Janes Waffe war leer geschossen. Es gab nichts mehr, das die Angreifer aufhalten konnte. Sie waren verloren.
Rauch lag in der Luft und es stank nach verbranntem Fleisch, Ozon und anderen, undefinierbaren Dingen. Plötzlich herrschte eine fast gespenstischen Stille. Die Kämpfe schienen im gesamten Gebäude zum Erliegen gekommen zu sein.
Cally kauerte hinter dem Sessel, auf dem immer noch die Leiche der in sich zusammengesunkene Reina saß. Direkt vor ihr am Boden lag Cindy. Ihre blicklosen Augen schienen Cally vorwurfsvoll anzustarren. Jane hustete und man konnte sie leise fluchen hören, ohne dass einzelne Worte zu verstehen gewesen wären. Clark stand nach wie vor gegen die Seitenwand gepresst und konnte nur hilflos zuschauen, wie zwei schemenhafte Gestalten aus dem Gang auf ihn zukamen. Durch den dichten Rauch war kaum etwas zu erkennen. Bellamy saß kreidebleich in seinem schwebenden Rollstuhl. Er musste damit rechnen, dass er den Raum nicht mehr lebend verlassen würde. Sie alle waren denjenigen, deren Umrisse sich vor ihnen abzeichneten, hilflos ausgeliefert.
Jane erhob sich zögernd und reckte die Arme nach oben. Es war Zeit, aufzugeben und sich der Gnade der Eindringlinge auszuliefern. Jeder weitere Widerstand war zwecklos und konnte nur mit ihrem sofortigen Tod enden. Wenn sie sich jetzt unterwarfen, hatten sie wenigstens noch die Chance, nur gefangen genommen zu werden, und vielleicht würde sich später eine Möglichkeit zur Flucht ergeben. Jetzt weiterzukämpfen wäre Selbstmord gewesen.
»Steht auf und stellt euch nebeneinander an die Wand!«
Wortlos folgten sie dem Befehl und hoben die Hände. Cally erkannte die Stimme sofort und auch Jane wusste offensichtlich genau, wer der Sprecher war.
Die Gestalt von Esteban Hernandez schälte sich aus dem Nebel. Er hielt einen Ionenstrahler auf die Gruppe gerichtet. Neben ihm stand ein weiterer Mann, den keiner der vier Überlebenden kannte.
»Siehst du, Karoly, das ist die Kleine, von der ich dir erzählt habe!« Hernandez schob den Lauf seiner Waffe unter Callys Kinn und hob ihren Kopf an. »Und das ist die alte Hexe, mit der ich noch eine Rechnung offen habe.«
Er wandte sich Jane zu, die mit hasserfüllten Augen neben Cally stand.
»Und wen haben wir denn hier?« Hernandez stellte sich vor Clark und setzte ihm den Strahler direkt auf die Stirn. »Ich könnte jetzt abdrücken, aber du wirst noch gebraucht, Clark Silvestri.«
Er ging einen Schritt zur Seite, bis er vor dem Neutrograv-Rollstuhl Bellamys stand.
»Das Dickerchen hier muss der große Bellamy sein. Ich soll dir einen schönen Gruß von Chad Thorenson bestellen.«
Er schoss Bellamy mitten ins Gesicht. Blut und Gehirnmasse spritzten gegen die Wand, als der Schädel explodierte. Clark stieß unwillkürlich einen entsetzten Schrei aus und Jane musste sich beherrschen, die beiden Eindringlinge nicht mit bloßen Händen anzugreifen. Cally spürte eine eiskalte Wut in sich aufsteigen und sie schwor sich, Hernandez nicht ungestraft davonkommen zu lassen. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie sie dies anstellen sollte, aber in ihr war in den letzten Tagen und Stunden eine Härte erwachsen, die sie selbst überraschte.
Wieder stolzierte Hernandez vor Cally, Clark und Jane auf und ab, während Karoly Palchek die drei mit seiner Waffe in Schach hielt.
» Du hast Glück, mein Täubchen, denn mit dir habe ich noch einiges vor.« Er zwinkerte Cally anzüglich zu und wandte sich dann an Clark. »Du hast ebenfalls Glück«, sagte er, ohne die Waffe sinken zu lassen, »denn dich braucht mein Boss noch.« Dann blieb er vor Jane stehen. »Dein Glück geht allerdings zu Ende!«, erklärte er grinsend und schoss ihr in den Bauch.
Jane stieß einen lauten Schrei aus und sank mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden. Der hochenergetische Ionenstrahl hatte ihre Eingeweide durchdrungen und war am Rücken wieder ausgetreten. Die Schmerzen mussten fürchterlich sein und sie wusste, dass ein solcher Treffer nicht zu überleben war. Auf diese Art zu sterben war qualvoll. Genau dies hatte Hernandez bezweckt. Es war seine Rache für die Demütigung, mit der alles angefangen hatte.
Mit kreidebleichem Gesicht sah sie zu ihm auf.
»Ich … ich warte in … in der … Hölle auf dich«, stöhnte sie mit letzter Kraft. »Denn dort … dort wirst du eher landen, als … als …«
Janes Augen brachen und sie sackte in sich zusammen. Cally schrie auf und wollte sich auf Hernandez stürzen, doch Clark hielt sie zurück. Sie schwor sich, Janes Mörder mit eigenen Händen zu töten.