Evakuierung und Wiederherstellung allein hätten jedoch vermutlich nicht ausgereicht, um jenen Produktionszuwachs zu erzielen, der den deutschen Angreifern zunehmend zu schaffen machte. Hinzu kam der Versuch, alle annähernd geeigneten Fertigungsanlagen für militärische Zwecke umzurüsten. Zum Teil konnten diese Bemühungen an die Konstruktionspläne anknüpfen, die einen solchen Fall bereits vorgesehen hatten, zum Teil auch nur an entsprechende Überlegungen aus den letzten beiden Vorkriegsjahren. Der deutsche Überfall verlieh beiden über Nacht eine unerwartete Dringlichkeit. Im Ganzen verlief auch diese Konversion erfolgreicher, als es die beklemmende Lage und die geringe industrietechnische Erfahrung der Sowjetunion hätten erwarten lassen. Statt Kinderfahrrädern stellte ein Unternehmen Flammenwerfer her; Teelöffel und Büroklammern wichen der Produktion von Schanzwerkzeugen und Teilen von Panzerabwehrgranaten; Schreibmaschinen wurden zugunsten automatischer Gewehre und entsprechender Munition abgesetzt. Natürlich stießen solche Veränderungen an unüberschreitbare technische Grenzen. Vor allem Großgeräte, von Panzern bis zu Flugzeugen, konnten nicht einfach mit Maschinen produziert werden, die eigentlich anderen Zwecken dienten. Aber auch diese Schwierigkeit vermochte die Sowjetunion zu überwinden: Ihr kam zugute, dass entsprechende Prototypen bereits während der massiven Aufrüstung in den Vorkriegsjahren entwickelt worden waren und seit 1941 in Serie hergestellt wurden. Die zur Zeit des deutschen Überfalls geringe Stückzahl konnte nach der Abwehr der Vorstöße auf Moskau und den Kaukasus merklich erhöht werden. Spätestens bis zum Frühsommer 1943 trugen diese Anstrengungen so reichliche Früchte, dass die deutsche Führung sie sehr ernst nahm und die große Schlacht von Kursk mehrfach verschob, um die sowjetischen T-34- und KV-Panzer mit gleichwertigen, wenn nicht überlegenen Waffen überrollen zu können. Dass dies nicht gelang, verwies auch auf einen entscheidenden rüstungstechnischen Kraftgewinn der Verteidiger. Wenn Stalin in der traditionellen Rede zum Revolutionsjubiläum am 6. November 1943 rückblickend vom «Jahr des grundlegenden Umschwungs» sprach, konnte er seine Siegeszuversicht nicht zuletzt ökonomisch begründen.[7]

Aus den meisten Indizes geht hervor, dass der Tiefpunkt in das Jahr 1942 fiel. Danach war eine merkliche Besserung zu verzeichnen, die sich 1944 fortsetzte und gegen Kriegsende in einigen Bereichen fast wieder auf das Niveau der letzten Friedensjahre führte. Eine Ausnahme machte lediglich die Rüstungsproduktion, die kontinuierlich anstieg und bereits bis 1943 um mehr als 80 % wuchs. Analoge Entwicklungskurven waren in der sonstigen Industrie zu verzeichnen. Auch hier ging der Ausstoß im ersten Kriegsjahr dramatisch zurück, um 1943 deutliche Anzeichen der Erholung zu zeigen. Ein ungewöhnliches, wenn auch anfangs verhaltenes Wachstum ließen Maschinenbau und Metallverarbeitung erkennen, die sicher überwiegend für die Rüstung tätig waren.[8]

Solche Ergebnisse konnten nicht an den alten Industriestandorten erzielt werden. Vielmehr gingen sie überwiegend auf die skizzierte Evakuierung und den parallelen Ausbau der neuen Kohle- und Stahlreviere aus der Vorkriegszeit zurück. Auch dieser Transfer kommt in den statistischen Daten (obgleich der Produktionsrückgang im Westen den relativen Anteil der Produktion im Osten eo ipso ansteigen ließ) deutlich zum Ausdruck: