Die Welt der Nachrichten ändert sich: Wir haben schnelleren Zugriff auf immer mehr Informationen – und das nahezu jederzeit und überall. Die diesem Wandel zugrunde liegenden Phänomene sind Mediatisierung (Medien organisieren und reproduzieren unsere gesellschaftlichen Relationen), Digitalisierung (Mediencontent wird digital und somit überall verfügbar und reproduzierbar) und Ökonomisierung (auch Medienunternehmen spüren den wirtschaftlichen Druck und operieren nach marktlichen Vorgaben). Alle drei Elemente werden die Art und Weise, wie Nachrichten entstehen, verbreitet und konsumiert werden, ändern. Dabei entstehen Chancen, wie Informationsvielfalt oder die Überwindung der Informationsungleichheit, aber auch Risiken, wie die Erosion des demokratischen Diskurses. Auf Letztere und die Möglichkeiten, diese zu minimieren, wird im Folgenden näher eingegangen.
Dass traditionelle Medienunternehmen v. a. im Printbereich unter Druck geraten, ist Folge der Digitalisierung und der Verfügbarkeit von (gratis bereitgestellten) Substitutionsgütern zu Print, etwa Online-Nachrichtenseiten und Social Media. Wenn wir aber unsere Kommunikation nur in den oft abgeschlossenen Gruppen eines solchen Netzwerks betreiben bzw. auch unsere Nachrichten von dessen Algorithmen gefiltert konsumieren, sind die negativen Effekte der Filterblasen und Echokammern, die immer wiederkehrend nur unsere einmal gefilterten (und „geliketen“) Meinungen wieder bestätigen, nicht weit. Nicht umsonst hat Jürgen Habermas schon früh darauf hingewiesen, dass die Menschen im virtuellen Raum in Splittergruppen mit Spezialinteressen zerfallen und dort somit keine Öffentlichkeit (im Sinne der Publizität und dem Austausch der Argumente freier und gleicher Personen) mehr besteht.
Ein zweiter Problembereich innerhalb des Medienwandels ist das Phänomen „Produsage“, also die Tatsache, dass wir alle nicht mehr nur Medien konsumieren und nutzen, sondern auch gleichzeitig produzieren und veröffentlichen (über Blogs, als Bürgerjournalisten, in Facebook-Gruppen etc.). Natürlich geht es hier oft um „Nachrichten“ oder das, was die „Produser“ dafür halten. Dabei nehmen sie offenbar unerwünschte Erscheinungen in Kauf – entweder aus Frust und Hass (v. a. bei Hate Speech), aus Unwissenheit (v. a. über Recherchemethoden) oder aus politischem Kalkül (v. a. bei Fake News).
Leider kümmern sich die Unternehmen, auf deren Plattformen dies stattfindet (u. a. Facebook, YouTube, Amazon), noch zu wenig um diese Probleme, denn deren ökonomisches Interesse liegt darin, dass diese (negativen) Kommunikationsphänomene mehr Klicks erzeugen, öfter geteilt werden und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erhöhen. Das wiederum ist für die Werbewirtschaft interessant, denn diese Aufmerksamkeit wird von vielen Medienunternehmen, eben auch von modernen Internetunternehmen, zum finanziellen Überleben benötigt. Der politische Diskurs innerhalb der Gesellschaft aber wird behindert, denn dieser braucht Meinungsvielfalt, diverse Informationsgrundlagen, transparente Recherchemethoden, Double Check und somit eigentlich qualitativen und seriösen Journalismus, der auf solchen Plattformen kaum stattfindet.
Die Nachrichtenrezeption und -produktion der Zukunft wird vor zwei Problemen stehen: Diverse Plattformen und Social Media übernehmen große Teile der traditionellen Nachrichtendistribution ohne Regulierung und Qualitätskontrolle. Und Individuen werden noch mehr zu „Produsern“, die selten journalistisch, technologisch und vor allem ethisch ausreichend geschult sind.
Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen: Erstens sollten wir in Hinkunft nicht nur die traditionellen Medienunternehmen (Presse, Fernsehen, Radio) einer bestimmten Kontrolle unterwerfen, wie es die österreichische Presselandschaft etwa im Bereich des Presserats freiwillig macht, sondern ähnliche Instrumente auch für Online-Nachrichtenportale und Plattformen finden. Diese sehen sich aber als „Technologie“- und nicht als „Medien“-Unternehmen und möchten mit diesem Argument einer solchen Kontrolle ausweichen. Instrumente der Ko-Regulierung – der Staat nennt Bereiche, die reguliert werden sollen, die Unternehmen entscheiden selbständig, wie sie das machen – und unternehmensethische Instrumente wie Ethik-Kodices und Ethics-Officers, müssen diese Unternehmen jedoch verstärkt an die Gesellschaft binden.
Zweitens benötigen wir eine früh ansetzende und ethisch aufgeklärte Medienpädagogik, die über technische Fertigkeiten weit hinausgeht, sowie ein Commitment seitens der Medienpolitik und der großen Medienunternehmen, die Möglichkeiten und (ethischen) Grenzen der Produsage in ihre Strategien miteinzubeziehen. Wir müssen nicht nur die handwerklichen Fähigkeiten der Produsage erlernen und deren praktische Konsequenzen erkennen, sondern uns immer auch nach der Verallgemeinerbarkeit unserer medialen Handlungen fragen. Wollen wir tatsächlich eine zersplitterte und von ökonomisierten Kommunikationsinteressen gesteuerte Gesellschaft? Oder wollen wir die befürchtete Erosion des demokratischen Diskurses verhindern, indem wir uns medienethisch aufklären?