3. KAPITEL

Conner schaute auf, als Flora mit gesenktem Blick sein Zimmer betrat. In der Hand hielt sie mehrere Papiere, die sie ihm offenbar geben wollte.

Die Tatsache, dass sie ihm nicht in die Augen sah, amüsierte ihn. Als Teenager war sie unglaublich schüchtern gewesen. Er erinnerte sich daran, wie sie auf dem Sportplatz abseits von den anderen gesessen und sich in ein Buch vertieft hatte. Und sie hatte kaum mit ihren Klassenkameraden gesprochen. Aber heute Morgen in der Praxis war sie überraschend selbstbewusst aufgetreten.

Er lächelte ironisch. „Das Lamm begibt sich freiwillig in die Höhle des Löwen“, meinte er, während er belustigt registrierte, wie sich ihre Wangen röteten. „Ich hätte nie gedacht, dass du solch ein Risiko eingehst. Fürchtest du nicht, ich könnte etwas Schlimmes mit dir anstellen?“

„Das ist albern.“ Energisch rückte sie ihre Brille gerade. „Logan bat mich, dir diese Papiere zu bringen.“

Du irrst dich, Flora, Logan wollte uns Gelegenheit geben, uns mal unter vier Augen zu unterhalten, dachte Conner.

Er hörte, wie sie tief Luft holte – so, als ob sie sich Mut machen müsste. Sie räusperte sich. „Nun, wie ist es mit den ersten Patienten gelaufen? Irgendwelche Probleme?“

„Keine Probleme. Die meisten wollen sowieso nicht mit mir reden. Das bewahrt mich davor, mir all diese langweiligen Geschichten über ihre Wehwehchen anzuhören.“ Er ließ seinen Blick über ihre volle Unterlippe und den Schwung ihrer Wangen gleiten. Sie ist hübsch, dachte er. Auch ihre Figur war makellos. Was sprach eigentlich dagegen, ein wenig mit ihr anzubändeln?

„Es ist recht interessant, die Mädchen – heute alles Ehefrauen – wiederzusehen, mit denen ich … mit denen ich aufgewachsen bin“, begann er.

Wie er erwartet hatte, lief ihr Gesicht rot an. Was ihn jedoch verwunderte, war der mitfühlende Ausdruck in ihren Augen. „Die Patienten weigern sich, mit dir zu reden? Das ist ja schlimm.“

„Nicht so sehr. Dann habe ich Zeit, im Internet zu surfen.“

„Das sagst du nur so – aber in Wirklichkeit triffst es dich.“

„Nicht im Geringsten!“

Störrisch schüttelte sie den Kopf. „Du musst mir nichts vormachen. Ich bin sicher, es ärgert dich.“

„Dichte mir keine Eigenschaften an, die ich nicht habe. Um verärgert zu sein, hätte ich Erwartungen an das Verhalten der Inselbewohner haben müssen. Das ist aber in keiner Weise der Fall.“

„Du musst die Sache auch mal aus ihrer Sicht sehen. Du hast ihnen immerhin einiges zugemutet. Die Leute sind nur etwas schockiert, aber das wird vorbeigehen. Und Logan hat keinem Menschen gegenüber angedeutet, dass du wieder herkommst, es hat sie also kalt erwischt.“

„Er kennt eben Glenmore und weiß, was Vertraulichkeit hier wert ist.“

Plötzlich lächelte sie, womit er nicht gerechnet hatte. „Ja, die Leute hier reden gern und viel. Alles dauert deswegen etwas länger. Es fällt sogar mir schwer, mich daran zu gewöhnen.“ Ihr Gesicht wurde wieder ernst. „Logan hat mir gesagt, wo du deine medizinische Ausbildung gemacht hast. Ich finde das wahnsinnig interessant.“

Conner schwieg und sah auf seine Hände hinunter. Die Wendung des Gesprächs schien ihm nicht zu gefallen.

„Ich versuche gerade, mich bei dir zu entschuldigen“, meinte Flora. „Es tut mir leid, wenn ich unhöflich zu dir war. Es war nur, weil …“ Sie zuckte mit den Achseln. „Nun, jedenfalls möchte ich mich entschuldigen.“

„Man soll sich nie entschuldigen.“

„Wenn ich unrecht habe, dann entschuldige ich mich“, sagte sie. „Du nicht?“

„Ich weiß es nicht, ich habe es noch nie getan.“ Er grinste sie an. „Ich hatte wohl noch nie unrecht.“

Sie warf ihm einen missbilligenden Blick zu und trat einen Schritt zurück. „Es tut mir leid, dass ich gedacht habe, du bist für den Job nicht qualifiziert und deine Ankunft nur Ärger bewirken würde.“

„Der Ärger fängt ja schon an“, meinte Conner wegwerfend.

„Aber das muss dich doch verletzen, oder nicht?“

„Nein. Solange ich mein Honorar bekomme, ist es mir egal, ob die Patienten zu mir wollen oder nicht. Das ist Logans Risiko.“

Seine Antwort schien ihr nicht zu gefallen, denn sie runzelte die Stirn. „Ich kann es einfach nicht glauben, dass die Situation dich dermaßen kaltlässt.“

„Das liegt daran, dass du eine Frau bist und dich von Gefühlen leiten lässt.“ Er breitete theatralisch die Arme aus. „Sehe ich etwa so aus, als ob ich zu Sentimentalitäten neige?“

Ihre Augen wanderten von seinen breiten Schultern zu seinem Gesicht mit den markanten Wangenknochen. „Nein.“ Ihre Stimme klang heiser. „Ganz und gar nicht.“

Als sie ihm direkt in die Augen schaute, fühlte Conner, wie sein Körper auf sie reagierte.

Sich von einer Frau erotisch angezogen zu fühlen, für die Sex ein Fremdwort zu sein schien, war eine neue Erfahrung für ihn. Er schaute auf ihre ungeschminkten Lippen, die voll und weich waren. In einem plötzlichen Impuls wäre er beinahe aufgesprungen und hätte sie geküsst.

„Also, wenn alles für dich in Ordnung ist …“ Sie schien ziemlich durcheinander.

Normalerweise machte es ihm nichts aus, eine junge Frau zu verunsichern, aber bei Flora schien ihm das nicht ganz fair. Sie war zwar kein Teenager mehr, aber offensichtlich fehlte ihr jede Erfahrung im Umgang mit Männern.

Er lächelte beruhigend. „Ich bin okay“, sagte er. „Ich danke dir, dass du nachgefragt hast, wie es mir geht.“

„Nun … ich habe dich lange genug aufgehalten“, erwiderte Flora. Sie warf einen Blick auf seine schwarzen Lederhosen. „Äh … vielleicht wäre es wegen der Leute besser, wenn du was anderes anziehst.“

„Wozu sollte das gut sein?“

„Weil die Patienten erwarten, dass ein Doktor seriös aussieht.“

„Flora.“ Er gab sich Mühe, seine Stimme nicht sarkastisch klingen zu lassen. „Ob ich die Motorradkluft, ein Theaterkostüm oder einen weißen Kittel trage – die Leute hier würden sowieso nicht glauben, dass Conner MacNeil tatsächlich Arzt ist. Selbst du hattest ja damit Probleme.“

„Aber jetzt nicht mehr. Ich frage mich doch nur, warum du die Vorurteile der Leute bestätigen willst.“ Sie errötete. „Immer stößt du alle vor den Kopf!“

„Ja, so scheint es.“ Conner musterte sie nachdenklich. „So wie du immer darauf aus bist, ja nicht bei anderen anzuecken. Du siehst, wir sind uns sehr ähnlich – wir legen beide Wert darauf, die Erwartungen der Leute zu erfüllen.“

Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Was ist denn falsch daran, wenn man sich Mühe gibt, von der Gemeinschaft, in der man lebt, akzeptiert zu werden?“

„Nichts. Aber es ist genauso wenig falsch, wenn man darauf keinen gesteigerten Wert legt“, entgegnete er leichthin. „Bist du wirklich der Meinung, meine Kleidung würde meine Qualifikation als Arzt beeinträchtigen?“

„Nein, natürlich nicht. Ich meine nur, du siehst aus …“

„Wie sehe ich aus?“

„Irgendwie gefährlich“, flüsterte sie. „Ich würde dir nicht gern im Dunkeln begegnen.“

Er lachte. „Dann müssen wir aufpassen, dass wir immer das Licht anlassen, mein Engel.“

Er war einfach unmöglich. Wie sollte sie je mit ihm zusammenarbeiten können?

Das Gespräch mit Conner hatte Flora verunsichert. Er spielte mit ihr Katze und Maus. Und wie immer waren ihr die richtigen Worte nicht eingefallen, als sie sie gebraucht hätte. Allein der Gedanke, dass er im Nebenzimmer Patienten behandelte – oder auch nicht –, machte sie nervös.

Sie verdrängte den Gedanken an ihn, während sie sich auf das Ekzem am Bein ihrer Patientin konzentrierte.

„Die Stelle hat sich ein wenig entzündet, Mrs. Parker. Nehmen Sie noch die Salbe, die Logan Ihnen verschrieben hat?“

„Oh, ich muss gestehen, das habe ich häufig vergessen.“

„Im Augenblick sieht die Entzündung noch nicht so schlimm aus. Sie müssen mir versprechen, dass Sie die Salbe regelmäßig jeden Tag benutzen. In einer Woche kommen Sie wieder, und der Doktor sieht sich Ihr Bein an.“

„Also gut – solange es Logan ist, der mich untersucht.“ Mrs. Parkers Mund verzog sich missbilligend. „Ich muss gestehen, dass mich fast der Schlag traf, als ich heute Morgen Conner MacNeil in die Praxis kommen sah.“

„Conner ist Arzt.“ Flora klebte rasch ein Pflaster auf die Stelle an Mrs. Parkers Bein. „Er ist hier, um Logan zu helfen.“

„Helfen? Wie könnte er jemandem helfen? Er war schon als Junge so schlimm, dass seine Mutter weggelaufen ist. Seine eigene Mutter, das sagt doch alles. Und dass sein Vater zum Trinker wurde, daran war er bestimmt auch schuld. Vor fünf Jahren ist der Vater gestorben. Und hat man Conner auf der Beerdigung gesehen? Nein!“

Flora fühlte sich verpflichtet, Conner zu verteidigen. „Das ist lange her, Conner ist heute erwachsen und ein guter Arzt. Wer weiß, was damals wirklich in seiner Familie geschehen ist. Er hat nie darüber gesprochen.“

Sie erinnerte sich daran, wie liebevoll alle in ihrer eigenen Familie miteinander umgegangen waren. Und sie dachte an den Tag, als sie über die Klippen nach Hause gegangen und an Conners Haus vorbeigekommen war.

Das Schreien und Schimpfen hatte sie nie vergessen.

„Ich will Ihnen mal was sagen.“ Geringschätzig schaute Mrs. Parker sie an. „Dieser Junge ist weder sensibel noch hat er Mitgefühl für andere. Er denkt immer nur an sich selbst. Ich glaube auch nicht, dass er wirklich Arzt ist. Er hat es doch noch nie für nötig gehalten, sich anzustrengen und etwas zu lernen. Und wie er schon aussah heute Morgen. Logan ist immer sehr korrekt gekleidet, aber Conner MacNeil hat es nicht einmal für nötig gehalten, sich zu rasieren. Er sah aus …“

Attraktiv sah er aus, dachte Flora. Umwerfend attraktiv …

„Richtig zum Fürchten“, fuhr Mrs. Parker fort. „Jemand, der bei klarem Verstand ist, würde ihm auch als Arzt nicht über den Weg trauen. Er hat immer nur Probleme geschaffen, nie welche gelöst. Nun, er wird schnell merken, dass niemand mit ihm zu tun haben will.“

Mrs. Parker nickte zufrieden, bevor sie Flora fragend anschaute. Offensichtlich erwartete sie eine zustimmende Antwort.

„Ich glaube, dass die Patienten sich an Conner gewöhnen werden“, erwiderte sie ganz ruhig. „Er ist nicht mehr der rebellische Junge. Er ist jetzt erwachsen und ein qualifizierter Arzt. Logan ist froh, dass Conner ihm hilft.“

„Froh?“ Mrs. Parker war fassungslos. „Das ist doch nicht Ihr Ernst?“

„Logan schafft die Arbeit einfach nicht mehr allein. Wir brauchen einen zweiten Arzt auf der Insel.“

„Glauben Sie ja nicht, Conner MacNeil sei der geeignete Mann dafür. Selbst wenn er Arzt wäre, was ich immer noch bezweifle, weil man heute ja für Geld alles kaufen kann, so bin ich mir absolut sicher, dass keiner hier auf der Insel mit ihm zu tun haben will.“

Flora hörte nur noch mit halbem Ohr zu, während Mrs. Parker unentwegt weiterredete.

„Was meinen Sie dazu, meine Liebe?“ Die direkte Frage schreckte Flora aus ihren Gedanken auf. „Oh, ich bin mir noch nicht sicher“, sagte sie schnell. „Denken Sie daran, dass Sie Ihr Bein viel bewegen müssen“, wechselte sie rasch das Thema.

„Ja, ja, Sie haben es mir so oft gesagt, dass ich es nicht vergessen werde.“ Die ältere Frau erhob sich und belastete ihr krankes Bein. „Es fühlt sich schon viel besser an. Sie sind eine wunderbare Krankenschwester, meine Liebe.“

Was für ein dummes Gerede, dachte Flora wütend. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mrs. Parker.“

„Ich sage nur, was wahr ist. Alle auf der Insel sind so froh, dass Sie wieder da sind. Und Evanna ist ja durch Sie auch endlich entlastet. Halten Sie es für richtig, dass sie bei ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft immer noch arbeitet?“ Mrs. Parker fixierte Flora, die es vorzog, nicht zu antworten.

Mrs. Parker redete schon weiter. „Zum Glück passt ja Dr. MacNeil besonders gut auf sie auf, nach der Tragödie mit seiner ersten Frau. Ich glaube nicht, dass Evanna ein Problem mit der Geburt haben wird. Aber ich finde, sie sollte jetzt nicht mehr arbeiten.“

Flora schickte ein stummes Gebet zum Himmel, dass Mrs. Parker sich jetzt nicht ausführlich über das Thema Geburten auslassen würde. „Logan wird sich schon um sie kümmern“, sagte sie.

„Jedenfalls höre ich überall nur, dass die Leute sagen: ‚Haben Sie schon Flora gesehen? Sieht sie nicht gut aus?‘“

Flora war dies peinlich. „Reden die Leute wirklich über mich?“

„Natürlich, wenn ich es sage.“ Mrs. Parker nickte gewichtig. „Eine neue Krankenschwester hier auf Glenmore ist ein Ereignis, das die Leute schon berührt. Wir hoffen alle, dass Sie bald einen netten jungen Mann finden und eine Familie gründen.“

Eine Familie? „Daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht“, wehrte Flora ab. Sie fand es an der Zeit, das Gespräch endlich zu beenden. „Ich denke, Ihr Bein wird bald verheilen, Mrs. Parker. Machen Sie doch gleich mit Janet einen neuen Termin in einer Woche aus, wenn Sie gehen.“

„Das werde ich, aber ich möchte, dass Logan mich dann untersucht.“ Flora öffnete schon den Mund, um zu antworten, aber Mrs. Parker war nicht zu bremsen. „Ich glaube, es ist Zeit, dass jemand Logan klarmacht, was für ein großer Fehler es war, Conner MacNeil in die Praxis zu holen.“

Flora wusste, dass jede Bemerkung eine neue, weitschweifige Tirade auslösen würde. Sie reichte Mrs. Parker die Hand. „Vergessen Sie nicht, Ihr Bein hochzulegen, wenn Sie sitzen.“

„Versprochen.“ Mrs. Parker öffnete die Tür. „Passen Sie gut auf sich auf, und grüßen Sie Ihre Tante von mir.“

„Das mache ich gern.“ Nachdem Angela Parker die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ sich Flora auf ihren Stuhl fallen. Als sie einen Blick auf die Uhr an der Wand warf, stöhnte sie laut. Ihr Zeitplan war mal wieder hoffnungslos durcheinandergeraten.

„Probleme?“ Sie fuhr auf, als sie Logans Stimme hörte und ihn in der Tür stehen sah. „Angela Parker war lange bei dir. Gibt es Schwierigkeiten mit ihrem Bein?“

„Nein, aber es hat sich auch nicht gebessert, weil sie die Salbe nicht regelmäßig benutzt. Ich behalte das im Auge. Wenn es nächste Woche noch nicht besser ist, sage ich dir Bescheid.“

„Wenn du dir wegen Mrs. Parker keine Sorgen machst, warum siehst du dann so bedrückt aus?“

„Ich lerne es wohl nie, ich bin ein hoffnungsloser Fall“, seufzte sie.

„Unsinn, du bist eine erstklassige Krankenschwester.“

„Ich mache mir keine Sorgen wegen der beruflichen Anforderungen. Es ist der Rest, der mich nervt. Diese ständigen Klatschgeschichten, dieses endlose Gerede über alles und jeden. Diese Art von Small Talk liegt mir einfach nicht. Ich habe keine Lust, über alles mitzureden, sei es Joe Carpenters Scheidung oder Janey Smiths Strafmandat für zu schnelles Fahren.“

„Ich sage am Tag mindestens hundert Mal: ‚Das ist ja interessant‘. Und wenn es notwendig ist, setze ich ein besorgtes Gesicht auf und sage: ‚Das könnte unangenehme Folgen haben.‘ Dann sind sie wieder sehr schnell bei ihren medizinischen Problemen.“

„Das werde ich bei der nächsten Gelegenheit ausprobieren“, erwiderte Flora. „Besonders stört mich übrigens, dass offenbar alle auch über mich reden.“

„Das ist Glenmore“, entgegnete Logan lachend. „Natürlich reden sie über dich. Sie reden hier über jeden. Aber meistens ist das freundlich gemeint. Du warst lange in der Großstadt, du bist nicht mehr gewohnt, wie es auf einer kleinen Insel zugeht. Aber die Gespräche über Conner sind alles andere als freundlich, nicht wahr?“

Beunruhigt schaute Flora Logan an und nickte. „Es ist der blanke Horror. Zugegeben, ich war auch geschockt, als ich ihn hier sah. Aber die Feindseligkeit der anderen ist unglaublich. Sie drohen, ihn und die Praxis zu boykottieren.“

„Ein paar Patienten waren schon bei ihm. Es wird sich herumsprechen, dass er ein guter Arzt ist“, meinte er. „Außerdem kann Conner sehr gut auf sich selbst aufpassen.“

„Hoffentlich.“ Eingehend musterte sie Logan. „Du siehst müde aus. Kann ich dir irgendwie helfen?“

„Das tust du doch schon. Du wirst auch noch herausfinden, dass der Job hier manchmal sehr anstrengend sein kann.“ Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. „Außerdem war ich die halbe Nacht auf wegen der kleinen Helen Peters. Sie hatte wieder …“

„… eine ihrer bösen Asthma-Attacken?“ Flora lächelte. „Das weiß ich längst. Mrs. Abbot hat es heute Morgen erwähnt. Sie hatte es von Sam gehört, als sie bei ihm Fisch kaufte, und er wusste es wiederum, weil …“

„… er direkt gegenüber den Peters wohnt“, unterbrach Logan sie. „Trag es mit Fassung, Flora. So sind die Leute hier nun einmal. Sam hat mich übrigens angerufen, als er abends spät sah, dass bei den Peters’ das Haus hell beleuchtet war. Er ging hinüber, um sich zu erkundigen, ob er helfen könnte.“

„Das war sehr nett von ihm“, erwiderte Flora.

„Die Leute sind durchweg sehr nett hier. Und sie kümmern sich um die anderen.“

Flora nickte. „Und wie geht es der kleinen Helen mittlerweile?“

„Ich hoffe, ich konnte sie stabilisieren. Ich sprach mit ihrer Mutter und bat sie, die Kleine nicht zu viel Sport machen zu lassen. Die körperliche Anstrengung bekommt ihr momentan nicht gut. Könntest du heute Nachmittag noch einmal dort vorbeigehen und nach ihr sehen?“

„Selbstverständlich.“ Ja, das war das Glenmore, das sie mochte. Wo sich die Menschen umeinander kümmerten. Genau deswegen war sie so gern zurückgekommen.

„Bis später dann“, sagte Logan und ging zur Tür. Als er sie öffnete, kam Conner herein.

„Hallo, Conner“, sagte Flora etwas atemlos, während sie spürte, wie ihr Körper sich anspannte.

Er trat zur Seite, um Logan vorbeizulassen. „War das nicht Angela Parker, die eben weggegangen ist?“, fragte er. „Sie scheint für die Olympischen Spiele zu trainieren. Als sie mich sah, rannte sie los, als ob die Hunde hinter ihr her wären. Erstaunlich für eine alte Dame mit einem kranken Bein.“

„Das ist die beste Therapie für sie. Sie bewegt sich viel zu wenig, obwohl wir es ihr ans Herz gelegt haben.“

„Dann sollte ich immer auftauchen, wenn sie hier ist“, scherzte er.

Wie selbstbewusst und leicht er mit einer Situation umging, die jeden anderen betroffen gemacht hätte. Die Reaktionen der Einheimischen schienen ihm tatsächlich gleichgültig zu sein.

Flora räusperte sich, um ihre Kehle freizubekommen. „Mrs. Parker war sehr erstaunt, dass du Arzt geworden bist.“

Conner lachte. „Die liebe Flora, immer bemüht, die Wogen zu glätten. Sag mir, was tatsächlich ihre Meinung ist. Meine Schultern sind breit genug, ich kann es ertragen.“

Seine Schultern waren wirklich breit – Flora war sich seiner körperlichen Vorzüge nur zu bewusst.

„Sie glaubt nicht, dass du Arzt bist. Und sie würde dich niemals konsultieren, weil ihr ihre Gesundheit so wichtig ist.“

„Und mir ist mein Gemütszustand zu wichtig, als dass ich mich mit ihr abgeben möchte. Also können wir beide zufrieden sein.“

„Du kannst ruhig deine Späße machen“, meinte Flora. Sie stand auf und legte eine Packung Impfstoff in den Kühlschrank. „Du hast einfach keine Ahnung, wie es hier wirklich zugeht. Wir, das heißt Logan und ich, sind mit Arbeit mehr als ausgelastet. Und jetzt in der Saison bringt die Fähre jeden Tag neue Touristen auf die Insel. Logan braucht dringend Unterstützung. Er hat kaum noch Zeit, seine Frau und seine Tochter zu sehen. Und Evanna wird in ein paar Wochen ihr Kind bekommen. Er braucht jemand, auf den er sich hundertprozentig verlassen kann.“

„Und du glaubst, bei mir kann er das nicht?“

„Was ich denke, ist unwichtig.“ Wenn sie sich ihm doch nur richtig verständlich machen könnte. „Solange die Patienten sich weigern, mit dir zu sprechen, bist du für Logan keine Hilfe.“

„Reg dich nicht auf. Die Touristen werden schon zu mir kommen. Ich habe mit Janet gesprochen und sie gebeten, die Patienten, die keine Vorurteile gegen mich haben, für mich zu reservieren.“

„Conner …“

„Ich habe nicht erwartet, dass man mich hier mit offenen Armen empfängt.“ Er lächelte. „Würdest du mich jetzt bitte entschuldigen? Die Patienten stehen Schlange nach mir, und ich möchte sie nicht warten lassen.“

Flora war entsetzt über seinen Sarkasmus. Wie konnte sie nur positive Gefühle für diesen Mann empfinden? Wieso fand sie ihn attraktiv?