46.

 


»Sie machen wohl einen schlechten Scherz!« Clark war aufgebracht. Was die Frau ihnen für die Jacht anbot, war vollkommen inakzeptabel.

Es hatte fünf Tage gedauert, bis sie endlich jemanden gefunden hatten, der Interesse an einer Raumjacht zeigte und bereit war, einen nicht ganz astreinen Handel abzuschließen. Cally und Clark waren in diversen mehr oder weniger vertrauenerweckenden Geschäften gewesen, um einen Käufer zu finden. Ship-for-hire, Used-Spacecraft, SpaceRentals, Second-Hand-Starflight und wie sie alle hießen. Entweder hatte man gleich abgewunken oder nach legitimen Papieren und Eigentumsnachweisen gefragt.

Sie standen glücklicherweise nicht unter Zeitdruck. Das nächste Passagierschiff in Richtung Erde würde Zeltra erst in siebzehn Tagen verlassen. Sie hatten sich bereits nach Tickets erkundigt und der Preis war unverschämt hoch. Höher, als sie befürchtet hatten. Eine Doppelkabine für die ungefähr zweiwöchige Reise kostete fast eine halbe Million Credits. Eine Summe, für die man problemlos eine Luxusvilla auf fast jedem Planeten der ehemaligen Föderation hätte erwerben können. Und jetzt bot ihnen diese Schreckschraube gerade einmal genau diesen Betrag für ein Schiff, das leicht das zwanzigfache gekostet hatte.

»Nimm es oder lass es, Schätzchen!«

Die runzlige Alte schob ihm das dicke Bordmanual mit allen Spezifikationen des Schiffes, das Clark von der Jacht mitgenommen hatte, wieder zu. Sie hatte es in den letzten Minuten schweigend überflogen und dabei an ihrem NarcoStick gezogen, dessen süßlich riechenden, zartrosa Qualm sie schnaubend durch die Nasenlöcher ausstieß.

»Die Jacht ist viel mehr wert«, beschwerte sich Cally.

Die Alte warf ihr einen mitleidigen Blick zu.

»Nicht für mich, Süße!«

Hekate Morlon war die Besitzerin, Chefin, Sekretärin und Managerin von Rent-A-Ship , einem Vermieter von Privatjachten und kleinen Raumschiffen. Cally und Clark hatten in einer zwielichtigen Kneipe von ihr gehört. Angeblich nahm sie es mit der Herkunft der Schiffe ihrer Flotte nicht allzu genau und hatte, wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, bereits mehr als einmal ein gestohlenes Schiff in ihren Bestand aufgenommen. Wie man ihnen ebenfalls zu verstehen gab, gehörten besonders die weniger ehrbaren Bewohner von Zeltronia zu ihren bevorzugten Kunden. Sie entsprach somit genau dem Profil eines potenziellen Käufers.

Hekate musste uralt sein, sie war spindeldürr und trug ihre lockigen, hellblond gefärbten Haare bis auf die Schultern. Ihre runzelige Haut mit dem grauen Schimmer, die knallrot gefärbten Lippen und die krallenähnlichen, ebenfalls blutroten Fingernägel ließen sie wie eine Figur erscheinen, die geradewegs aus einem Comic entsprungen war. Dass sie dazu noch ungerührt in aller Öffentlichkeit die illegalen NarcoSticks rauchte, passte ins Bild. Allerdings waren Cally und Clark davor gewarnt worden, sich von den Äußerlichkeiten blenden zu lassen. Hekate Morlon galt als knallhart und herzlos. Besonders wenn es ums Geschäft ging!

»Die Jacht hat mindestens zehn Millionen gekostet!«, protestierte Cally.

»Euch zwei Täubchen sicher nicht«, konterte Hekate. »Passt mal auf; ich will euch mal erklären, wie das hier läuft. Das Ding ist mehr als zwanzig Jahre alt, was den Wert schon mal kräftig vermindert. Gut, Schiffe halten locker fünfzig, sechzig Jahre, aber zwanzig Jahre sind zwanzig Jahre und damit ist es nur noch die Hälfte wert – wenn überhaupt. Dann habt ihr keine offiziellen Papiere für den Kahn, was bedeutet, dass er geklaut ist. Nicht, dass mich das sonderlich stören würde, aber es reduziert den Wert gleich noch mal ordentlich. Ich muss das komplette Transpondersystem ersetzen lassen, um dem Eimer eine neue Kennung zu verpassen. Das kostet mich mindestens ’ne schlappe halbe Million. Ich kann’s danach bestenfalls für zwei Millionen loswerden – wenn ich einen Käufer finde. Ich investiere also eine Million, um vielleicht irgendwann eine Million zu machen. Wenn ich Glück habe und das Ding nicht jahrelang hier rumsteht, was den Wert nicht gerade steigert. Also, was ist jetzt, wollt ihr die Schüssel loswerden oder nicht?«

»Sie können die Jacht leicht selbst nutzen«, versuchte Clark einen Einwand.

Hekate lachte nur und schüttelte den Kopf.

»Ich habe genügend Schiffe und die Geschäfte laufen derzeit nicht besonders gut. Keine Chance, mein Junge. Wenn ich das Ding kaufe, dann nur, um es mit Gewinn wieder loszuwerden.«

»Fünfhunderttausend sind nicht genug«, schaltete sich Cally wieder ein. »Sie müssen noch etwas drauflegen. Für eine halbe Million geben wir das Schiff nicht her!«

Ihr Ton ließ keinen Zweifel an der Aussage aufkommen.

»Ich mag dich, Herzchen!« Hekate grinste Cally an, die mit hochrotem Kopf vor dem ausladenden Schreibtisch stand. Sie hatte keine Anstalten gemacht, den beiden einen Platz anzubieten, den es auch sowieso nicht gegeben hätte. Außer dem Schreibtisch und Hekates Bürostuhl befand sich kein anderes Möbelstück in dem winzigen Raum. »Du erinnerst mich an mich selbst, als ich in deinem Alter war. Ein Feuerkopf! Das wird dich noch in Schwierigkeiten bringen – wenn es das nicht bereits getan hat. Ihr seid mit dem Kahn von irgendwo abgehauen, nicht wahr? Na ja, geht mich nichts an. Also, weil ich dich mag, mache ich ein letztes Angebot: Fünfhundertfünfzigtausend und keinen Credit mehr! Nehmt mein Angebot an oder lasst es bleiben, aber vergeudet meine Zeit nicht länger!«

Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah die beiden durchdringend an. Es bestand kein Zweifel, dass hier nicht mehr herauszuholen war. Clark warf Cally einen fragenden Blick zu. Sie entschied sich spontan.

»Na gut, abgemacht! Fünfhundertfünfzigtausend. In bar!«, setzte sie hinzu.

»Wie denn sonst«, grummelte Hekate. »Ich werde die Kohle morgen Nachmittag bereithalten. Wir treffen uns bei dem Schiff. Wehe, wenn es nicht der Beschreibung entspricht!«

Cally versuchte sich erst gar nicht vorzustellen, wozu Hekate in der Lage sein mochte, wenn sie sich hinters Licht geführt oder gar betrogen fühlte.

»Wir werden dort sein«, bestätigte Cally. »Keine Sorge, die Jacht ist in tadellosem Zustand.«

Hekate Morlon antwortete nicht mehr, sondern wedelte mit den Armen in Richtung Tür, was einem Rauswurf gleichkam.

Eine halbe Stunde später saßen Cally und Clark in einem Café und beruhigten ihre angespannten Nerven mit einem starken Kaffee.

»Das war deutlich weniger, als wir gehofft hatten«, beschwerte sich Clark. »Wieso bist du sofort darauf eingegangen?«

»Sie hätte nicht mehr gezahlt«, antwortete Cally. »Außerdem wissen wir nicht, ob wir überhaupt noch einen Käufer gefunden hätten. Mit dem Geld können wir die Tickets bezahlen und es bleibt noch ein ordentlicher Batzen übrig. Wofür hätten wir mehr gebraucht?«

»Du hast recht, mein Schatz«, stimmte Clark ihr zu. »Aber ich habe trotzdem das Gefühl, wir wurden gerade unverschämt übers Ohr gehauen!«