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Max hatte an diesem Abend zwei Anrufe von Dovey bekommen, die er dem Anrufbeantworter überließ. Als er die Nachrichten später abhörte, war die Verzweiflung in der Stimme des Anwalts nicht zu überhören. Der erste Anruf war gekommen, als Max gerade von der Arbeit nach Hause gekommen war. Die Nachricht klang wie ein Befehl und wies Max an, sofort in das Büro des Staatsanwalts zu kommen. Es ging irgendwie darum, dass sie nur 24 Stunden hatten, um einen eindeutigen Beweis zu finden. Max löschte die Nachricht und rief auch nicht zurück.
Die zweite Nachricht war eine halbe Stunde nach der ersten hinterlassen worden. Diesmal klang Dovey beinahe flehentlich und entschuldigte sich bei Max, dass er ihn zu Hause anrief. Er erklärte, dass er die Nummer von Lieutenant Briggs bekommen hatte und Max’ Hilfe wirklich ganz dringend benötigte. Dann erklärte Dovey, dass Kagen die Aussage verweigert hatte und seine Anklage in sich zusammengefallen war wie ein Kartenhaus. Er sagte, er habe es geschafft, eine Vertagung bis zum folgenden Mittag zu erwirken, um die Löcher in seiner Argumentation zu stopfen, und er brauche Max’ Hilfe dafür. Zuletzt verlegte sich Dovey gar aufs Betteln, was in Max’ Ohren ziemlich armselig klang. Er löschte auch diese Nachricht.
Später am selben Abend, nachdem er draußen den Schnee in der Einfahrt zur Seite geschaufelt hatte, klingelte sein Telefon erneut. Er kannte die Nummer nicht und wollte nicht rangehen, weil er glaubte, dass es wieder nur Dovey war, der lediglich ein anderes Telefon benutzte. Aber dann entschied er, Dovey die Meinung zu sagen, denn beim Schneeschippen waren ihm so einige Dinge eingefallen, die er dem Mann gern um die Ohren hauen würde.
»Max Rupert hier.«
»Max, hier ist Lila Nash.« Ihre Stimme war nur ein Flüstern, abgehackt und gedämpft.
»Lila, wie geht’s dir …«
»Max, ich kann das jetzt nicht alles erklären, aber du musst zu Professor Sandens Haus kommen. Es ist dringend.«
»Hör mal, Lila, wenn das irgendein Trick ist, der mich dazu bringen soll, mit Boady zu reden, dann bin ich wirklich enttäuscht von dir.«
»Verdammt, Max. Ich bin’s. Lila. Du kennst mich. Du musst sofort kommen.«
Etwas in ihrer Stimme überzeugte ihn, dass es kein Trick war. »Was ist los? Was ist passiert?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin nicht mal sicher, ob es okay war, dich anzurufen, aber ich weiß nicht, was ich sonst tun soll. Kannst du bitte so schnell wie möglich herkommen?«
»Mit Blaulicht und Sirene kann ich in zehn, zwölf Minuten da sein.«
»Keine Sirene. Zumindest nicht, wenn du in der Nähe bist. Hier könnte es ungemütlich werden, und ich will es nicht noch schlimmer machen.«
»Bist du in Sicherheit, Lila?«
»Ja, aber bei Professor Sanden bin ich mir da nicht so sicher. Bitte mach schnell. Ich erkläre es dir, wenn du hier bist.«
»Schon unterwegs.« Max steckte das Handy in seine Hosentasche, schnappte sich Waffe, Dienstmarke und eine Jacke, und war schon aus der Tür.