33.
Jeff stolperte keuchend durch den dunklen Korridor. Lief dabei alle paar Meter an schwachen, blutroten Lichtern vorbei, die in die Wand eingelassen waren. Allmählich ließ die Panik nach. Er drehte sich um. Der Dämon war ihm nicht gefolgt. Er schnappte nach Luft, als er sich an einer gelb-schwarzen Wandstrebe festhielt.
Was sollte er nur tun? Er hatte doch keine Handhabe gegen dieses Wesen.
Er hatte sich so getäuscht. Er hatte gedacht, Joanne wäre die Besessene gewesen, so wie vorher Owl. Er hatte sich geirrt, aber er verstand es einfach nicht. Konnte der Dämon womöglich mehrere Menschen gleichzeitig übernehmen? Hatte Green auch Fields und Irons auf dem Gewissen? Was wäre, wenn Jeff einfach zurückginge, seine Pistole nahm und Green erschoss? Würde der Dämon das zulassen? Und wenn es ihm gelänge, was dann? Hatte er womöglich Green längst durch einen Avatar ersetzt? Wie konnte er verhindern, dass er womöglich selber als Avatar in der Pseudohölle landete?
Es war zu viel. Verstohlen senkte Jeff den Blick und betrachtete die Pistole im Halfter an seinem Gürtel. Wäre es nicht einfacher, sich hier und jetzt selber zu erschießen? Dann würde er wenigstens in Frieden ruhen und nicht als Spielzeug zur Belustigung eines geisteskranken, gottähnlichen Wesens enden.
Nein, er wusste, dass er das nicht konnte. Er musste einen Weg hier heraus finden. Aber wie?
Er atmete zitternd ein und wieder aus. Langsam setzte er den Weg den Gang entlang fort. Einige Meter weiter befand sich eine Tür aus dunkelgrauem Metall in der Wand. Die Ränder waren mit schwarz-gelber Farbe markiert. Vielleicht konnte Jeff irgendetwas finden, das ihm half oder ihn auf eine neue Idee brachte.
Er drückte auf das Quadrat in der Wand und zischend fuhr die Luke nach oben. Dahinter schien eine große Halle zu sein. Jeff trat durch die Luke und sein Herzschlag setzte fast aus.
Die Halle war gigantisch. Sie musste einen Durchmesser von mehreren Kilometern haben. Zunächst sah es wie ein riesiges Regallager aus. Aber dann fiel Jeffs Blick auf die Reihen an quaderförmigen Blöcken, die die Reihen der Regale füllten. Er trat an einen von ihnen heran. Sie waren aus schwarzem Metall und hatten gleichmäßige Vertiefungen und eine Reihe konsolenartiger Schaltelemente an der rechten Seite.
Jeff strich mit den Fingern über das fremdartige Material. Es war eiskalt. Das mussten die Kryobehälter der Passagiere und Besatzung sein. Er trat wieder zurück an ein Geländer wenige Meter vor ihm. Die Reihen an Regalen mit den sarkophagähnlichen Kammern setzten sich nicht nur nach oben, sondern auch nach unten fort. Er vermochte nicht einmal zu sagen, wie viele Stockwerke diese gigantische Halle hatte, denn der Boden verschwand irgendwo weit unter ihm in rötlichem Dunst. Es mussten tausende, nein, Millionen von Kryokammern in diesem Raum sein. Und Gott allein wusste, wie viele von diesen Lagern es an Bord des Schiffes noch gab.
Ob sein Vater irgendwo hier in dieser Halle in einem der Behälter lag? Er würde ihn niemals finden.
»Jeff«, hallte Greens Stimme durch das Lager.
Er blickte sich um, konnte aber niemanden erkennen. Offenbar hörte er ihn über einen Lautsprecher.
»Jeff«, wiederholte die Stimme. »Ich weiß, wo du bist.«
Jeff seufzte resigniert. Er stand offenbar die ganze Zeit unter der Überwachung des Dämons. Er saß in der Falle. Raus würde er Jeff niemals wieder lassen.
»Herrgott, was willst du denn von mir?«, schrie Jeff verzweifelt.
Ein schallendes Lachen drang durch den Raum. »Was denkst du denn?« Wieder Lachen. »Ich will dich!«
»Was willst du denn von mir?«, wiederholte Jeff. Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
»Ich will dich hier bei mir haben. Komm zurück zu mir.«
»Und wenn ich nicht will?«, fragte Jeff mit einem Anflug von Wut.
Wieder Lachen. Diesmal leiser.
»Hier ist noch jemand, der dich gerne wiedersehen will«, sagte die Stimme. »Beschreibe die Situation, meine Süße.«
Jeffs Magen zog sich zusammen. Er wusste, wen der Dämon meinte. Er hatte Joanne vergessen. Er war in Panik davon gelaufen und hatte sie in den Händen des Dämons zurückgelassen.
»Jeff.« Sie klang verzweifelt. »Ich liege auf dem Boden und bin gefesselt. Green beugt sich über mich und hält mir ein Messer an den Bauch.«
»Komm zu uns zurück, Jeff«, sagte Green mit einer zuckersüßen Stimme. »Oder ich werde deiner kleinen Freundin den Bauch aufschneiden und beschreiben, was ich da alles heraushole.« Er lachte wieder. »Wenn du mich denn durch das Geschrei hindurch verstehen kannst.«
Verzweiflung überkam Jeff. Er wusste, dass er das nicht durchhalten konnte. Wieder blickte er auf seine Pistole und überlegte, sie gegen sich selber zu richten. Aber was wurde dann aus Joanne? Sie wäre immer noch in der Hand des Dämons. Und sein Vater auch.
»Scheiße, verdammte!«, fluchte Jeff und schlug gegen die Wand.
»Na, na«, kommentierte Greens Stimme.
Jeff biss die Zähne zusammen. Es musste doch einen Ausweg geben!
Die Pistole ...
Er atmete tief ein und wieder aus. Er wusste nicht, ob es funktionieren würde. Vor allem würde es für den echten Green – wenn sein Geist denn noch irgendwo in seinem Körper ruhte – wahrscheinlich das endgültige Aus bedeuten. Aber Jeff ging davon aus, dass er ihn sowieso nicht retten konnte. »Also gut. Ich komme.«
Langsam verließ er die Halle und trat wieder in den Gang. Für den Weg zurück in die Vorhalle brauchte er nur wenige Minuten.
Dann sah er in einiger Entfernung Green, der neben dem Eingang in die zentrale Halbkugel stand.
»Wo ist Joanne?«, fragte Jeff.
Green legte den Kopf ein Stück zur Seite und lächelte. »Sie ist bereits vorausgegangen.« Er wies auf die Tür neben sich. »Nach dir.«
»Du lässt mich wirklich in dein innerstes ... Refugium?«
Green nickte. »Es spricht nichts dagegen. Du kannst hier nichts anrichten. Du kannst mir nicht schaden. Außerdem ist es nötig.«
Jeff ersparte es sich, nachzufragen. Er wollte nicht hineingehen, aber er musste sich davon überzeugen, dass Joanne wirklich dort war.
»Du gehst voraus«, sagte Jeff.
Green zuckte mit den Schultern und drehte sich um. »Wenn du darauf bestehst.« Die Tür öffnete sich zischend zur Seite und Green trat hindurch. Jeff folgte ihm langsam.
Jeff fühlte sich an Hologramme vom Pantheon in Rom auf der Erde erinnert. Eine riesige Kuppel mit einem kleinen Loch in der Spitze der Decke. An den Seiten standen konsolenartige Instrumente, die aber alle dunkel waren und nicht in Betrieb zu sein schienen. Weitere Türen gab es nicht. Der einzige Zugang zu dem Raum war der, durch den sie gekommen waren. In der Mitte des Raumes stand eine runde Säule. Sie maß einige Meter im Durchmesser und war ungefähr doppelt so hoch wie Jeff. Aus dem Loch in der Decke fiel ein rötlicher Lichtstrahl und erhellte die Säule wie einen surrealen Altar.
Einige Meter vor ihm lag Joanne auf dem Boden. Jeff eilte zu ihr und beugte sich über sie. Er sah, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte. Sie lebte, war aber bewusstlos.
»Da ist deine Freundin. Es geht ihr gut«, sagte Green hämisch. Er stand direkt hinter Jeff.
Jetzt oder nie!
Mit einer flüssigen Bewegung stand Jeff auf und zog gleichzeitig die Pistole aus dem Halfter, wirbelte herum und drückte ab.
Die Kugel trat an der Stirn ein und aus dem Hinterkopf wieder aus. In einer roten Explosion riss sie Teile von Schädelknochen, Gehirn und Blut mit sich.
Greens Miene erstarrte in Unglauben und Überraschung. Er wankte, hielt sich aber irgendwie noch auf den Beinen. Dann verzog sich sein Gesicht erneut zu einem gehässigen Grinsen. Dickes Blut rann aus der Wunde an der Stirn und an seiner Wange hinunter. Erneut begann er zu lachen – und fiel nach vorne. Mit einem Klatschen landete er auf dem Boden und verstummte.
»Bastard!«, fluchte Jeff.
Lautes, unmenschliches Gelächter erschallte aus Lautsprechern, die überall im Raum verteilt sein mussten. Es war Jeff klar, dass er den Dämon nicht erledigt hatte, aber vielleicht würde es ihm genug Zeit verschaffen. Er lief die Wand des Raumes entlang. Irgendwo musste doch dieser Knopf sein, von dem der Fremde gesprochen hatte.
Doch Jeff war nicht weit gekommen, als er das Zischen der Tür hinter sich hörte. Er drehte sich um. Seine Hände verkrampften sich zu Fäusten. Wer würde jetzt den Raum betreten?
Oder was?
Es war Green. Er blieb vor der Tür stehen, bis sie sich hinter ihm wieder schloss, und machte dann mit den Armen eine theatralische Geste wie ein übereifriger Entertainer. »Ich sagte doch, dass du hier keinen Schaden anrichten kannst.«
»Green war nur ein Avatar«, erwiderte Jeff trocken. »Wie lange schon?«
Der Dämon grinste. »Oh, noch gar nicht mal so lange. Wärst du nicht eben in Panik davongelaufen, wäre dein Plan vielleicht aufgegangen.« Er wiegte den Kopf. »Oder auch nicht. Dann hätte es andere Mittel und Wege gegeben. Jedenfalls kommst du hier sowieso nicht mehr raus.«
Das war Jeff sowieso klar. »Warum?«
»Warum was?«
»Warum tust du das?«
Green verzog das Gesicht und verdrehte die Augen. »Na, weil es Spaß macht. Vor allem mit euch Menschen. Ihr macht so lustige Geräusche, wenn man euch Schmerzen zufügt.«
»Du bist abscheulich!«, schrie Jeff.
Green schüttelte langsam den Kopf. »Nein, bin ich nicht. Ich bin Gott.« Er dachte einen Moment nach. »Oder wohl eher der andere. Du weißt schon.« Er kicherte. »Ein sehr interessantes Konzept übrigens mit dieser Hölle. Die Idee von einem Ort der ewigen Qual und Bestrafung kam mir sehr gelegen, als ich die ersten Menschen an Bord genommen habe. Ich habe die Höhlen entsprechend umgestaltet.«
»Du hast bewohnte Planeten zerstört!«
Green nickte. »Ich habe diese Bomben an Bord eines beschädigten Schiffes von euch gefunden und wollte sie unbedingt ausprobieren. Krieg spielt ihr jedenfalls gerne. Insofern gibt es eigentlich keinen großen Unterschied zwischen euch und mir. Jedenfalls hat es sehr viel Spaß gemacht, eure Welten zu vernichten, nachdem ich jeweils einige zehntausend der Bevölkerung an Bord gebracht habe.«
»Wie hast du die überhaupt auf dein Schiff bekommen?«, fragte Jeff mit trockener Kehle.
»Teleportiert, natürlich.«
Jeff schluckte. Nach solch einer Technologie suchte die Menschheit seit Jahrhunderten vergeblich. »Teleportiert?«
Green lachte. »Was hast du denn gedacht? Dass Milliarden an Passagieren mit Fähren an Bord gebracht wurden? Das hätte Jahrzehnte gedauert. Nein, die Individuen wurden auf der Planetenoberfläche erfasst, teleportiert und direkt in den Kryokammern rematerialisiert.«
Grauenhaft!
In einem Moment war man noch auf der Oberfläche, ging über eine Straße oder war mit seinem Tagewerk beschäftigt und im nächsten Moment befand man sich in der Höllensimulation des schwarzen Schiffes. Kein Wunder, dass die Leute dachten, sie seien bei einem Überraschungsangriff getötet worden.
»Warum hast du uns nicht direkt in deine Kryokammern gebeamt, als wir mit der Charon bei deinem Schiff aufgetaucht sind?«
Green zuckte mit den Schultern. »Ich war gerade mit einem - sagen wir mal - interessanten Spiel in der Höhle beschäftigt und habe eure Anwesenheit darum erst spät wahrgenommen. Der Teleportationsprozess ist außerdem sehr aufwendig und die Feldprojektoren müssen dafür erst vorbereitet werden.«
»Du hättest uns doch direkt aus unserer Kabine in die Kryodinger teleportieren können.«
Green lachte. »Das wäre in der Tat sehr praktisch gewesen. Aber nein. Wegen der großen Projektorflächen kann nur Materie aus einer gewissen Entfernung an Bord gebracht werden. Alles andere funktioniert leider nicht.«
Jeff atmete tief ein. »Und was willst du jetzt von mir?«
»Ich will dir etwas zeigen. Komm mit.«
Der Dämon drehte sich herum und ging quer durch den Raum auf eine Konsole zu. Jeff folgte ihm in einigen Metern Entfernung.
Als Green die Apparatur erreicht hatte, drückte er einen Knopf und eine kleine Türe öffnete sich. Dahinter war ein gelb beleuchtetes Fach von der Größe eines Mikrowellenofens. »Das ist ein Universalanalysator. Er tastet alles, was man hineinlegt, Atom für Atom ab und überträgt es als Modell in den Computer.«
Jeff verstand nicht. »Und?«
Der Dämon grinste wieder. Es schien ihm Spaß zu machen, Jeff an der Nase herumzuführen. Dann streckte er seine rechte Hand aus.
»Was?«, fragte Jeff.
»Das Handheld von Major Irons, bitte.«
Jeff bekam eine Gänsehaut. Sofort verstand er, was der Dämon damit vorhatte.
»Nein.«
Der Dämon nickte. »Doch. Ich habe schon versucht, mich euren Zentrumswelten zu nähern. Aber sie sind zu gut gesichert. Mit dem Zutrittscode werde ich jedoch freie Bahn haben und wenn die Menschen begreifen, was sie erwischt hat, dann ist es bereits zu spät.« Er lachte leise. »Als Erstes werde ich mich der Erde widmen. Wie viele Einwohner hat sie noch mal?«
»Zehn Milliarden«, krächzte Jeff automatisch.
Green klatschte in die Hände. »Und ich habe fast ebenso viele leere Kryoboxen an Bord. Was für ein wunderbarer Zufall. Wir werden zusammen Spaß haben wie noch nie.«
Jeff schloss die Augen. Er hätte die Daten längst löschen sollen. Warum hatte er es nicht getan? Spätestens nach dem Zusammentreffen mit dem Lichtwesen wäre es an der Zeit dazu gewesen. Aber vielleicht war es noch nicht zu spät. Langsam näherten sich seine Hände der Gürteltasche, wo Irons’ Handheld neben seinem eigenen ruhte.
Noch bevor er es herausnehmen konnte, rammte ihm Green blitzschnell die Faust in den Bauch. Stöhnend ging Jeff in die Knie. Er musste sich mit beiden Händen am Boden abstützen und bekam nur am Rande mit, wie Green Irons’ rotes Handheld aus seiner Tasche nahm.
»Ich gehe lieber kein Risiko ein. Nicht dass du noch versuchst, es kaputt zu machen.«
Der Schmerz ließ nur langsam nach, aber immerhin war Jeff wieder in der Lage, den Kopf zu heben. Er sah gerade noch, wie der Dämon die Tür des Faches schloss und auf eine Taste drückte.
»Es sollte schnell gehen«, verkündete Green und rieb sich die Hände, während er ein Hologramm betrachtete, das vor ihm in der Luft schwebte und Symbole in der Sprache der Fremden anzeigte. »Ja, Analyse beginnt. Oh, ach so ist das!«
Er wandte den Kopf und blickte Jeff an. »War eine gute Idee, dich hierherzubringen.«
Dann stürzte der Dämon sich auf Jeff.
Was zum ...?
Jeff versuchte, den Körper Greens von sich wegzustoßen. Es gelang ihm nicht. Greens Knie in seinem Bauch ließ ihn zusammensacken. Der Dämon griff nach Jeffs Hand. Er wollte den Arm wegziehen, aber es war sinnlos.
Greens Kopf ruckte nach vorne. Seine Zähne schlossen sich um Jeffs Zeigefinger und seine Hand explodierte in einer Welle von Schmerz. Jeff schrie und Tränen füllten seine Augen. Der Schmerz ließ ihn fast die Besinnung verlieren.
Dann hörte der Schmerz ganz plötzlich auf. Jeff stöhnte. Green ließ ihn los und Jeff stürzte zu Boden. Er blinzelte, damit er endlich wieder etwas sehen konnte. Er richtete sich mit dem linken Arm auf und betrachtete seine rechte Hand.
Mein Zeigefinger!
Der Finger fehlte. Nur ein kleines Stück weißen Knochens ragte aus der Wunde. Blut lief pulsierend seine Hand hinunter und tropfte in einem steten Strom auf den Boden.
Jeff blickte auf. Greens Kinn war blutig. Er griff sich in den Mund und holte Jeffs Zeigefinger heraus.
Er hat ihn abgebissen!
»Danke für deinen Fingerabdruck«, sagte der Dämon und leckte sich über die blutigen Lippen. Dann legte er den Finger neben das Handheld in das Analysegerät. »Ich weiß dein Opfer wirklich sehr zu schätzen.«
Es piepste und dann griff er in das Analysegerät und zog das Handheld wieder hervor.
Jeff blickte auf seine Hand, aus der nach wie Blut floss.
Mein Finger!
Allmählich setzte ein dumpfer Schmerz ein, der langsam stärker wurde.
Der Schock ließ ein wenig nach. Er musste zu Joanne, die immer noch ihre Sanitätstasche am Rücken trug, um die Wunde zu versorgen.
»Ja, das ist besser«, sagte Green. Er hatte das Handheld zurück in das Gerät an der Wand geschoben.
»Aha. Interessant. Na ja, die meisten Daten auf dem Ding sind unwichtig. Da haben wir es ja: generelle und spezielle Zugriffscodes. Oh, passwortgeschützt. Das habe ich mir gedacht.« Er drehte sich zu Jeff um. »Das Passwort bitte!«
Jeff drückte mit der linken Hand gegen die Wunde seiner rechten und stand mühsam auf. Er wollte dem Dämon auf gleicher Höhe in die Augen sehen, wenn er ihm die Nachricht überbrachte. »Da muss ich dich leider enttäuschen. Das kenne ich nicht. Das hat mir Irons nämlich nicht gesagt.« Er lachte bitter. »Und wenn du mich tausend Jahre lang folterst. Ich weiß es nicht.«
Green legte den Kopf schief. »Das ist aber schade.«
Jeff fragte sich, warum Irons ihm das Handheld mit den Codes gegeben hatte, aber nicht das Passwort. Hatte er es vergessen? Das hätte ihm aber nicht ähnlichgesehen. Oder er war davon ausgegangen, dass Jeff es kannte. Und plötzlich wusste Jeff das Passwort. Es konnte nur der Name seines verstorbenen Sohnes sein. Jack!
»Herzlichen Dank«, sagte Green plötzlich. »Mehr wollte ich gar nicht wissen. Prima. Er akzeptiert es.«
Oh Gott, nein. Er hatte einen Fehler begangen. Er wusste auch sofort, welchen.
»Ganz recht, Jeff. Ich bin Telepath. Leider habe ich es noch nicht geschafft, dein Abschirmnetz zu sabotieren, und kann dich darum nicht übernehmen, aber wenn ich mich voll und ganz auf dich konzentriere, kann ich deine Gedanken lesen.« Er lachte rau. »Und damit hast du deinen Zweck erfüllt. Aber ich werde mich bei dir bedanken. In der Tat habe ich ganz besondere Pläne mit dir.« Green ging langsam auf ihn zu.
Jeff wich an die Reihe der Konsolen zurück. Er wollte es gar nicht wissen.
»Ich werde dich zu meinem Chefhenker machen. Du wirst mein Inquisitor und Vorarbeiter. Wir lassen die Menschen der Erde sich gegenseitig über die Jahrtausende in den Höhlen quälen.« Der Dämon kicherte begeistert. »Und wenn die Zeit dann reif ist, sie endgültig zu vernichten, wirst du diese Arbeit übernehmen und ihnen den letzten Todesstoß geben. Du wirst nach und nach die Seele eines jeden einzelnen Menschen zerstören. Ist das nicht ein würdiges, ehrenvolles Privileg?«
Jeff wurde schwindelig und er befürchtete, jeden Augenblick in Ohnmacht zu fallen. Irons hatte ihm das Handheld mit den Codes anvertraut und ihn gewarnt, es lieber früher als später zu vernichten. Und er hatte versagt. Er hatte die Menschheit diesem Dämon ausgeliefert.
»Du kannst an deinem Vater ja schon mal üben«, sagte der Dämon. »Wir haben noch viel Zeit, bevor wir die Erde erreichen.«
Immer weiter ging Jeff rückwärts die Konsolenwand entlang. Green folgte ihm langsam, sodass sich ihre Entfernung nicht veränderte.
Doch plötzlich blieb Green stehen und nahm aus einer Halterung an einer Konsole einen langen, dicken Zylinder.
Jeff schluckte, während er weiter rückwärts ging.
Der Dämon drückte einen Knopf auf der Unterseite des Zylinders und die Spitze des Gerätes leuchtete blau auf. Ein elektrisches Knistern ging daraus hervor.
»Ich muss dich jetzt leider betäuben«, erklärte Green und schritt wieder auf ihn zu. »Damit ich dich in eine Kryokammer bringen kann. Ich habe einen besonderen Avatar für dich anfertigen lassen, der deiner neuen Rolle gerecht wird. Er ist fast drei Meter groß, hat Hufe an den Füßen, einen peitschenartigen Schwanz, ganz spitze Zähne und zwei große Hörner. Ist das was für dich?« Er kicherte wieder. »In den Höhlen sehen wir uns dann wieder. Wir machen eine gemütliche, lange Vereinigungsfeier mit deiner Kameradin und deinem Vater. Einen flotten Dreier mit mir als Regisseur sozusagen. Ich habe mir schon ein paar ganz besonders ausgefallene Spiele dafür einfallen lassen.«
Es konnte nicht wahr sein. Er musste träumen. Er hätte sich erschießen sollen, solange er noch Gelegenheit dazu gehabt hatte. Aber er hatte es versaut. Es war alles aus. Jetzt würde es für ihn nur noch unendliches Grauen geben.
Der Dämon zielte mit dem Zylinder direkt auf Jeff.
Ihm wurde schwindelig und er musste sich an einer Konsole abstützen, sonst wäre er zu Boden gefallen.
»Keine Sorge. Es tut nicht weh.« Green lachte dreckig. »Zumindest das Betäuben nicht. Die Schmerzen kommen später.«
Dicht neben seiner Hand sah Jeff etwas Gelbes. Ein Logo. Das Logo! Ein gelber Kreis mit einer schwarzen Sonne.
Es war seine letzte Chance!
Er zog seine Hand von der Konsole zurück und verlor sofort das Gleichgewicht. Im selben Moment feuerte der Dämon seine Waffe ab. Jeff fiel auf die Konsole zu und ein blaues Licht flog dicht an seiner Schulter vorbei. Bevor er mit der Seite auf die Konsole krachte, hieb Jeff mit dem Ellbogen auf den gelben Schalter, der mit einem lauten Klicken einrastete und hell aufleuchtete.
Greens Lächeln verblasste. »Was war das? Was hast du getan?« Dann schloss er die Augen, wie um in sich hineinzuhorchen.
Mühsam rappelte Jeff sich auf. Seine Beine waren wie aus Pudding und er musste sich weiter an der Konsole abstützen. Nichts schien sich verändert zu haben. Nur das Leuchten des Schalters deutete darauf hin, dass etwas im Gange war.
Es war völlig still. Zitternd betrachtete Jeff den Dämon in Greens Körper. Er begriff, dass tief in den Eingeweiden des Schiffes ein Kampf stattfand. Ein Kampf zwischen den Befehlen des Dämons und den vor Urzeiten programmierten Computerroutinen. Und es war nicht abzusehen, wer gewinnen würde.
Minuten vergingen. Sie kamen Jeff wie Jahrtausende vor.
Dann hallten plötzlich metallische Geräusche durch den Raum. So laut, dass Jeffs Trommelfelle zu platzen drohten. Als schlügen gigantische Hämmer auf planetengroße Ambosse. Das akustische Inferno dauerte nur Sekunden, dann war es bis auf ein leise nachschwingendes Echo wieder ruhig.
Der Dämon riss die Augen auf. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er schien nicht einmal zu merken, dass sich die Betäubungswaffe aus seinen Händen löste und zu Boden klirrte.
»Was hast du getan?«, krächzte Green. »Sag, dass du das nicht getan hast!« Bewegungslos stand er da und starrte Jeff mit unbändigem Hass an. Gleich würde er auf ihn zustürzen und ihn mit bloßen Händen umbringen.
Jeff ging langsam rückwärts und wappnete sich für den Moment, an dem der Dämon auf ihn zuspringen würde.
Doch dazu kam es nicht. Green wandte sich in Richtung Eingang. »Nein!«, schrie er verzweifelt.
Da öffnete sich die Tür.
Lichtwesen schwebten in den Raum. Eines nach dem anderen und verdammt schnell. Schneller, als Jeff laufen konnte, bewegten sie sich auf den Dämon in Green zu.
Die Lichtwesen hatten sich verändert. Deutlich kleiner reichten sie Jeff höchstens bis an die Brust. Sie waren nicht mehr völlig transparent und hatten eine Struktur. Zum ersten Mal sah er Augen und einen Mund. Auch ihre Leuchtkraft hatte nachgelassen.
Schon hatten zwei der Wesen Green erreicht. Sie packten ihn an den Armen und zogen ihn mit sich in die Mitte des Raumes, während die anderen sich an der mannshohen Säule zu schaffen machten.
»Nein, tut das nicht«, schrie Green. Dann begann er plötzlich, in einer fremdartigen Sprache zu toben.
Jeff ging langsam um die Säule herum, damit er besser sehen konnte, was die Wesen dort taten. Sicher zwei Dutzend standen nun an der Säule, darum hatte Jeff Schwierigkeiten, zu erkennen, was dort vor sich ging.
Plötzlich fuhr ein grauer Quader langsam aus der Säule heraus. Jeff begriff. Das musste die Kryobox des Dämons sein. Schon machten sich zwei der Lichtwesen an der Konsole zu schaffen.
Green schrie. Er schrie und schrie wie in Todesangst. Dann verstummte er plötzlich und seine Augen wurden glasig. Als die Lichtwesen ihn losließen, sackte er auf dem Boden zusammen wie eine achtlos fallengelassene Marionette.
Eines der Leuchtwesen nahm einen kleinen Kasten von einer der Konsolen an der Wand und kam auf Jeff zu. Es blieb dicht vor ihm stehen. Es sah nun sehr wie auf dem Bild aus, das Jeff auf der Projektion gesehen hatte.
»Jerry?«, fragte Jeff.
Das Wesen nickte wie ein Mensch.
»Ja«, tönte eine synthetische Stimme aus dem kleinen Kasten.
»Ist es vorbei?«, wollte Jeff wissen.
Wieder nickte das Wesen.
»Der Dämon ist tot.«