Ich schreibe das hier auf, weil ich einmal gehört habe, dass man so viel vergisst, wenn man älter wird, und ich wäre mit Sicherheit die unglücklichste Frau auf der ganzen weiten Welt, wenn ich je vergessen würde, was diesen Sommer passiert ist. Vielleicht wird die Geschichte ziemlich öde sein und noch nicht einmal halb so sexy wie diese französischen Romane, aber sie hat einen großen Vorteil: Sie ist wahr, das schwöre ich. Andererseits muss eine wahre Geschichte nicht unbedingt eine gute Geschichte sein. Zumindest sagt das mein Englischlehrer Mr Glicksberg immer, dieser eklige Typ mit seinem Mundgeruch. Aber ganz ehrlich, er redet verdammt viel, wenn der Tag lang ist, und was, bitte schön, weiß schon ein nerviger Englischlehrer über das Schreiben? Nur eine kleine Kostprobe, was diese Typen – oder zumindest der olle Glicksberg – sich unter Schriftstellerei vorstellen: »Um einen Ort zu beschreiben, nehmen Sie sich bitte einen Stift und ein Notizbuch und setzen Sie sich ans Fenster (oder auf einen Hügel oder an ein Flussufer)

Und Leute, ich habe es versucht. Ich wollte diese Geschichte unbedingt schreiben, also habe ich meinen Stift und mein Notizbuch eingepackt und bin allein raus zur Hauptstraße (letzte Woche habe ich meinen vorläufigen Führerschein bekommen), um ganz brav am Anfang anzufangen. Mit der Ortsbeschreibung, meine ich damit. Es war ein ziemlich genialer Tag. Viel Sonne, obwohl es schon Ende November war. Aber wir leben ja auch in Südkalifornien, und wenn man keinen Kalender hat, weiß man gar nicht, welche Jahreszeit hier gerade ist – wirklich wahr! Nur dass es schon so gegen fünf dunkel wird … und zwar schneller als die Polizei erlaubt.

Diese zwanzig Kilometer raus zur Hauptstraße hätte ich locker mit einer Augenbinde fahren können, so wie bei Was bin ich?, wenn sie versuchen, den Promigast zu erraten, weil ich schon mindestens Tausendmal in diesem Sommer und in den Sommern davor hier draußen war, nur dass die Sommer davor nicht zählen. Mit »hier draußen« meine ich das gute alte Malibu.

Und jetzt stopp. Bei »Malibu« denkt man sofort an Filmstars und schicke Strandhäuser – und James Mason, wie er bei Sonnenuntergang ins Meer geht, weil seine guten Zeiten hinter ihm liegen und so weiter. Aber das ist nicht das Malibu, über das ich schreibe. Ich meine diese eine kleine Bucht entlang der gut

Aber ich verliere mich. Das ist das Problem beim Schreiben. Kaum erwähnt man so etwas wie das gute alte Malibu und ein paar Wellen, redet man einfach los und vergisst, was man eigentlich sagen wollte. »Sie müssen ihr Anschauungsmaterial ordnen! Eine Erzählperspektive einnehmen« – das hat die Glicksberg-Type gesagt. Wahrscheinlich hat er sogar recht. Wenn ich nicht alles ein wenig ordne, werde ich nie meine Geschichte aufs Papier bringen. So wie meine Freundin Mai Mai Richardson. Sie will Theaterautorin werden, schafft es aber nie über die Ortsbeschreibung hinaus. Ihre Ausführungen sind immer sehr ausführlich … ungefähr sechs Schreibmaschinenseiten, und wenn sie

Egal, jetzt zurück zu dieser kleinen Bucht beim Pier, wo alles anfing, es war genau der richtige Tag, um rauszufahren und es sich mit Stift und Notizbuch gemütlich zu machen. Ich habe mein Auto in der Nähe geparkt und bin bis zum Ende des Piers gelaufen, wo immer diese netten und leicht abgeranzten Leute stehen und ihre Angelruten in die Gischt werfen. Junge, Junge, der Tag war wirklich grandios gut! Die Möwen kreisten am Himmel und die Pelikane führten ihre pfeilschnellen Tauchgänge vor und kamen wieder hoch, ohne irgendetwas Besonderes gefunden zu haben.

An der Spitze des Piers setzte ich mich auf eine der Bänke und blickte auf den Strandabschnitt, um den sich letzten Sommer mein Leben gedreht hatte. Ohne die ganzen Requisiten sah er jetzt ziemlich deprimierend aus, wie eine leere Bühne. Weg war die Quonsetbaracke des großen Kahoona, weg auch die roten und blauen Farbtupfer der freundlichen Segelboote, und ich versuchte mit aller Macht, mir die Gesichter und Stimmen der »Malibu-Draufgänger« vor Augen zu führen. Wo waren sie jetzt – Golden Boy Charlie, Hot Shot Harrison, Schweppes, Don Pepe, Scooterboy Miller, Lord Gallo, Malibu Mac? Wintersurfen im Norden oder Süden von Hermosa Beach? Es war, als hätten die Wellen sie weggeschwemmt – oder als wären sie nie hier gewesen.

Und je länger ich dasaß und über diese ganze Schreiberei nachdachte, desto sicherer war ich mir, dass sie einfach nicht meins war. Erstens ist mein Wortschatz nicht sonderlich doll, und wenn ich jetzt versuchen würde, diese ganzen edlen Wörter zu benutzen, würden das nicht meine sein, und außerdem, das habe ich ja schon gesagt, geht’s mir einfach nur darum, nichts zu vergessen, wenn ich erstmal so alt bin wie die Olle Hotchkiss am Ende unserer Straße, die nach einem langen Leben noch genau 45 Mäuse im Monat aus der Sozialversicherung und eine fiese Arthrose vorzuweisen hat.

Ich wette, alte Leute haben vergessen, wie es einmal war, und für meine Eltern gilt das genauso – auch wenn sie noch keine ganz alten Leute sind. Sie haben tonnenweise Fotoalben mit Bildern, die aufgenommen