A
ls ich mich von Brooke herunterrolle und ihren warmen Körper neben mir spüre … weiß ich nicht, wann ich mich das letzte Mal so wohl gefühlt habe.
»Das war unglaublich«, seufzt sie im selben Moment und drückt ihren süßen Hintern gegen meine Mitte, sodass ich schon wieder hart werde.
»Du bist unglaublich, Álainn«, erwidere ich und ziehe sie noch dichter an mich. »Und ohne die Seile und Ketten hab ich’s viel lieber.« Sie kichert vage, mich erinnert mein Satz aber auch daran, dass noch die ein oder andere Aufgabe vor uns liegt. »Wir haben gleich noch zwei Dates.«
»Dates?«, fragt sie mit einer Stimme, die immer noch nach purem Sex klingt. »Ich meine, wir hatten wie oft Sex in den letzten achtundvierzig Stunden? Brauchen wir da noch Dates?«
»Ganz sicher sogar.« Ich drehe sie in meinem Arm, mit dem Gesicht zu mir herum und küsse ihre Lippen. »Das erste Date ist gleich bei Pater Stephens und danach geht’s in deine sündige Meile. An beiden Stellen werden wir unsere … Beziehung präsentieren.« Ich weiß nicht, wie das alles in der Zukunft mit uns wird, aber ich weiß, dass ich mit ihr Zusammensein will.
»Willst du mit mir angeben?«, fragt sie und beißt mir fest in
die Stelle zwischen Hals und Schlüsselbein.
»Baby«, raune ich, »hast du mich eigentlich richtig angesehen? Ich meine …«, meine Augen wandern zu meinem schon wieder harten Schwanz, »wenn, kannst du mit mir angeben. Nein, Brooke, im Ernst. Ich will, dass alle Bescheid wissen. Und ich will nicht, dass sich einer von uns hinter irgendwas verstecken muss.«
Sie kichert erst und erstarrt im nächsten Moment. »Eigentlich sollte ich mir mehr Sorgen darüber machen, was meine Leute sagen werden, aber wenn ich an Pater Stephens denke, wird mir direkt schlecht.«
»Warum?«, will ich wissen und rolle mich seitlich von der Matratze.
»Wenn das mit uns nichts wird«, sie stützt ihr Kinn mit ihren Händen ab und beobachtet mich, »werde ich hier nie wieder ernst genommen werden. Und nie wieder die heilige Brooke sein.«
»Sorry, Lady, die warst du sowieso nie.« Ich lache laut, als sie eines der Kissen nach mir wirft.
»Und Sie sind sich sicher, dass das die richtige Entscheidung ist?«, fragt der Pater und ich sehe genau Brookes Unwohlsein.
»Das ist es«, antwortet sie dann trotzdem mit klarer, fester Stimme. »Nur weil Maddox und ich jetzt ein Paar sind, heißt das ja nicht, dass ich meine Aufgaben nicht mehr erledige.«
»Die alle freiwillig sind«, betont der Pater und richtet seinen Blick jetzt auf mich. »Wissen Sie, Maddox, wenn Sie mir einfach gesagt hätten, dass Sie aus der Not heraus einen Unterschlupf brauchten, ich hätte sicher nicht Nein gesagt.« Sein Blick ist freundlich und doch mahnend.
Ich weiß, dass ihm die Sache mit Brooke und mir nicht gefällt. Er denkt, ich sei nicht der richtige Umgang für sie. Was
würde er erst sagen, wenn er wüsste, wer Brooke wirklich ist? »Es tut mir leid, Pater«, erwidere ich und ergreife Brookes Hand. »Aber wir müssen jetzt los. Komm, Álainn.« Stephens nickt uns schweigend zu, und als wir gehen, spüre ich seinen wachsamen Blick in meinem Rücken. Mag sein, dass ich nicht mehr so blütenrein bin, wie ich es einmal war, aber, was der Pater nicht weiß, erst der Maddox von heute, ist auch der, der alles für Brookes Schutz tun würde. Der, der den Mut dazu hat. Selbst wenn er mit seinem Leben dafür zahlen muss.
Im Flur begegnet uns zum guten Schluss auch noch die zickige Haushälterin. Sie wirft Brooke einen Blick zu, als wäre sie die verruchteste Person dieser Welt. Innerlich lache ich auf, als ich mir denke, dass sie es eigentlich auch ist. Doch ab heute nur noch meine Verruchteste. Nichtsdestotrotz empfinde ich diese Person vom ersten Moment an als ganz schön dreist. Vor allem für die Haushälterin eines Gottesmannes. Kurz bevor die Alte an uns vorbeizieht, ergreife ich Brookes Schultern, donnere sie beinahe an die Wand und nagle ihre Arme über ihrem Kopf fest, während ich mich zwischen ihre Schenkel dränge und mit meiner Zunge in ihren Mund einfahre. Überrascht stöhnt Brooke auf und erwidert meinen Kuss verlangend.
»Kruzifix«, hören wir die Alte rufen, bevor sie die Küchentür zuknallt.
»Du bist ein böser Junge«, flüstert Brooke und ich drücke ihr meinen Ständer gegen den Bauch.
»Wie Böse, zeige ich dir, wenn wir heute Nacht wieder unter deinem Sternenhimmel liegen.«
Wartend hocke ich in ihrem Wohnzimmer, das aussieht wie aus einem Möbelkatalog. Auch wenn sie mir erzählt hat, dass sie ihr Brooke-Leben genauso liebt wie das der Lady, sieht
hier nichts nach Liebe aus. Eher nach steriler Unverbindlichkeit. Als ich sie die Treppe hinunterkommen höre, frage ich mich – sollte das wirklich mit uns funktionieren –, wie unsere Zukunft aussieht. Würde sie für mich ihr Lady-Dasein aufgeben und würde ich das überhaupt von ihr verlangen? Oder könnte ich mich in einem Leben als Mann der Black Widow-Lady sehen? Nein, könnte ich nicht. Nicht so. Doch vielleicht könnten wir beide zusammen und ebenbürtig dieses Kartell und seine bisherigen Grundfesten neu strukturieren. Vielleicht wären wir als Paar sogar noch stärker als alle Ladys zuvor. Aber würde das Brooke wiederum wollen? Ich habe nicht den blassesten Schimmer. Als ich sie sehe, weiß ich nur eins: Ich will sie und werde sie nie wieder loslassen.
Sie sieht mich an und bleibt abwartend am Treppenabsatz stehen. Ich frage mich, warum zum Teufel es mir nicht aufgefallen ist. Warum ich sie unter dieser Schale nicht erkannt habe. Jetzt, wo ich weiß, dass Brooke darunter steckt, erkenne ich sie ganz genau.
»Ich weiß nicht, was meine Männer zu dieser Veränderung sagen werden«, flüstert sie beinahe.
Langsam stehe ich auf und gehe auf sie zu. Die letzten Tage schwirren durch meinen Kopf. Dieses Zimmer unter dem Dach. Sie … dort … und jetzt hier genau vor mir. »Mich interessiert nicht, was sie sagen. Keiner der Typen wird mehr dein Fuck-Boy sein.« Meine Hände greifen in die Haare der Perücke und ziehen sie von ihrem Kopf. Schon der Gedanke, dass andere Männer sie noch berühren könnten, bringt mein Blut zum Kochen.
»Maddox«, schimpft sie.
Doch als ich meine Hand unter ihr Kinn lege und sie an mich ziehe, verstummt sie.
»Keiner der Typen wird je wieder dein Fuck-Boy sein oder ich töte ihn eigenhändig.« Meine Lippen legen sich hart auf ihre
und ich liebe es, ihre Süße in mich aufzunehmen. Ihren Geschmack. Ihr Verlangen. »Komm«, fordere ich sie nach ein paar Minuten auf. »Es wird Zeit, die Sitten zu ändern.« Sie schnaubt kurz auf, als ich sie durch die Vordertür nach draußen ziehe, aber ich weiß jetzt, was ich will. Denn unweigerlich ist mir genau jetzt etwas klar: Die Lady, das Kartell … das alles gehört zu ihr und das kann ich ihr nicht nehmen. Ich kann nur versuchen, dass wir es zusammen noch besser machen. »Stimmt etwas nicht?«, frage ich, weil sie erneut schnaubt.
»Alles bestens«, ist ihre Antwort, ergreift aber zeitgleich meine Hand etwas fester.
»Wozu diese Verkleidung?«
»Es ist nötig. Zu meinem Schutz. Wüsste einer meiner Gegner, dass ich Lady B. bin, oder wie ich tatsächlich aussehe … ich wäre wahrscheinlich längst tot.« Demonstrativ rückt sie die Perücke zurecht, die sie eben wieder aufgesetzt hat.
Ich nicke, während wir mittlerweile drei Straßen weiter sind und sie auf eine Garage zuhält.
»Eigentlich habe ich mich nie hier in North Beach schon umgezogen, sondern immer erst kurz vor dem Club.«
Ich ziehe das Tor der Garage hoch und halte ihr meine Hand entgegen.
»Was?«, fragt sie erstaunt.
»Ich fahre.«
»Warum? Ich ka…«, setzt sie an, aber ich schnappe mir mit einem Grinsen den Schlüssel aus ihrer Hand.
»Und ich kann erst recht, Lady. Komm schon, erzähl mir auf der Fahrt von meiner Großmutter und lass mich dich chauffieren. Erzähl mir von Black Widow und warum du das eigentlich alles tust, wenn du es eigentlich hasst.«
»Ich hasse es nicht«, sagt sie, als wir einsteigen. »Das Nachtleben gehört genauso zu mir wie Brooke. Das habe ich
dir schon gesagt.«
»Du bist Brooke«, sage ich, als ich rückwärts aus der Garage fahre. »Und du musst auch nicht mehr sein, denn du bist gut so, wie du bist.«
»Doch, Maddox. Das muss ich und damit werden wir umgehen müssen. Ich kann dir aber hoch und heilig versprechen, dass ich keinen der Männer mehr für gewisse Sachen brauchen werde.«
Mein Blick schwenkt kurz zu ihr, während wir auf die Golden Gate Bridge fahren, und ich weiß, dass sie die Wahrheit spricht. Und ich akzeptiere es auch. Das ist etwas, mit dem ich lernen muss, umzugehen. »Ich weiß, Álainn, und ich habe verstanden, dass du es besser machen willst als alle vorher. Ich bin bereit.«
»Warum willst du das überhaupt? Also dich mit mir belasten? Warum wirfst du dein Leben für mich weg?«
Diesmal bin ich derjenige, der schnaubt. »Weil wir zusammengehören. Weil du meine Wurzeln bist. Und ich schmeiße nichts weg, sondern gewinne dazu. Dich! Mein Leben lang habe ich gespürt, dass da noch etwas anderes in mir schlummert. Und mit dir habe ich es gefunden.«
»Du klingst fast wie ein Romantiker.« Sie lacht.
Dieses Geräusch löst etwas Warmes in mir aus. »Verlass dich nur nicht zu sehr darauf, Lady. Wenn du mich ärgerst, kann der Romantiker verdammt unangenehm werden.«
»Da bin ich mir sogar ziemlich sicher«, antwortet sie mit belegter Stimme. »Und genau diesen Maddox werden wir gleich brauchen.«
Wir betreten den Club, kurz bevor die Sonne untergeht. Brooke hatte bereits am Nachmittag diesen Dante angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie sich alle für ein Gespräch – vor
Cluböffnung – im Black Widow einfinden sollen. Sie ist nervös und ich verstehe es auch. Nach allem, was sie mir auf der Fahrt von den Traditionen der Black Widow-Ladys erzählt hat, von dem, wie unsere Großmutter war, wie sie aufgewachsen ist … und in welchen dunklen Geschäften sie überall ihre Finger hat … kann ich ihre Aufregung vollkommen nachempfinden. Doch jetzt ist die Zeit für Veränderung. Ich will Brooke. So, wie sie ist. Und sie will mich. Doch bedeutet das im Umkehrschluss auch, dass sich Dinge ändern müssen. Und ich bin mir sicher, dass sie sich ändern lassen, wenn sie nur will.
»Eigentlich werde ich jeden Abend von Dante hier am Wagen abgeholt.«
»Warum heute nicht?«, frage ich, während wir aussteigen.
»Ich habe ihm gesagt, er soll mit den anderen drinnen auf mich warten.«
»Dieser Dante, ist der dein besonderer Ehrenmann?« Den angefressenen Klang meiner Stimme kann ich nicht verbergen. Ich will es aber auch nicht.
»Nicht wirklich. Er ist nur schon so lange bei mir und es gab nie Probleme.«
Ich nicke, als ich neben sie trete und sie einen Schlüssel aus ihrem Mantel zieht. »Puh«, kommt aus ihrem Mund, mit einer ganzen Menge Luft.
»Du musst es nur sagen, Brooke. Noch ist es nicht zu spät. Ein Wort von dir und ich bin weg.«
Völlig erschrocken wendet sie sich mir zu. »Das will ich nicht!«
»Ich auch nicht, Álainn«, erwidere ich sanft und streife mit meiner Hand über ihre Wange. »Aber dann muss das hier sein. Denn ich werde niemals dein Hündchen spielen.«
»Das würde ich auch nie wollen.«
Als wir ins Black Widow eintreten, schallen schon Stimmen zu uns herüber. Brooke und ich wechseln einen letzten Blick und mit einem Mal sieht sie sehr entschlossen aus. Ich
überlasse ihr die Entscheidung darüber, ob sie Körperkontakt zu mir halten will oder nicht. Das, was jetzt folgt, wird schwer für sie, und ich stelle mich darauf ein, dass auch Männer dabei sein könnten, die mit den neuen Gegebenheiten nicht einverstanden sind. Meine Hand greift kurz in meinen Rücken, um mich zu versichern, dass die Waffe noch genau da sitzt, wo ich sie hingesteckt habe. Ich bin nicht mehr der gute Junge, der ich einmal war.
Als Brooke sich wieder in Bewegung setzt, verschränkt sie doch ihre Finger mit meinen, und ich fühle mich so stark und glücklich, dass ich es zur Not auch mit all ihren Männern aufnehme. Und dann, während wir noch unbemerkt im dunklen Gang stehen, sehe ich sie alle. Heute sehe ich sie mit anderen Augen als noch vor zwei Tagen. Heute ist der Tag, an dem sie mich akzeptieren oder nicht. Beim letzten Mal waren sie mir noch scheißegal. »Jetzt«, sage ich und ziehe Brooke mit mir ins Licht und sofort schwenken alle Gesichter zu uns.
»Ich bin froh, dass ihr es früher einrichten konntet«, setzt sie an.
Sicher achtzig Menschen starren uns an. Starren auf Brookes und meine Finger.
»Ich möchte euch Nin vorstellen.«
Dante schnaubt am lautesten, mit der Hand an seiner Waffe, aber er bleibt starr an seinem Platz stehen. Dass ich weiter Nin heißen werde, haben wir während der Autofahrt vereinbart. In diesem Milieu ist es wahrscheinlich wirklich sicherer, mit einem Decknamen unterwegs zu sein.
»Wie ihr wisst, gab es im Black Widow nie einen einzigen Mann für eine Lady. Nie hatte ein Mann das Zepter in der Hand. Und das wird er auch jetzt nicht.« Sie macht eine kurze Pause. »Aber ab heute werden Nin und ich euch zusammen führen. Gemeinsam mit euch werden wir noch stärker sein, denn Nin ist der Mann, dem ich mein Herz und mein Vertrauen geschenkt habe.«
Ich warte auf Proteste. Warte auf Einwände, vielleicht warte ich sogar darauf, dass einer der Männer die Waffe gegen mich richtet. Aber es passiert nichts und alles ist so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte.
»Erstmal ändert sich für euch nichts. Ich werde weiter eure Lady sein. Ich werde euch schützen, ihr werdet weiter für mich arbeiten und ihr müsst euch keine Sorgen machen, dass es euch bei uns jemals schlecht gehen wird. Nin ist mein Partner und er wird alles für euch tun, genauso, wie ich es tue.« Sie verstummt noch einmal und ihr Blick schweift über ihre Familie, genauso wie mein Blick es tut.
Manche sehen überrascht aus, andere ungläubig. Wieder andere – die meisten weiblichen Angestellten – lächeln sogar. Nur ihre Ehrenmänner beäugen mich kritisch.
Und als Brooke schon weitersprechen will, drücke ich ihre Hand, löse mich von ihr und mache einen Schritt nach vorn, sodass ich sie überhole. »Ich werde euch nicht sagen, was ihr zu tun habt. Zumindest solange ich dazu keine Bewandtnis habe. Aber wenn einer von euch ein Problem mit mir hat, dann soll er es gleich sagen und wir schaffen es aus der Welt. Genauso steht es euch frei, wenn ihr mit dieser Entwicklung nicht zurechtkommt, zu gehen. Doch wenn, dann macht es sofort und spielt keine Spiele, die wir so oder so durchschauen werden. Ich verlange von euch«, sage ich und richte meinen Blick nun genau auf Dante, »dass ihr meine Lady weiterhin mit eurem Leben schützt, so, wie sie ihres auch für eures geben würde. Dasselbe gilt ab heute für mich. Steht ihr zu mir, stehe ich zu euch. Hundertprozentig. Vergesst aber nicht, es geht auch andersherum.« Ich sehe wie alle Ehrenmänner, bis auf Dante, den Blick senken und nicken. Ich sehe, dass er überlegt, bis Brooke wieder an meine Seite tritt.
»Nin ist nicht irgendein Mann. Nin ist der Sohn meiner Tante. Einige von euch erinnern sich an sie.« Ein kurzes Raunen geht durch die Menge. »Meine Mutter und ihre Schwester sind
damals von hier fortgegangen. Sie gingen nach Irland. Dort heiratete meine Mutter einen Mann, der euch mittlerweile allen bekannt sein dürfte.« Jetzt richten sich wieder alle Augen auf Brooke. »Juan – The Enforcer –
Barese. Der Kopf der irländischen Mafia. Er hat meine Mutter getötet und jetzt will er meinen Platz einnehmen.« Alle schnauben auf, doch Brooke winkt ab. »Diese Verbindung ist ihm vielleicht gar nicht bewusst. Zumindest denken oder hoffen wir das. Und genau das sollten wir ausnutzen. Zuerst muss ich aber jetzt von jedem von euch wissen, ob wir weiter auf euch zählen können. Ich vertraue Nin vollkommen. Er gehört zur Familie und ich wünsche mir, dass ihr ihm dasselbe Vertrauen entgegenbringen könnt.« Wieder ergreift sie meine Hand und zeitgleich hören wir von jedem Einzelnem in diesem Raum ein: »Ja, Lady B. Für unsere Familie.«
In den letzten dreißig Minuten hat Brooke mich jedem ihrer Männer – und Frauen – in diesem Club vorgestellt. Zu jedem hat sie mir seine oder ihre priorisierten Aufgaben genannt und jeder hörte still ihren Ausführungen zu. Sie hat diese Männer tatsächlich alle im Griff und anders als bei meinem letzten Besuch hier, spüre ich heute, wie stark sie alle miteinander verbunden sind. Brooke ist nicht bloß der Kopf einer der größten Mafia-Gruppierungen. Hier ist tatsächlich niemand, weil er dazu gezwungen wird. Sie alle lieben Brooke, beziehungsweise Lady B. … und wie könnten sie es auch nicht.
»Molière«, spricht sie etwas später einen gut gekleideten Mann an, der hinter der Bar steht.
Ich würde ihn auf Mitte fünfzig schätzen. Er sieht nett und ehrlich aus.
»Lady«, antwortet er und senkt den Blick leicht.
»Sieh mich an, Molière. Du musst nichts befürchten.«
»Das tue ich nicht.«
Ich kann mir kaum vorstellen, was für Rituale oder Spiele die vorherigen Ladys mit den Männern abgehalten haben, dass sie alle so demütig sind. Auch wenn Brooke jahrelang bereits eine Lady ist … und ich sie als solche auch schon getroffen habe … ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Frau böswillig einem Menschen etwas antun würde. Und genau das vermittelt jeder, der hier für sie arbeitet. Alleine dadurch, dass sie den Blick senken, immer dann, wenn Brooke sich ihnen nähert oder sie anspricht.
»Du kommst doch ursprünglich aus New Orleans?« Er nickt und Brooke lächelt. »Wie lange arbeitest du jetzt schon für meine Familie?«
»Seit etwas über dreißig Jahren, Lady.«
Sie nickt ebenfalls und lächelt erneut. »Du erinnerst dich also noch gut an deine Heimat?«
»Natürlich«, bestätigt er. »Aber mein Vater dachte damals, dass er hier mehr Geld machen könne. Also kamen wir her.«
»Hast du noch Familie dort oder warst noch mal da?«, frage ich ihn.
»Nein, Master Nin«, antwortet er plötzlich und ich sehe Brookes verstecktes Grinsen.
Ich will ihm gerade schon sagen, dass er mich nicht Master nennen muss, als er schon weiterspricht.
»Alle sind tot und ich bin auch nie wieder zurückgegangen. Doch ich erinnere mich gut. Vielleicht zeige ich irgendwann meiner Frau meine Heimat.«
»Warum hast du es bisher nicht getan?«, will ich wissen, und Molière verstummt, während er erneut den Blick senkt.
Fragend sehe ich zu Brooke, die jetzt das Gesicht verzieht. »Das Personal hat nicht länger als sechs Tage am Stück frei«, erklärt sie gedrückt.
»Nie?«, will ich wissen und sie schüttelt wie ertappt den Kopf.
»Darüber werden wir in Ruhe sprechen«, sagt sie dann. »Molière, ich bin mir sicher, dass du bald mit deiner Frau in deine Heimatstadt reisen kannst, wenn du danach zurückkommst. Ich brauche dich hier, das weißt du. Keiner mixt so gut wie du.«
Er hebt den Kopf wieder und ein breites Lächeln liegt auf seinem Gesicht.
Ich ziehe das Foto aus meiner Hosentasche und halte es ihm hin. »Dieses Haus, Molière, oder die Menschen, kennst du irgendetwas oder jemanden davon?«
Mit seinen schmalen Fingern ergreift er das Foto und rückt sich die Designerbrille zurecht. »Das ist die Magnolienvilla«, sagt er ganz sicher. »An die erinnere ich mich genau. Reiche Leute mit einer hübschen Tochter wohnten darin, aber die sind nicht auf dem Foto.«
»Diese Tochter, wie alt war die, als du sie das letzte Mal gesehen hast?«
Jetzt lacht er laut. »Die bekam man kaum zu Gesicht. Der Vater hütete sie wie seinen Augapfel. Hübsch war sie. Dichtes, langes schwarzes Haar, Mandelaugen … eine Schönheit. War älter als ich. Sicher fünfzehn Jahre. Alle wussten, dass der Vater auf einen noch reicheren Mann für sie wartete.«
Brooke nickt und auch ich verstehe. Diese hübsche Frau mit den Mandelaugen ist wahrscheinlich die Großmutter von Brookes Halbschwester und zugleich die alte Frau auf dem Foto.
»Danke, Molière«, sagt meine Lady und streicht zaghaft über seine Hand.
»Im Netz finde ich nichts über eine Magnolienvilla«, äußere ich und nehme meine Füße vom Schreibtisch, als Brooke ihr Gespräch mit Dante beendet. Sie hat ihm mitgeteilt, dass sie
sich etwas Neues für die Einführung oder besser Überprüfung neuer Anwärter einfallen lassen wird und dass sich die Männer ab nun nicht mehr körperlich zur Verfügung stellen müssen. Ich habe zwar wirklich nach dieser Villa gesucht, habe aber auch genau auf Dantes Mimik im Laufe des Gesprächs geachtet. Ich kann ihm noch nicht mal übelnehmen, dass er kurz geknickt aussah, als er hörte, nie wieder Brookes Körper berühren zu dürfen. Mich selbst musste ich allerdings währenddessen ermahnen, still sitzenzubleiben und keinen Tobsuchtsanfall zu bekommen.
Die Tür schließt sich hinter ihm, als er das Büro verlässt, und ich lächle, während Brooke auf mich zukommt. »Enttäuscht?«, will ich wissen und ziehe sie an ihrem Arm auf meinen Schoß.
»Weniger. Eher interessiert, wie du die ganzen Männer würdig zu vertreten gedenkst.« Sie grinst und fährt mit ihren Fingern unter mein Shirt.
So schnell, dass sie nicht reagieren kann, habe ich ihre Hände ergriffen. »Reiz mich nicht, kleine Lady.« Meine Stimme kommt knurrend über die Lippen.
»Sonst?«, fragt sie und nähert sich meinem Gesicht.
»Sonst haben wir verdammt noch mal demnächst nur noch weibliche Angestellte.«
Sie kichert und ihre Hand gleitet über meine Brust, während ich den Kopf gegen die Sessellehne sinken lasse.
»Was hältst du davon, wenn ich dir jetzt den Club zeige. Und vor allem seine speziellen Räume?« Ihr Kopf senkt sich zu meinem Bauch, und als sie mich küsst und mit ihrer Zunge über meine Muskeln fährt, knurre ich heiser. Diesmal vor Verlangen.
»Du meinst, wir beobachten die anderen?«, frage ich hitzig.
»Wenn du das möchtest.«
»Lady B.« Die Tür wird aufgerissen und Dante steht aufgeregt im Zimmer. »Hemingway … Er wurde eben aus dem Fluss gezogen. Tot.«