Jahr |
N (in Tsd.) |
Index |
in % zur Gesamtbevölkerung |
1922 |
700 |
||
1940 |
1837 |
100 |
0,95 |
1950 |
1831 |
97 |
1,02 |
1960 |
1245 |
68 |
0,58 |
1970 |
1838 |
100,5 |
0,76 |
1980 |
2495 (2233)* |
136 (122)* |
0,94 (0,84)* |
1990 |
1637 |
89 |
0,57 |
* abweichende Angaben in: Narodnoe chozjajstvo 1990, 101
Quellen: Narodnoe chozjajstvo 1922–1972, 347; Narodnoe chozjajstvo 1922–1982, 400; Narodnoe chozjajstvo 1990, 101
Ob das Verwaltungspersonal in den verschiedenen staatlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Organisationen klar von den genannten Gruppen zu unterscheiden war, darf bezweifelt werden. Vor allem die Berührungspunkte zwischen technischer Intelligenz und Wirtschaftsmanagement waren zahlreich. Allerdings galt dies nur für die oberen Positionen. Die einfachen ‹Verwalter› blieben auf ihre Tätigkeit beschränkt. Sie rechtfertigen somit das statistische Verfahren, diese Gruppe separat aufzuführen. Die Angaben in den Tabellen 59 und A–6 lassen mehrere charakteristische Entwicklungen erkennen. Zum einen zeigen sie im Vergleich zwischen dem letzten Vorkriegsstand und dem Ende der Brežnev-Ära keine aufsteigende Kurve, sondern eine Wellenbewegung. Die Zahl der einschlägig Tätigen war 1940 mit 1,8 Mio. und einem Anteil an der Gesamtbevölkerung (soweit diese annähernd korrekt ermittelt wurde) von 0,95 % recht hoch. Obwohl die Parteimitgliedschaft nachweislich wuchs und eine absolute Beschneidung des Staatsapparates nicht zu erkennen ist, gelang es Chruščev im Zuge seiner ‹antibürokratischen› Politik, die hauptamtlichen Kader zu verringern. Um die Mitte seiner Regentschaft (1960) waren nur noch 1,2 Mio., entsprechend 0,58 % der Bevölkerung und einem Index von 68 (1940 = 100) geblieben. Zum hauptsächlichen Umsturzmotiv und Signum der neuen Politik passte es, dass die Apparate danach auch numerisch wieder an Stärke gewannen. Mit 1,8 Mio. war 1970 der Bestand von 1940 – allerdings bei einem geringeren Anteil an der größeren Gesamtbevölkerung – wieder erreicht; 1980 wies der Index mindestens 122 (2,2 Mio.) aus. Anders als die anderen Schlüsselgruppen der entstehenden ‹sozialistischen Dienstleistungsgesellschaft› schrumpfte das Verwaltungspersonal danach wieder. Da sich dieser Vorgang vor allem nach 1986 vollzog, liegt eine Verbindung mit der Politik Gorbačevs nahe. Die Perestrojka brauchte keine administrative Routine, sondern Kreativität. Beinahe antizyklisch bewegte sich die Entlohnung der Administratoren. Von einem Höchststand von 120 im Jahre 1940 (Industriearbeiter abermals = 100) fiel sie auch unter Brežnev kontinuierlich auf 84.1980, um bis 1990 wieder auf 114 zu steigen.
Freilich darf man die genannten Funktionskategorien nicht mit der Elite im engeren Sinne verwechseln. Letztere bestand jeweils nur aus den höchsten Repräsentanten mit einem deutlichen Übergewicht von Partei und Staat. Den sozialen Kriterien müssen politisch-administrative hinzugefügt werden. Dabei zeigt sich, dass die monetäre Prämierung eng mit der Teilhabe an Macht im weiteren Sinne der Verfügung über bedeutsame Ressourcen verbunden war. Insofern kommen die beiden wichtigsten Bestimmungsmerkmale in der materiellen Entlohnung, die allerdings nicht nur als geldliche verstanden werden darf, nahe zusammen.
Nach Maßgabe solcher Überlegungen führt die solideste Untersuchung zu einer Gesamtzahl von ca. 227.000 Funktionsinhabern, die in den siebziger Jahren ein Einkommen von mehr als 400 Rubel pro Monat bezogen und als Oberschicht gelten konnten. Ein gutes Drittel davon (36 %) bekleidete hohe Parteiämter, ein Viertel (26 %) analoge Positionen in Regierung und Staatsverwaltung, je 18 % hatte leitende Ämter in der Wirtschaft sowie in Wissenschaft und Kultur inne, 13 % gehörten zu den Spitzen der Armee, Polizei und der diplomatischen Vertretungen. Zu einem erheblichen Teil war diese dünne Elite (ca. 0,09 % der Bevölkerung) mit der sowjetischen, d.h. gesamtstaatlichen nomenklatura identisch. Auf diese Weise sogar förmlich «registriert», genoss sie in einem Staat, der die soziale Gleichheit hoch oben auf seine Fahnen schrieb, paradoxerweise von Anfang an eine Vielzahl von Privilegien. Ob höhere Gehälter, bessere Wohnungen, reichlichere Versorgung mit Lebensmitteln, eigene Kliniken, leichterer Zugang zu höheren Bildungsanstalten oder Auslandsreisen – die hauptsächlichen Instrumente ihrer Bevorzugung wurden schon unter Lenin erdacht und genutzt. Allerdings blieb es Stalin vorbehalten, sie als Unterstützung seines wirtschaftlichen Aufbauprogramms in besonderem Maße zu entwickeln. So wie die Lohndifferenzierung weiter vorangetrieben wurde als zuvor, unterstrich man auch die Exklusivität der engsten Elite. Umgekehrt lag es in der Konsequenz der Chruščevschen Politik, den hierarchisch-autoritären Grundzug der stalinistischen Ordnung auch in dieser Hinsicht zu korrigieren. Exzessive Privilegien wichen einer Tendenz zur Egalisierung. Dabei verfuhr sie aber genauso ‹oberflächlich› (im Wortsinne) wie in den meisten anderen Bereichen des staatlich-gesellschaftlichen Lebens. So brauchten Brežnev und Kosygin das Steuer gar nicht allzu heftig in die Gegenrichtung zu drehen, um ihren anderen Vorstellungen vom Umgang mit der Elite Geltung zu verschaffen.[31]
Im Endeffekt zeichnete sich der «entwickelte Sozialismus» der späten sechziger und der siebziger Jahre durch eine gezielte, aber nicht forcierte Rückkehr zu deutlicherer materieller Differenzierung und sozialer Schichtung bis hin zur offenkundigen Privilegierung aus. Die Stärkung von Leistungsanreizen im Zuge der Wirtschaftsreform nach 1965 wirkte dabei mit der generellen Förderung der Apparate zusammen. Auch die beschriebene Annäherung der Einkommen von Arbeitern und Bauern sowie die unzweifelhafte Nivellierung der industriellen Lohnskala verminderten ihren kumulativen Effekt nicht ernsthaft, da sie gleichsam unterhalb der begünstigten Schicht stattfanden. Die Elite entfernte sich immer weiter vom Rest der Gesellschaft, die nomenklatura wurde endgültig zu einem sozialen Begriff. Eine Zweiklassenordnung entstand, deren Scheidelinie der Zugang zu Privilegien bildete. Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass Letztere in dem Maße zunahmen, wie der allgemeine Mangel um sich griff. Zum Privileg wurde alles, was trotz der üblichen ‹Defizite› erreichbar war. Dazu zählte der Einkauf in bevorzugten Geschäften – bei weitem nicht nur in den bekannten Devisenläden – ebenso wie großzügige Apartments in bester Lage oder der Besuch in staats- bzw. verbandseigenen Klubs und der Urlaub in gleichfalls organisationseigenen ‹Datschen›. Sozial bedeutsamer war freilich die Bevorzugung des nomenklatura-Nachwuchses auf den Hochschulen und bei der weiteren beruflichen Karriere mit einer auffälligen Neigung zu Berufen, die Auslandskontakte mit sich brachten. Die Elite rekrutierte sich immer offener aus sich selbst. Sie konnte dies in vieler Hinsicht gründlicher tun als je zuvor, da ihr weder die populistische Politik eines Chruščev noch die terroristische Säuberung eines Stalin entgegenwirkte. Ohne Mobilitätsschübe friedlicher oder gewaltsamer Art fürchten zu müssen, richtete sie sich in ihrem bevorzugten Dasein ein. Spätestens in den siebziger Jahren war diese Tendenz so offensichtlich, dass – neben der populären Rede von der herrschenden ‹Kaste› – der Begriff des Ständischen zu ihrer Kennzeichnung bemüht wurde. Sicher trifft der Vergleich im strengen Sinne daneben, da sowohl der traditionale Charakter als auch – je nach Definition – das Moment der ‹Schätzung› beiseite gelassen werden müssen. Was im Kern gemeint ist, erscheint jedoch plausibel: die zunehmende Dichotomisierung der Gesellschaft in Privilegierte und Herrschende auf der einen Seite und Untergebene ohne Zugang zu knappen Ressourcen auf der anderen, verbunden mit einer ausgeprägten Neigung der Ersteren zur sozialen Abschließung.[32]
Dabei war weniger die Privilegierung selber charakteristisch und anstößig, da es in jeder Gesellschaft ungleiche Verfügung über Güter und Chancen gibt. Auch die Art der Privilegien enthielt im internationalen Vergleich nichts Ungewöhnliches, sondern gab, weil (im Ausland) Selbstverständliches zum Luxus wurde, oft eher Anlass zu mitleidigem Lächeln. Als typisch, weil systembedingt, kann dagegen zum einen die Grundlage der Privilegierung gelten: Nicht Geld, wie überwiegend in marktwirtschaftlichen Ordnungen, gewährte Zugang zu Knappem, sondern die Ausübung bestimmter Funktionen. Zum anderen sprang der Widerspruch zum offiziellen Egalitarismus ins Auge. Sicher lag darin eine besondere Provokation sowjetischer Privilegien, dass eigentlich nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Jeder Devisenladen strafte die sozialistische Ideologie Lügen, jeder mäßig begabte Funktionärssohn in hoher Funktion widerlegte das Parteistatut. Vor allem deshalb vertragen sich die beiden Befunde, die der bloße Augenschein zutage fördert, durchaus: dass die materiellen (nicht die politischen) Vorrechte der sowjetischen Elite im Vergleich zu analogen Schichten aller führenden westlichen Länder höchst bescheiden waren, sie aber zugleich viel heftigerer Kritik unterlagen, weil sie an den eigenen Maßstäben gemessen nicht nur unstatthaft, sondern nachgerade unmoralisch waren.[33]
Die Gesamtschau vermittelt den Eindruck, als hätten Kultur und öffentlich-gesellschaftliches Leben zu den besonders disponiblen Bereichen der sozialistischen Wirklichkeit gehört. Mehr als einmal schritten sie im politischen Wandel voran, mehr als einmal wurde der jeweilige Kurswechsel hier besonders schnell und konsequent vollzogen. In mancher Hinsicht dienten Bildung, Wissenschaft, Kunst, Recht und die breite Palette sonstiger wertbestimmter soziokultureller Aktivitäten, Regelungen und Einrichtungen als Erprobungs- und Demonstrationsfelder. Teils ließen sich Veränderungen (zumindest oberflächlich) leichter und schneller durchsetzen, teils verlieh man ihnen besonderen Nachdruck, weil der geistig-ideologischen Orientierung eine wegweisende Funktion zugeschrieben wurde. Dies war in der neuen Ära des «reifen Sozialismus» nicht anders. So wie die Entstalinisierung mit dem «Tauwetter» begann, machte sich auch die konservative Wende nach Chruščevs Absetzung im Bereich von Kultur und Wissenschaft besonders rasch bemerkbar. Wer Ross und Reiter kannte, wusste, dass die relative Geistesfreiheit beendet war und kein weiteres Werk aus Solženicyns Feder mehr legal den Leser erreichen würde. Ein neuer Geist oder besser: Ungeist zog in das kulturelle Leben ein. Ihn als konservativ zu kennzeichnen trifft sicher zu, erfasst aber eher seine Erscheinung als sein Wesen. Oft war unklar, was als rückwärts- und was als vorwärtsgewandt gelten konnte. Vielfach verbanden sich, wie im Bildungssektor, beide Züge zu einer unauflösbaren Einheit. Gemeinsam war allen Feldern und Bereichen der Kultur allerdings eines: das Schicksal strengerer Aufsicht. Kontrolle, Zensur und Maßregelung, ohnehin nur partiell gelockert, wurden wieder zur ausnahmslosen Regel.
Damit provozierten Partei und Staat auch den Widerstand vieler, die unter Chruščev den Geschmack geistiger Freiheit schätzen gelernt hatten. Oktroi und Dissens waren Zwillinge. Außenpolitische Konzessionen zur Sicherung der «friedlichen Koexistenz» und des atomaren Patts taten ein Übriges. Unter Brežnev fiel die Kultur nicht nur wieder in die alte Hörigkeit zurück, sie wurde auch zur Wiege des geistigen und politischen Widerstandes. Hinzu kamen als weitere Barriere gegen völlige Unterwerfung die Erfordernisse der fortschreitenden Industrialisierung vor dem Hintergrund des demographischen Wandels. Die Schul- oder Rechts-, zum Teil auch die Familienpolitik orientierten sich in gleichem Maße an diesen Imperativen. So bewegten sich die einschlägigen Regelungen wesentlich im Dreieck zwischen ideologischer Kontrolle, den Zwängen der weiteren sozioökonomischen Modernisierung und dem extern gestützten, aber intern verursachten Widerstand.
Das Bildungswesen Gerade mit Blick auf Schulen und Hochschulen erscheint die Brežnev-Ära zweigeteilt. Der politischen Gesamtabsicht entsprechend, stand auch hier das Bemühen am Anfang, die ‹Fehler› der unmittelbaren Vergangenheit zu korrigieren. Was danach kam, besaß aber eigene Züge: eine neuerliche Kehrtwende, die Kernanliegen des abgesetzten Vorgängers wiederaufnahm. Auch wenn die Motive dieser Rückkehr andere waren als bei den originären Maßnahmen, sind die Ähnlichkeiten nicht zu übersehen. Insofern ließ die Bildungspolitik einen ungewöhnlichen Dreischritt erkennen: Der Rückgriff Chruščevs auf Konzepte der frühen zwanziger Jahre mündete in eine Restauration, die ihrerseits nach einer guten Dekade wieder von einer Reform in seinem Sinne abgelöst wurde.[1]
Dabei begann die Revision der Maßnahmen vom November 1958 noch unter Chruščev. Die Rückkehr zur «Arbeitsschule» der zwanziger Jahre empörte nicht nur die bürokratisch-akademische Elite des Landes, weil sie deren Kinder zu ‹schmutziger› Handarbeit verurteilte. Darüber hinaus entsprach sie auch den Wünschen der Wirtschaft bestenfalls teilweise. Nur zu bald stellte sich heraus, dass die praktischen Kenntnisse trotz der Aufwertung, die ihnen das wiederbelebte Ideal der Verbindung von geistigen und manuellen Fähigkeiten bescherte, höchst unzulänglich blieben. So setzte sich der Eindruck einer «nutzlosen Zeitverschwendung» fest, wie kein Geringerer als der Bildungsminister der RSFSR formulierte. Der polytechnische Unterricht beförderte die Berufsvorbereitung kaum, stahl aber der Vermittlung theoretischen Wissens kostbare Unterrichtsstunden. Ein Dekret des Ministerrats vom 13. August 1964 zog daraus die Konsequenz, die Schulzeit wieder von elf auf zehn Jahre zu verkürzen.
Damit war der Weg gewiesen, der unter der neuen Herrschaft ohne Rücksichtnahme auf die Worte von gestern beschritten werden konnte. Zahlreiche Bedenken, nicht zuletzt aus der Akademie der Wissenschaften, führten schon im Oktober 1964 zur Einsetzung einer zentralen Kommission mit der Aufgabe, die Stundentafeln der «allgemeinbildenden Mittelschule» zu überprüfen. In einer einmaligen Kooperation von Theoretikern und Praktikern kamen fünfzehn Fachkommissionen zu der Empfehlung, die unmittelbare Berufsvorbereitung aus dem Lehrprogramm zu entfernen und durch zwei wöchentliche Unterrichtsstunden im Fach «Arbeit» zu ersetzen. Ihre Tätigkeit mündete am 10. November 1966 in ein Reglement, das die voruniversitäre Bildung abermals in eine andere Richtung lenkte. Zwar sollte die Mittelschule nach wie vor «allgemeinbildend» und «polytechnisch» sein. Aber die praktische Anschauung durfte die Vermittlung theoretischen Wissens nicht länger beeinträchtigen; im Gegenteil, die offene Klage der Gesetzespräambel über das «Missverhältnis» zwischen Lehrplänen und aktuellem Kenntnisstand verwies auf den Vorrang der Anhebung des Letzteren. Auch die kurz zuvor, im August, erfolgte Gründung eines Unionsministeriums für Bildung war in diesem Sinne zu verstehen. Als die Änderungen vom 24. Parteitag bestätigt wurden und zwei Jahre später ein umfassendes neues Statut in Kraft trat, war die Gegenreform abgeschlossen. Der «entwickelte Sozialismus» schien die ihm angemessene Struktur des Bildungswesen gefunden zu haben.
Allerdings markierte dieses ‹Grundgesetz› vom 17. Juli 1973 zugleich bereits einen abermaligen Wendepunkt. Ende Dezember 1977 verabschiedeten ZK und Ministerrat eine Verordnung, die der Mittelschule – in den Worten des Unions-Bildungsministers – erneut nahelegte, sich «entschieden» um die «Vorbereitung der Jugend auf eine Arbeit im Bereich der materiellen Produktion» zu kümmern. Damit schlug das Pendel wieder in die entgegengesetzte, alte Richtung aus. Als Ursachen darf man vor allem zwei Entwicklungen unterstellen. Zum einen war das vom 23. und 24. Parteitag (1966, 1971) verkündete Hauptziel der siebziger Jahre, die Aufstockung der achtjährigen Pflichtschulzeit auf zehn Jahre, trotz mancher Rückschläge erreicht worden. Wenn man die berufsbildenden Spezialschulen sowie die Abend- und sonstigen «Kurse» hinzurechnet, schlossen 1976 immerhin 91,2 % aller Erstklässler (unter Einschluss sogar der mittelasiatischen Republiken, wo der entsprechende Anteil nur wenig über 80 % lag) die «vollständige», zehnjährige Mittelschule ab. Zum anderen machte sich der demographische Wandel bemerkbar. Je knapper die Arbeitskräfte wurden und je weniger es der Industrie aufgrund ihres technologischen Rückstands gelang, den Mangel zu kompensieren, desto nötiger wurde eine Abstimmung zwischen Schule und Unternehmen. In dieser Sicht erscheint das Gesetz vom Dezember 1977 als Vorzeichen jenes Neuanfangs, der die Sowjetunion nach dem Ende der Brežnev-Ära zu rettenden Ufern führen sollte. Was es auf den Weg brachte, lässt sich als erneute Priorität ökonomischer Kriterien beschreiben. Fast drei Viertel (74 %) der allgemeinbildenden Mittelschulen vermittelten 1978 manuelle Fertigkeiten gleich welcher Art. Immer noch hielt man dabei an der Doppelaufgabe der frühen Jahre fest: Vor allem die «Mittelschule» sollte als Massenschule auf praktische Berufe vorbereiten und allgemeines Wissen lehren. Allerdings war auch dieser Renaissance der Praxisorientierung kein Erfolg beschieden. Zur Halbzeit der Gorbačevschen Regentschaft hatte sich herausgestellt, dass die Schule damit nach wie vor überfordert war. Die technischen Spezialkenntnisse blieben zu gering, um wirklich zur Berufsqualifikation taugen zu können. So führte die Doppelaufgabe letztlich zum schlechtesten der denkbaren Ergebnisse: Die Schule löste weder die eine noch die andere.[2]