Geschichten
… enden manchmal anders, als man denkt
D
urch die Hintergärten haben wir uns in mein Haus geschlichen und kaum, dass ich das Licht eingeschaltet habe, ergreift er meine Taille und hebt mich hoch. Sofort beginnt alles in mir zu beben.
»Ich wusste, dass es mit uns so werden würde«, raunt er und küsst meinen Hals, während sich seine Hände in meinen Hintern graben.
»Und ich habe es befürchtet.« Meine Finger fahren durch sein Haar und ich spüre das Lächeln auf meinem Gesicht.
»Ich will dich noch mal und noch mal«, sagt er beinahe knurrend, dreht sich mit mir herum und visiert die Couch an.
»Die Treppe hoch«, sage ich hitzig, während seine Finger immer fester zufassen.
Er fickt meinen Mund mit seiner Zunge und zweimal fallen wir fast hin, als er mit mir hinaufsteigt. Ich deute mit meinem Kopf zu der Tür rechts von uns und Maddox stößt sie mit dem Fuß auf.
Ich muss ihm nicht sagen, was ich will. Er setzt mich auf dem Boden ab und öffnet zum zweiten Mal an diesem Abend den Reißverschluss meines Kleides, das ich mir vorhin vor der Kirche schnell wieder übergezogen hatte. Als es diesmal fällt, bin ich darunter nackt. Meine Unterwäsche liegt noch vor dem
Altar. Nervös öffne ich die Knöpfe seiner Jeans. Es ist das erste Mal, dass ich einen Mann ausziehe. Eigentlich machen sie das selbst. Meine Finger streifen die Haut seines straffen Bauchs und er entledigt sich der Hose mit den Füßen. Nur schwer reiße ich mich von seinem Anblick los. Das karamellfarbene Haar, die Ozeangewitteraugen und sein durchtrainierter Körper heizen mir so ein, dass ich mich nicht an ihm sattsehen kann. Ich schiebe die Scheibe der Dusche auf und stelle das Wasser an. Und obwohl ich schon glühe vor innerer wie äußerer Hitze, schiebe ich den Regulator auf heiß. Maddox’ Finger streifen langsam über meinen Rücken und ich erschauere.
»Du bist das Reinste, dass ich je gesehen habe, Brooke«, sagt er erneut und so dunkel, dass mir ein Schauer nach dem anderen über den Körper läuft, trotz all der Hitze.
Am liebsten würde ich ihm sagen, dass ich nicht nur Brooke bin. Dass ich nicht nur Lady B. bin, auch wenn er das sowieso nicht weiß. Ich bin eine Frau,
schreit mein Innerstes. Und nur das ist es, was unterm Strich von Lady B. und Brooke übrigbleibt. Oder die Essenz aus beiden. Ich kann es ihm aber nicht sagen, so wie ich ihm vieles nicht sagen kann und die Zeit auch nicht mehr ausreichen würde. Die einzige Zeit, die uns noch bleibt, ist diese hier. In diesem Moment. Und jetzt will ich ihm mich geben. Voll und ganz.
Er drückt mich in die Dusche hinein, und als er ebenfalls eintritt, schlingt er von hinten seine Hände um mich und legt sie um meine Taille. Seine Lippen küssen meinen Nacken gierig, während uns das heiße Wasser gefangen nimmt.
»Maddox«, wispere ich und lehne meinen Kopf gegen die Fliesen, als seine Hände meine Brüste umfassen und beginnen sie zu streicheln, zu kneten. Seine Erektion drückt sich in meinen Po und er bewegt sachte sein Becken. Als er wieder etwas Abstand nimmt, wimmere ich, doch sofort spüre ich seine Finger an meiner Spalte.
»So rein«, flüstert er und streift seitlich meines Eingangs auf und ab. »Spreiz die Beine, Brooke«, raunt er und ich gehorche. Ich kann gar nicht anders. Ich will das hier so sehr!
Alle meine Muskeln sind angespannt, warten nur darauf, dass er in mich eindringt. Mir ist völlig egal womit, Hauptsache, er tut es. Ich will ihn spüren, fühle mich leer ohne ihn.
»Bist du heiß, kleine Heilige?«, fragt er und ich erkenne das unverschämte Grinsen. »Deine kleine Knospe ist so geschwollen, dass ich nicht weiß, ob sie weitere Stimulierungen aushält.«
Er will mich ärgern, reizen, aufheizen. Ich strecke ihm meinen Po entgegen. »Mach es, bitte!« Ich erkenne meine eigene Stimme kaum. Wasser perlt in meinen Mund, und als er meine Klit zwischen zwei Finger nimmt, daran zieht, sie dann reibt und wieder zieht, bebt mein gesamter Körper. »Oh Gott, mehr!«
Er lacht leise und drückt mit der freien Hand meine Schenkel noch etwas weiter auseinander.
»Fick mich endlich«, keuche ich heiser und kann das Verlangen kaum noch ertragen. »Maddox«, flüstern meine Lippen und sein Name zergeht auf meiner Zunge. Dann, endlich, spüre ich seinen Schwanz. Erst ganz sachte streicht er mit seiner Spitze meine Spalte entlang, während seine Finger meine Klit stimulieren. Dann dringt er in mich ein. Füllt mich aus, vereint sich mit mir. Sein Stöhnen durchdringt den Raum, durchdringt meinen Körper.
Mit festen Stößen nimmt er mich und vögelt mich geradewegs in den Himmel. Bereitwillig öffne ich mich für ihn, nehme ihn auf, immer wieder und wieder. Seine Stöße werden noch schneller, härter und wir verschmelzen zu einer Person.
»Ich will dich so sehr«, höre ich ihn keuchend sagen.
»Du hast mich mehr als jeder andere zuvor.«
Wieder erhöht er sein Tempo, die Intensität und fasst dafür
mit beiden Händen um mein Becken. Meine eigene Hand gleitet zu meiner Klit. Berührt sie, reibt sie und ich spüre ihn noch tiefer in mich stoßen und ruckartige Wellen ziehen durch meinen Unterleib und kündigen meinen Orgasmus an. Die Muskeln meiner Pussy ziehen sich fest um seinen Schwanz und er stöhnt so laut und herrlich, dass ich den Himmel mit allem entgegennehme, was er mir zur Verfügung stellt. Meinetwegen kann es aber auch die Hölle sein.
Ich habe ihm nicht nur meine Jungfräulichkeit gegeben. Nein, ich habe ihm alles von mir gegeben und dieses Gefühl ist das wunderbarste, das ich je erlebt habe.
Nach der Dusche zog ich ihn mit mir hinaus auf den Gang. Offenbarte ihm die Treppe zu meinem Sternenhimmel. Er hat mich noch dreimal genommen, vielleicht auch mehr. Ich kann es nicht mehr zählen. Ich könnte es immer wieder tun. Mein Körper wird nicht müde, ihn in mir aufzunehmen. Die ganze Zeit will ich ihm nah sein. Es ist unglaublich. Doch irgendwann braucht jeder Körper und Geist etwas Ruhe.
Und während mein Schritt brennt, so süß und schmerzhaft wie das Höllenfeuer selbst, liegt er ruhig neben mir, seine Hand in meiner, und wir schauen hinauf zu den Sternen.
»Ich habe nicht geglaubt, Álainn, dass du mich nehmen wirst«, sagt er leise und seine Stimme klingt belegt.
»Ich auch nicht«, antworte ich flüsternd und greife mit der freien Hand unter meine Matratze. Erfühle den kalten Griff des Messers.
»Du bist so anders als andere Frauen. Und das habe ich tatsächlich noch keiner vor dir gesagt.«
Vorsichtig ziehe ich meine Hand wieder auf meinen Bauch. Und wie anders ich bin,
denke ich. »Wie meinst du das?« Ich drücke mich noch dichter an ihn. Schmiege meinen Kopf auf
seine warme Brust. Ein paar Minuten bleiben uns noch.
»Wenn ich dir meine Geschichte erzähle, Álainn, dann jagst du mich nicht nur aus deinem Bett.«
»Das kommt auf einen Versuch an.« Sanft küsse ich seine Brust.
»Und wenn ich dich dadurch verliere?«
»Versuch es.« Mit meinen Fingern streiche ich über seinen harten Bauch.
»Ich stamme aus Irland. Meine Mutter allerdings, war eine Flüchtige.« Er atmet einmal tief ein. »Zumindest, bis mein Vater sie heiratete. Weißt du, es war Liebe auf den ersten Blick. Mom war erst seit drei Monaten in Rosscarbery.«
Ich weiß nicht, ob mir gefällt, dass er mir von sich erzählt. Eigentlich sollte er mir durch Worte nicht noch näherstehen, als er es jetzt schon tut. Doch seine kratzige, dunkle Stimme klingt so vertraut und einfühlsam, dass ich es nicht übers Herz bringe, das Messer unter der Matratze hervorzuholen. Noch nicht.
»Sie begegneten sich in einem Pub.« Er lacht kurz. »Wenn Mom mir später davon erzählt hat, wenn sie mir beschrieben hat, was sie empfand, als sie Dad zum ersten Mal gegenüberstand, dann ist es exakt das, was ich gefühlt habe, als ich dich zum ersten Mal sah.« Er dreht sich auf die Seite und sieht mir in die Augen. Das Sternenlicht strahlt genau auf sein Gesicht und das Ozeangewitter ist zu einem sanften Sturm geworden. »Mom war aus den Staaten geflohen.« Bitterkeit liegt plötzlich in seiner Stimme. »Doch meinem Dad war egal, was meine Mom ihm schon kurz nach ihrem Kennenlernen von sich erzählte. Er verliebte sich trotzdem Hals über Kopf in sie. Ein Jahr später kam ich zur Welt.«
»Sie war eine Flüchtige? Aus den Staaten? Was hatte sie getan?« Ich sehe den Schmerz in seinen Augen und streife ihm das Haar hinters Ohr. Wie soll ich diesen Menschen bloß töten?
»Sie tat nicht das, was von Haus aus von ihr verlangt
wurde.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Wie könntest du auch«, sagt er sanft und küsst meine Stirn. »Eine Zeit lang konnte meine Mom ihre Vergangenheit hinter sich lassen. Meine Eltern waren glücklich, weißt du.« Er drückt mich fester an sich und ich frage mich, was ihn so bedrückt. Was das ist, mit seiner Familie.
»Erzähl weiter«, bitte ich ihn und er küsst mich erneut.
»Es gibt schlechte Menschen auf dieser Welt. Wirklich schlechte, Álainn. Und wenn man sich zu sehr mit diesen Menschen beschäftigt, dann läuft man Gefahr, irgendwann selbst schlecht zu werden.«
»Wir alle haben unsere Prüfungen«, sage ich. »Was ist mit deiner Familie geschehen? Warum bist du hier in den Staaten?«
»Meine Eltern sind beide tot.«
Ich will ihn schon fragen warum, als er mir seinen Finger auf die Lippen legt.
»Mein Dad züchtete schottische Hochlandrinder. Nie ist auch nur das kleinste Unglück geschehen. Eigentlich sind es auch friedliebende Tiere. Doch an diesem einen Tag vor drei Jahren … Es war Brunftzeit und der Bulle schien an diesem Tag …« Maddox schluckt und spricht nicht weiter.
»Das ist furchtbar! Und deine Mom? Die auch?«
Er senkt die Augen ein Stück weit. »Meine Mom erkrankte zwei Jahre später an Krebs. Letztes Jahr ist sie gestorben.«
Er sieht so gequält aus, dass ich ihn am liebsten in meine Arme ziehen möchte, aber er umschlingt mich bereits. »Und dann bist du auf die schiefe Bahn geraten?«
Er lächelt vage. »Nein, nicht so wie du oder der Pater denken. Auf dem Sterbebett hat meine Mom mir etwas anvertraut. Du musst wissen, Brooke, bis zu dem Moment wusste ich nicht, dass ich eine Tante hatte oder überhaupt noch Verwandte.«
Es ist fast, als würde er mir eine Geschichte erzählen. Doch
es ist seine und dass er sie mir nach nur einer Nacht anvertraut, erfüllt mich mit Wärme.
»Meine Tante wurde ermordet und …«
»Was?«, rufe ich schockiert, dabei sollte ein Mord mich eigentlich nicht mehr aus der Bahn werfen.
»Meine Mom war nicht alleine aus den Staaten geflohen, sondern mit ihrer älteren Halbschwester. Und kurz bevor ich geboren wurde, heiratete meine Tante ebenfalls. Meine Mutter hat mir erzählt, dass dieser Mann immer sehr nett und zuvorkommend gewesen sei und sie erst nicht bemerkt hatten, was er wirklich für einer war. Kurz nach der Hochzeit wurde meine Tante schwanger und ihr Mann verbot ihr jeglichen Kontakt zur Außenwelt.«
»Warum hätte er das tun sollen? Was war mit ihm?«
Wieder schluckt Maddox. »Meine Tante hielt sich wohl aus Angst an seine Vorgaben. Ihre Schwiegermutter muss aber ebenfalls eine arme, unterdrückte Frau gewesen sein.«
»Von ihrem eigenen Sohn unterdrückt?«
»Nicht nur, auch von ihrem Mann. Aber zumindest half sie meiner Tante insoweit, dass sie alle drei Monate, wenn die Männer für eine Nacht nicht da waren, meine Mom anrufen konnte.«
»Und warum hat deine Mutter dir erst im Sterbebett davon erzählt?«
»Sie hatte Angst um mich, um unsere Familie. Der Mann, die neue Familie meiner Tante gehört einer üblen Organisation an.«
Ich weiß gar nicht, ob ich seine Geschichte noch weiter hören will. Eine üble Organisation … Was würde Maddox sagen, wenn er wüsste, dass er mit dem Kopf des größten Westküsten Kartells im Bett liegt? »Warum hat sie es dir dann doch erzählt?«
»Vielleicht, weil sie nicht wollte, dass ich ganz alleine bin.« Wieder lächelt er, aber ich sehe den Schmerz in seinen Augen.
»Aber wenn deine Tante doch tot ist …«
»Sie war kurz nach der Hochzeit von diesem Wichser schwanger geworden. Ein Mädchen. Viel mehr wusste meine Mom auch nicht. Ihre Halbschwester hatte sie so viele Jahre lang nicht mehr gesehen und wenn nur kurz am Telefon mit ihr gesprochen. Aber …«
»Was?«
»Meine Tante … sie hatte bereits ein Baby, als sie mit meiner Mom Amerika verließ.«
»Sie haben es nicht mit sich genommen?«
»Sie durften nicht«, sagt Maddox kühl und in meinem Bauch beginnt sich etwas zu regen. Eine seltsame Vorahnung, von der ich nicht weiß, ob sie mir gefällt. Maddox entlässt mich aus seiner Umarmung und richtet sich zum Sitzen auf. Seine gebräunte Haut reflektiert im Mondlicht. »Abseits deiner heilen Welt, Brooke, gibt es Menschen, die über Leichen gehen. Meine Mom und meine Tante hatten nur zwei Möglichkeiten damals. Entweder meine Tante wäre bei ihrer kleinen Tochter geblieben, hätte das Geschäft ihrer Mutter übernommen und wäre daran kaputtgegangen oder aber sie und meine Mom durften gehen. Alleine.«
Mir gefällt der Verlauf seiner Geschichte so gar nicht. Ich schwitze und lege die Hand auf den Boden, nahe des Messers.
»All die Jahre, in denen ich dachte, dass meine Mom glücklich wäre, waren ihre Gedanken doch immer wieder bei ihrer Schwester und dem kleinen Mädchen, das sie zurückgelassen hatten. In den Fängen dieser Hochkriminellen. Ganz zu schweigen davon, dass meine Tante vom Regen in die Traufe gekommen war und gleich noch ein Kind bekam.« Er unterbricht seinen Redefluss und sieht zu mir. »Soll ich wirklich weitersprechen?«
»Bitte«, nuschle ich und spüre mein Herz gegen die Rippen stoßen. Ich kann nichts mehr sagen, meine Lippen fühlen sich an, wie mit Zement gefüllt.
»Mom hat mir erzählt, dass meine Großmutter der Kopf einer der führenden Banden hier ist. Dass sie Männer und Frauen für Prostitution bezahlt, mehrere Clubs besitzt, mit Drogen handelt und Menschen tötet.« Sein Brustkorb hebt und senkt sich schnell.
Das kann alles nicht wahr sein! Das darf nicht wahr sein! Maddox ist mein Cousin? Das muss mir erstmal in den Kopf gehen. Ich meine, es ist nicht verboten mit seinem Cousin … und unsere Mütter hatten nicht mal dieselben Väter, aber … Er ist mein Cousin? Und meine Mutter ist tot? Ich habe eine Halbschwester? Immer wieder betrachte ich den Mann, mit dem ich die ganze Nacht … Scheiße!
»Geht es dir gut?«, will er wissen. »Du bist so blass.«
Ich schüttle nur mit dem Kopf. Was soll ich sonst machen? Ich bin völlig durcheinander und habe einen zentnerschweren Kloß in meinem Magen. »Das ist alles …«, setze ich an.
»Nichts Schönes. Ich bin hierhergekommen, weil ich wissen wollte, wer meine Großmutter ist. Was sie tut und was aus meiner Cousine geworden ist. Nach den ersten Nachforschungen habe ich vom Black Widow-Kartell erfahren. Doch um dort aufgenommen zu werden, um an diese alte grausame Frau heranzukommen, musste ich ein paar kleinere Überfälle begehen, um zumindest einmal im Knast zu landen. Niemals hätten sie mich sonst auch nur in ihre Nähe gelassen.«
»Warum?« Meine Stimme ist so leise, dass ich fast schon denke, er hört mich nicht.
»Damit sie mir abkauft, dass ich auch ein schlechter Mensch bin. Damit sie mich nicht enttarnt. Und ich habe mich wirklich verändert, Brooke. Habe eine dunkle Seite angenommen. Vielleicht war sie aber auch schon immer in mir.«
»Aber warum? Was wolltest du dort erreichen?«
Bei dem Wort wolltest
, stutzt er kurz, spricht aber dann weiter. »Ich wollte wissen, was für Menschen das sind.«
»Und? Was hast du gefunden?«, frage ich mit zittriger
Stimme.
»Gefunden habe ich dort die ältere Tochter meiner Tante. Sie ist jetzt an die Stelle des Teufels getreten.«
»Wie war sie?« Ich traue mich fast nicht, ihn anzusehen.
»Frag nicht. Ich habe getan, was ich für nötig hielt und irgendwie war sie auch …« Er stockt. »Weil ich dachte … Ich kann nicht mehr darüber nachdenken.«
»Und die alte Frau?«, frage ich mit zittriger Stimme und kann ihn nicht weiter fragen, was er für mich, für Lady B. empfunden hat.
»Die gibt es nicht mehr, aber es ist gleich, wen ich dort gefunden habe. Sie alle sind Tiere.«
Ich spüre Tränen über meine Wange laufen. »Wusste sie, wer du bist?«
»Nein. Es hätte sie auch nicht interessiert. Sie ist krank und fast tut sie mir leid. Erzogen zu dem, wovor meine Mom und meine Tante vor so vielen Jahren geflüchtet sind.«
Er legt sich wieder neben mich und zieht mich auf seine Brust. Ich schlucke. Spüre sein Herz unter mir schlagen. Jetzt ruhig und gleichmäßig. »Glaubst du, dass auch Tiere zu Gefühlen fähig sind?«
»Ich wünsche es ihr«, sagt er. »Vielleicht hatte ich gehofft, meine ältere Cousine von dort retten zu können … Ich hoffe, Nevio hat mehr Glück als ich.«
»Nevio?« Immer noch habe ich meine Stimme nicht unter Kontrolle. Was soll ich tun? Mit jedem Wort, das Maddox spricht, wird mir eines bewusst: Ich habe mich Hals über Kopf in diesen Mann verliebt und ich kann ihn unmöglich töten. Doch wie kann ich ihm erzählen, dass ich das Tier bin, das er gesucht und gefunden hat?
»Nevio ist mein ältester Freund. Er ist zurzeit in New Orleans. Es war eher Zufall, dass zwei seiner Freunde für ein paar Tage dorthin wollten. Und als Nevio und Anna sich vor Kurzem trennten … Weißt du, meine Mom hat mir nur
bruchstückhaft von meiner jüngeren Cousine erzählt und das bisschen, dass sie von ihrer Schwester wusste. Im ersten Moment erschien es mir unwichtig, als sie mir etwas von einem Haus in New Orleans erzählte, ab…«
»Stopp«, rufe ich, da ich noch mehr Informationen gerade nicht verdauen kann. Er spricht von meiner Halbschwester. Ich habe eine Halbschwester! Und trotzdem kann ich keine Sekunde mehr atmen, wenn ich mir nicht erst Luft mache, was mich und ihn betrifft. »Jetzt muss ich dir etwas sagen.«
»Álainn, ich weiß, das ist alles eine Menge, aber …«, er funkelt mich mit seinen dunklen Augen an und ich weiß nicht, wo ich mein Herz hinpacken soll.
Ich muss es ihm erzählen. »Pssst«, mache ich und diesmal lege ich meinen Finger auf seine Lippen. Sanft drücke ich mich von ihm ab und stehe auf, während er mich beobachtet. »Warte kurz.« Ich laufe die Treppe hinunter. Ziehe meinen Trolley aus seinem Versteck und husche ins Bad. Noch immer hängen Dampfschwaden an den Wänden und ich sehe zur Dusche, bevor ich den Trolley öffne.
Mein Atem geht heftig. Ich weiß nicht, was gleich passieren wird. Weiß nicht mal, ob ich gerade die richtige Entscheidung treffe. Sie könnte alles verändern … Aber, egal, welche Gedanken mit Lichtgeschwindigkeit durch meinen Kopf ziehen, eine Entscheidung gegen ihn, kann ich nicht fällen. Und vielleicht ist Veränderung ganz anders, als meine Großmutter mir immer weismachen wollte. Maddox gehört zu mir. Er ist meine Familie. Und ich darf das für ihn fühlen, was ich vom ersten Moment an gefühlt habe. Und was noch viel wichtiger ist: Ich will so für ihn fühlen. Kann gar nicht anders. Die Frage ist nur, was er gleich für mich empfindet. Dieses Risiko muss ich eingehen.
Nach knapp acht Minuten sieht mich Lady B. aus dem Spiegel an. Mit pochendem Herzen erklimme ich die Treppe und höre ihn schon atmen, als ich die letzten Stufen hinter mich
bringe. Er reißt die Augen weit auf, springt hoch und sein Blick ist undefinierbar.
Meine Hände fahren an meinen Kopf und ich ziehe die Perücke ab. »Willst du mich noch immer, Cousin?«, frage ich und werfe meine Lady B. Sachen, die ich gerade erst angezogen habe, auf den Boden.