I ch räuspere mich, merke, dass meine Wangen eine Stufe heißer werden, schlage die Augen nieder und zupfe hektisch an dem Knoten meines Handtuchs herum, der sich nur ein paar Zentimeter oberhalb meiner Nippel befindet. Mit einem entnervten Stöhnen löse ich das Handtuch aus meinem Haar, halte es unschlüssig in meiner Hand und schaue schließlich zu Asher.
»Lass es einfach auf den Boden fallen.«
Ich gehorche sofort.
»Nun«, beginnt er übergangslos, verschränkt die Arme vor der Brust und starrt an die Wand vor sich. Er sitzt im rechten Winkel zu mir, mir nicht ansatzweise zugewandt. Ihm fällt es wohl nicht leicht, über das Kommende zu sprechen. »Deine Mutter hat mir das Foto gezeigt und … ich wollte dich besitzen.« Sein Blick gleitet zu mir und fixiert den meinen.
Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, doch klappe ihn sofort wieder zu, als seine Augenbrauen sich zusammenziehen. Ich sollte ihn ausreden lassen.
»Versteh mich nicht falsch. Natürlich hätte ich direkt auf den Vorschlag deiner Mom eingehen können, dass sie uns einander vorstellt, aber ich wollte … sie nicht in all das involvieren. Außerdem … empfinde ich sie als etwas nervtötend und deine Schwester sowieso. Ich wollte mich erst einmal über dich informieren und deswegen habe ich ihr abgesagt und Nachforschungen betrieben. So habe ich herausgefunden, dass du frisch getrennt warst und war daher der Meinung, dass du erst einmal über die Trennung hinwegkommen musst, bevor … ich ein Treffen in die Wege leite.« Jetzt ist er derjenige, der sich räuspert, betreten den Blick senkt und seine Finger betrachtet. »Ich weiß, dass ich nicht normal bin, Elliot. Ich weiß, dass meine Obsession nichts Liebenswertes an sich hat. Ich habe dich monatelang gestalked, bin in dein Apartment eingebrochen, habe deine Notizbücher studiert, dein Handy getracked und habe eine Spyware auf deinem Handy und deinem PC installiert.« Er schaut auf und in seinen hellgrauen Augen scheint es zu flackern. Flammen des Wahnsinns, vermute ich in diesem Moment. »Es ist nicht nur so, dass ich alles von dir weiß. Ich habe dich studiert. Ich kenne dich in- und auswendig. Ich weiß, wie du tickst. Ich bin von dir besessen.«
Mir klopft das Herz bis zum Hals. »Und das alles nur wegen eines Fotos?«, flüstere ich.
»Wegen eines Fotos«, bestätigt er und nickt.
»Warum?« In dieser Sekunde merke ich, wie eine Träne über meine Wange rinnt.
Es ist so falsch. Es ist alles noch viel schlimmer, als ich befürchtet habe. Ich kann das doch gar nicht zulassen, oder? Ich darf es nicht zulassen. Dieser Mann gehört in eine geschlossene Anstalt und ich muss am besten jetzt sofort meinen Anwalt anrufen, damit er eine einstweilige Verfügung gegen Asher erwirken lässt.
»Ich weiß es nicht«, wispert er und starrt mich nach wie vor an. »Deine Mutter hat mir das Foto überlassen und ich habe es mir immer wieder angesehen. Mir dein Aussehen eingeprägt. Deine Haarfarbe, die Art und Weise, wie es dir über die Schulter fällt. Deine strahlenden Augen, dein fröhliches Lächeln, deine Grübchen.« Erneut senkt er den Blick. »Von Tag zu Tag wurde der Drang größer, dich besitzen zu wollen. Zuerst war es für mich wie ein Spiel, dir nachzustellen; wie ein Training für meinen Job. Doch irgendwann konnte ich nicht mehr aufhören. Ich wurde süchtig nach dir. Süchtig danach, dich zu sehen, aber auch, dafür zu sorgen, dass du nichts merkst. Ich hätte ewig weitermachen können, allerdings … wollte ich, dass du mich siehst. Dass du mich kennenlernst.«
Für einen Sekundenbruchteil erscheint es wie eine Filmszene vor meinen Augen, wie er mir morgen früh, um exakt sechs Uhr, gesteht, dass alles nur zu seiner Rolle gehörte und ich mir keine Sorgen zu machen brauche, dass er mir irgendwann einmal nachgestellt hat.
Aber das glaube ich nicht. Er wirkt so ehrlich und die Sache mit meiner Schwester, meiner Mutter und dem Club, das kann er sich doch nicht einfach ausgedacht haben. Das klingt so sehr nach ihnen und so etwas kann man gar nicht innerhalb von zwei Tagen recherchieren, oder?
»Und wie … Kenny und Josh?«
Asher schaut auf, scheint für einen kurzen Augenblick zu überlegen, was ich meine. »Josh wurde von mir auf Kenny angesetzt und beauftragt, ihn in alles einzuweihen. Dass du dich entschieden hast, einen Callboy für das Treffen am Valentinstag zu engagieren, war kein Zufall. Ich habe dafür gesorgt, dass du unterbewusst immer wieder auf die Möglichkeit hingewiesen wirst. Zuletzt war da ein Werbeplakat auf deinem Weg zu Kennys Apartment, das deine Situation passgenau widergespiegelt hat. Eine Escort-Agentur, die verspricht, dass man den Valentinstag nicht allein verbringen muss.«
Er hat recht. Ich erinnere mich. Ich habe dieses Plakat nie bewusst wahrgenommen, aber es scheint mir die Idee, einen Callboy zu engagieren, tatsächlich in den Kopf gepflanzt zu haben.
Ich blinzele entrückt. »Kenny ist involviert?«
»Na ja, Josh wird ihn inzwischen aufgeklärt haben. Es besteht das Risiko, dass Kenny die Polizei ruft oder sogar einen Rettungsversuch startet. Aber so, wie ich ihn einschätze, steht er dem Ganzen zwar skeptisch gegenüber, findet es allerdings auf eine eigenartige Weise romantisch, was ich … vorhatte.«
Ich nicke. Kenny ist, was das betrifft, echt ein bisschen gestört. Schließlich zeigt er selbst ständig die Tendenz, seinen Lovern nachzustellen.
Dennoch macht es die Situation nicht besser. Es ist beängstigend, wie gut Asher meinen besten Freund einschätzen kann.
»Oh Gott, Asher.« Ich schüttele den Kopf und spüre, wie weitere Tränen über meine erhitzten Wangen rinnen. »Das geht so nicht.«
»Ich weiß.« Er presst die Lippen zusammen und starrt auf meine Wangen. Ich bin mir fast sicher, dass er irgendetwas tun möchte, mich an sich ziehen und so lange festhalten, bis ich ihm verziehen habe. Aber er bewegt sich nicht; er starrt mich nur an. »Ich würde dir niemals etwas antun, weißt du? Es ist nur meine Besessenheit, die zwischen uns steht. Ich kann dir versprechen, mich zurückzuhalten, bis du dich an mich gewöhnt hast, oder bis du entschieden hast, ob es überhaupt einen Sinn mit uns macht. Wenn du mich nicht willst, Elliot, wenn du mich nicht kennenlernen möchtest, werde ich mich zurückziehen. Es wird schwer, aber ich werde es tun. Doch, bitte , gib mir eine Chance.«
»Versprichst du es mir wirklich?« Mein Mund hat sich verselbständigt. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Ich bin so vollkommen außer mir. Ich weiß, was richtig und was falsch wäre. Aber ich weiß genauso, wie sehr ich Asher glauben möchte. Und ich weiß, wie sehr ich mich in dieser atemberaubenden Dunkelheit verlieren will.
»Alles, Elliot. Ich werde meine Besessenheit zurückhalten. Ich lasse dir alle Zeit der Welt, mich kennenzulernen.« Er seufzt. »Aber das hier bin ich, Elliot. Ich bin ein Kontrollfreak und ich will dich besitzen. Ich werde jeden deiner Schritte verfolgen und immer wissen wollen, wo du bist und was du gerade tust. Ich werde dich einengen, ich werde dich dazu bringen, dein Leben von mir kontrollieren zu lassen und dich zu dominieren.« Er sieht mir fest in die Augen. »Aber wenn dir das alles zu viel wird, wenn du es nicht mehr kannst, musst du es mir nur sagen. Ich werde aufhören.«
Nun starre auch ich ihn an. Die Tränen sind versiegt und ich verspüre nur noch einen bitteren Kloß im Hals. »Ich bin nicht die Erste, richtig?«
»Richtig.«
»Okay.« Aus irgendeinem Grund bin ich eifersüchtig. Dass ich nicht die Erste bin, bei der er sich so verhält, lässt mich einerseits erleichtert reagieren, andererseits fühle ich mich wie ein Spielzeug, dass er bei Bedarf einfach wieder weglegt. »Und wir reden jetzt nicht über deine Kundinnen?«
»Nein. Du bist die Dritte, bei der ich so empfinde.«
Ich senke den Kopf und schlucke schwer. »Und das hier ist kein Spiel? Das gehört nicht zu deiner Rolle?«
Auf einmal spüre ich einen Finger unter meinem Kinn, der mich zwingt, wieder aufzusehen. »Sehe ich so aus, als würde ich spielen?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, Asher. Ich weiß nur, dass ich dich kennenlernen will. Ich will dir eine Chance geben. Ich möchte die deine sein. Und ich habe keine Ahnung, warum ich so empfinde.«
Einen Atemzug lang sehen wir einander an. Und dann beugt Asher sich vor und küsst mich. So sanft und zögerlich, dass ich gar nicht glauben kann, dass er mich vorhin so forsch gevögelt hat.
»Was machst du nur mit mir?«, hauche ich, als er sich wieder von mir löst.
Vorsichtig streicht er mein Haar zurück und mustert mein Gesicht. »Wir werden sehen, Elliot.«