platz im ganzen bekannten Universum gehört hatten und vor ihren Freunden daheim mit einem Besuch angeben wollten, oder um Verzweifelte, die in den unüberschaubaren und von keinem Gesetz geregelten Wirren von Halo-City untertauchen wollten. Dass jedoch gleich zwei kleine Jachten innerhalb kurzer Zeit hier niedergingen, war eine seltene Ausnahme. Es war deshalb nicht verwunderlich, dass sich die Nachricht über diesen seltenen Umstand in einschlägigen Kreisen rasch verbreitete.
Alex DeChamp fluchte über die schwüle Hitze. Es mussten mindestens vierzig Grad sein und die Luftfeuchtigkeit lag bestimmt bei einhundert Prozent. Nach den beiden Tagen in dem angenehm klimatisierten Schiff schien es ihm, als sei er mitten in der Hölle gelandet.
Er war sich sicher, vor Esteban Hernandez auf Rotaron angekommen zu sein. Die von Vincent Silvestri zur Verfügung gestellte Jacht war das schnellste Schiff auf Freistatt und er war beinahe zeitgleich mit Hernandez von dort abgeflogen. Dies hatte zwar den Vorteil, dass er vor seinem Rivalen mit der Suche nach Clark und seiner Freundin beginnen konnte, brachte jedoch den Nachteil mit sich, dass Hernandez nach seiner Landung eventuell erfahren würde, dass kurz vor ihm bereits ein Schiff mit nur einem Passagier gelandet war. DeChamp beging nicht den Fehler, Esteban Hernandez zu unterschätzen. Nicht umsonst war der Mann Solchois erster Leutnant. Hernandez würde sich mit Sicherheit dafür interessieren, wer hier kurz vor ihm gelandet war. Er selbst würde es schließlich genauso machen. In ihrem Geschäft überließ man nichts dem Zufall und sicherte sich nach allen Seiten ab. Man konnte nie zu viele Informationen haben! Er musste also den kleinen zeitlichen Vorsprung so gut wie möglich nutzen.
Esteban Hernandez hatte sich dafür entschieden, einen seiner besten Freunde auf die Jagd nach den Flüchtigen mitzunehmen. Karoly Palchek kämpfte bereits seit Jahren an seiner Seite und Hernandez wusste, dass er sich in jeder Situation auf ihn verlassen konnte. Palchek war schlau, einfallsreich und skrupellos. Genau die Eigenschaften, die ihn zu einem idealen Begleiter bei der Suche nach den Geflohenen machten.
Sie setzten ihr Schiff auf dem zugewiesenen Landeplatz auf und beschlossen, die paar Meter zum Anmeldeterminal zu laufen. Ein Fehler, wie sich schnell herausstellte. Bereits nach wenigen Schritten waren sie vollkommen nassgeschwitzt.
»Scheißplanet!«, beschwerte sich Palchek und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.
»Denk an die Belohnung und daran, und wie viele kalte Biere du dir davon kaufen kannst«, sagte Hernandez lakonisch.
Sie betraten den Raum, in dem auch jetzt die aufgetakelte Empfangsdame saß, die schon bei Callys Ankunft Dienst gehabt hatte. Solchoi hatte Hernandez vor dessen Abflug mitgeteilt, von wem er die Information bekommen hatte.
Noch bevor sie den Mund aufmachen konnte, pflanzte sich Hernandez vor ihr auf und warf einen CredChip auf den Tresen.
»Sag deinem Boss, Solchois Leute sind angekommen«, sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »Das hier ist für dich. Ein kleiner Dank von Anatoly Solchoi.«
Sie bedachte ihn mit einem falschen Lächeln und stellte eine Verbindung mit ihrem Boss her.
»Solchois Leute sind hier«, sagte sie ohne Umschweife. Dann lauschte sie einen Moment schweigend. »Zwei Mann«, sagte sie anschließend.
Wieder hörte sie dem Sprecher am anderen Ende der Leitung zu. Dann wandte sie sich an Hernandez.
»Habt ihr die Belohnung dabei?«, wollte sie wissen.
»Natürlich«, sagte Hernandez. »Abzüglich deines Anteils. Wie abgemacht.«
Sie gab die Information weiter und legte dann auf.
»Wartet hier«, sagte sie. »In ein paar Minuten kommt jemand, um euch abzuholen.«
»Gibt es hier was Kaltes zu trinken?«, schaltete sich Palchek zum ersten Mal ein.
»Kostet extra«, erwiderte die Frau grinsend.
Am Eingang des Raumhafens hatte Alex DeChamp ein Taxi aufgetrieben. Es war zwar nur ein altes Bodenfahrzeug, aber es war wenigstens klimatisiert. Er hatte sich zu einem Hotel auf halber Höhe des Hanges bringen lassen, das ihm Vincent Silvestri empfohlen hatte. Der Besitzer war ein flüchtiger Bekannter und von Vincent per Subraumfunk über die Ankunft seines Mannes informiert worden. Über dessen Auftrag hatte er allerdings nichts verlauten lassen. Es war besser, knifflige Sachverhalte persönlich zu besprechen. DeChamp hoffte, dass der Mann über Beziehungen verfügen würde, die ihm bei seiner Suche behilflich sein konnten. Irgendwo musste er anfangen und das Hotel war hierfür ein ebenso guter Ort wie jeder andere.
Während er vor dem Hotel ausgestiegen war und mit dem Fahrer über den Fahrpreis gestritten hatte, war ihm völlig entgangen, dass aus den tief hängenden Wolken über der Stadt ein kleines Schiff aufgetaucht und auf dem Raumhafen gelandet war.