D
as tiefsitzende Brennen meiner Wange ignoriere ich. Sogar den bewusstlosen und verdammt brutal zugerichteten Pater vor meinen Füßen ignoriere ich – auch wenn mir nicht klar ist, wie er hierher kommt. Was ich aber nicht ignorieren kann, ist die Stimme des Mannes vor Brooke. Sie ist düster, bedrohlich und sendet unumgänglich Gefahr aus.
Seit ein paar Minuten nehme ich wieder am Geschehen teil. Da ich bisher aber nur kurz die Augen aufhatte und auch sonst kein Lebenszeichen von mir gegeben habe, hat das noch niemand mitbekommen.
»Du wirst jetzt einen der Verantwortlichen im Kartell anrufen«, zischt der Mann, »wirst ihm sagen, dass du deinen Posten an mich abgibst.«
»Einen Teufel werde ich«, faucht Brooke und ich möchte ihr am liebsten den Mund zu halten, damit sie still ist. Sich nicht noch weiter in Gefahr bringt. »Wenn meine Männer …«, setzt sie an, doch die dunkle Stimme funkt dazwischen.
»Lady … Lady«, sein Lachen schallt durch die Halle, »hör doch bitte auf, mich für dumm verkaufen zu wollen. Ich weiß sehr genau, dass du und dein kleiner Freund hier so dumm wart, alleine herzukommen. Der Pater war so nett uns darüber zu informieren, dass du mit deinem Liebhaber in seine Heimat
reisen willst, um ein wenig Urlaub zu machen.« Wieder lacht der Typ höhnisch. »Wenn es möglich ist, dass die Lady des Black Widow-Kartells einen kleinen, privaten Freund hat, dann ist es auch möglich, dass ich der neue Kopf der Gruppierung bin. Und solltest du nicht einsichtig sein, Brooke«, Zorn flammt in mir auf, als ich ihn ihren Namen wispern höre, »solltest du nicht machen, worum ich dich noch freundlich bitte … muss ich leider deutlicher werden.«
Ich höre Brooke schwer einatmen und das ist der Moment, in dem ich die Augen nicht mehr geschlossen halten kann. Ich reiße sie auf, sehe zu Brooke, sehe wie der Typ, der hundertprozentig Barese ist, ihr Kinn ergriffen hat und das Messer, das mir wahrscheinlich eben übers Gesicht gezogen wurde, jetzt an ihren Hals drückt. »Wenn du sie verletzt, töte ich dich!« Ich weiß nicht wie, aber ich werde es tun!
»Sieh mal einer an«, ruft Barese beinahe fröhlich, gibt Brookes Kinn frei und ihr Blick schießt zu mir.
Ich versuche, sie mit meinen Augen zu beruhigen, sehe, wie angespannt sie ist und ignoriere dabei sogar, dass Barese mit festen, schnellen Schritten auf mich zukommt. »Alles wird gut, Álainn«, wispere ich, als Barese vor mir erscheint. Plötzlich stehen die zwei Wachen neben mir, ergreifen meine gefesselten Hände und die Bulldogge platziert meine Handgelenke auf seinem Bein. Der andere zieht die Spitze meines kleinen Fingers gerade. Im nächsten Moment hat Barese schon das Messer darauf aufgesetzt.
»Nein!«, schreit Brooke, doch da durchdringt mich schon ein unsagbarer Schmerz, während ich ein grollendes Lachen höre.
Für einen kurzen Moment wird mir übel, doch als der Wichser das blutverschmierte Messer auf meinem Oberschenkel abwischt, dränge ich den Schmerz zurück und knurre ihn an wie ein Tier. »D.u. w.i.r.s.t. s.t.e.r.b.e.n!«
»Jede Viertelstunde, in der du dich weigerst, dein Kartell über den Führerwechsel zu informieren, wird dein Freund ein
Körperteil verlieren. Aber wie ich sehe, ist er ein harter Kerl. Vielleicht überlebt er es ja sogar.«
Barese lacht und ich blicke wieder zu Brooke, die kreidebleich ist. »Hör nicht auf ihn. Du musst gar nichts tun«, sage ich ruhig. »Solange du nicht darauf eingehst, bist du sicher.« Von hinten trifft mich ein Schlag auf den Kopf. Diesmal allerdings nicht so hart, dass ich erneut bewusstlos werde. Ich schüttle mich und jetzt bin ich derjenige, der lacht. »Schneid mir ab, was du willst, sie wird nicht auf dein Spiel eingehen.« Erneut trifft mich eine Faust. Diesmal jedoch von vorn. Von Barese. Das Blut, das sich in meinem Mund sammelt, spucke ich ihm vor die Füße.
»Carlos, hierher.«
Kurz denke ich, Barese ruft einen Hund, als sich schon der andere Anzugträger in meine Richtung bewegt und Bareses Platz vor mir einnimmt. Barese selbst geht zum Tisch, zieht den Stuhl von der anderen Seite hervor und platziert ihn vor Brooke, mit sich darauf.
»Vielleicht hilft es dir, wenn ich dir ein wenig über deine Mutter erzähle.«
Erneut erscheint sein abfälliges Grinsen und meine Angst um Brooke wird immer größer. Wenn er ihr wirklich etwas antut … gefesselt kann ich rein gar nichts unternehmen.
»Ich hatte sie als kleines stilles Mäuschen kennengelernt, dabei war sie eine Wildkatze. Was denkst du, wie lange es gedauert hat, sie zu zähmen?«
Ich höre Brookes raues Zischen. Kampfbereit. Bereit, sich mit allem, was ihr zur Verfügung steht, zu wehren. Aber genauso sehe ich auch ihr blasses Gesicht. Ihr angsterfülltes Gesicht, und ich bin mir sicher, Barese sieht es auch.
»Interessiert es dich gar nicht?«, fragt er nun leise. »Ich denke schon.« Er beugt sich vor und legt seine Hand auf ihrem Oberschenkel ab und in mir kocht das Blut erneut. »Als unsere süße kleine Faith kam, ab da war es ganz einfach, deine Mutter
in Schach zu halten. Schließlich hatte sie schon einmal eine Tochter verloren, auch wenn ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste. Faith ist auch ein hübsches Ding. Nur anfassen … das konnte ich sie später nicht. Schließlich bin ich auch ein Mensch und weiß, was sich gehört. Der eigene Vater kann seine Tochter nicht für gewisse Dinge benutzen. Aber … ich konnte dabei zusehen, wie meine Männer es taten.«
Aus meiner Kehle dringt ein lautes, animalisches Knurren, und ich versuche mich aus meinen Fesseln zu befreien. Dieser Wichser. Dieser abartige Wichser. »Wir werden dich töten«, rufe ich laut und drohend, doch Barese lacht bloß hohl und schiebt seine Hand näher an Brookes Mitte.
»Wie willst du das tun, Armleuchter?«
Er richtet nicht einmal seinen Blick auf mich, sondern verbohrt sich gänzlich in Brookes.
»Du aber, kleine Lady … du wirst einen ganz besonderen Part bekommen, nachdem du den Anruf getätigt hast. Wir sind nicht blutsverwandt und ich werde viel Zeit haben, mich um deinen jungen, hübschen Körper zu kümmern.« Und dann legt er seine Hand genau in ihren Schritt.
Ich explodiere. Arme und Beine erlangen selbst gefesselt eine Bewegung, dass es mich fast vom Stuhl reißt. Es ist mir egal. Ein Schrei nach dem anderen verlässt meine Kehle, doch sofort haben mich wieder die beiden Wachen ergriffen und drücken mich, mitsamt dem Stuhl fest auf den Boden.
»Stell ihn ruhig!«, knurrt Barese dem anderen Anzugträger zu.
Und als er ihm sein Messer zuwirft, höre ich Brookes Wimmern.
»Bitte nicht. Tu ihm das nicht an.«
Sofort haben die beiden Wichser meine Hände wieder in die Höhe gezogen und schon setzt der Anzugträger das Messer auf meinem Zeigefinger an.
»Womit soll er dich in Zukunft noch fingern?«, höre ich
Barese lachend fragen, bevor der nächste brennende Schmerz mich durchschießt.
Meinen Schmerzensschrei kann ich diesmal nicht zurückhalten und ich schließe für einen Moment die Augen, bloß um das wieder unter Kontrolle zu bekommen.
»Es tut mir so leid«, höre ich Brooke neben mir flüstern und erhalte den nächsten Schlag auf den Kopf.