23. Kapitel

IMAGE in feiner Sprühregen hatte eingesetzt, als sich zwei Fuhrwerke, flankiert von zehn bewaffneten Männern, über den unwegsamen Waldboden quälten. Palmiro hatte die Führung übernommen, diesmal auf dem Rücken seiner Fuchsstute. Benedikt bildete auf seinem grauschwarzen Hengst die Nachhut. Es war ein Glücksfall, dass die Strauchritter im Moment nicht in der Nähe zu sein schienen. Da sie ihr Raubgut aber sicherlich nicht allzu lange unbeaufsichtigt lassen würden, waren Eile und Umsicht angeraten, wenn Palmiro sich die Pelze, Tuche und übrigen Waren, die ihm gehörten, wieder zurückholen wollte. Don Antonio hatte ihm davon abgeraten, weil er das Risiko für zu hoch einschätzte. Wenn Einhard und seine Männer sie erwischten, würden sie die teuren Waren ganz sicher nicht kampflos aufgeben. Monna Enneleyn hatte ihn sogar beschworen, sich nicht in Lebensgefahr zu begeben.

Doch was sollte er tun? Den Raub auf sich beruhen lassen, auch wenn er genau wusste, wo sein Hab und Gut abgeblieben war? Er konnte sich solch hohe Verluste nicht leisten. Bis Martini musste er noch ein Zunftbankett ausrichten und das Bürgergeld an den Rat der Stadt Koblenz zahlen. Von den Gebühren für den Eintrag seines Siegels und seine Aufnahme als stimmberechtigtes Mitglied in die Zunft ganz zu schweigen. Auch die Renovierung von Haus, Stall, Remise und Lager verschlang Unmengen an Münzen, die er nicht haben würde, wenn er sich berauben ließ.

Natürlich könnte er seinen Vater um Hilfe bitten, doch er wollte es unbedingt allein schaffen. Es war schon unangenehm genug, dass Don Antonio, Martin Wied und Graf Johann für ihn vor dem Rat hatten bürgen müssen, weil er nicht auf Anhieb alle Bedingungen hatte erfüllen können, die an eine Aufnahme in die Zunft und als Bürger von Koblenz gekoppelt waren. Die Blicke, die die eingesessenen Kaufleute ihm zuweilen zuwarfen, ärgerten ihn. Natürlich dachten sie, dass er seine Verbindungen ausnutzte, und natürlich hatten sie recht. Doch er wollte beweisen, dass er eigenständig Erfolg haben konnte und auf Schützenhilfe seiner Familie nicht – oder nicht mehr lange – angewiesen war.

Nicht, dass er nicht dankbar für alles war, was sein Vater, sein Onkel und sein Großvater für ihn taten, doch auch ihnen musste er beweisen, dass sich ihre Mühe alsbald auszahlen und er auf eigenen Beinen stehen können würde.

Als sie etwa drei Viertel des Weges zurückgelegt hatten, schloss Benedikt wie verabredet zu ihm auf. Sie berieten sich kurz, dann hielten sie die Fuhrwerke an, und Benedikt ritt allein voraus, um nachzusehen, ob auch tatsächlich immer noch niemand bei der Köhlerhütte zu sehen war. Mit dem Pferd war er trotz der zugewachsenen Wege recht flott unterwegs und schon nach kurzer Zeit wieder zurück.

»Niemand zu sehen«, berichtete er knapp. »Es wird allerdings bald hell, und ich fürchte, der Regen wird sich noch verstärken. Wir sollten uns also beeilen.«

»Gut, also Aufbruch!«, rief Palmiro den Waffenknechten zu und übernahm erneut die Führung. Diesmal blieb Benedikt an seiner Seite.

»Man hätte auch die Obrigkeit über das Versteck aufklären können, anstatt die Räuber zu berauben.«

»Hätte man«, stimmte Palmiro zu. »Werde ich auch noch tun. Selbst wenn ich meine und meines Vaters Waren von hier wegbringe, bleibt noch genügend übrig, um Einhard in Teufels Küche zu bringen.« Halbherzig bekreuzigte er sich. »Ich werde den hier zuständigen Vogt über das Versteck in Kenntnis setzen. Was er mit diesem Wissen anstellt, sei ihm überlassen.«

»Bis er sich rührt, könnten Einhard und seine Spießgesellen längst weitergezogen sein.«

»Vielleicht, aber es wird schwieriger für sie, weitere Raubzüge auszuführen, wenn ihre Identität bekannt wird.«

»Hm.« Benedikt nickte vage. »Ob das ausreichen wird?«

»Ich weiß es nicht«, gab Palmiro zu. »Das hängt davon ab, wie schnell der Vogt reagiert. Wenn ich ihm jetzt schon Bescheid gegeben hätte, hätte er alle Waren beschlagnahmt, und es ist fraglich, ob ich meine Pelze oder Vater seine Tuche dann in absehbarer Zeit zurückerhalten hätte.«

»Also lieber ein Unrecht mit einem Unrecht vergelten?«

Palmiro lächelte grimmig. »Ich nenne es ausgleichende Gerechtigkeit. Bei wem soll Einhard sich denn darüber beklagen?«

»Hm«, kam es erneut von Benedikt, und Palmiro glaubte, ein leichtes Zucken um dessen Mundwinkel wahrzunehmen.

»Gib es zu, ein wenig Aufregung und Abenteuer gefallen dir ganz gut.«

»Abenteuer sind etwas für Grünschnäbel«, brummelte Benedikt. »Und aufregen werde ich mich erst, wenn das hier schiefgehen sollte.«

***

Es ging nicht schief. Zwar setzte heftiger Regen ein, als sie die Köhlerhütte erreichten, doch nachdem sie mit geeignetem Werkzeug die Vordertür aufgebrochen hatten, war es nur mehr Trage- und Fleißarbeit, die Bündel und Ballen sowie zwei Truhen mit Riemen, Bändern und Flitterkram auf den Ladeflächen der Fuhrwerke zu verstauen und mit großen Planen gegen den Regen abzudecken.

Benedikt bestand darauf, die Tür wieder instand zu setzen und zu verschließen, damit den Strauchrittern nicht auf den ersten Blick auffiel, dass sich jemand an ihrem Versteck zu schaffen gemacht hatte. So war es bereits hell, als sie endlich den Rückzug antraten.

Als sie gerade eine halbe Stunde Weg zurückgelegt hatten, begegnete ihnen ein einzelner geharnischter Reiter, der schon von Weitem die Hand hob. »He da! Wer seid Ihr, und was habt Ihr hier zu suchen?«, rief er ihnen zu, und als er etwas näher kam, fügte er hinzu: »Dies ist der Grund und Boden des Wildgrafen von Kleve. Durchreisende haben hier nichts zu suchen.« Misstrauisch beäugte er die beiden Fuhrwerke, »Seid Ihr Händler? Die nächste Straße ist zwei Stunden gen Osten zu finden.«

»Wir sind in der Tat Handelsreisende«, antwortete Palmiro und vermied es, das Kruzifix anzufassen, das schon seit einer Weile vibrierte, nun aber unvermittelt zu sirren begann und heiß wurde. »Ich fürchte, wir sind vor einiger Zeit falsch abgebogen und auf diesen Weg hier geraten. Als wir es bemerkt haben, sind wir umgekehrt und suchen nun nach jener Straße, von der wir fälschlicherweise abgekommen sind.«

»Haltet Euch streng gen Osten, dann findet Ihr die Handelsstraße ohne Probleme.« Mit leicht zusammengekniffenen Augen betrachtete der Geharnischte die zwei Fuhrwerke erneut, lenkte sein Reittier näher heran und hob eine der Planen ein wenig an. »Pelz- und Tuchhändler seid Ihr? Das dort sind Bärenpelze, nicht wahr? Mein Herr, der Wildgraf, hat erst kürzlich genau so einen gekauft. Aber nicht von Euch.«

Palmiro behielt das geschäftsmäßige Lächeln stoisch bei, obgleich das Sirren des Kruzifixes, zuvor kaum wahrnehmbar, inzwischen recht deutlich zu vernehmen war. »Nein, nicht von uns. Wir kommen von weiter her und sind noch nicht lange in der Gegend.«

»Und dennoch führt Ihr diese Pelze mit Euch, was für ein Zufall.« Auch die Miene des Geharnischten blieb gleichmütig, in seinen Augen war jedoch eine Spur Argwohn zu entdecken. »Und dieser Stoffballen.« Er hob eine andere Ecke der Plane an. »Ist das englische Wolle? Flandrisches Tuch?«

»Ihr habt einen guten Blick«, lobte Palmiro. »Beste Ware ist dies, die wir über den Fernhändler Ulf Jager erworben haben.«

Benedikt neben ihm hustete warnend.

»Ihr kennt ihn sicherlich, denn er ist in Kleve ansässig.«

»Ulf Jager, hm, ja, der Name ist hier weithin bekannt.« Der Mann schien eine Spur blasser zu werden. Sein Blick irrte erneut zu den beiden Fuhrwerken. »Ich muss nun weiter. Mein Herr erwartet mich. Ihr nehmt also den direkten Weg zur Handelsstraße und von dort nach Kleve?«

»So haben wir es vor«, bestätigte Palmiro. »Habt Dank für die Wegweisung und verzeiht unser versehentliches Vordringen auf des Wildgrafen Grund und Boden.«

Der Geharnischte nickte nur knapp und trieb sein Pferd an. Während er die Fuhrwerke passierte, beäugte er sie noch einmal neugierig.

»Und nun«, sagte Palmiro, als sie wieder unter sich waren, »machen wir, dass wir so schnell wie nur möglich von hier wegkommen, bevor uns Einhards Männer einholen.«

***

Auf den unebenen Wegen holperten und polterten die Fuhrwerke gehörig, und obwohl sie die Zugpferde ordentlich antrieben, kamen sie zwar flott, jedoch nicht wirklich schnell voran. Benedikt hatte die Waffenknechte neu eingeteilt, sodass nun drei von ihnen die Nachhut bildeten und die übrigen sich nah an den beiden Flanken hielten. Er selbst hatte sich wieder neben Palmiro gesellt, der die Gruppe mit leicht angespannter Miene anführte, ansonsten jedoch ganz ruhig wirkte.

»Ich frage mich, ob dieser Wildgraf tatsächlich einen Pelz gekauft hat.«

Palmiro nickte. »Oder ob er gemeinsame Sache mit Einhard macht. Ich nehme Letzteres an, andernfalls hätte es dieser Reitersmann nicht plötzlich so eilig gehabt. Dafür spricht auch, dass die Köhlerhütte offenbar auf dem Land des Wildgrafen steht.«

»Wir sollten versuchen, von diesem Weg herunterzukommen«, befand Benedikt. »Sie wissen ja nun genau, wohin wir wollen.«

»Genau deshalb bleiben wir auf dem Weg«, widersprach Palmiro grinsend. »Der Mann war sehr spezifisch in seinen Angaben, was bedeutet, er hofft, dass wir, falls wir bemerkt haben, dass er vorhat, seine Leute zu alarmieren, uns in unwegsames Gelände schlagen, um ihnen auszuweichen. Die Strauchritter, besonders wenn sie mit dem Wildgrafen gemeinsame Sache machen, werden jeden Winkel in diesen Wäldern kennen und hätten leichtes Spiel mit uns. Bleiben wir aber auf dem Hauptweg und der Handelsstraße, kommen wir viel schneller voran und können auf den Schutz und die Hilfe anderer Reisender hoffen.«

Widerwillig beeindruckt von diesem durchaus plausiblen Gedankengang schwieg Benedikt für eine geraume Weile, wandte dann aber doch ein: »Und wenn er uns einfach für dumm hält und uns geradewegs folgt? Oder wenn er seine Männer aufteilt?«

»Wir sollten uns beeilen, um es möglichst nicht herauszufinden.« Palmiro gab den Männern ein Zeichen. »Da vorn wird der Weg besser. Treibt die Pferde an, wir müssen die Handelsstraße nach Kleve so schnell wie möglich erreichen.«

Unter Schnalzen, Zügelklatschen und wiederholten »Hü«-Rufen polterten und ratterten die Fuhrwerke weiter durch den Wald und zwischen Feldern hindurch. Immer abwechselnd umrundeten Benedikt und Palmiro die Fuhrwerke samt Waffenknechten und hielten nach möglichen Verfolgern Ausschau.

Erst gegen Mittag machten sie halt. Inzwischen bewegten sie sich auf der Straße in Richtung Xanten, also auf dem Heimweg. Da sie die Nacht durchwacht hatten und außerdem vollkommen regendurchnässt waren, ordnete Palmiro eine Ruhepause bis zum folgenden Morgen an. Er selbst wollte sich derweil auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung machen, nach Kleve, um Ulf Jagers Familie aufzusuchen und den Vogt über die Vorgänge in den Wäldern des Wildgrafen zu informieren. Benedikt, der inzwischen die Aufsicht über die Waren übernehmen sollte, war nicht sehr angetan von dieser Idee.

»Was, wenn dich auf dem Weg jemand erkennt? Es ist immer noch möglich, dass sie nach uns suchen.«

Palmiro zuckte mit den Achseln. »Dann ist es mir allein doch ein Leichtes, sie in die Irre zu führen. Ich sehe nicht ein, weshalb wir die Tuche und Pelze mit nach Kleve schleppen sollten. Bring sie wohlbehalten heim. Ich folge euch, sobald ich in Kleve alles erledigt habe.«

»Wie willst du Jagers Familie plausibel erklären, woher du weißt, was mit ihm geschehen ist?«, wandte Benedikt ein. »Von deiner Vision oder was immer es war, wirst du ihnen doch wohl nichts erzählen wollen, oder? Sie werden dich für verrückt halten – oder Schlimmeres.«

»Sie müssen von seinem Tod erfahren«, beharrte Palmiro. »Überlass das mir.«

»Ungern.« Stirnrunzelnd beugte Benedikt sich ein wenig vor. »Was ist das für ein merkwürdiges Gesumm?«

Palmiro hob die rechte Hand, wie um sie an das Kruzifix zu legen, wie er es so häufig tat, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne und ließ die Hand dann bedächtig wieder sinken. »Was meinst du? Eine Biene vielleicht? Die sind um diese Jahreszeit schon ganz träge und anhänglich.«

»Red keinen Unsinn.« Benedikt lauschte noch angestrengter. »Es sirrt wie eine zornige Hornisse.«

»Dann wird es wohl eine sein.«

Allmählich stieg Ärger in Benedikt auf. »Siehst du hier irgendwo eine Hornisse? Nun komm schon, raus mit der Sprache! Was ist das für ein Geräusch?« Noch ehe Palmiro etwas erwidern konnte, trat Benedikt dicht an ihn heran und zerrte die Kette mit dem Kreuz unter dessen Wams hervor. Als er dabei mit dem Rahmen des Kreuzes in Berührung kam, zuckte er heftig zusammen. »Bei allen Heiligen! Was ist das? Es glüht ja geradezu. Wie kann das sein?«

»Schsch!« Hastig legte Palmiro einen Finger an die Lippen. »Mach die Männer nicht darauf aufmerksam.«

»Worauf aufmerksam?« Benedikt spürte eine kalte Gänsehaut über sein Rückgrat rieseln. »Um der heiligen Jungfrau willen … Leuchtet es? Was ist das für ein Teufelsding?«

»Beruhige dich!« Rasch führte Palmiro ihn in Richtung des hinteren Fuhrwerks, wo sie vor den Blicken der Waffenknechte geschützt waren, die inzwischen dabei waren, ein Lager aufzuschlagen und ein Feuer zu entzünden. »Es ist nichts Teuflisches an diesem Kruzifix, im Gegenteil. Es handelt sich um eine mächtige, uralte Reliquie.« Er zögerte, fuhr dann aber fort: »Es nennt sich Kreuz des Zachäus, denn der Zöllner hat es einst als Dank für die Erleuchtung durch Jesus Christus anfertigen lassen.«

Argwöhnisch musterte Benedikt das Kreuz, tippte es mit der Fingerspitze an. »Wie kann es so glühen?« Mit äußerster Vorsicht umfasste er es. »Es vibriert!« Hastig ließ er es los und rieb fahrig seine Hände aneinander. »Ich habe noch niemals von einer Reliquie gehört, die so etwas vermag.«

Sorgsam verbarg Palmiro das Kreuz wieder unter seiner Kleidung. »Glaub mir, es ist nicht gefährlich, außer für Menschen, die Böses im Sinn haben.«

So etwas hatte Palmiro schon einmal angedeutet. »Woher willst du wissen, wer Böses im Schilde führt?«

»Nicht ich weiß das, zumindest nicht, ohne zuvor das Seelenlicht eines Menschen gesehen zu haben. Das Kreuz spürt, ob ein Mensch reinen Herzens ist oder vom Bösen beseelt.«

»Ein Kreuz kann so etwas nicht wissen!« Benedikt schauderte heftig, denn immerhin war er ja auch nicht reinen Herzens in Palmiros Dienste getreten, sondern um ihn auszuspionieren und Beweise gegen ihn zu sammeln, die ihn mit Ketzerei in Verbindung brachten. Anscheinend zeichneten sich allmählich erste Erfolge ab. Wohl fühlte er sich dabei allerdings ganz und gar nicht. Vielleicht, weil das, was er nun über Palmiro erfuhr, nicht ganz das war, was er erwartet hatte – und Erasmus womöglich auch nicht.

Wenn der Inquisitor aber, wie Benedikt argwöhnte, mehr an Palmiros Wissen über das Versteck dieses angeblichen unermesslichen Gralsschatzes interessiert war als an der Vernichtung einer möglichen oder eingebildeten Nachfolgersekte der Templer, dann würde er sich für diese ungeheuerliche Reliquie ganz sicher erwärmen können. Denn wer so etwas besaß, wusste ziemlich wahrscheinlich auch, wo sich noch mehr solcher Reliquien befanden.

Aus unerfindlichen Gründen wurde es Benedikt beinahe übel bei diesen Gedanken. Er würde in seinem nächsten Bericht einiges zu erzählen haben. Doch damit ließ er sich besser noch ein wenig Zeit. Noch hielt er zu viele lose Enden in der Hand und wurde aus Palmiro nicht recht schlau.

»Dieses Kreuz weiß es aber«, entgegnete Palmiro indes. »Frag mich nicht, wie das sein kann, aber seit es in meiner Familie ist, hat es immer wieder vor Ungemach gewarnt und alle, die es in Ehren hielten, vor Gefahr beschützt.«

Benedikt rieb sich über seine rechte Hand, mit der er das Kruzifix angefasst hatte. Sie kribbelte ein wenig, so als krabbelten Ameisen darüber. »Was tut es mit Menschen, die, wie du es nennst, nicht reinen Herzens sind?«

Aufmerksam blickte Palmiro von Benedikts Gesicht zu seinen Händen, dann grinste er breit. »Es zerstört sie.«

»Was?« Entgeistert starrte Benedikt ihn an. Das Kribbeln wuchs zu einem regelrechten Brennen heran, wie von Ameisengift. Er rieb heftiger darüber, doch das half nichts.

»Bei manchen löst es auch nur einen Juckreiz oder böse Brandwunden aus.« Palmiros Grinsen wurde noch breiter. »Was ist es bei dir?«

Schockiert machte Benedikt einen Schritt rückwärts, dann einen zweiten. Erstarrte. Das Brennen hatte aufgehört. Verdutzt blickte er auf seine Hand. »Nichts«, brachte er mit einiger Verspätung hervor. Sein Herz pochte wie verrückt, seine Stimme krächzte. »Bei mir ist gar nichts. Wie kommst du darauf?«

»Du bist kein so guter Schauspieler, wie du glaubst, Benedikt.« Aus Palmiros Grinsen wurde ein warmes Lächeln. »Kein Mensch ist ohne Fehl. Die, die das Kreuz nicht zerstört, scheinen noch zu retten zu sein. Wenn sie es wollen.«

»Was wollen?« Benedikt schluckte hart.

»An das Gute in der Welt und die Liebe glauben.« Palmiro sah sich um. »Ich will mich ein wenig ausruhen, bevor ich mich auf den Weg nach Kleve mache.«

»Davon lässt du dich nicht abbringen.« Es war mehr eine Feststellung denn eine Frage.

»Ich muss es tun, schon weil der Vogt Bescheid wissen muss.« Palmiro zog eine Decke von der Ladefläche des Fuhrwerks. »Leg dich auch ein bisschen aufs Ohr. Du bist ebenso lange auf den Beinen wie ich.«

Benedikt schüttelte den Kopf. »Einer muss Wache halten.«

»Einer oder zwei der Männer.«

»Die sind ebenfalls müde. Ich behalte lieber selbst alles im Auge.« Er erschrak, als ihn Palmiros dankbarer Blick und sein beinahe – großer Gott! – liebevolles Lächeln trafen. Hastig wandte er sich ab. »Bis später.« So schnell er konnte, ohne albern zu wirken, ging er zu den Pferden hinüber und tat, als müsse er sich um deren Sättel kümmern. Oder die Halfter. Oder … irgendetwas.