Das Dinner
… aber schmeckt es auch?
S
obald ich die Golden Gate Bridge überquert habe, verwandelt mein Kopf sich ganz zu Brooke. Nicht komplett, das passiert erst, wenn ich morgen früh mit dem Chor in der Kirche war. Doch ein Stück weit ist es jede Nacht so, dass kurz vor dem Morgengrauen ein bisschen Brooke bereits durchkommt. Heute bin ich mir nicht sicher, wer mehr in mir wohnt. Lady B. oder Brooke? Und ich bin mir nicht sicher, wen ich mehr in mir haben will. Das vorhin mit Maddox hat mich viel zu sehr durcheinandergebracht. Ich schaffe es nicht, ihn aus meinem Kopf zu bekommen.
Als ich unbemerkt durch die Hintertür in mein Haus schleiche und die Treppe hinauflaufe, kann ich erst durchatmen, als ich unter der Dusche stehe und mir Lady B. abwasche. Ich liebe mein Leben als Lady B., liebe das, was ich tue, wovon ich lebe. Doch genauso brauche und liebe ich das hier. Brooke. Diese fromme, prüde Frau, die keiner Fliege etwas zuleide tut. Und jetzt ist da plötzlich Maddox. Der erst in mein Heiligstes eindringt und vor allem Brooke durcheinanderbringt und zu guter Letzt in meiner Wahrheit angekommen ist und die Lady in mir auch noch durcheinanderwirft. Doch was ist eigentlich meine Wahrheit? Brooke interessiert sich nicht für heiße Typen, nicht für Bad
Boys und geile Körper. Und dann, ohne Vorwarnung, steht Maddox in meinem anderen Leben. Will meiner Familie beitreten, und zum ersten Mal bei einer Prüfung, hatte ich das Gefühl, dass es nicht reicht. Dass ich mehr von diesem Mann will. Mehr von seiner Stimme. Mehr von seinem Geist. Mehr von seinem Körper. Und alles von seinen Gedanken.
Ich stelle das Wasser aus, trockne mich ab und öffne danach die versteckte Luke, die die Treppe zu meinem Schlafzimmer freigibt. Als ich diesmal auf der Matratze liege, in den sich langsam klärenden Sternenhimmel schaue, erscheinen Maddox’ Augen vor mir. Sie wechseln von meerblau zur Farbe eines Ozeangewitters und es ist beinahe so, als ob auch er zwei Gesichter hätte. Müde und durcheinander schließe ich die Augen und versuche, alles auszuschließen, was durch meine Gedanken wabern will.
Wieder klingen unsere Stimmen glasklar durch das Kirchenschiff der Marias Cathedral und doch beruhigt sich mein Blut heute nicht wie sonst. Es findet nicht die sanfte Ruhe, die es braucht, um ein Mensch zu bleiben. Ich brauche Brooke, um nicht zu vergessen, wie Menschen eigentlich sind. Vielleicht, wenn ich die Stimmen der anderen höre, das Widerhallen des Gesangs von den Wänden aufnehme, vielleicht werde ich dann endlich zu Brooke.
Doch als ich vortrete, mein Solo anstimme, ist meine Stimme nicht die hellste und schönste, wie sie es sonst ist. Sie klingt leicht verzerrt, rauchig und gierig. Ständig denke ich an Maddox. Hier in der Kirche. Drüben in Santa Rosa in meinem speziellen Zimmer. Mit dem Halsband und der Kette.
Die Orgel verklingt, ich trete zurück, und als wir unsere Bücher ablegen und die anderen die Treppe hinunterlaufen, ist es der Pater, der aufseufzt.
»Brooke, darf ich Sie etwas fragen?«
»Natürlich«, antworte ich und spiele nervös mit meinen Fingern. Ich habe Angst, dass, wenn er von Maddox anfängt, ich am helllichten Tag zurück nach Santa Rosa fahre, um mir zu holen, was ich will. Was mir gehört. Oder dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme, ebenfalls zu ihm fahre, nur um ihn freizulassen.
»Ist Ihnen gestern etwas an dem jungen Mann aufgefallen?«
»Wieso?«, stelle ich die Gegenfrage, statt dem Pater zu antworten.
»Nun, er ist fort. Sein Zimmer war heute Morgen leer, aber seine Sachen sind noch da. Ich verstehe das nicht, beim Abendessen haben wir uns so nett unterhalten. Und dann, heute Morgen, ist er einfach nicht mehr da.«
»Tut mir leid, Pater«, sage ich. »Aber mir ist nichts aufgefallen. Vielleicht ist manchen schwarzen Schafen einfach nicht zu helfen.«
»Ich hatte bei dem Jungen gar nicht das Gefühl, dass seine Seele so dunkel ist.«
Ich schon
, würde ich am liebsten sagen. Außerdem haben Sie meine bis heute nicht erkannt.
»Wenn er bis zum Wochenende nicht zurück ist, wird er schwere Probleme bekommen. Sobald er gegen seine Bewährungsauflagen verstößt, sitzt er wieder ein. Es wäre schade um den jungen Mann.« Der Pater seufzt erneut und wendet sich ab. »Sehen wir uns dann gleich im Altenheim, Brooke?«
»Wie immer, Pater«, sage ich fast mechanisch und frage mich, wer dieser Maddox eigentlich wirklich ist. Und was viel schwerer wiegt … Wer bin ich und wer will ich wirklich sein?
Die paar Kilometer bis zum Heim, das zu Pater Stephens
Arbeitsgebiet gehört, schaffe ich zu Fuß. Schon oft hat der Pater mir angeboten mich mitzunehmen, aber ich liebe es unbehelligt durch die Straßen zu laufen. Mir die Häuser und Vorgärten anzusehen.
Heute sehe ich nur ihn.
Maddox.
Hinter jedem Busch, hinter jedem Strauch und ich spüre, dass Brooke sich kaum auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren kann. Meine Gedanken kreisen nur darum, wie es ihm geht. Ob die Ketten, der Kabelbinder und das Halsband ihn an seine Grenzen bringen. Sie werden es. Ich bin mir sicher. Maddox ist kein Mann, der sonst das Kommando abgibt. Das habe ich ganz deutlich gespürt.
Ein heißer Schauer läuft über meinen Rücken, als ich das Heim betrete, da ich mir in diesem Moment vorstelle, wie es wäre, würde ich einmal die Kontrolle abgeben.
Ich werde es niemals erfahren.
Denn für Lady B. käme so etwas nie infrage. Und Brooke … Brooke ist heilig. Ich kann ihr diese Reinheit nicht nehmen.
»Ah, Miss Brooke«, begrüßt mich die Heimleitung mit einem freundlichen Lächeln. »Ihre Damen warten schon sehnsüchtig auf Sie. Gestern konnte ich sie kaum beruhigen, weil Sie nicht da waren.«
Ich nicke verständnisvoll und laufe die breite Treppe hoch in die erste Etage. Mein Einsatzgebiet. Jeden Tag besuchen der Pater, zwei weitere Frauen aus dem Chor und ich das Heim. Jeden Tag verbringen wir eine Stunde mit den alten Damen unserer jeweiligen Etage. Wir lesen ihnen vor, spielen Gesellschaftsspiele mit ihnen und geben ihnen ein gutes Gefühl.
Und bisher haben auch mir die alten Damen ein solches Gefühl gegeben. Heute kann ich nur daran denken, wann endlich die Nacht beginnt und ich zurück nach Santa Rosa fahren kann. Maddox sehen kann. Ihn riechen und spüren
kann.
Immer und immer wieder stelle ich mir die Frage, was ich tun soll. Nehme ich ihn in meine Familie auf, kann er nicht zurück. Er bleibt eine verlorene Seele. Zeitgleich hole ich vielleicht die Cops auf unsere Spur, wegen seiner Bewährungsauflagen.
Eigentlich leben die Cops und das Black Widow-Kartell in Symbiose miteinander, aber ich weiß weiterhin nicht, was Maddox sich zu Schulden kommen lassen hat. Und ich möchte keine Probleme mit den Officers bekommen.
Nehme ich ihn nicht in unsere Familie auf, kehrt er zurück zum Pater. Und was dann aus Brooke wird, darüber mag ich gar nicht nachdenken.
»Ein schönes Spiel«, ruft Miss Jackson, die mindestens neunzig Jahre alt ist. »Wir haben Sie gestern so vermisst. Wo waren Sie denn?«
»Ich musste etwas für den Pater erledigen.«
»Oh, erzählen Sie mir davon, Brooke, was gab es zu erledigen?«
»Eine verlorene Seele ist in unsere Gemeinde gekommen«, sage ich abwesend. Maddox, die verlorene Seele.
»Der Pater ist ein so guter Mensch. Er gibt jeder jungen Frau eine Chance.«
»Diesmal ist es ein Mann«, äußere ich und sehe Maddox’ Handgelenke im Kabelbinder. Sehe das Halsband, das ihn einschränkt und ihn genau dort hält, wo ich ihn haben will. Aber will ich das wirklich? Eine solche Unruhe durchflutet mich, dass ich hektisch aufstehe. »Miss Jackson, für heute müssen wir Schluss machen.«
»Das ist aber schade«, ruft sie und ich gehe eilig aus ihrem Zimmer hinaus, wenn auch mit einem schlechten Gewissen.
Der Pater begegnet mir in der Eingangshalle. Schnell erkläre ich ihm, dass ich von Kopfschmerzen gebeutelt bin, und laufe zurück in mein Haus. Die Hitze, die mich im Inneren empfängt,
lässt mein Hirn noch mehr rotieren. Noch fast neun Stunden, bis ich mich auf den Weg machen kann. Ich bin jetzt schon so unruhig, dass ich denke, es keine zehn Minuten mehr aushalten zu können. Wie soll ich so viele Stunden hinter mich bringen? Und vor allem, womit?
In der Küche mixe ich mir einen Himbeersmoothie und gehe dann hinüber in mein Lesezimmer. Regale besitze ich keine. Nicht, weil ich sie mir nicht leisten könnte. Brooke mag es schlicht. Sie braucht nicht viel zum Glücklichsein. Türme von Büchern stapeln sich hier auf dem hellen Parkettboden und in der Mitte all dieser geschriebenen Worte liegt ein Sitzkissen, mit einigen Kerzen darum. Ich gehe an dem Stapel mit heiligen Schriften vorbei. Vorbei an den vielen Autobiografien großer und teilweise heiliger Leute, bis ich zu dem Stapel komme, der mit Schriften über unglückliche Lieben gefüllt ist. Keines dieser Bücher habe ich jemals gelesen. Nie habe ich mich für solche Zeilen interessiert. Trotzdem habe ich sie mir irgendwann einmal gekauft. Warum, das kann ich nicht mal sagen. Ich greife instinktiv nach dem oben aufliegenden Buch und setze mich auf das Kissen. Kabale und Liebe
von Friedrich Schiller. Ich muss lächeln als ich an Schiller, einen meiner Ehrenmänner denke. Ich überfliege den Klappentext und wie ein Mahnmal erscheint meine Großmutter vor mir.
»Binde dich nie an einen Mann. Er macht dich verletzbar und stellt somit deine Existenz infrage. Alles, wofür wir Frauen unserer Linie seit Generationen stehen, würde durch einen Mann an deiner Seite gefährdet. Tobe dich aus, benutze die Männer für deine Zwecke, aber nie solltest du zulassen, dass auch nur einer von ihnen in dich eindringt. Das darf nur geschehen, um unsere Linie fortzuführen. Lässt du einen in deinen Körper, immer wieder, besetzt er unweigerlich auch deine Seele.«
Zu meinem Übel sehe ich als nächstes Maddox vor mir. Nie habe ich so unermüdlich an einen meiner Männer gedacht. Sie
waren immer nur zum Zwecke der Familie, des Geschäfts und der dominanten Lust relevant. Und jetzt geistert dieser Fremde durch meinen Kopf und ich kann sein Bild nicht verbannen. Ich lasse Schiller fallen und stapfe zur Kellertreppe hinüber. Als der dunkle Gang mich empfängt, dessen Geruch dem der Kirche gleichkommt, atme ich tief durch.
Bete zu Gott, sei die Heilige,
sage ich mir immer und immer wieder und betrete meinen eigenen kleinen Gebetsraum, in dem nur Jesus mein Zuhörer ist.
Es ist schon kurz nach dreiundzwanzig Uhr, als ich aus dem Gebetsraum komme. Mein Kopf ist so müde, dass ich am liebsten auf meiner Matratze unter dem Sternenzelt schlafen würde.
Doch da ist nicht nur Maddox, den ich mir in den letzten Stunden versucht habe aus dem Kopf zu schlagen. Da ist auch mein Geschäft, dem ich nachkommen muss. Heute mache ich mich um einiges schneller fertig als sonst und schon nach knapp zwei Stunden empfängt mich Dante am Eingang meines Clubs.
Ich nicke ihm kurz zu und strecke die Hand aus. Er weiß, was ich will. Sofort drückt er mir die kleine Überwachungskamera in die Hand.
»Lady B., keine besonderen Vorkommnisse. Der Anwärter hat die meiste Zeit geschlafen. Wollen Sie zuerst in Ihre Räume?«
Mein Blick haftet auf dem winzigen Display. Haftet auf Maddox. Meine Gebete waren nicht genug. Sobald meine Augen seinen Körper erfassen, der gefesselt und an seiner Kette schlafend auf dem Boden liegt, fängt mein Herz an zu fliegen. Die leichte Decke hat er zwischen den Füßen eingeschlagen und sein Kopf liegt der Kamera zugewandt. Sein
Brustkorb hebt und senkt sich sachte und beinahe sieht er friedlich aus. Wie ein schlafender dunkler Engel.
»Ich kümmere mich sofort um den Anwärter. Deckt einen Tisch mittig zur Bar mit Speisen.«
Dante nickt und entfernt sich, während ich die Treppen hinaufsteige und von dem wilden Treiben des Clubs um mich herum kaum etwas aufnehme. Die Luft ist nahezu stickig und riecht nach schwitzenden Körpern und Sex. Die Geräusche, das Stöhnen und lustvolle Keuchen, erreichen mich nur am Rande. Mein Fokus ist auf den Mann hinter der Tür gerichtet, und als ich sie aufstoße, schreckt er zusammen und sieht mich mit seinen einnehmenden Augen an.
»Guten Morgen, Nin. Ich hoffe, du hast gut geschlafen.«
Er antwortet nicht, sondern richtet sich langsam auf. Ich unterdrücke das Gefühl, ihm über seine schmerzenden Knochen streichen zu wollen.
Ich verharre im Türrahmen wie eine drohende Löwin. Mein Outfit habe ich heute exakt auf Maddox abgestimmt. Die besten Gebete haben nichts genutzt. Ich will ihm gefallen. Und doch will ich ebenso, dass er sich mir ergibt. Dass er einer meiner Ehrenmänner wird. Mein Entschluss ist im Gebetsraum gefallen. Er ist zu gut, als dass ich ihn ziehen lassen könnte. Doch die Prüfung ist noch nicht vorbei. Heiße Schauer fahren über meinen Körper, während ich seinen begutachte. »Hast du dich entschlossen, schon am zweiten Tag gegen meine Regeln zu verstoßen?«, frage ich mit sanfter Stimme und schwinge die Peitsche in meiner Hand. Die weichen Velourstriemen schlagen gegen meinen langen schwarzen Mantel, unter dem man alles von mir sehen kann.
»Lady«, antwortet er mit belegter Stimme und ich erahne den Trotz in ihr.
Mein Maddox ist angefressen. Ich mache einen Schritt in den Raum hinein und schließe die Tür hinter mir. Sofort verstummen die Geräusche des Clubs und ich nehme nur
seinen leisen Atem wahr. »Falls du dich in der Nacht dazu entschlossen hast, mir doch nicht dienen zu wollen, muss ich dich enttäuschen. Es ist zu spät, Nin.« Ich gehe weiter auf ihn zu, an der Käfigdusche vorbei und mache einen Meter vor ihm halt. »Jetzt geht es nur noch darum, ob ich dich am Ende für würdig erachte.« Meine Augen gleiten über seinen nackten Körper und ich kann nichts gegen das Gefühl in meiner Mitte, das bei diesem Anblick entfacht, tun. Und als ich meine Augen weiter hochfahren lasse, in sein Gesicht … seinen Blick sehe, fühlt es sich nur noch stärker an, dieses Gefühl, ihn berühren zu wollen. Ihm nah sein zu wollen. Das darf so nicht sein. Eine Lady B. braucht keinen festen Mann an ihrer Seite.
»Was bedeutet das, L.A.D.Y.?« Meine Anrede spuckt er mir fast vor die Füße.
»Du bist sicher nicht dumm«, sage ich und gehe zu ihm. »Zwar gefesselt, aber nicht dumm. Überstehst du die Prüfung, gehörst du meiner Familie an, überstehst du sie nicht …« Ich hebe die Peitsche und lasse ihre Striemen langsam über seine Brust gleiten. Er beachtet sie nicht. Er sieht mir in die Augen und endlich ist da der Anflug des Ozeangewitters in ihnen zu erkennen. Nur etwas anders. Wütend. Zornig. Heiß.
»Meine Hände schmerzen, Lady«, sagt er kalt.
»Natürlich. Wir tauschen diese Fesseln gegen andere.« Ein Lächeln umspielt meine Lippen, als ich hinter ihn trete, mir seinen Hintern ansehe, auf dem seine Hände, festgeschnürt mit dem Kabelbinder liegen. Ein aufregender Anblick. Nur ungern wende ich mich ab und hole aus der Mitte des Raums einen Stuhl heran. Genau hinter Maddox stelle ich ihn ab. Als ich darauf sitze, gleite ich mit der Peitsche sachte über seine Pobacken und streichle mit den Fingern der freien Hand über die Innenseiten seiner Oberschenkel. »Ich habe dich vermisst, Nin«, sage ich leise und wandere weiter nach vorn, über seine harten Bauchmuskeln.
»Während der Stunden, die ich hier gefesselt war, hat es
sich nicht so angefühlt«, sagt er rau und ich erkenne den Vorwurf darin.
Mit einem Griff umfasse ich sein Geschlecht und drücke leicht zu. »Die Regeln, Nin, die solltest du nie vergessen!«
»Es fühlte sich nicht nach Vermissen an, Lady«, knurrt er und ich entferne meine Hand.
»Jede Sekunde habe ich an dich gedacht, das ist nicht gut.« Ich lasse die Peitsche sinken und fasse mit beiden Händen um seine Hüfte. »Dreh dich mir zu, Nin.«
Als er mit der Vorderseite zu mir steht, sehe ich, dass sein Schwanz zu voller Größe erwacht ist. Doch als ich in seine Augen blicke, erkenne ich die Wut und das Prickeln in meiner Mitte wird stärker. Sanft gleite ich erneut über seinen Bauch und ein Seufzen entweicht mir. »Was machst du mit mir?«, frage ich eigentlich mich selbst und kann die Augen nicht von seinem prachtvollen Körper nehmen. Die dicke Ader an seinem Schwanz ist mächtig angeschwollen und eine leichte Feuchtigkeit ist auf der Spitze zu erkennen. »So schön«, sage ich und fahre mit meiner Fingerkuppe über seine Eichel.
»Lady«, stöhnt er und der Groll, der dieses Wort begleitet, lässt mich so feucht werden, dass ich unruhig auf dem Stuhl werde.
Ich stehe auf, öffne den Karabiner und lasse ihn von der Kette. Eigentlich hätte Lady B. ihn jetzt mit der Peitsche gezüchtigt … aber … ich kann es nicht. Ich ergreife seinen Oberarm und ziehe ihn mit mir zur Tür hinüber. »Sicher hast du Hunger«, sage ich abwesend und versuche mich zu erden. Als Lady zu erden. »Deine letzte Prüfung, Nin.« Ich öffne eine der langen, breiten Schubladen der Kommode neben mir und hole die Spreizstange hervor. Dazu ein Messer. Seine Augen folgen mir und ich ahne, dass, wenn er das Messer in die Hand bekommen könnte, er es mir am liebsten an den Hals setzen würde. Der Gedanke erregt mich seltsamerweise. »Spreiz die Beine.«
Er steht da, sieht mich abwartend an, bewegt sich aber keinen Zentimeter. Langsam umgreife ich seinen Schwanz, was ihm sofort ein erneutes Keuchen entlockt.
»Spreiz deine Beine, Anwärter«, knurre ich und endlich gehorcht er. Wenn auch mit Widerwillen. Ich hocke mich auf den Boden und befestige die Spreizstange zwischen seinen Beinen. Erst dann trete ich hinter ihn und zerschneide mit dem Messer den Kabelbinder. »Beweg die Hände am Anfang nur langsam. Das Blut muss erst wieder lernen zu zirkulieren.«
»Das hört sich ja fast so an, als ob du Mitleid mit mir hättest, Lady.« Wieder klingt seine Stimme rauchig und das Lady spuckt er beinahe aus.
Ich liebe es. Beides. Seine Stimme und diesen Zorn. »Also, Hunger, Nin?«, frage ich und trete wieder aufrecht vor ihn. Er knetet seine Finger, die knacken, und ich werde das Gefühl nicht los, dass er überlegt, ob er mich erwürgen soll. Ich mag die Vorstellung, dass er sich mir nicht einfach so hingeben will. Dann ist er fast der Maddox aus der Kirche. »Wenn du vorsichtige Schritte machst«, sage ich höhnisch und gehe derweil eine der Spazierketten holen, »sollte es kein Problem für einen Anwärter wie dich sein, mir langsam zu folgen.« Ich hake die beiden Karabiner zusammen und gehe wieder zur Tür, während ich an der Kette ziehe.
»Ist das dein Ernst?«
»Wenn du Hunger hast, solltest du mir folgen, Nin.« Ich hebe die Peitsche vom Boden auf, und als ich sehe, wie er den Kopf schüttelt, muss ich mich zusammenreißen, ihm nicht die Velourstriemen überzuziehen.
Wir kommen nur langsam voran und an der Treppe, die nach unten in den Club führt, müssen zwei meiner Ehrenmänner ihm sogar beim Hinabsteigen helfen. Ich finde es köstlich, sein Gesicht zu sehen, das vor Zorn sprüht, als die Männer ihn die Treppe hinuntertragen. Und doch ist etwas anders an meinen Gedanken. Sie sind nicht so klar wie sonst.
Für meine Gäste ist es nicht ungewöhnlich, dass dann und wann ein oder eine Sub mit Halsband und Kette durch den Club geführt wird. Ich allerdings mache dies zum ersten Mal und es gefällt mir leider gar nicht, Maddox so zur Schau zu stellen. Sofort höre ich wieder Großmutters Worte in meinen Ohren und versuche mich nur darauf zu konzentrieren. Maddox will mein Ehrenmann sein, also muss er da durch. Und auf der anderen Seite … zu wissen, dass jede Frau hier in meinem Haus mich jetzt gerade beneidet, ist irgendwie auch wieder heiß. Ich sehe es an ihren Blicken, fange ihre Hitze auf. Sehe, wie ihre Augen über Maddox’ Gesicht fahren, über seinen Körper. Als wir an meinem Tisch ankommen, ziehe ich ihm den Stuhl zurecht und während er sich setzt, umgreife ich kurz seine starken Schultern. »Das hier, Nin, ist das erste Mal, dass ich einen Tisch mitten im Club habe herrichten lassen.« Mein Daumen streicht über seine Haut und er atmet hörbar aus. »Iss dich satt«, raune ich und setze mich ihm gegenüber.
Wie ausgehungert schlingt er die Brathähnchen in sich hinein und zwischendurch suchen seine Augen immer wieder die meinen. Alles um uns herum scheint ihn kaum zu interessieren. Shit! Selbst beim Essen sieht er heiß aus. Noch dazu, wenn er nackt dabei ist.
»Schmeckt es dir?« Ich lehne mich zurück, streife mir die Pumps ab und strecke mein Bein aus. Behutsam wandere ich mit meinem Fuß seinen Oberschenkel entlang, während Maddox eine halbe Flasche Wasser in sich hineinschüttet.
Er antwortet mir nicht, sondern stellt die Flasche ab, und als ich seinen Ständer erfühle, rufe ich Dante mit einem Fingerzeig zu mir.
»Lady?«
»Verwöhn mich, Dante«, wispere ich und richte mein anderes Bein etwas aus. Meine Augen liegen weiter auf Maddox, während mein Fuß seinen Schwanz streift. Seine Arme hat er ruhig auf dem Tisch liegen, und als Dante hinter
meinen Stuhl tritt und mir den Mantel abstreift, beobachtet er genau dessen Hände. Ich bin mir nicht sicher, ob da wieder Wut oder Verlangen in seinem Blick ist. Oder vielleicht sogar Abscheu.
Dante umgreift meine Brüste und streicht sanft über meine Nippel. Maddox’ Schwanz pulsiert unter meinem Fuß und ohne meine Augen von ihm zu nehmen, ergreife ich Dantes Hand und führe sie zu meinem Höschen. »Hier, Dante. Mach es mir hier.«
Ohne, dass ich es habe kommen sehen, fliegt auf einmal der Tisch zur Seite und Maddox springt auf. Wie ein dunkler Tornado steht er da und sofort haben mehrere meiner Männer ihre Waffen in der Hand. Bereit, ihn jederzeit auszuschalten.
»Wir sind hier fertig, Lady!«, zischt Maddox und sieht auf Dantes Finger in meiner Hose und die Knarre in seiner anderen Hand.
Für einen Moment starren alle uns an, doch als ich abwinke, beschäftigen sie sich wieder mit ihren Dingen und meine Männer stecken – wenn auch leicht irritiert – die Waffen zurück. »Sprich nie wieder in diesem Ton mit mir«, knurre ich in Maddox’ Richtung und er funkelt mich wütend an. Wieder winke ich einen meiner Männer heran. Es ist Poe, der ohne ein Wort und nur durch meinen Blick weiß, was ich von ihm will.
»Was sollen wir mit ihm machen?«, fragt Dante.
Jeder andere käme jetzt entweder für eine Woche in die Zelle oder hätte direkt seinen letzten Atemzug getan. Aber … ich kann es nicht. »Bringt ihn hoch und macht ihn fest.« Als meine beiden Männer Maddox erneut unter den Schultern ergreifen, frisst sich sein anklagender Blick brennend in meine Augen. Ich rufe einen weiteren meiner Männer zu mir heran, als Maddox auf der Treppe verschwindet. »Dante soll ihn an der Deckenkette befestigen und erst, wenn ich den Club verlassen habe, soll er ihn gehen lassen. Er soll ihm mitteilen, dass er am nächsten Abend als einer meiner neuen
Ehrenmänner hier zu erscheinen hat.« Sollte er das nicht tun, wird sein Leben keinen Pfifferling mehr wert sein. Ich kann Maddox noch nicht aufgeben, selbst wenn es meinem Ansehen schaden sollte. Ich will wissen, ob er wirklich für mich arbeiten will oder was überhaupt hinter seiner Fassade steckt.
Die nächsten Stunden verbringe ich mit einigen meiner Männer mit den weniger erfreulichen Geschäften. Doch es sind Geschäfte, die erledigt werden müssen. Und doch habe ich die gesamte Zeit nur Maddox vor mir. Als ich endlich im Auto sitze, tippeln meine Finger nervös auf dem Lenkrad herum. Nie hatte ich wirklich den Wunsch, dass ein Mann mir so nahekommt. Nie war der Wunsch so groß, dass ich die Worte meiner Großmutter je infrage gestellt hätte. Und vor allen Dingen hat mich an einem Mann nie mehr interessiert als sein nackter Körper und sein Dienst für Black Widow.
Als ich endlich zu Hause unter den Sternen liege, schließe ich die Augen. Heute Abend leuchten sie mir zu hell. Was wird morgen sein, wenn ich aufwache? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Maddox hierher zurückkommt. Doch irgendwie kann ich mir auch nicht vorstellen, dass er bei Lady B. bleibt, und ich weiß nicht, ob mir diese Aussichten gefallen. Kurz, bevor ich gänzlich in den Schlaf abdrifte, spüre ich wieder dieses beißende Gefühl in mir. Es stellt sich ein, als ich die Szene vom Tisch im Club vor mir sehe. Es fühlt sich falsch an. Schlecht. Die fremden Finger auf mir. Die vielen Menschen, ihre Nähe. Maddox’ vorwurfsvoller Blick. All das fühlt sich plötzlich schlecht an. Nur seine Wut, die erscheint mir fast richtig. Und mit diesen ganz beschissenen Gefühlen schlafe ich ein.