7. KAPITEL

„Der wunderschöne Rotschopf, der Enrico Ranieri heiraten wird, hat also Sinn für Humor?“, zitierte Enrico mit honigsüßer Stimme und gefährlichem Lächeln eine Passage aus dem Zeitungsartikel.

Freyas Pulsschlag erhöhte sich sofort. „Auch Miss Romano hat Humor“, gab sie zurück. „Ich war gerade in dem Brautmodenladen, um mein Hochzeitskleid anzuprobieren. Während der gesamten Anprobe habe ich mich vor Lachen gebogen über ihre Beschreibung, wie du ihr ein Brillantarmband umgelegt und dabei leise gesagt hast: ‚Tut mir leid, aber dies ist mein Abschiedsgeschenk.‘“

„Was hast du denn von mir erwartet? Sollte sie von meiner Heirat aus der Zeitung erfahren?“

„Hast du ihr das Abschiedsgeschenk vor oder nach eurem leidenschaftlichen Sex gemacht?“

„Du eifersüchtige, rachsüchtige Hexe“, stieß er hervor.

„Und du betrügst mich schon vor der Hochzeit.“

„Ich habe die Beziehung beendet. Wieso macht mich das zum Betrüger?“

„Du hast erst mit ihr Schluss gemacht, nachdem du mich auf dem Schreibtisch vernascht hast“, erwiderte Freya wütend. „Schlimmer geht es wohl kaum noch. Jetzt lass mich in Ruhe!“

„Es geht durchaus schlimmer.“ Enrico lag auf ihr und drückte sie mit nacktem Oberkörper auf die mit einem Seidenlaken bezogene Matratze. „Ich kenne eine Frau, die hat es mit zwei Cousins getrieben – im selben Bett!“

„Mit deinem Einverständnis. Vergiss das nicht!“

„Jetzt fang nicht schon wieder damit an!“

„Dann lass mich in Ruhe“, rief sie und bearbeitete ihn mit den Fäusten. „Ich hasse dich. Ich weiß nicht, warum ich mir das alles von dir gefallen lasse. Ich weiß nicht einmal, wie ich es im selben Bett mit dir ausgehalten habe.“

„Indem du dich an den äußersten Rand gelegt und dir versagt hast, in meine Arme zu kommen. Mir war es nur recht, denn ich wollte uns beide eine unvergessliche Hochzeitsnacht bereiten. Aber das ist mir jetzt egal.“

Mit einer einzigen Bewegung setzte er sich auf sie und schob Freyas Nachthemd hoch. Mit der anderen Hand hielt er sie so fest, dass sie ihm nicht entkam.

„Das tust du nicht!“ Wütend funkelte sie ihn an.

„Du wirst mich gleich anflehen, mit dir zu schlafen.“

„Das werde ich ganz bestimmt nicht tun!“

Er beugte sich vor und begann, sie wild und leidenschaftlich zu küssen.

Liebe war also nicht nur wie ein sanft dahinplätschernder Bach, der sich langsam zum reißenden Strom entwickelte. Manchmal kam die Sturmflut zuerst. So wie jetzt. Sie hatten sich beide richtig in ihre Wut hineingesteigert, und nun wandelte die Kampflust sich in das Verlangen, sich ineinander zu verlieren.

In dem Kuss entlud sich ihre ganze Wut. Freya kämpfte mit Enrico um ihr Nachthemd. Beide wussten, dass er den Kampf schließlich gewinnen würde. Sie machte sich einen Spaß daraus, ihn – wie zufällig – dort zu berühren, wo er am erregtesten war. Jedes Mal zuckte er zusammen und stöhnte vor Lust. Die Rache folgte auf dem Fuß, indem Enrico sie am Haar zog und ihren Kopf zurückbog, damit er seine Zunge noch tiefer in ihren Mund gleiten lassen konnte. Freya bewegte sich heftig hin und her und erwiderte seinen Kuss mit gleicher Leidenschaft. Sie stand ihm in nichts nach. Bald waren sie völlig außer Atem. Schließlich gelang es Enrico, ihr das Nachthemd zu entreißen, und als sie seinen heißen Körper auf ihrem spürte, brachte ihre Sehnsucht, ihn zu umfangen, sie fast um den Verstand.

„Du hast es zerrissen“, sagte sie vorwurfsvoll.

„Das hat dir doch Spaß gemacht“, antwortete er rau, bevor er sich ihren Brustspitzen widmete.

Freya stöhnte und krallte die Finger in seinen Rücken, was Enrico noch mehr erregte. Als er sich weiter nach unten schob, ließ sie die Finger durch seine schwarzen Locken gleiten. Was er mit seiner Zunge anstellte, war einfach himmlisch. Heiße Wogen des Verlangens durchfluteten sie. Sie wollte die Hüften anheben, doch er presste sie fest auf die Matratze. Jetzt umfasste er ihre Taille und drängte mit sanfter Gewalt ihre Schenkel auseinander.

Mit Zunge und Händen erforschte er jeden Winkel ihres Körpers. Kein anderer Mann hatte sich je so ausgiebig mit ihr beschäftigt. Freya stöhnte vor sinnlichem Verlangen. „Enrico“, flüsterte sie immer wieder, als er sie fast an den Rand der Ekstase brachte, ihr jedoch die Erlösung versagte.

Er sah auf. Seine dunklen Augen waren vor Erregung noch dunkler geworden. Er fühlte, dass sie dem Höhepunkt entgegenfieberte. Sie hatte die Augen geschlossen und die Arme über dem Kopf ausgestreckt und sich ihm völlig ausgeliefert. Ihre Brüste hatten sich aufgerichtet, was ihn noch mehr erregte.

Bei ihrem Anblick wurde Enrico von heißer Leidenschaft durchflutet. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie eine Frau so sehr begehrt.

„Du willst mich“, sagte er rau.

„Ja“, flüsterte sie.

„So?“, fragte er und ließ die Zunge über Freyas empfindsamste Stelle gleiten.

Freya bog sich ihm entgegen. „Nein“, rief sie verzweifelt.

„So vielleicht?“ Er richtete sich auf, bereit, in sie einzudringen.

Freya legte die Arme um ihn. „Ja, genau so.“

„Ist das eine Bitte?“

Sie öffnete die Augen und funkelte ihn wütend an. „Verlangt das dein Ego?“

„Vielleicht. Ich möchte es eben gern hören.“

„Was?“

„Dass du mich bittest, dich zu lieben.“

Statt zu antworten, begann sie, ihn leidenschaftlich zu küssen. Es war ein überwältigend sinnlicher Kuss, der fast Enricos Widerstand gebrochen hätte. Das wusste sie natürlich ganz genau, denn erst in allerletzter Sekunde, als er die Spannung kaum noch aushielt, beendete sie den Kuss und bat leise: „Bitte, Enrico.“

Er konnte gar nicht schnell genug eins mit ihr werden und sie völlig ausfüllen. Er spürte, wie sie ihn fest umschloss, und stöhnte. Als er begann, sich in ihr zu bewegen, legte sie die Beine um ihn, um ihm mehr Bewegungsfreiheit zu geben. Enrico wurde es fast schwarz vor Augen, so fantastisch war das Gefühl. Er fühlte sich unglaublich lebendig und genoss die Vereinigung mit allen Sinnen. Jetzt schob er die Hände unter Freya, hob sie hoch und drang erneut in sie ein. Dann begann er, sich etwas schneller zu bewegen, nicht zu schnell, denn er wollte so lange eins sein mit ihr wie möglich. Er spürte ihre harten Brustspitzen an seiner Brust, während Freya die Finger wieder durch sein Haar gleiten ließ.

Die Zeit schien stillzustehen. Auf der ganzen Welt schienen nur noch sie beide zu existieren und ihr erregendes Spiel. Sie hatten einen gemeinsamen Rhythmus gefunden und waren eins. Keiner von ihnen hätte zu sagen gewusst, wo ein Körper anfing und der andere aufhörte, so eng waren sie miteinander verwoben und gaben sich ganz dem süßen Vergnügen hin, bevor es mit einem kurzen, heißen, intensiven Höhepunkt vorbei wäre. Die Spannung stieg, ihre Bewegungen wurden schneller und heftiger.

Freya erreichte die Schwelle zuerst und stöhnte leise auf. Sie ließ die Hände zu Enricos Schultern gleiten und umfasste sie. Enrico bewegte sich immer schneller, bis sie endlich beide zugleich die ersehnte Erlösung fanden und sich erschöpft, aber glücklich in den Armen lagen.

Er lag noch immer auf ihr und wurde ihr fast zu schwer. Doch sie beklagte sich nicht, denn es war wunderbar, noch mit ihm eins zu sein, nachdem der Sturm vorbei war.

Dieses Gefühl der völligen Befriedigung und der angenehmen Erschöpfung, die ihm jede Energie nahm, fand er nur in Freyas Armen. Als er wieder etwas zu Atem gekommen war, fragte er lässig: „Wenn dich mal wieder jemand fragt, wie gut ich als Liebhaber sei, was antwortest du dann?“

„Dass du einfach unglaublich bist“, antwortete sie gehorsam. „Ein richtiger Kater mit einer bemerkenswerten Ausstattung.“

Er lächelte zufrieden. „Bin ich wirklich so gut?“

„Klar, bewandert in allen Liebeskünsten. Soll ich die Presse über deine Vorstellung informieren?“

Er lachte, obwohl er wusste, dass die Frage nicht unbedingt scherzhaft gemeint war. „Du bist ein eifersüchtiges Kätzchen, vor dessen Temperament man sich in Acht nehmen muss. Ach, ich bin so froh, dass wir die Hochzeitsnacht hinter uns haben. Jetzt können wir unseren Spaß haben, ohne vorgeben zu müssen, dass wir nur ungern miteinander schlafen.“

Unvermittelt rollte er sich zur Bettkante, stand auf, beugte sich vor und hob Freya hoch.

„Was soll das?“, fragte sie ungehalten.

„Ich setze unsere vorgezogene Hochzeitsnacht fort.“ Er schob sich Freyas Beine links und rechts auf die Hüften und trug sie ins Badezimmer. „Du schuldest mir Wiedergutmachung für eine Woche Abstinenz. Außerdem hätte ich gern eine Entschädigung für die Nacht, in der du dich meiner gnadenlos bedient hast.“

„Ich habe geschlafen. Das zählt nicht.“

„Typisch englisch“, sagte Enrico spöttisch. „Herr Richter, ich habe geschlafen und bin völlig unschuldig.“

Sie wollte sich ausschütten vor Lachen. Enrico blieb an der Badezimmertür stehen und betrachtete Freya entzückt. Das Lachen ließ ihre Augen strahlen und machte sie noch schöner.

„Du bist unglaublich sexy, wenn du lachst“, sagte er.

Als Freya sofort mürrisch das Gesicht verzog, lachte er rau. „Der Blick kann mich nicht erschüttern, mit den Augen lachst du nämlich noch.“

„Du auch“, sagte sie und begann, ihn zu küssen. Es war das erste Mal, dass sie die Initiative ergriff und Enrico küsste, ohne dazu verführt worden zu sein.

Das ist ganz schön gefährlich, dachte sie und erwiderte seinen Blick. Die Atmosphäre zwischen ihnen knisterte erneut. Du tappst wieder in die Liebesfalle, vergiss nicht, dass Enrico dein Feind ist, sagte sie sich. Er glaubte ja, sie hätte mit jedem Mann so viel Spaß. Außerdem ging es ihm eigentlich nur um seinen Sohn. Wenn ich nicht aufpasse, wird er mir wieder wehtun, dachte sie traurig und versuchte, sich von ihm zu lösen.

Doch Enrico hielt sie fest umfangen und küsste sie weiter. Freyas Verlangen gewann wieder die Oberhand. Sie schmiegte sich an ihn und erwiderte leidenschaftlich seinen Kuss.

Enrico drehte sich um und kehrte mit ihr zum Bett zurück, auf das er sie gleiten ließ, bevor er sich zu ihr legte. „Ich weiß gar nicht, wie du das anstellst“, sagte er leise, als er erneut in sie eindrang. „Du bringst mich völlig um den Verstand.“

Freya bog sich ihm entgegen und empfing ihn bereitwillig. Sie konnte gar nicht genug von ihm bekommen.

Sie liebten sich bis zum frühen Morgen und fielen dann vor Erschöpfung in einen tiefen Schlaf, während Nicky Fredo und das neue Kindermädchen auf Trab hielt.

Eine Woche später ließ Freya eine erneute Anprobe über sich ergehen. Der Designer des Brautkleides trat einen Schritt zurück, um sein Werk kritisch zu begutachten. Sonny war auch wieder dabei, und Cindy hatte sich ebenfalls eingefunden, denn sie sollte Freyas Trauzeugin sein.

Die drei berieten, was man noch verbessern könnte, doch Freya hörte gar nicht zu.

Sie dachte darüber nach, wie sie sich erneut von diesem unglaublich leidenschaftlichen Mann hatte um den Finger wickeln lassen, und schimpfte sich eine Närrin. Niemals durfte sie außer Acht lassen, woran Enrico wirklich interessiert war: an seinem Sohn. Doch es fiel ihr von Tag zu Tag schwerer, Enrico unlautere Motive zu unterstellen, denn alles lief so wunderbar.

Und Nicky war glücklich.

Alle Hausbewohner atmeten auf, als die Spannungen zwischen ihr und Enrico nachließen, und Nicky blühte richtig auf. Enrico war sein Vorbild, Fredo sein bester Freund, Sonny kochte ihm seine Lieblingsgerichte, und Lissa war wie eine große Schwester, die nie müde wurde, mit ihm zu spielen.

Die Krippe hatte der Kleine anscheinend längst vergessen. So würde ihm der Umzug nach Mailand vermutlich wenig ausmachen. Cindy war auch dieser Meinung. Aber Cindy glaubte sowieso alles, was man ihr erzählte. Auch Enricos Geschichte von der verloren geglaubten und wiedergefundenen großen Liebe hatte sie geschluckt, ohne mit der Wimper zu zucken. Enrico war der romantische Held, der sie sogar als Trauzeugin vorgeschlagen hatte.

„Sie ist schön wie eine Prinzessin“, stellte Sonny andächtig fest.

Wie Aschenputtel, dachte Freya, die seinen Kommentar gehört hatte. Punkt Mitternacht zerplatzt der Traum wie eine Seifenblase.

Nachdenklich betrachtete Enrico die beiden Eheringe und den Memoryring mit dem Brillanten, die gerade in seinem Büro abgegeben worden waren. Den Memoryring bekam die Ehefrau traditionell zur Geburt des ersten Kindes.

Die Tradition war ihm sehr wichtig. Er hatte alle Vorbereitungen für eine Hochzeit getroffen, die sein Sohn niemals vergessen sollte. Die Reihenfolge war zwar etwas durcheinandergeraten, doch das würde der Feier keinen Abbruch tun.

Trotzdem hatte er ein ungutes Gefühl. Die ganze Angelegenheit kam ihm so unwirklich vor. Innerhalb von nur zwei Wochen war ihm die erfolgreichste Übernahme seines Lebens gelungen. Sein Sohn lebte bei ihm, er selbst teilte mit der sinnlichsten Frau, die ihm je begegnet war, das Bett. In wenigen Tagen würden sie Mann und Frau sein, und dann würde er sich darum kümmern, Nicky als seinen leiblichen Sohn anerkennen zu lassen. Mehr wollte er doch nicht, oder?

Doch!

Freya sollte ihm laut und deutlich mitteilen, dass Nicolo sein Sohn war. Das schlaftrunken geäußerte Geständnis reichte ihm nicht.

Sie lebte unter seinem Dach, schlief in seinem Bett, ließ sich jede Nacht leidenschaftlich lieben, sich von ihm einkleiden und ernähren und hatte sogar eingewilligt, ihn zu heiraten. Ich habe alle Zugeständnisse gemacht, dachte er, da kann ich von ihr wohl auch ein kleines Zugeständnis verlangen, oder?

In dieser Nacht liebten sie sich, als wäre es das letzte Mal. Am nächsten Morgen war Enrico beim Frühstück ausgesprochen schlecht gelaunt. Als Lissa von Freya wissen wollte, ob ihr Brautkleid weiß oder elfenbeinfarben sein würde, verärgerte ihre Antwort ihn noch mehr.

„Ich habe doch ausdrücklich angeordnet, dass du ein weißes Kleid zu tragen hast“, sagte er aufgebracht, sobald Lissa mit Nicolo das Zimmer verlassen hatte.

„Ich habe einen zweijährigen unehelichen Sohn“, gab Freya spöttisch zu bedenken. „In einem weißen Kleid käme ich mir wie eine Heuchlerin vor. Warum musstest du überhaupt auf einer kirchlichen Trauung bestehen?“

„Das habe ich dir doch erzählt: Ich möchte, dass unser Sohn eine schöne Erinnerung an den Hochzeitstag seiner Eltern hat. Nichts darf diesen Tag verderben, und es wird im traditionellen Stil geheiratet.“

Immer tat er alles für Nicky!

„Er wird sicher keinen bleibenden Schaden davontragen, wenn seine Mutter im blauen, statt im weißen Kleid vor den Traualtar tritt“, antwortete sie ärgerlich.

„Wehe, wenn das Kleid blau ist.“ Enrico funkelte sie wütend an.

Freya hob energisch das Kinn und blickte ihn herausfordernd an. „Es ist ja wohl meine Sache, was ich zu meiner Hochzeit trage.“

Dieser Blick entfesselte ungezügeltes Verlangen in ihm. Um das zu überspielen, gab Enrico zu bedenken: „Da du die Sachen von meinem Geld bezahlst, wirst du gefälligst tragen, was ich dir sage!“

Freya wurde blass. Verletzt blickte sie Enrico an. Erst als ihr Handy klingelte, wandte sie den Blick ab und nahm den Anruf entgegen.

„Hallo, ich bin’s“, meldete sich eine ihr vertraute Stimme.

Es war Cindy. Sie waren zum Einkaufsbummel verabredet, aber Enricos schlechte Laune hatte Freya die Vorfreude verdorben. Eigentlich hatte sie keine Lust einzukaufen. Doch dann fiel ihr ein, dass sie ja noch etwas erledigen wollte. Sie stand auf und wandte Enrico den Rücken zu.

„Ich kann jetzt nicht sprechen“, sagte sie leise. „Ich rufe dich gleich zurück, okay?“

Als sie sich wieder umwandte, fragte Enrico misstrauisch: „Wer war das?“

„Das geht dich nichts an.“ Sie schrie auf, als er sie blitzschnell an sich zog.

„Du sagst mir jetzt, wer angerufen hat“, stieß er hervor.

Verzweifelt versuchte sie, sich aus seinem Griff zu befreien. „Mein Liebhaber“, behauptete sie wütend. „Er hat nie schlechte Laune und ist sehr taktvoll. Wir wollen miteinander durchbrennen, sobald ich deinen Kreditkartenrahmen gesprengt habe.“

Diese provozierende Bemerkung hatte einen heißen, harten Kuss zur Folge. Als Enrico sie endlich wieder losließ, blickte Freya ihn schockiert an.

„Halt mich nicht zum Narren, cara, denn die Folgen würden dir nicht gefallen“, sagte er wütend, griff nach seinem Aktenkoffer und verließ das Haus, während Freya sich behutsam über die brennenden Lippen strich.

Sie taten ihr noch immer weh, als sie kurz darauf Cindy anrief, um zu verabreden, wann und wo sie sich treffen wollten. Dann machte sie sich fertig und verließ trotzig das Haus, ohne Sonny Bescheid zu sagen.

Prompt hatte sie Enrico wenige Minuten später am Handy, als sie auf dem Weg zur U-Bahn-Station war. „Wo bist du?“, fragte er herrisch.

„Ich bin geflüchtet“, sagte sie abweisend, beendete das Gespräch und schaltete das Handy ab.

An diesem Vormittag hetzte Enrico von einer Besprechung zur nächsten. Als schließlich die letzte Konferenz in seinem Büro beendet war und Fredo hereinkam, war Enrico noch immer schlechter Laune.

Die Miene seines Leibwächters verhieß auch nichts Gutes.

„Was ist los?“

„Es geht um Freya.“ Unsicher verlagerte Fredo das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. So hatte Enrico ihn noch nie erlebt.

„Was ist mit ihr?“

„Niemand hat sie gesehen, seitdem du heute Morgen das Haus verlassen hast.“

„Wahrscheinlich tauscht sie ihr blaues gegen ein weißes Brautkleid um“, erwiderte Enrico mürrisch.

Fredo schüttelte den Kopf. „Sonny sagt, es hätte nie ein blaues Kleid gegeben. Sie hat dich nur auf den Arm genommen.“

Und ich Idiot bin natürlich darauf hereingefallen, dachte Enrico wütend. „Wo ist sie denn hingegangen? Wieso ist Sonny nicht bei ihr?“

„Er sagt, dass Freya mit dem Handy telefoniert hat, kurz nachdem du das Haus verlassen hast. Wenige Minuten später war sie weg.“

Das gefiel Enrico überhaupt nicht. Unwillig schüttelte er den Kopf. „Wann genau war das?“, fragte er herrisch.

„Vor vier Stunden“, antwortete Fredo. „Aber da ist noch etwas.“

„Was denn? Nun lass dir doch nicht alles einzeln aus der Nase ziehen, Fredo!“

„Vergangene Woche ist sie auch mehrere Stunden lang verschwunden. Allerdings war der Junge bei ihr. Er hat gesagt, sie hätten im Park Enten gefüttert, aber …“

„Aber?“ Enrico schwante Schlimmes.

„Luca ist verschwunden.“

„Das weiß ich.“ Enrico verzog ungeduldig das Gesicht. „Ich habe dafür gesorgt, dass man ihn aufspürt.“ Enricos Leute hatten ihn von Hawaii bis nach New York verfolgt, dort jedoch seine Spur verloren.

„Sie haben ihn gestern Abend gefunden, mich aber erst vor fünf Minuten unterrichtet.“ Fredo seufzte schwer. „Es wird dir nicht gefallen, Enrico, aber Luca befindet sich seit vergangener Woche hier in London.“

Sofort sah Enrico Freya in ihrem grauen Kostüm vor sich, die behauptete, einen Liebhaber zu haben. Hatte sie etwa auf Luca angespielt? Nein, diese Vorstellung wollte er nicht einmal in Erwägung ziehen.

„Wo ist Luca abgestiegen?“

„In einem deiner Hotels. Der Mann muss verrückt sein.“

Natürlich wohnt er in meinem Hotel, dachte Enrico mürrisch. Luca hatte schon immer begehrt, was sein Cousin besaß: Reichtum, das Ansehen innerhalb der Familie, die Hotels, seine Freundin …

Sofort erschien vor seinem geistigen Auge die Szene, die ihn seit drei Jahren verfolgte: Freya auf dem Bett mit halb geöffnetem Bademantel, sein nackter Cousin auf ihr. Enrico hatte ihr Stöhnen gehört, gesehen, wie Freya den Kopf hin und her warf, wie sie Lucas Kopf umfasst und den verhassten Mann leidenschaftlich geküsst hatte.

Verflixt, dachte Enrico wütend und verdrängte das Bild ganz schnell.

„Der Mann, der ihn beschattet hat, hat heute Morgen das Hotel beobachtet und gesehen, wie eine Frau in Lucas Suite verschwunden ist.“

„Ja, und weiter?“ Enrico funkelte seinen Leibwächter wütend an. „Mach es nicht so spannend!“

„Die Frau hatte langes rotes Haar und trug ein graues Kostüm.“

Als Freya zurückkehrte, hatte sie das Gefühl, am Londoner Marathon teilgenommen zu haben. Die Füße taten ihr weh. Cindy war entschlossen gewesen, jedes Geschäft in London aufzusuchen. Die Frau hatte zu viel Energie …

Schwer bepackt mit zahllosen Einkaufstaschen, schleppte Freya sich die Treppe hoch. Nach Enricos missgünstigem Kommentar, sie würde sein Geld ausgeben, hatte sie genau das getan. Nur einen einzigen Gegenstand hatte sie von ihrem eigenen Geld bezahlt. Nun waren ihre wenigen Ersparnisse fast aufgebraucht.

So geht das nicht, dachte Freya, als sie ihr Schlafzimmer erreichte. Sobald sie sich nach der Hochzeit in Mailand eingelebt hatte, würde sie sich einen Job suchen, damit sie wieder unabhängig war.

„Wo bist du gewesen?“

Freya, die gerade die Taschen abstellte, sah überrascht auf. Enrico stand am Fenster, die Hände in den Hosentaschen, das Jackett offen, sodass sie das blütenweiße Hemd und die schmale Krawatte sehen konnte. Er wirkte so groß, so schlank und unendlich sexy.

Sie sah ihn voller Begehren an und dachte im gleichen Augenblick: Ich sollte mich wirklich etwas zusammenreißen. Schließlich konnte man diesem Mann nicht über den Weg trauen.

„Unterwegs“, antwortete sie kurz angebunden, denn die vielen Einkaufstüten sprachen doch wohl für sich. „Wieso bist du eigentlich schon zu Hause?“

„Es ist vier Uhr.“

„Normalerweise triffst du abends nicht vor sieben Uhr hier ein.“

„Warst du den ganzen Tag unterwegs?“

„Ja. Frag mal meine armen Füße.“ Sie setzte sich auf die Bettkante und schlüpfte aus den Schuhen, bevor sie sich vorbeugte und die schmerzenden Füße massierte, wobei das schimmernde Haar ihr Gesicht verbarg.

Enrico reagierte mit Schweigen. Sie spürte seine Anspannung und sah auf. Er stand einfach nur reglos da. Ob er sich noch immer über das blaue Hochzeitskleid ärgerte? Sollte er doch. Traditionsgemäß würde er das Brautkleid erst in der Kirche zu Gesicht bekommen.

„Ist was?“, fragte sie schließlich unschuldig und ließ sich nicht anmerken, wie sehr der Streit zwischen ihnen am Morgen sie noch beschäftigte. Als Enrico noch immer keine Antwort gab, widmete sie sich wieder den schmerzenden Füßen. Sie wusste, dass es Nicky gut ging, denn sie hatte ihn und Lissa erst vor wenigen Minuten getroffen. Sie wollten im Park Fußball spielen und Eis essen. Freya hatte dem Kleinen noch einige Münzen zugesteckt, dann war er vergnügt an Lissas Hand losgerannt. Wehmütig hatte Freya ihrem Sohn nachgesehen.

Im nächsten Moment zuckte sie erschrocken zusammen. Enrico stand direkt vor ihr. Sie hatte ihn überhaupt nicht kommen gehört. Er zog sie hoch und begann, sie so hart zu küssen, dass es ihr den Atem nahm.

Sie schmeckte wie Freya, duftete wie Freya und erwiderte seinen Kuss, wie sie es immer tat, ob sie es wollte oder nicht. Enrico war wütend auf sie und auf sich selbst. Er wusste nicht einmal, was ihn dazu getrieben hatte, sie zu küssen, wo er sie doch eher an die Luft setzen sollte, wie vor drei Jahren, als sie ihn schon einmal hintergangen hatte.

Hatte sie auch Luca so verlangend geküsst? Machte es ihr Spaß, einen Cousin gegen den anderen auszuspielen? Hatte sie Luca ihren Sohn vorgestellt, nur zur Sicherheit, falls sie von ihm, Enrico, nicht bekam, was sie wollte?

Oder wusste sie selbst nicht, wer von ihnen beiden Nickys Vater war?

Die Antwort kann ich ihr geben, dachte er wütend und stieß sie von sich, obwohl sein Körper sich nach ihr verzehrte.

„Was sollte das denn, Enrico?“, fragte sie entsetzt und strich sich über die brennenden Lippen.

„Ich habe noch etwas zu erledigen“, behauptete er. „Wir sehen uns erst in der Kirche wieder.“

„Dann war das also ein Abschiedskuss?“

Sie klang so verunsichert und schockiert und spielte ihm offenbar die Unschuld vom Lande vor – am liebsten hätte er ihr den Hals umgedreht. Aber er musste an seinen Sohn denken. Nur eine Heirat würde gewährleisten, dass Nicolo auch zukünftig eine Rolle in seinem, Enricos, Leben spielen würde.

„Tut mir leid, dir das sagen zu müssen, Enrico, aber du hast wirklich schon mal besser geküsst.“

„Schieb es auf die Nervosität vor der Hochzeit.“

„Wir können die Trauung auch absagen, wenn du willst.“

Abrupt blieb er an der Tür stehen. Er hatte gedacht, er könnte mit der Lüge leben, bis Freya mit ihm verheiratet war und ihm Nicolo nicht mehr nehmen konnte, doch plötzlich ging das alles über seine Kräfte.

Wut und Verachtung spiegelte sich in seiner Miene, als er sich umwandte. „Ich weiß von Luca“, stieß er rau hervor.

Freya sah ihn verwundert an. „Was weißt du über Luca?“

Sie spielt noch immer die Unschuld vom Lande, dachte er sarkastisch. Dieses Biest! Er ballte die Hände zu Fäusten. Wenn ich sie doch nur hassen könnte, dachte er verzweifelt.

Doch statt sie zu hassen …

„Du hast dich heute mit ihm getroffen.“

„Das habe ich ganz bestimmt nicht getan“, antwortete Freya heftig.

„Und innerhalb der vergangenen zwei Wochen war das nicht das erste Mal.“

Freya sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Ich habe deinen miesen Cousin nicht mehr gesehen, seit du ihn vor drei Jahren aus unserer Wohnung geworfen hast. Und ich will ihn auch nie wiedersehen. Wie kommst du nur zu dieser absurden Behauptung?“

„Ich habe ihn beobachten lassen. Er ist in einem Hotel ganz in der Nähe abgestiegen.“

„Wie schön für dich! Und was hat das mit mir zu tun?“

Enrico atmete tief durch. „Eine Frau ist dabei beobachtet worden, wie sie in seiner Suite verschwand. Die Frau war rothaarig.“

Freya sah ihn fassungslos an. „Und du unterstellst mir also, dass ich es gewesen bin?“

„Nun spiel hier nicht das Unschuldslamm. Dieses Mal habe ich dich zwar nicht mit eigenen Augen gesehen, aber die Beschreibung spricht für sich.“