»Was machen wir jetzt mit dir?«
Clark stand vor Alexandre DeChamp und hielt eine Waffe auf ihn gerichtet.
Die Jacht befand sich im Subraum und strebte einem willkürlich gesetzten Ziel in ein paar Dutzend Lichtjahren Entfernung entgegen, wo sie über das weitere Vorgehen beraten wollten. DeChamp wusste zwar, dass es früher oder später zu einer Konfrontation mit dem jungen Silvestri hatte kommen müssen, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass dieser gleich eine Waffe ziehen würde.
Die beiden waren allein im Cockpit. Cally hatte sich für die Dauer des Fluges zum Zielpunkt in ihre Kabine zurückgezogen. Sie war vollkommen erschöpft und benötigte dringend ein paar Stunden Schlaf.
»Vincent, sei vernünftig«, versuchte er, die Situation in Ruhe zu klären. »Ihr seid nicht mehr in Gefahr, Hernandez ist diesmal wirklich tot und dein Vater hat mir einen eindeutigen Auftrag erteilt. Ich soll dich beschützen und zurückbringen. Der erste Teil meiner Mission ist erledigt. Was erwartest du jetzt von mir? Soll ich deinem Vater sagen, du hättest dich geweigert? Was denkst du, wie er darauf reagieren würde!«
»Er würde fragen, warum du mich nicht in Handschellen zurückgeschleppt hast. Was denkst du, warum ich mit einem Strahler auf dich ziele? Bevor ich das zulasse, drücke ich eher ab!«
»Dein alter Herr würde dir die ganze Eskapade sicher nicht lange übel nehmen. Du weißt genau, dass er, was dich angeht, ein viel zu weiches Herz hat. Dir würde nichts geschehen.«
»Es geht nicht in erster Linie um mich, Alex. Ich werde niemals zulassen, dass Cally erneut Gefahr läuft, an Solchoi übergeben zu werden.«
»Dann setzen wir sie vorher irgendwo ab und sagen, sie sei unterwegs entkommen. Oder wir behaupten, Hernandez habe sie vor seinem eigenen Tod umgebracht. Wer will das schon überprüfen?«
»Ich werde mich nicht von ihr trennen, nur weil mein Vater einen schmutzigen Deal mit Solchoi eingegangen ist. Ich liebe sie!«
DeChamp lehnte sich in den Sitz des Kopiloten zurück und verschränkte demonstrativ die Arme hinter dem Kopf.
»Was willst du jetzt machen? Mich erschießen?«
»Nur, wenn es unbedingt sein muss. Ich habe nicht vor, dich umzubringen. Aber warum machen wir nicht das, was du für Cally vorgeschlagen hast? Wir setzen dich einfach irgendwo ab und verschwinden.«
»Und dann? Wollt ihr ewig auf der Flucht sein?«
»Wir werden meine Mutter suchen und finden«, sagte Clark voller Überzeugung.
Alex DeChamp schüttelte resignierend den Kopf.
»Du bist genauso stur wie dein Vater«, stellte er fest. »Na gut, ich mache dir einen Vorschlag: Sobald wir aus dem Subraum kommen, kontaktieren wir deinen Vater. Wir berichten ihm, was vorgefallen ist, dass Esteban Hernandez keine Gefahr mehr darstellt und dass du nicht mit mir zurückkehren willst. Wenn er dich von der Leine lässt, setzt ihr mich einfach auf dem nächsten Planeten ab. Mein Schiff steht zwar noch auf Zeltra, aber ich kenne dort Leute, die es zu mir bringen können. Zurückfliegen ist ja keine Option, nachdem wahrscheinlich die gesamte Polizei von Zeltronia nach mir sucht.«
»Und wenn mein Vater andere Pläne für mich hat?«
Alex zuckte mit den Schultern.
»Wenn er erfährt, dass Hernandez tot ist, erlaubt er euch vielleicht, mit der Suche fortzufahren. Ich verspreche dir, dass ich nicht versuchen werde, euch mit Gewalt nach Freistatt zu bringen. Einverstanden?«
Clark überlegte kurz, dann nickte er.
»Okay, einverstanden!«
»Gut! Und jetzt nimm das verdammte Ding aus meinem Gesicht!«
Lächelnd steckte Clark die Waffe weg.
»Ich sehe mal nach Cally. Sie schläft schon seit ein paar Stunden und wir werden bald aus dem Subraum kommen. Ich will ihr berichten, was wir besprochen haben.«
»Ich bin bereits wach«, ertönte eine Stimme vom Eingang zur Zentrale. Cally stand mit verschränkten Armen im Durchgang. »Vertraust du ihm?«, fragte sie und deutete mit einem Kopfnicken auf DeChamp.
»Ich kenne Alex schon zeit meines Lebens. Er mag zwar ein Pirat sein und in der gesamten ehemaligen Föderation als Verbrecher gesucht werden, aber er hat gegenüber einem Silvestri noch nie sein Wort gebrochen. Ja, ich vertraue ihm.«
»Dann hoffe ich, dass dies nicht das erste Mal sein wird«, antwortete Cally skeptisch. »Wenn ich auch nur den geringsten Verdacht haben sollte, dass Sie uns hintergehen wollen, werde ich nicht zögern, hiervon Gebrauch zu machen«, wandte sie sich an DeChamp und zog einen Ionenstrahler unter ihrer Jacke hervor.
Unwillkürlich musste DeChamp lachen.
»Kindchen, wenn ich euch hintergehen wollte, würdest du es erst merken, wenn ich dir Fesseln angelegt habe. Und für eine Sklavin hast du ein recht großes Mundwerk!«
Cally machte einen Schritt nach vorn und schlug ihm mit der anderen Hand ins Gesicht, bevor DeChamp reagieren konnte.
»Nennen Sie mich nie wieder eine Sklavin, verstanden? Sie werden mich mit dem Respekt behandeln, der der zukünftigen Schwiegertochter Ihres Chefs und der Mutter seiner Enkel gebührt.«
DeChamp nahm Cally die Backpfeife nicht übel. Tatsächlich erhöhte ihr furchtloses Auftreten sogar seine Achtung vor ihr. Sie würde vielleicht wirklich eine gute Partnerin für den zukünftigen Boss des Silvestri-Clans abgeben. Cally erinnerte ihn an Jane, auch wenn sie noch viel lernen musste, um deren Stellung einnehmen zu können.
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte er und meinte es sogar ehrlich. »Eine schlechte Angewohnheit. Es wird nicht wieder vorkommen. Seien Sie versichert, dass ich Ihnen ab jetzt den gleichen Respekt entgegenbringen werde wie Clark oder seinem Vater.«
Cally steckte die Waffe weg und reichte DeChamp die Hand.
»Auf einen neuen Beginn! Für Sie, für Clark und mich und vielleicht für den gesamten Silvestri-Clan.«
Ohne zu zögern, ergriff DeChamp die dargebotene Hand. Ja, mit dieser Frau hat Clark sicherlich keine schlechte Wahl getroffen, dachte er. Sie ist zäh, klug und charmant. Mit ihr an seiner Seite wird er eines Tages ein guter Anführer sein können.