Werden Roboter unsere Tierkumpane ersetzen?

// KURT KOTRSCHAL

Der Hunderoboter Aibo (Sony) war ein interessanter technischer Gag, eine Konkurrenz für den echten Hund war er nie. Dies kann natürlich in Zukunft anders werden. Allerdings sind angesichts der universellen Bedürfnisse von Menschen Zweifel daran angebracht, ob Roboter jemals etwas anderes sein werden als spartenspezifische Assistenten. Jedenfalls geht die Heimtierhaltung gerade in den Städten dieser Welt nicht zurück, ganz im Gegenteil. Was die Vermutung nährt, dass mit der zunehmenden Digitalisierung und Technisierung unseres Lebens der Flocki aus Fleisch und Blut immer unentbehrlicher werden wird.

Hunde sind seit 35.000 Jahren die engsten Kumpantiere der Menschen. Interessanterweise sinkt mit Globalisierung und Urbanisierung die Hundehaltung nicht, wie man eigentlich für moderne, immer naturfernere Menschen eigentlich erwarten könnte. Weltweit nimmt aber mit der zunehmenden Verstädterung die Hunde- und Katzenhaltung zu. Dies kann als deutlicher Hinweis darauf gelesen werden, dass Menschen nicht nur mit evolutionär angelegten Vorstellungen zur Welt kommen, dass sie in bestimmter Weise sozial leben wollen. Dazu zählt übrigens auch die Beziehung zu anderen Tieren, was bedeutet, dass Tiere nicht einfach als „Ersatzpartner“ für sozial unbegabte Menschen sind. Im Gegenteil, gute Beziehungen zu anderen Tieren ergänzen und unterstützen die guten Beziehungen zu anderen Menschen; und Kinder, die mit Tieren aufwachsen, zeigen als Erwachsene hohe soziale Kompetenz. Dabei kommt es offenbar darauf an, die Tierkumpane als vollwertige soziale Partner mit eigner Persönlichkeit und eigenen Interessen zu akzeptieren, auf welche die Menschenpartner eingehen müssen.

Letztlich scheint es um das vollwertige „Du“ im Kumpantier zu gehen. Dies belegen indirekt auch die nur mäßig erfolgreichen Versuche, Menschen für Roboter als deren Substitute zu interessieren. Als etwa 1999 Sony den Roboterhund Aibo auf den Markt brachte, mit viel hundeähnlichem Verhalten samt Lernfähigkeit, verkauften sich davon trotz des stolzen Preises von 2.000 US-Dollar etwa 150.000 Stück; Aibo schien das „Hundstrümmerlproblem“ elegant zu umgehen und fraß bloß Strom. Manche Aibo-Menschen entwickelten tatsächlich bemerkenswerte Beziehungen zu diesen Roboterhunden. Aber die Liebe war nicht nachhaltig. Bereits 2015 stellte Sony das Reparaturservice ein, der Roboterhund blieb eine (kleine) Blase. Tatsächlich blieb Aibo als Hundeersatz immer eine Randnotiz, er bediente manche Menschen mit speziellen mentalen Zuständen recht gut, aber den durchschnittlichen Hundehalter entlockte er bestenfalls ein mildes Lächeln.

Man wird mit der Vermutung ziemlich richtig liegen, dass Menschen die Beziehung zu ihren Hunden – wie zu anderen Menschen auch – v. a. emotional betrachten; der Verstand ist in Beziehungen immer wichtig, darf aber nicht dominieren, denn er ist in seiner Reinform der Killer guter sozialer Beziehung, gleich ob zu Hund oder Mensch. Bislang ist also der Versuch gescheitert, echte Hunde durch Roboter zu ersetzen. Mehr noch: Verhaltensbiologen wie etwa Adam Miklosi von der Eötvös-Universität in Budapest nutzten die Mensch-Hund-Beziehung als Modell für die Entwicklung jener Algorithmen, die den sozialen Robotern Leben im buchstäblichen Sinn einhauchen sollen. Diese Roboter gewinnen etwa aufgrund der begrenzten Mittel für menschliche Pflegekräfte in der Altenpflege oder in manchen Bereichen der Rehabilitation zunehmend an Bedeutung. Die Herausforderung ist und war dabei die Akzeptanz dieser Roboter durch jene Menschen, die mit ihnen umgehen, von ihnen profitieren sollen. Eine noch wichtigere Rolle spielt die Einstellung der Menschen, also jene mentalen Repräsentation, die sie über Roboter oder echte Tiere haben. So ist zu erklären, warum in Japan die Akzeptanz von Aibo oder der sozialen Roboter größer ist als etwa in Europa.

„Biophilie“ im Sinne von Edward Wilson, das instinktive Interesse an Natur und Tieren, gilt heute als menschliche Universalie, also letztlich als mentales evolutionäres Erbe der Menschheit. Dem steht jene Naturentfremdung entgegen, die nicht erst mit Verstädterung, Technisierung und Digitalisierung ihren Anfang nahm. Die „Vergeistigung“, und damit die „Emanzipation“ von unserer Herkunft aus Tieren und Natur, steht letztlich im Zentrum der Entwicklung der abendländischen Geisteskultur seit mehr als 2.000 Jahren. In dieser Geistestradition steht, Menschen und Kumpantiere durch soziale Roboter ersetzen zu wollen. Dies kollidiert aber mit den grundlegenden Bedürfnissen des Menschen, Bindungspartnern Zuwendung zu geben und von ihnen zu empfangen. Diese Bedürfnisse wurden auch in der seit nunmehr 35.000 Jahren währenden Begleitung durch Hunde geprägt. Leben mit Tierkumpanen entspringt letztlich unserem menschlichen Grundbedürfnis nach ökologischer und sozialer Verwurzelung. Das wird auch in den kommenden zehntausenden von Jahren die Menschheitsentwicklung nicht grundlegend anders werden, so eine leidlich zivilisierte Menschheit überhaupt noch so lange bestehen wird. Sicherlich werden Roboter als Assistenten und mechanisierte Dienstleister immer wichtiger werden. Dennoch bleiben die gegenwärtigen Empowerment-Phantasien für Roboter interessante Denkmodelle; unwahrscheinlich aber, dass sie jemals Wirklichkeit werden.