Die meisten Konsumenten eines entwickelten Landes stehen beim Lebensmittelkauf vor der an sich befreienden Entscheidung, aus einem uneingeschränkten Angebot an heimischen und exotischen Lebensmitteln wählen zu können – kontrastiert durch Hungersnöte in benachteiligten Gesellschaften und Staaten, in denen Produktionsgrundlagen für Lebensmittel meist durch Seuchen, Kriege oder Klimakatastrophen gefährdet sind. Kulturhistorisch ist das „tägliche Sattwerden“ eine Entwicklung der jüngsten Vergangenheit. Während bis vor Kurzem der Großteil der Menschen die Tageszeit für Tätigkeiten zum Broterwerb (im Schweiße des Angesichts) verbrauchte, ermöglicht die Effizienz der heutigen Lebensmittelproduktionssysteme in den Industrieländern die Beschränkung der „Arbeit für den Broterwerb“ auf die Hälfte der produktiven Tageslänge. Freizeitgenuss und die damit assoziierte Freizeitindustrie sind eine direkte Auswirkung des Umstands, dass das Thema Lebensmittelversorgung für den einzelnen heute nur mehr eine untergeordnete Rolle spielt. In dieser Neuordnung der Prioritäten liegt aber auch einer der Gründe, wieso das Thema „Lebensmittel“ heute oft mit den Begriffen „billig“, „industriell“ und „schnell“ konnotiert ist. Mit Schweiß im Angesicht wird von vielen heute nur mehr die Freizeit verbracht.
Alle unsere Lebensmittel sind entweder pflanzlichen oder tierischen Ursprungs, die unter Verfügung von Frisch- und Trinkwasser hergestellt werden. Eine Limitation einer dieser drei Säulen wird zwangsweise zu einem Impakt auf das Lebensmittelversorgungssystem führen. Da die Erde nur einen beschränkten landwirtschaftlich nutzbaren Kulturraum bietet, sind diese Ressourcen grundsätzlich limitiert. Solange Menschen die Quellen der eigenen Ernährung dem Naturkreislauf entnahmen (also Samen, Beeren, Wild; ca. 2.000.000 bis 10.000 Jahre v. Chr.), waren sie als Population unbedeutend und oftmals am Rande des Aussterbens. Erst die kultivierende Bearbeitung von Böden und die Zucht von Tieren sowie die Entwicklung von Konservierungstechniken ermöglichten das stückweise Unabhängigwerden (durch Bevorratung) des Menschen von den natürlichen Jahreskreisläufen. Diese bahnbrechende Änderung gipfelte im Entstehen erster Hochkulturen. So zeigen Studien, dass die Ausbreitung der nahöstlichen Zivilisation mit der Verbreitung der Verdaulichkeit der Nutztiermilch bei Erwachsenen korreliert.
Produktionssteigerungen bei Pflanzen und Nutztieren sind die Grundlage dieser für die Menschheit so vorteilhaften Entwicklung, die zu einem Zustand führte, dass heute 7,5 Milliarden und mehr Menschen auf diesem räumlich relativ kleinen Planeten ernährt werden könn(t)en. Nur das Zutrauen der Menschen in seine technologischen Fähigkeiten und die Realisierung des Potenzials kann der Menschheit das prognostizierte Bevölkerungswachstum ermöglichen, ohne Teile der Erde innerhalb weniger Generationen für die Herstellung von Nahrung unbrauchbar zu machen.
Der in die Debatte eingeführte Begriff des „Anthropozäns“ beschreibt einen Entwicklungsabschnitt der Erde, der von einem umfassend in das globale Gefüge eingreifenden Menschen geprägt ist, wobei er es in der Hand hat, seine Lebensgrundlagen zu erhalten oder aber nachhaltig zu zerstören. Insofern ist der Begriff „Umweltschutz“ nicht mehr zielführend, da es im Anthropozän vorrangig um den Schutz des Menschen vor den Konsequenzen seiner eigenen Handlungen geht. Notwendigerweise wird die Sicherung der Lebensmittelproduktion ein ganz zentrales Element dieser anthropozänen Prozesse sein. Neben der Sicherung der Produktion steht die Produktion sicherer Lebensmittel als Thema von zentraler Wichtigkeit. Es gibt keinen vergleichbaren stetigen Einfluss auf die menschliche Gesundheit wie den, der durch die von ihm täglich aufgenommenen Lebensmittel verursacht wird. Während zu früheren Zeiten direkte gesundheitsbeeinträchtigende Effekte durch Lebensmittelkonsum verbreitet waren (z. B. durch kontaminiertes Wasser und verunreinigte Lebensmittel), sind Lebensmittel, wenn nach den gängigen hygienischen Standards produziert, heute weitgehend sicher. Beeinträchtigungen der menschlichen Gesundheit werden eher auf der Seite chronisch ernährungsbedingter Erkrankungen wie z. B. Fettleibigkeit erfasst.
Für die Zukunft der Ernährung der Menschheit ist Wissen über die Grundlagen einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion unter Schonung der begrenzten Ressourcen zentral. Eine Menschheit, die hier nicht schonend und zurückhaltend vorgeht, wird die natürlichen Ressourcen durch Ausbeutung unwiederbringlich zerstören. Während die Konsequenzen des anthropogenen Einflusses zu Zeiten, in denen einige 10.000 Individuen über die Erde zogen, vernachlässigbar waren, sind die Konsequenzen menschlichen Handelns schon jetzt und in Zukunft schicksalsentscheidend. Ernsthafte Umsetzung der Konzepte zur Umverteilung bis hin zur Einschränkung und Mäßigung wird in entwickelten Gesellschaften von bestimmendem Einfluss werden, soll die Entwicklung nicht in globalen Konflikten münden. Eine weitere Steigerung landwirtschaftlicher Produktion und die effiziente Nutzung der Produkte ist unvermeidlich, solange der Anspruch besteht, eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Ohne die zielgerichtete Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und technologischer Möglichkeiten, nach sorgfältiger Prüfung der assoziierten Wirkungen, scheint diese Aufgabe in jedem Fall unlösbar.