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Als Boady am nächsten Tag seinen abgewandelten Antrag stellte, stellte er auch ein Gesuch auf Vorführung zur Haftprüfung. Dieser Befehl würde vom Sheriffbüro von Hennepin County verlangen, Ben Pruitt aus der Haftanstalt in Saint Cloud zur Anhörung zu bringen. Er ersuchte aus zwei Gründen um diese Vorführung: Erstens wollte er, dass Ben die neu hinzugekommenen Beweise mit seinem geschulten Rechtsverstand beurteilte und hoffentlich eigene Einsichten beisteuern konnte, wer Jennavieves Liebhaber gewesen sein mochte. Wenn sie den Träger der vorgefundenen DNA ausfindig machen könnten, wären ihnen eine Wiederaufnahme und ein anschließender Freispruch beinahe garantiert.
Der zweite Grund, wieso Boady um die Vorführung ersuchte, war, um Richter Ransoms Einschätzung der neuen Beweise zu ermessen. Wenn der Richter die Theorien Doveys teilte, gab es für ihn keinen Grund, Ben zu der Anhörung transportieren zu lassen. Dann wäre diese Anhörung die reine Formsache, mit der Boady vor dem Auffinden der neuen Beweise gerechnet hatte. Wenn der Richter Ben Pruitt allerdings kommen ließe, dann würde das darauf hinweisen, dass er die Laken durchaus für einen relevanten Ausforschungsbeweis hielt.
Am Morgen der Anhörung führte ein Deputy Ben Pruitt um Punkt neun Uhr in den Besprechungsraum des lokalen Gefängnisses. Bens Gesichtshaut hing wie nasse Taschentücher von seinen Wangen und schien auch beinahe so weiß. Ihm war ein kurzer Bart gewachsen, der unter den Mundwinkeln bereits grau wurde. Auf der einen Seite seines Halses hatte er einen Bluterguss in der Größe einer Faust und dunkle Flecken auf beiden Seiten seiner Nasenwurzel – die schwindenden Überreste von zwei blauen Augen.
»Heilige Scheiße«, stieß Boady hervor. »Was ist denn mit dir passiert?«
Ben lächelte, aber sein Blick blieb leer. »Es hat sich herausgestellt, dass ich im Knast ein paar Feinde habe.« Er setzte sich gegenüber von Boady auf den Stuhl und stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch auf, um seinen erschöpften Körper aufrecht zu halten. »Vor einigen Jahren hatte ich einen Klienten, der einer Verurteilung wegen Drogenhandels in besonders schwerwiegendem Fall entging, indem er
einen sehr bösen Mann namens Rodrigo ans Messer lieferte. Mein Klient war clever genug, sich danach ins Ausland abzusetzen. Ich glaube, er lebt jetzt in Südamerika. Ich dagegen werde in St. Cloud inhaftiert, in ebenjener Haftanstalt, wo Rodrigo praktisch auf dem Thron sitzt. Er hat sich an mich erinnert, und zwar alles andere als wohlwollend.«
»Was hat er dir angetan?«
»Er selbst – gar nichts. Er macht sich nie die Finger schmutzig. Er gibt lediglich den Befehl. So wie ich das verstanden habe, ist ein Preis auf meinen Kopf ausgesetzt. Die haben mich jetzt in Einzelverwahrung, aber das ist vorbei, sobald ich in ein anderes Gefängnis verlegt werde. Ich habe keinen Zweifel, dass mir das Kopfgeld folgen wird, wohin ich auch gehe.«
Boady streckte die Hand aus und legte sie auf Bens Handgelenk. »Ich werde dich da rausholen. Das verspreche ich.«
Ben schüttelte den Kopf. »Nein, Boady, ich glaube nicht, dass mir dieses Glück bestimmt ist. Und in gewisser Weise habe ich mich damit abgefunden. Wenn ich die Wahl habe, meine Tochter nur auf Bildern aufwachsen zu sehen oder die Kehle aufgeschlitzt zu bekommen, dann ziehe ich, glaube ich, einen schnellen Tod vor.«
»So was darfst du nicht sagen. Ich hole dich hier raus, und dieser Antrag auf Wiederaufnahme der Verhandlung ist der Schlüssel dazu.«
»Boady, wir wissen doch beide, dass das nur Zeitverschwendung ist. Wann hast du das letzte Mal einen Richter dazu gebracht, einen Prozess wiederaufzunehmen? Ist dir das jemals gelungen? Das sind doch nur Luftschlösser, aber ich danke dir, dass du mich für einen Tag aus dem Knast geholt hast.«
»Das sind keine Luftschlösser.« Boady schob die Mappe mit den neuen Beweisstücken über den Tisch. Ben klappte die Mappe auf und Boady beobachtete Bens Augen, während dieser zu begreifen versuchte, was er da sah.
»Ist das …?« Er drehte das Foto der zerknüllten Laken zur Seite und wieder zurück. »Sind das unsere Bettlaken?«
»Ja«, bestätigte Boady. »Ein Handwerker hat sie gefunden, in den Rückluftschacht eurer Heizungsanlage gestopft.«
»Dann ist das Jennavieves …« Bens Hand fing leicht zu zittern an. »Ist das ihr Blut?«
»Das ist ihr Blut«, bestätigte Boady abermals. Er zog ein Foto heraus, auf dem das Messer zu sehen war. »Und dies ist das Messer, mit dem sie
erstochen wurde.«
Bens Augen füllten sich mit Tränen. Er wischte sie sich mit dem Ärmel weg. »Das ist das Messer aus unserem Schlafzimmer, das Everett Kagen ihr geschenkt hat.«
»Da ist noch mehr.«
Ben sah von dem Foto in seiner Hand auf. Die Spuren seiner Tränen versickerten in den Stoppeln auf seinen Wangen.
Boady zog das Foto mit dem benutzten Kondom heraus.
Ben wirkte verwirrt. »Das verstehe ich nicht. Wieso …« Boady wartete ab, bis Ben selbst die richtigen Schlüsse zog, und als er es tat, weiteten sich seine Augen. »Sie hatte eine Affäre?«
»Es tut mir leid, Ben, aber es sieht ganz danach aus.«
»Ich … Das kann ich gar nicht glauben. Wer war es?«
»Sie haben keinen Treffer, aber sie wissen, dass es nicht deine DNA war. Wenn ich wetten müsste, würde ich mein Geld auf Kagen setzen.«
Ben schüttelte langsam den Kopf, während er über diese Möglichkeit nachdachte.
Die gerunzelte Stirn glättete sich immer mehr und dann nickte er leicht. »Ich mochte Everett. Wir haben einige Male mit ihm und seiner Frau bei uns gegrillt. Ich habe nie etwas gemerkt. Hat Dovey eine richterliche Anordnung beantragt, um Kagens DNA zu bekommen?«
»Nein, hat er nicht.«
Nun setzte Ben sich kerzengerade auf. Boady entdeckte ein Feuer in seinen Augen, das er nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, seit Richter Ransom das Urteil verlesen hatte. »Warum zum Teufel denn nicht? Wenn es Kagen ist, dann hat er nach Strich und Faden gelogen. Er war der letzte Mensch, der sie lebend gesehen hat. Wie kann Dovey da nicht um eine Anordnung ersuchen?«
»Ich bin da ganz bei dir, aber ich fürchte, Dovey hat recht. Wo ist der Zusammenhang? Ich glaube nicht, dass Dovey genug für eine Anordnung hat. Er war an jenem Abend bei ihr, aber der einzige Hinweis, der ihn mit Tatort und Uhrzeit in Verbindung bringt, wäre die Aussage von Malena Gwin. Sie hat einen roten Wagen vorfahren und einen Mann aussteigen sehen, der dann zum Haus ging. Zunächst hat sie ausgesagt, dass du dieser Mann warst. Stell dir vor, du wärst Kagens Anwalt, du würdest dafür sorgen, dass diese Klage abgeschmettert wird.«
Ben sackte wieder auf seinem Stuhl zusammen. »Ja. Ich schätze, du hast recht.« Er wandte seine Aufmerksamkeit erneut den Fotos zu.
»Das heißt nicht, dass wir seine DNA nicht bekommen werden«, nahm Boady den Faden wieder auf. »Ich engagiere einen Ermittler, einen Mann, mit dem ich schon früher zusammengearbeitet habe, der Kagen beschatten soll. Und wenn der einen Kaugummi ausspuckt oder einen Kaffeebecher wegwirft, dann haben wir seine DNA. Ich verspreche dir, dass wir in der Zwischenzeit unseren Antrag auf Wiederaufnahme durchbekommen.«
»Glaubst du das wirklich?«
Boady war noch nie sicherer gewesen, bei keinem Versprechen, das er je gegeben hatte, abgesehen von seinem Eheversprechen vielleicht.
Und als Dovey und er etwas später vor Richter Ransom erschienen, bewahrheitete sich seine Zuversicht. Doveys Einwände blieben schwammig, gingen am Ziel vorbei wie die Tritte eines bockigen Kindes.
»Euer Ehren«, beschwerte sich Dovey. »Der Angeklagte greift nach jedem Strohhalm. Es gibt keine Grundlage für eine Aufhebung des Urteils, das die Geschworenen gefällt haben.«
»Keine Grundlage?«, konterte Boady. »Man fand die Mordwaffe in die blutigen Laken gewickelt, auf die Jennavieve fiel, nachdem sie erstochen wurde. In diesen Laken befand sich außerdem ein benutztes Kondom mit der DNA eines noch unbekannten Mannes, von dem die Anklage aber weiß, dass es nicht Ben Pruitt ist. Wir können beweisen, dass, wer immer diese DNA hinterlassen hat, im Haus der Pruitts gewesen ist, nachdem Ben Pruitt nach Chicago abgereist ist. Das bedeutet, dass ein Unbekannter in den Stunden vor Jennavieve Pruitts Tod in ihrem Bett gewesen ist. Von diesen Indizien haben die Geschworenen nicht das Geringste gewusst. Die Anklage kann keinen glaubwürdigen Grund nennen, wieso diese neuen Indizienbeweise den gesamten Fall nicht
auf den Kopf stellen sollen.«
»Euer Ehren«, versuchte Dovey es erneut. »Wenn ein anderer Mann in Mrs. Pruitts Bett gewesen sein sollte, dann ist das doch nur ein zusätzliches Motiv für Mr. Pruitt, seine Frau getötet zu haben. Es ändert gar nichts an …«
»Mr. Dovey, ich muss Sie an dieser Stelle unterbrechen.« Richter Ransom hob die Hand, um Doveys Redefluss zu stoppen. »Wenn ich ein Geschworener wäre, dann, denke ich, wären diese neuen Informationen wesentlich für ein angemessenes Urteil. Ich sehe kein realistisches Argument für die gegenteilige Behauptung. Ich bewillige den Antrag der Verteidigung auf Wiederaufnahme des Verfahrens.«
Nun, da Boady diesen Etappensieg in der Tasche hatte, ging er zum
nächsten Streitpunkt über. Der war Bens Idee gewesen.
»Sollte Ransom die Wiederaufnahme gewähren«, hatte Ben vorgeschlagen, »dann sollten wir auf die Geschworenen verzichten.«
Boady war zunächst nicht völlig überzeugt gewesen, aber Ben hatte gesagt: »Das ist der richtige Schritt. Wenn er eine Wiederaufnahme zulässt, deutet er damit an, dass er den neuen Indizien ausreichend Gewicht einräumt und glaubt, dass eine Geschworenenrunde begründete Zweifel haben könnte. Ich hatte schon Richterprozesse mit Ransom. Er ist keiner von denen, die irgendwas einfach durchwinken. Wenn er begründeten Zweifel sieht, wird er mich freisprechen.«
»Aber wo liegt der Vorteil darin, auf unsere zwölfköpfige Geschworenenrunde zu verzichten?«, hakte Boady nach. »Wenn wir die haben, brauchen wir nur einen, der begründete Zweifel hat. Es muss schon einen sehr guten Grund geben, diesen Vorteil sausen zu lassen.«
»Den gibt es«, beteuerte Ben. »Schnelligkeit. Bei einem Richterprozess müssen wir den gesamten vorherigen Prozess nicht erneut durchkauen. Ransom hat die Beweise und Zeugenaussagen alle schon gehört. Ich wette, wir können Dovey dazu bringen, einen Großteil der bisherigen Aussagen als gegeben anzunehmen. Und wenn wir nicht ganz von vorne beginnen müssen, können wir Ransom dazu drängen, einen Verhandlungstermin noch vor Jahresende anzusetzen. Ich könnte zu Weihnachten draußen sein.«
Boady verschränkte die Finger und dachte darüber nach. »Du hast recht. Es gibt keinen sinnvollen Grund, all diese Zeugen erneut aufzurufen, wenn sie sowieso nur das Gleiche erzählen.«
»Ganz genau.«
»Aber Dovey wird denken, dass wir irgendetwas Verrücktes planen. Er erhebt Einspruch gegen alles, worum wir bitten. Das ist quasi seine Standardeinstellung.«
»Dann müssen wir dafür sorgen, dass er glaubt, es wäre seine Idee.« Zum ersten Mal, seit er in der letzten Juliwoche auf Boadys Veranda aufgetaucht war, hörte Ben Pruitt sich wieder wie der furchtlose Anwalt an, als den er ihn all die Jahre gekannt hatte. »Er muss all seine Zeugen vorladen lassen und ein weiteres Mal ins Gericht schaffen, damit sie ihre Aussagen wiederholen. Und dann stehen auch noch die Feiertage vor der Tür. Das wird ein Albtraum. Wenn wir ihn in die richtige Richtung drehen, läuft er den Weg von ganz allein, da bin ich sicher.«
Nachdem er zu Protokoll gegeben hatte, dass er auf die Geschworenen verzichten wolle, ließ Boady die ersten Brotkrumen für
Dovey fallen und hoffte, er würde der Spur folgen.
»Ich möchte das Gericht daran erinnern, dass Mr. Pruitts Bitte nach einem Eilverfahren nach wie vor besteht. Wir bitten das Gericht, den Termin sofort anzusetzen.«
Ransom nickte und erklärte: »Ich habe zufällig gerade ein Eilverfahren gehabt, das bereits entschieden wurde, sodass nächste Woche noch ein Termin frei wäre. Wir können Ihre Verhandlung für diesen Termin ansetzen und diese Angelegenheit noch vor Ende des Monats anhören und abschließen.«
Doveys Blick verriet sein Entsetzen. »Euer Ehren, ich kann meine Zeugen unmöglich so schnell einbestellen. Und ich werde Zeit brauchen, meine Argumentation vorzubereiten. Sie müssen mir mindestens 60 Tage zur Vorbereitung geben.«
Boady meldete sich mit einem Vorschlag zu Wort. »Die Vorbereitung dürfte eigentlich nicht allzu umfangreich sein. Wir sind die gesamte Verhandlung bereits einmal durchgegangen. Die meisten Zeugen werden schlicht wiederholen, was dieses Gericht bereits gehört hat. Das heißt, Mr. Dovey kann praktisch seine Notizen aus dem ersten Durchgang benutzen und exakt dieselben Fragen stellen. Ich meine, das mache ich vielleicht genauso.«
»Euer Ehren, das Problem liegt ja nicht darin, die Fragen neu zu formulieren«, widersprach Dovey. »Ich stimme Mr. Sanden zu, dass der Großteil der Verhandlung eine Wiederholung der vorherigen sein wird. Das Problem liegt darin, alle einzubestellen, und das in der Vorweihnachtszeit. Viele Leute nehmen sich über Thanksgiving frei und fahren weg. Es wird sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, sie alle so kurzfristig hierherzuholen.«
»Mr. Dovey, Sie haben das Recht, Zeugen unter Strafandrohung vorzuladen«, merkte Richter Ransom an. »Ich erwarte, dass Sie von Ihren Befugnissen Gebrauch machen. Ich werde diese Verhandlung nicht aufschieben. Sie werden dafür sorgen müssen, dass es funktioniert.«
»Euer Ehren«, meldete sich Boady wieder zu Wort, klang dabei aber absichtlich so, als würde er nur laut nachdenken, »ich habe Zeugen, die … nun ja, ich weiß, dass sich an ihrer Aussage nicht das Geringste ändern wird gegenüber dem ersten Mal. Wenn das Gericht und Mr. Dovey beide einverstanden sind, würde ich vielleicht darum ersuchen, dass wir ihre Aussagen als gegeben setzen … es sei denn, die Anklage hat damit ein Problem.«
Dovey wollte Einwände erheben. »Euer Ehren, ich … äh …«
»Ja, Mr. Dovey?«, hakte Ransom nach.
Boady konnte praktisch sehen, wie sich die Rädchen in Doveys Kopf drehten, genau wie Ben es vorhergesagt hatte. »Euer Ehren, wenn ich einen Moment darüber nachdenken könnte?« Dovey rieb sich das Kinn, während er das Für und Wider von Boadys Idee abwägte. »Wenn Sie genau darüber nachdenken, Euer Ehren, da dies nun ein Richterprozess ist und kein Geschworenenprozess, handelt es sich möglicherweise um eine ganze Reihe von Zeugen, deren Aussage als gegeben gesetzt werden könnten. Ich meine, Euer Ehren haben die Aussagen bereits gehört. Sie sind bereits in der Position, im jeweiligen Fall über die Glaubwürdigkeit zu entscheiden. Wahrscheinlich könnten wir sogar einen Großteil der vorherigen Verhandlung als gegeben setzen.«
Ransom wandte sich an Boady. »Mr. Sanden, wie denken Sie darüber?«
»Ich möchte mich kurz mit meinem Klienten beraten.« Boady lehnte sich zu Ben hinüber und flüsterte: »Glaubst du, wir haben ihn sicher am Haken?«
Ben nickte, sodass auch Ransom es sehen konnte, und flüsterte zurück: »Zieh den Fisch an Land, mein treuer Berater.«
Boady wandte sich wieder dem Richter zu und erklärte: »Ich glaube, Mr. Doveys Vorschlag ist ziemlich vernünftig, besonders in Anbetracht unserer Bitte um ein Eilverfahren und der Schwierigkeiten, Zeugen so kurzfristig vorzuladen. Ich nehme an, dass wir einen Großteil der früheren Aussagen als gegeben setzen können. Wenn die Zeugen nichts Neues hinzuzufügen haben, gibt es tatsächlich keinen Grund, ihre früheren Aussagen nicht zu verwenden. Die Zeugen, die wir im Prozess aufrufen, können auf jene beschränkt werden, die dem Protokoll etwas Neues hinzufügen können.«
Wieder nickte Richter Ransom. »Ich habe kein Problem mit dieser Vorgehensweise. Wir nehmen die Vereinbarung zu Prozessbeginn ins Protokoll auf. Damit wir uns richtig verstehen, keine Seite ist verpflichtet, die frühere Aussage eines Zeugen als gegeben zu setzen. Und beide Seiten haben das Recht, jeden Zeugen aufzurufen, den sie aufrufen wollen, um dessen Aussage ins Protokoll aufzunehmen. Sind wir uns da einig?«
Dovey und Boady nickten beide.
Nachdem der Richter die Anhörung dann vertagt und alle den Gerichtssaal verlassen hatten, blieben nur Ben und Boady sowie der
Gerichtsdiener zurück, der ganz hinten stand und darauf wartete, Ben wieder in seine Zelle zurückzubringen. Ben wandte sich Boady zu. Sein Blick war der eines Mannes, dem soeben eine Begnadigung in Aussicht gestellt worden war. Er legte Boady eine Hand auf die Schulter und fragte mit tiefer Rührung in der Stimme: »Weißt du, was das bedeutet?«
»Was denn?«
»Es bedeutet, dass ich die Chance bekomme auszusagen. Ransom weiß bereits Bescheid über meine Rüge. Daher wird es keine Rolle spielen, ob Dovey meine Glaubwürdigkeit bestreitet. Ich kann dir gar nicht sagen, wie hart es beim ersten Mal für mich war, nicht in den Zeugenstand treten zu dürfen. Ich weiß, dass es die richtige Entscheidung war, aber es schmerzt ungemein. Ich habe die Entscheidung seither jede einzelne Sekunde bereut. Selbst wenn meine Aussage auf taube Ohren fällt, ich will in den Zeugenstand treten und der ganzen Welt verkünden, dass ich nichts mit Jennavieves Tod zu tun hatte.«