Am nächsten Morgen beim Frühstück legte ich mich ins Zeug. Meine Rettungsgeschichte möbelte ich ordentlich auf, … jeder, der mir zuhörte, musste glauben, dass ein Mädchen, das sich ohne Board nach Malibu aufmacht, gleichbedeutend mit einem Fallschirmspringer ist, der sich ohne Fallschirm aus dem Flugzeug wirft. Würde mein Alter nur zehn Dollar in den Hut werfen (vorher hatte ich bereits am Telefon meine Schwester Ann beschwatzt, mir fünf Mäuse zu leihen – ein wahrer Triumph, wenn man bedenkt, dass sie der größte Geizhals aller Zeiten ist), könnte ich das abgefahrenste Board diesseits des großen Grabens kaufen.
Nun ist es so, dass mein alter Herr extrem leicht rumzukriegen ist, wenn es um ein Paar neuer Skier oder Opernkarten oder das neueste Fats Domino-Album oder Spenden für Ungarn oder ein neues Abendkleid oder eine Reise nach Mammoth Mountain geht, aber in Sachen »Moondoggie« biss ich mir die Zähne aus.
Es ging ihm übrigens nicht ums Geld – er stand der Sache insgesamt ablehnend gegenüber. Jeder, der ihm zuhörte, musste glauben, dass er alles über »dieses gottverdammte Surfboardreiten« wusste. Erstens war es nichts für Mädchen (»noch nie ein Mädchen auf solchen Brettern gesehen!«), und zweitens schon gar nichts für so ein zartes Pflänzchen wie mich. Hatte ich denn nicht von dem Schwarzen Jungen gelesen, der erst vor Kurzem auf seinem Board gegen das Pfahlwerk des Malibu Piers geschleudert worden und gestorben war? »Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Nur über meine Leiche«, sagte mein nicht-muttersprachlicher Alter mit seinem Hang zu Klischees.
Meine alte Dame, normalerweise Feuer und Flamme für alles, was mit Mutter Natur zu tun hatte, war ganz seiner Meinung und somit hatte sich die Angelegenheit erledigt.
Na ja, für die beiden.
Als erfahrene Frühstückstischverhandlerin wusste ich, dass hier nicht mehr viel zu holen war, und strich die Segel. »Okay«, sagte ich, »kein Stress.«
Sobald ich festgestellt hatte, dass Plan A für die Tonne war, begann ich, Plan B in die Tat umzusetzen. Ich rief meine Freundin Larue von gegenüber an. Larue ist ein Jahr älter als ich und Besitzerin nicht nur eines vollwertigen Führerscheins, sondern auch eines aufgemöbelten alten Fords aus dem Jahr 1930. Wirklich wahr. Sie hat ihn von ihrer Mutter geerbt, die damit sechzehn Jahre lang herumgekurvt war. Das Auto ist ein Cabrio mit neuem Motor und kann mit jedem Cadillac locker mithalten. Irgendein Typ hatte Larue einmal 500 Mäuse dafür angeboten, aber sie hatte einfach nur die Nase gerümpft – und mit ihrer Nase rümpft es sich gut. Denn alles an Larue ist lang: ihre Nase, ihre Füße, ihre Arme, ihre Zähne, ihre Fingernägel, und als sie Mumps hatte, war es die längste Krankheit aller Zeiten. Oft tut sie mir leid. Ihr Liebesleben ist mausetot – es sei denn, man glaubt meinem Schwager, der der Meinung ist, Larue sublimiere mit Pferden. Ich hoffe, das ist jetzt auch der richtige Begriff. Hört sich ganz schön dreckig an. Ich will damit aber nur sagen, dass Larue total verrückt nach Pferden ist. Sie arbeitet die ganze Zeit in einem dämlichen Stall, wo sie die Pferde von Leuten reitet, die ihre Tiere dort parken. Und muss nichts dafür blechen.
Aber weiter im Text. Ich wusste, dass ich sie nicht dazu bringen würde, mit mir runter nach Malibu zu fahren, aber ich hoffte, ihr die Karre abschwatzen zu können. Larue ist schon sehr in Ordnung. Allerdings brauchte ich eine Weile, bis ich sie überredet hatte, mich fahren zu lassen, doch schlussendlich sagte sie Ja. Ich erzählte meiner alten Dame, dass ich mit Larue zum Strand fahren würde, was sie ein bisschen überraschte – schließlich kannte sie Larues Sucht – aber sie glaubte mir.
Also nahm ich Larue mit, setzte sie in ihrem Stall ab, und dann gings auf den Highway 101, zu genau dem Strandabschnitt Rancho Malibus, den ich gestern entdeckt hatte.
Die Küste war flach und still – nirgendwo ein Lüftchen, wie man so schön sagt. Ich war ziemlich angespannt, schließlich musste ich Stinky ohne die 25 Mäuse entgegentreten, aber die 3,85 hatte ich dabei, für den Fall der Fälle, Teilzahlungsplan und so.
Am Strand angekommen, war Stinky nirgendwo zu sehen. Ich fragte einen der Typen und er sagte, Stinky sei bestimmt draußen mit den Jungs. Hieß: jenseits der Brandungszone.
Ich blickte hinaus aufs Meer … und da waren sie. Die ganze Truppe, sie warteten, dass sich endlich eine Welle zeigen würde. Ihre Bretter schaukelten sanft, weit und breit keine größere Bewegung. Inzwischen war es Mittag, heiß wie sonstwas, und es roch nach Seetang und Jod und verbrannter Grillkohle.
Ich schlenderte rüber zur Quonsetbaracke und haute mich in der Nähe des Zauns in den Sand. Einige Surfer alberten herum und pumpten sich mit Vitamin D voll. Es gab ziemlich viele Sandflöhe, und die Jungs fingen an, wie blöde herum zu hüpfen. Nicht, dass es mich besonders interessierte, aber ich wollte wissen, ob Jeff dabei war. Fehlanzeige.
Ein paar Boards lehnten träge am Zaun. Auf ihnen standen Namen wie Fiasco, Nelly Blye, Tally Ho.
Ich stand auf, schlenderte hinüber und strich über die glänzenden Oberflächen. Ich dachte, einer der Jungs würde mich vielleicht sehen und mir sein Board ausleihen.
In dem Moment öffnete sich der Bambusvorhang der Hütte und dieser gammelige Typ kam raus. Ich meine, er war nicht total abgeranzt, aber jemand, nach dem sich die Mädchen verzehren, sieht anders aus. Er war ein älteres Semester – vielleicht Ende zwanzig oder so. Und er sah so aus, als wäre er eben erst aufgestanden. Alle Surfer im abgesperrten Bereich trugen natürlich nur Shorts oder Hawaii-Badehosen, aber dieser ältliche Huckleberry Finn hatte ein Paar Jeans an, die direkt unter den Knien abgeschnitten waren und wie ein alter Lumpen aussahen, den die Sonne gebleicht hatte. Er war verdammt groß und hatte unendlich lange Beine. Und meine Herren, war der braungebrannt. So einen Hautton habt ihr noch nie gesehen. Wie in einer dieser Magazinwerbungen für Sonnenöl – nur noch intensiver. Sein Bart war mindestens drei Tage alt und er stand da und kratzte sich an den Stoppeln und hatte so einen leeren Blick, als hätte er zu viel gesoffen.
Etwas an der Art, wie die anderen Jungs in begrüßten, sagte mir, dass er hier das Sagen hatte.
»Hi Kahoona«, sagte einer.
»Da braut sich was Geniales zusammen, Cass«, sagte ein anderer.
»Ging’s noch lange letzte Nacht?«
»Macht ihr mir nen Kaffee?«, fragte der Hüttenbewohner.
Dann sah er mich.
Ich hatte zugeschaut und meine Hand lag immer noch auf Nelly Blye.
Er kam zu mir rübergetrottet.
Ich lächelte und hätte mir – wirklich wahr – beinahe den Hals ausgerenkt, als ich zu ihm hochschaute.
»Hi«, sagte er.
»Hi«, antwortete ich. »Nettes Board.«
»Ja, Engel«, sagte er. »Nelly Blye ist ein ziemlich schönes Stück Balsa.« Er war richtig nett und höflich und nicht so herablassend wie Moondoggie oder Stinky.
»Ich wünschte, ich könnte damit raus aufs Meer«, sagte ich hoffnungsvoll.
»Weißt du, wie das geht?«
»Ich hab’s mal gemacht – einmal«, sagte ich. »Gestern. Mit – ähm – Moondoggie.« Ich tat so, als wäre ich schon ziemlich dicke mit allen.
Es dämmerte ihm.
»Ja«, sagte er. »Jetzt erinnere ich mich. Du bist das Mädchen, das Jeff aus dem Wasser gezogen hat. Undine.« Er kicherte.
Undine? Was meinte er damit? Aber es war mir nicht wichtig genug. Stattdessen fragte ich lieber: »Was ist Balsa?«
»Das Holz, aus dem diese Boards gemacht sind, leichtes Holz. Siebenmal leichter als Kork. Aber immer noch zu schwer für dich.«
»Ich wollte mir von Stinky ein Board kaufen«, sagte ich. »Für 25 Dollar. Aber ich habe kein Geld.«
Wieder kratzte er sich am Bart. Dann drehte er sich zu einem der Typen um, die im Sand herumlümmelten – zu dem mit dem riesigen Strohhut.
»Ich nehm das Frisierte mal mit aufs Wasser, Pepe. Schmeiß die Kaffeemaschine an.«
Er griff sich das Board, drehte es zur Seite und schwang es sich über die Schulter.
»Komm mit, Kleine«, sagte er. »Wie heißt du?«
»Franzie«, sagte ich. »Von Franziska. Nach meiner deutschen Großmutter.«
»Ich bin Cass«, sagte er richtig freundlich, »von Cassius. Nach niemandem.«
Wir liefen zum Ufer.
»Wohnst du in der Hütte?«, fragte ich. Ich fühlte mich bei ihm richtig wohl.
»Im Sommer ja«, antwortete Cass. »Schon mal was von Surf-Vagabunden gehört?«
»Ich kenne ein paar Ski-Vagabunden.«
»Gibt sich nicht viel«, antwortete Cass. »Jetzt kennst du auch einen Surf-Vagabunden, Kleine.«
»Ich kenne Warren Miller«, sagte ich. Er war mein erster Skilehrer oben in Sun Valley gewesen … und ich erinnere mich daran, wie er mir erzählte, dass er dort einmal vier Monate lang mit nur achtzehn Dollar in der Tasche gehaust hatte – für alle vier Monate!
Und jetzt sah ich Cass das Board vorsichtig abladen und es aufs Wasser legen.
»Bin gleich wieder da, Franzie«, sagte er.
Eigentlich hatte ich gehofft, von ihm mitgenommen zu werden, aber ich war trotzdem begeistert, dass er mir sagte, ich solle warten. Ich sah ihm dabei zu, wie er mit fließenden Bewegungen aufs Board glitt, kraftvoll die Hände ins Wasser tauchte und zur Surf-Line rauspaddelte.
Ich sah ihm dabei zu, wie er sich gleichmäßig und elegant vorwärtsbewegte. Langsam entwickelten sich Wellen dort draußen. Cass ging auf die Knie, sein Gewicht hatte er auf das hintere Ende des Boards verlagert. Die Spitze des Boards sauste über die Gischt. Danach wurde er rasend schnell nach vorne katapultiert. Er wartete kurz, bis sich alles beruhigt hatte, dann glitt er in einem Affenzahn durch die Überreste einer gebrochenen Welle – und war dann im ruhigen Wasser jenseits der Surf-Line.
Das Ganze dauerte gerade einmal drei Minuten.
Und Junge, Junge, schon ihm zuzusehen machte einen Riesenspaß.
Die Wellen wurden jetzt schneller. Die scheinbaren Faulenzer erwachten zum Leben. Sie drehten sich um und schätzen die ankommenden Wellen ab. Dann kam Cass auf die Beine – und alle anderen auch.
Wenn ihr denkt, es gibt nichts Größeres als Toni Sailer, der die Parsenn-Abfahrt abfrühstückt, oder Stein Erikson, der in Sun Valley gerade einmal drei Minuten von der Spitze Baldy Mountains bis nach Riverrun braucht, habt ihr euch geschnitten, meine Lieben.
Diesen Typen dabei zuzusehen, wie sie auf drei Meter hohen Wellen reiten und dabei wie eine geniale Eins auf ihren Brettern stehen, ist etwas, das man nie mehr vergisst. Das könnte man jetzt natürlich alles noch hundertmal besser sagen, aber wenn ich daran zurückdenke, wie ich die Draufgänger von Malibu zum ersten Mal ans Ufer hab kommen sehen – dann habe ich mich genau so gefühlt.
Cass war der Anführer. Die anderen schienen ihm zu folgen. Er erinnerte mich an einen Balletttänzer, wie er das Board dirigierte, die Welle schnitt und parallel zum Ufer an Land kam.
Ein paar Boards machten einen Abgang, aber die anderen steuerten auf eine weiche Landung zu. Cass glitt, als hätte er es genau berechnet, nur ein paar Zentimeter von mir entfernt auf den Sand. Er nahm das Board mit seinem linken Arm in der Mitte hoch und schwang es sich mit Leichtigkeit über die Schulter.
»So, Kleine«, sagte er, »jetzt will ich endlich frühstücken. Bist du dabei?«
Was für eine Frage! Ich hätte vor Stolz Luftsprünge machen können.
Auch die anderen Jungs erreichten jetzt das Ufer und ich erkannte Jeff und er guckte ziemlich dumm aus der Wäsche, als er mich mit Cass zur Hütte gehen sah. Cass legte seinen freien Arm um meine Schulter und ich achtete darauf, dass Jeff es sehen würde. Ich bekam einen ziemlichen Kick davon.
Plötzlich fragte mich Cass: »Wie alt bist du, Franzie?«
»Siebzehn«, sagte ich.
Normalerweise sage ich sechzehn, aber ich nahm an, dass Cass mich sofort in die Wüste schicken würde, wenn ich nicht wenigstens siebzehn wäre.
»Hmmm«, sagte er. »Dann gehst du im Herbst aufs College?«
»Oregon State«, antwortete ich. Ich hatte letzten Winter beim Skifahren einen Jungen kennengelernt, der dorthin ging und mir jetzt Pate stand.
Cass ließ seinen Arm auf meinen Schultern liegen, stellte das frisierte Board ab und nahm mich in den eingezäunten Bereich mit. Die anderen Jungs sahen überrascht auf.
Er stellte mich vor.
»Das ist Don Pepe«, sagte er und zeigte auf den gedrungenen Kerl mit dem riesigen Strohhut.
»Scooterboy Miller …«
»Hot Shot Harrison …«
Einige der anderen Surfer kamen dazu, und Cass erweiterte die Vorstellungsrunde sofort. Er war ein richtiger Gentleman.
Ich lernte Golden Boy Charlie und Schweppes und Malibu Mac und Lord Gallo kennen, Moondoggie brauchte er mir natürlich nicht vorzustellen.
Die Jungs brachen nicht gerade in Jubelrufe aus, als sie mich sahen. Aber sie zollten Cass einen gesunden Respekt.
»Und wer ist die, Kahoona?«, rief der Typ, den sie Lord Gallo nannten.
»Franzie«, sagte Cass. »Sie will von uns lernen.«
»Dieser kleine Zwerg? Ein Gidget ist das!« Das war Jeff.
Ein Gidget? Was sollte das sein? Dröhnendes Lachen. Die anderen machten sich fast in die Hosen. Am liebsten hätte ich Moondoggie eine geklebt, gleich hier und jetzt – auch wenn ich keine Ahnung hatte, was der Name bedeuten sollte.
»Hey, Jungs, ihr müsst mir schon sagen, worum es geht.« Ich versuchte, möglichst cool zu reagieren.
Der große Kahoona grinste. »Das ist Osmose«, sagte er. »Ein kleines Mädchen. So ’ne Art Zwerg. Ein kleines Mädchen, ein girl midget. Ein Gidget. Kapiert?«
Allerdings.
Und seltsam – in dem Moment, wo sie den Namen akzeptierten, akzeptierten sie auch mich.
»Okay, Gidget«, sagte Malibu Mac. »Lust auf ’n Tandem?«
»Wie wär’s, wenn du mein Board wachst?«
»Irgendwas für die Kiemen dabei?«
»Essen«, erklärte der große Kahoona, als er das Fragezeichen in meinem Gesicht sah.
Ich hatte ein paar Sandwiches dabei, einen Apfel, eine Banane. In null Komma nichts war mein Mittagessen verspeist – für mich blieb nicht einmal ein Krümmel übrig.
Lord Gallo schien besonders erfreut zu sein. »Hey – bring nächstes Mal noch mehr davon mit«, sagte er. »Und vielleicht auch was Flüssiges?«
»Vorzugsweise ne Flasche Gallo-Wein«, sagte Malibu Mac.
»Komm, Franzie«, sagte Cass jetzt. »Du kriegst einen Kaffee.«
Er schob den Bambusvorhang zur Seite und ich folgte ihm in die Quonsetbaracke.
Drinnen war es richtig gemütlich und kuschelig.
Es stand nur wenig rum – ein Gaskocher mit drei Brennern, ein kleiner Klapptisch, ein durchgesessenes Sofa, Strohmatten auf dem Boden. An der Wand – wenn man das denn so nennen konnte – hing ein Bild. Es kam mir irgendwie bekannt vor – irgendwas mit vielen bunten Farben. Gaugin, glaube ich. Ich habe mal einige seiner Sachen in diesem einen Museum in Paris gesehen.
Cass goss Kaffee in zwei Tassen, haute sich aufs Sofa und sagte: »Entspann dich, Kleine.«
Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich alles andere als entspannt. Ich hatte einen kanonenkugelgroßen Kloß im Hals. Und mir blieb plötzlich die Luft weg.
Durch die Spalten zwischen den Bambusschnüren konnte man die Jungs flaxen hören.
»Nicht gleich aufs Ganze gehen da drinnen!«
»Mach langsam, Kahoona.«
»Bisschen jung, das Gemüse, meinst du nicht?«
Dann spielte jemand Bongos.
Der große Kahoona grinste nur. Er nahm einen Schluck Kaffee und fragte: »Weiß deine Ma, dass du hier bist?«
Wahrscheinlich wurde ich roter als jede Tomate, aber ich schafft es zu sagen: »Ich bin oft am Strand, schon seit Jahren.«
»Strände gibt es viele, aber dieser hier ist besonders.«
»Ich weiß. Er gehört den Surfern. Ich bin verrückt danach, ich will es unbedingt lernen.«
»Dann bist du hier genau richtig«, sagte Cass. »Aber es könnte sein, dass du hier auch noch ein paar andere Dinge lernst. Ich denke, dass sollte ich dir lieber sagen. Du bist ein nettes Mädchen.«
Er sah mich komisch an.
Ich erahnte ansatzweise, was er damit sagen wollte. »Ich weiß Bescheid«, sagte ich äußerst weltgewandt. »Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Meinst du?« Er kniff die Augen zusammen.
Wir schwiegen.
Dann fuhr er fort: »Ich sag’s dir geradeheraus, Franzie. Diese Jungs dort draußen – da geht’s ziemlich wild zu. Manche gehen aufs College, das schon, aber im Herzen sind sie alle Streuner. Was vollkommen okay ist – ich bin selbst ein entspannter Streuner. Das sind alles keine Typen, die schnell zum Messer greifen – keine Gewalttäter –, aber Streuner sind sie trotzdem.«
»Na und!«, entgegnete ich. »Mir gefallen sie.«
Der große Kahoona kratzte sich mal wieder an seinem Stoppelbart. Dann sagte er: »Pass auf, Kleine. Wir wollen hier eigentlich keine Damen haben. Nicht vor Sonnenuntergang. Denn in der Regel machen die Ärger. Und Surfen ist kein Kinderspiel. Nichts für Damen.«
»Ich gehöre nicht zu den Damen«, sagte ich und versuchte, ruhig zu bleiben.
»Aber das Potenzial hast du«, antwortete der große Kahoona und ich lehnte mich rüber. Er kam mir ganz nah.
»Wie alt bist du wirklich, Kleine?«
»Hab ich doch schon …«
»Ungefähr fünfzehn?«
Die Kanonenkugel im Hals war zurück, nur diesmal fühlte sie sich wie ein Zementsack an.
»In ein paar Wochen werde ich sechzehn«, sagte ich schwach.
»Mach dir keinen Kopf deswegen«, sagte der große Kahoona. »Das kommt schon alles noch.«
»Bitte sag den anderen nichts, sonst sterbe ich.«
Die Bongos waren inzwischen nicht mehr zu überhören.
Cass legte seine große Hand auf meine. Dann sagte er: »Entspann dich, Gidget. Ich verrate keine Freunde!«
Wir standen auf.
Die Sonne erschlug uns fast, als wir in den heißen Sand hinaustraten.